| Titel: | Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven. | 
| Autor: | Max Osthoff | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 263 | 
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                        Die Lentz-Ventilsteuerung an
                           								Lokomotiven.
                        Von Dr.-Ing. Max Osthoff, Reg.-Baumeister
                           								in Duisburg.
                        (Schluß von S. 247 d. Bd.)
                        Die Lentz-Ventilsteuerung an Lokomotiven.
                        
                     
                        
                           d) Bei Ventilantrieb durch
                                 										schwingende exzentrische Nockenwelle.
                           Während der im vorstehenden untersuchte Ventilantrieb der Lentz-Steuerung durch eine zentrische Nockenwelle nur in geringerer Anzahl
                              									bisher zur Ausführung gelangt ist, zeigt Fig. 28
                              									eine Lentz-Steuerung, welche man bei vielen ortsfesten
                              									Dampfmaschinen mit getrennten Ein- und Auslaßexzentern findet Diese Steuerung
                              									unterscheidet sich von der im vorigen Abschnitt beschriebenen insofern, als die
                              									Ventilspindelachse die Nockenwellenachse nicht schneidet, sondern in einer gewissen
                              									Entfernung, die je nach Größe der Nockenwellen verschieden ist, (exzentrisch) daran
                              									vorbeigeht.
                           In Fig. 29 ist die Steuerung einer stehenden
                              									Verbunddampfmaschine von 620 und 1000 mm Zylinderdurchmesser und 550 mm Hub
                              									schematisch angegeben. Die Umdrehungszahl beträgt n =
                              									150 pro Min. Wir wollen die Bewegungsverhältnisse des Ventils, veranlaßt durch Kurve
                              									I, an einem Auslaßnocken mit einer sehr flachen Ventilerhebungskurve und die durch
                              									die Kurve II veranlaßten Bewegungsverhältnisse an einem Einlaßnocken mit einer
                              									äußerst steilen Ventilerhebungskurve untersuchen.
                           In Fig. 30a ist der
                              									Auslaßnocken und 30b
                              									das Auslaßexzenter von unveränderlichem Hub dargestellt. Wir ersetzen wieder den
                              									Nocken durch seine Ventilerhebungskurve und die Rolle durch eine Schneide.
                           
                           Diese Schneide geht aber nicht durch die Nockenwellenachse O, sondern in der Entfernung k (exzentrisch) daran vorbei. Lassen wir wieder die Nockenwelle in der
                              									Ruhestellung- und bewegen wir das Ventil bzw. die Schneide um den Nocken herum, so
                              									haben wir (Fig. 30a)
                              									folgenden Bewegungsfall: Einrechtwinklig gekröpfter Hebel, welcher um O drehbar ist, wird durch eine Exzenterstange, im
                              									Punkte H angreifend, in hin- und herschwingende
                              									Bewegung versetzt. Ein Schieber, dessen Schneide durch die Kurve I gehoben bzw.
                              									gesenkt wird, ist im Abstand k von dem radialen Teil
                              									des Hebels, parallel zu demselben verschiebbar gelagert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 264
                              Fig. 28.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 264
                              Fig. 29. Steuerungsschema.
                              
                           Nachdem wir den Pol P1
                              									konstruiert und durch M1 eine zu der Richtung der Schieberachse parallele Gerade M1D1 gezogen haben,
                              									ergibt sich ähnlich wie im vorigen Abschnitt der Ventilweg:
                           s1= e1 . cos(η1 – ω1) – b1 . cos(ϕ1 + ω1 – η1) – a1 . cos η1.
                           Mit Hilfe der Beziehung:
                           OD1 +
                              										B1D1 = k = Constans = e1 . sin(η1 – ω1) + b1 . sin(ϕ1 + ω1 – η1)
                           bestimmen wir
                           
                              d\,\varphi_1=\frac{e_1}{b_1}\cdot\frac{\mbox{cos}\,(\eta_1-\omega_1)}{\mbox{cos}\,(\varphi_1+\omega_1-\eta_1)}\cdotd\,\omega_1-d\,\omega_1.
                              
                           Es ist ferner
                           
                              \frac{d\,\omega_1}{dt}=\frac{R\cdot\mbox{sin}\,\alpha\cdotw}{d\cdot\mbox{cos}\,(\delta_1+\omega_1)}
                              
                           gleich der Winkelgeschwindigkeit der Nockenwelle.
                           Führen wir wieder die Bezeichnung
                           
                              
                                 h1= d . cos(δ1 + ω1),
                                 
                                 m1 = e1 . sin(η1 – ω1),
                                 
                              
                                 n1 = e1 . cos(η1 – ω1)
                                 und
                                 r1= m1+ n1 . tang(ϕ1
                                    											+ ω1
                                    											– η1)
                                 
                              
                           ein, so ergibt sich die Geschwindigkeit des Ventils zu:
                              										v_1=\frac{R\cdot\mbox{sin}\,\alpha_1\cdot w\cdot r_1}{h_1}
                              									und die Beschleunigung zu:
                           
                              f_1=R\cdot\mbox{cos}\,\alpha_1\cdot w^2\cdot
                                 										\frac{r_1}{h_1}+\left[\frac{R\cdot \mbox{sin}\,\alpha_1\cdot
                                 										w}{h_1}\right]^2\cdot \left[\frac{n_1^2}{b_1\cdot
                                 										\mbox{cos}^3\,(\varphi_1+\omega_1-\eta_1)}+r_1\cdot
                                 										\mbox{tang}\,(\delta_1+\omega_1)-n_1+m_1\cdot
                                 										\mbox{tang}\,(\varühi_1+\omega_1-\eta_1)\right].
                              
                           Die in diesen Gleichungen vorkommenden Größen bis auf w
                              									sind, wie in den Fig.
                                 										30a und 30b für die Stellung des Ventils im Wendepunkt geschehen, mit wenigen
                              									Linien zeichnerisch leicht zu konstruieren.
                           Bei n = 150 Umdrehungen/min, beträgt für Kurve I
                              										(Fig. 31) die Beschleunigung im Wendepunkt f1w rund 30 m/Sek.2, für Kurve II
                              									ist f2w = rund 13 m/Sek.2.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 264
                              Fig. 30a und 30b. Schwingende exzentrische Auslaßnockenwelle.
                              
                           In ähnlicher Weise finden wir (Fig. 32a und 32b) die
                              									Bewegungsverhältnisse des Ventils, veranlaßt durch Kurve II. In Fig. 33 ist die
                              									Bewegung des Ventils auf ein verschiebbares Gitter zurückgeführt. Die Schneide ist
                              									hier nicht in radialer Richtung verschiebbar, sondern auf einem Gitterstabe, dessen
                              									Verlängerung den Kreis um O mit k als Halbmesser berührt.
                           Der Ventilweg ist nach Fig.
                                 										32b
                           s2 =
                              										a2 . cos η2 – b2 . cos(ϕ2 – ω2 – η2) – e2 . cos(ω2 + η2).
                           Die Ventilgeschwindigkeit ist
                           
                              v_2=\frac{R\cdot \mbox{sin}\,\alpha_2\cdot w\cdot r_2}{h_2}.
                              
                           Die Ventilbeschleunigung ergibt sich zu
                           
                              f_2=R\cdot \mbox{cos}\,\alpha_2\cdot w^2\cdot
                                 										\frac{r_2}{h_2}+\left[\frac{R\cdot \mbox{sin}\,\alpha_2\cdot
                                 										w}{h_2}\right]^2\cdot \left[\frac{n_2^2}{b_2\cdot
                                 										\mbox{cos}^3\,(\varphi_2-\omega_2-\eta_2)}+n_2-m_2\cdot
                                 										\mbox{tang}\,(\varphi_2-\omega_2-\eta_2)-r_2\cdot
                                 										\mbox{cot}\,(\delta_2+\omega_2)\right].
                              
                           In Fig. 32a, b ist die
                              									Beschleunigung bzw. Verzögerung für die Stellung des Ventils im Wendepunkt
                              									zeichnerisch konstruiert. Dieselbe beträgt f2w = 76 m/Sek.2, während die Beschleunigung f1w im Wendepunkt, veranlaßt durch Kurve 1, 2225 m/Sek.2 beträgt. Die letztere ist außerordentlich groß.
                              									Doch ist ja hier der Betriebszustand – größte Füllung bei normaler Umdrehungszahl –
                              									untersucht, welcher in Wirklichkeit nicht vorkommt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 264
                              Fig. 31.
                              
                           Die Kurven für v1, v2, f1 und f2, bei letzteren auch
                              									noch die einzelnen Komponenten, sind auf den Ventilhub bezogen in Fig. 31 für das Auslaßventil und in Fig. 34 für das Einlaßventil dargestellt für den
                              									Betriebszustand der größten Füllung bei der normalen Umdrehungszahl von n = 150 i d. Min. Für die Kurve f1 in Fig.
                                 										34 ist wegen ihrer sehr großen Ordinaten ein 10 mal kleinerer Maßstab
                              									gewählt als wie für die Kurve f2.
                           Der Höchstwert der Verzögerung, welcher für die Berechnung der Ventilfedern maßgebend ist, tritt auch
                              									bei diesem Ventilantrieb im Wendepunkt auf.
                           Vergleichen wir die Kurven v1, v2, f1 und f2 mit den
                              									entsprechenden bei dem zentrischen Nockenwellenantrieb (Fig. 27), so zeigt sich ein etwas anderer Verlauf derselben, besonders
                              									der Kurve f1. Die
                              									Beschleunigung sinkt anfangs bis zu dem Punkte, wo ϕ1 + ω1 = η1 und m1
                              									= k = r1 wird. Von da
                              									ab wächst die Beschleunigung bis zum Wendepunkt.
                           Wegen des anderen Verlaufes der Kurven für v1 und f1 und ebenso derjenigen für v2 und f2, läßt sich der Ventilantrieb durch eine
                              									exzentriche Nockenwelle durch Wahl passender Ventilerhebungskurven und
                              									Winkelgeschwindigkeiten der Nockenwellen nicht derartig ausführen, daß die
                              									Geschwindigkeit und Beschleunigung des Ventils in allen Stellungen die gleiche wird,
                              									wie bei dem Antrieb durch eine zentrische Nockenwelle. Vernachlässigen wir für eine
                              									überschlägliche Betrachtung die geringen Unterschiede, indem wir annehmen, daß wir
                              									die Kurven für s1, s2, v1, v2, f1 und f2 für beide
                              									Ventilantriebe angenähert zur gegenseitigen Deckung gebracht hätten (praktisch sind
                              									sie einander gleich), so bietet der Ventilantrieb durch exzentrische Nockenwelle
                              									gegenüber dem durch zentrische Nockenwelle, ähnlich wie der spitzwinklige gegenüber
                              									dem rechtwinkligen Kurvenschub, den Vorteil, daß sich die Kräfte in Richtung
                              									Ventilspindel (vgl. Fig. 26 und 33), als
                              									Tangentialkräfte auf die Nockenwelle, oder umgekehrt, besser übertragen, und die
                              									Drücke in den Spindelführungen usw. geringer werden. Dementsprechend werden auch die
                              									Reibungsverluste und der Arbeitsverbrauch kleiner.
                           Der Nachteil, daß der spitzwinklige Kurvenschub sich konstruktiv sehr schwierig
                              									gestaltet, fällt bei dem exzentrischen Nockenwellenantrieb mit gesonderten Ein- und
                              									Auslaßexzentern, wie aus Fig. 28 hervorgeht, fort.
                              									Für die hier dargestellte liegende Dampfmaschine ist dieser Antrieb sogar
                              									erforderlich wegen der Bauart der Ventilspindeln. Für stehende Maschinen (vgl. Fig. 29) ist sowohl der zentrische als auch der
                              									exzentrische Antrieb ausführbar, nur werden sich die Herstellungskosten bei dem
                              									letzteren etwas höher stellen.
                           Für Steuerungen an Lokomotiven und solchen Maschinen, bei welchen für je zwei Ein-
                              									und Auslaßventile nur ein resultierendes bzw. wirkliches Exzenter und also auch nur
                              									eine Nockenwelle vorhanden sind, läßt sich der exzentrische Nockenwellenantrieb
                              									nicht ohne weiteres anwenden. Die Nocken für Einlaß- und Auslaßventile liegen sich
                              									bei der Ventilanordnung nach Fig. 23b gerade
                              									gegenüber, damit nach Schließen eines Einlaßventiles sich das zugehörige
                              									Auslaßventil bei gleicher Hubrichtung des Exzenters öffnet und umgekehrt. Wollte man
                              									durch exzentrische Anordnung der Welle in der Entfernung h (in Fig. 23b nach oben hin) die
                              									Kraftübertragung bei den Einlaßventilen verbessern, so würde man dieselbe
                              									gleichzeitig für die mit den Einlaßventilen in derselben Horizontalebene liegenden
                              									Auslaßventile verschlechtern. Es würde hier ein dem stumpfwinkligen Kurvenschub
                              									ähnlicher Ventilantrieb entstehen Dieser Uebelstand ließe sich vermeiden, wenn man
                              									die Auslaßventile in eine Ebene verschöbe (in Fig.
                                 										23b nach oben hin), welche von den Einlaßventilen den Abstand 2k hätte, derartig, daß die Nockenwelle in der Mitte
                              									dazwischen läge. Alsdann würden aber die Vorteile dieses Ventilantriebes die
                              									schwierigere Ausführung desselben wohl kaum aufwiegen. Es lassen sich zwar die Ein-
                              									und Auslaßventile noch in anderer Weise exzentrisch zu der Nockenwelle anordnen,
                              									jedoch ist auch hier die Hauptbedingung für eine Lokomotivsteuerung – die
                              									Einfachheit derselben nicht erfüllt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 265
                              Schwingende exzentrische Einlaßnockenwelle.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 265
                              Fig. 34.