| Titel: | Der gegenwärtige Stand des Fördermaschinenbaus mit besonderer Berücksichtigung des elektrischen Antriebes. | 
| Autor: | K. Drews | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 274 | 
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                        Der gegenwärtige Stand des Fördermaschinenbaus
                           								mit besonderer Berücksichtigung des elektrischen Antriebes.
                        Von Ingenieur K. Drews.
                        (Schluß von S. 263 d. Bd.)
                        Der gegenwärtige Stand des Fördermaschinenbaus mit besonderer
                           								Berücksichtigung des elektrischen Antriebes.
                        
                     
                        
                           Wie bei Besprechung der Gleichstromfördermaschinen dargelegt worden ist, wird
                              									der Steuerhebel bei negativer Belastung, d.h. beim Lastsenken in derselben Weise wie
                              									bei positiver betätigt und erfordert hierbei keine erhöhte Aufmerksamkeit. Der
                              									Fördermotor arbeitet dann unter dem Rücktrieb als Dynamo und schickt den erzeugten
                              									Strom in den Umformer; dessen Antriebsmotor wird entlastet und das Schwungrad nimmt
                              									die frei werdende Energie auf. Eine Last kann also ohne Zuhilfenahme der
                              									mechanischen Bremse mit beliebiger Geschwindigkeit gesenkt werden. Ebenso wird bei
                              									Lastenförderung durch elektrische Bremsung in der Verzögerungsperiode ein
                              									beträchtlicher Teil der Anfahrleistung wiedergewonnen. Wie liegen nun nach dieser
                              									Richtung hin die Verhältnisse bei Dampffordermaschinen?
                           Eingehängte Lasten werden hier mittels der mechanischen Bremse oder durch
                              									Gegendampfgeben gesenkt; letzteres besonders stellt an die Geschicklichkeit und
                              									Aufmerksamkeit des Maschinisten sehr hohe Ansprüche. Das Gegendampfgeben ist in
                              									keiner Weise mit der elektrischen Bremsung zu vergleichen; die Senkgeschwindigkeit
                              									kann hier innerhalb weiter Grenzen so geregelt werden, daß die Last mit
                              									gleichförmiger Geschwindigkeit herabgeht. Beim Gegendampfgeben lassen sich die
                              									Verhältnisse überhaupt nicht vorher bestimmen; mit jeder Umdrehung ändern sie sich.
                              										Fig. 40Z.d.V.D.I. 1907, S. 1566. zeigt drei aufeinander folgende
                              									Gegendampfdiagramme, die an einer Zwillingsmaschine aufgenommen wurden. Man sieht
                              									die steigende Kompressionsspannung. In Fig. 41 sind
                              									dann die berechneten zugehörigen Tangentialdrücke für eine Viertelumdrehung
                              									dargestellt; sie veranschaulichen deutlich die immer wachsende Ungleichmäßigkeit des
                              									Drehmomentes, und zwar geschieht dies in ganz regelloser Weise.
                           Der Maschinist muß also scharf aufpassen, daß die Maschine nicht zum Stillstand kommt
                              									oder gar ihre Drehrichtung umkehrt. Er muß gegebenenfalls für kurze Zeit Treibdampf
                              									geben. Gegendampf wird aber auch bei positiver Belastung, also bei Lastenförderung
                              									zur Abkürzung des Auslaufweges namentlich bei Trommelmaschinen, weniger bei Koepe-Maschinen gegeben. So wirkungsvoll dieses Mittel
                              									hierfür auch ist, es erhöht den Dampfverbrauch und erfordert eine sehr geschickte
                              									Handhabung des Steuerhebels.
                           In der Z.d.V.D.I. 1907 S. 1565 beschreibt J. Iversen
                              									eine neue Regelungsvorrichtung der Bergwerksmaschinen-Gesellschaft
                              									„Atlas“ in Berlin. Diese Vorrichtung
                              									verfolgt den doppelten Zweck, einmal das Gegendampfgeben, dann das Ueberschreiten
                              									einer bestimmten Höchstgeschwindigkeit zu verhindern.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 273
                              Fig. 40. Gegendampfdiagramme.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 273
                              Fig. 41. Veränderlichkeit der Tangentialdrücke beim Gegendampfgeben.
                              
                           Beides wird erreicht durch Einwirken auf das Drosselventil und
                              									auf die Bremse, Die Bremswirkung ist von Null bis zu ihrem Höchstwert stufenweise
                              									regelbar. Bei überhängenden Lasten, d.h. beim Lastsenken wird die Bremse auf den
                              									Betrag angezogen, der noch gerade genügt, daß die Dampfmaschine positive Arbeit zu
                              									leisten hat. Die Bremse wird von dem Maschinisten betätigt; dies kann aber auch selbsttätig
                              									durch einen vom Teufenzeiger betätigten Fahrtregler geschehen, der durch Einwirken
                              									auf das Drosselventil und gegebenenfalls auf die Bremse, die Fördergeschwindigkeit
                              									regelt, und zwar unabhängig von der Belastung. Letzeres ist natürlich in
                              									betriebstechnischer Hinsicht ein großer Vorteil, ein Vorteil, der bisher nur der
                              									elektrischen Fördermaschine eigen war. Mit dieser Vorrichtung ist zugleich ein
                              									Anfahrregler verbunden, der das Anfahren nach falscher Richtung verhindert.
                              									Bezüglich der konstruktiven Ausgestaltung der ganzen Vorrichtung verweise ich auf
                              									die oben angezogene Quelle.
                           Was nun die Rückgewinnung von Energie während der Verzögerungsperiode und beim
                              									Lastsenken betrifft, so sind in den letzten Jahren seitens der
                              									Dampfmaschinenkonstrukteure auch nach dieser Richtung Anstrengungen gemacht worden,
                              									der elektrischen Fördermaschine ein Gleichwertiges an die Seite zu stellen. Ein
                              									Mittel hierzu boten Stauvorrichtungen, wie sie bei Umkehrwalzenstraßen, deren
                              									Betriebsweise ja in mancher Beziehung Berührungspunkte mit derjenigen von
                              									Fördermaschinen hat, schon seit längerer Zeit verwandt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 274
                              Fig. 42. Rohrleitung einer Zwillings-Tandem-Fördermaschine mit Stauschieber
                                 										(Pat. Grunewald).
                              A Gegebenenfalls zum Akkumulator
                                 										und Niederdruckturbine. D Drosselschieber. F Frischdampfleitung. G Leitung zum
                                 										Entweichen des Gegendruckes auf den Hochdruckkolben beim Anfahren. HD
                                 										Hochdruckzylinder. ND Niederdruckzylinder. R Verbinder. r Sicherheitsventil. S
                                 										Stauschieber. V Rückschlagventil; Bemerkg.: Bei der Stau-Nockensteuerung (Pat.
                                 										Grunewald) fallen S, G, V u. F fort.
                              
                           Ein Aufsatz „Stau- und Regelvorrichtungen bei Dampffördermaschinen“ von Grunewald in der Z.d.V.D. 1. 1907, S. 1736 u.f.
                              									beschäftigt sich mit dieser Frage.
                           Fig. 42 veranschaulicht das Prinzip der
                              									Stauvorrichtung für eine Verbundmaschine. Den Verkehr zwischen Hochdruckzylinder HD und Verbinder (Aufnehmer) R sowie zwischen diesem und dem Niederdruckzylinder ND vermittelte in von der Umsteuerwelle betätigter
                              									Kolbenschieber, der sog. Stauschieber S. In der
                              									Auslaufperiode und bei negativer Belastung, wo man sonst Gegendampf gibt, d.h. wo
                              									der eintretende Dampf und der Kolben sich gegeneinander bewegen, wirkt der
                              									Eintrittsdampf wohl weiter auf den Kolben ein, aber er wird stark gedrosselt;
                              									zugleich wird der Niederdruckzylinder vom Verbinder abgetrennt und der Abdampf des
                              									Hochdruckzylinders staut sich nun im Verbinder an, dessen Spannung schnell steigt
                              									Ueberschreitet die Verbinderspannung den Kesseldruck um etwa eine Atmosphäre, so
                              									gelangt der Dampf durch ein Sicherheitsrückschlagventil r in die Frischdampfleitung F, d.h. in den
                              									Kessel zurück. Die Wirkung einer Stauvorrichtung beruht also darauf, daß man am
                              									Hochdruckkolben eine Druckdifferenz schafft, die beim Auslauf der bewegten Massen
                              									verzögernd auf diese wirkt, bei negativer Belastung der überhängenden Last das
                              									Gleichgewicht hält, so daß sie mit gleichförmiger Geschwindigkeit niedergeht.
                              									Im Gegensatz zum Gegendampf geht der eintretende Dampf nicht verloren, sondern
                              									er wird zum größten Teil zurückgewonnen. Ein Teil des Arbeitsvermögens der bewegten
                              									Massen kann dabei in Dampfenergie umgewandelt und aufgespeichert werden, die dann in
                              									der Anfahrperiode nutzbringend verwandt wird. Der Gewinn besteht hauptsächlich
                              									darin, daß die Maschine schneller anläuft und daher die wirtschaftlichen höheren
                              									Expansionsgrade mehr zur Geltung kommen können. Beim Anfahren wirkt nämlich der im
                              									Verbinder aufgestaute Dampf auf den Niederdruckkolben; die Maschine entwickelt also
                              									gleich beim Anhub die größte Anzugskraft.
                           Bei Zwillingsfördermaschinen ohne Verbundwirkung wird der Staudampf in den Kessel
                              									zurückgedrückt. Die Vorteile beim Anfahren sind natürlich hier nicht so groß wie bei
                              									Verbundmaschinen.
                           Das Geschwindigkeitsdiagrarnm Fig. 43Die Figuren 42
                                    											und 43 sind mir von Herrn
                                    											Regierungsbaumeister Grunewald freundlichst zur
                                    											Verfügung gestellt worden. Fig. 43 zeigt das
                                    											Versuchsergebnis mit Stauvorrichtung aus allerletzter Zeit.
                              									veranschaulicht den Gewinn durch die Stauung des Dampfes. Es bezieht sich auf eine
                              									Zwillings-Tandemmaschine mit Koepescheibe; die Teufe beträgt 714 m. Nach dem
                              									Diagramm liegen die Vorteile der Stauung in der großen Beschleunigung beim Anfahren,
                              									in der kräftigen Bremswirkung beim Auslauf und in dem geringeren Dampfverbrauch
                              									infolge kleinerer Zylinderfüllungen. Die Füllungsänderung geschieht selbsttätig
                              									durch einen Regler.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 274
                              Fig. 43. Geschwindigkeitsdiagramm für Koepescheibe, Teufe 714 m (bei
                                 										Trommelmaschine Stau größer).
                               Zeit- und Dampfersparnis; –––– Mit
                                 										Stauschieber oder Nockensteuerung; – - – Ohne Stauschieber oder Nockensteuerung;
                                 										- - - - Mit Zulassung von gedrosseltem Dampf; abcd Theoretisches Diagramm mit
                                 										vollkommen freiem Auslauf.
                              
                           Selbstverständlich ist die Ersparnis an Zeit geringer, wenn die Maschine nicht frei
                              									ausläuft, sondern Gegendampf angewandt wird. Es soll hier gleich bemerkt werden, und
                              									in dem oben genannten Aufsatz wird dies ausdrücklich bestätigt, daß der Hauptzweck
                              									der Stauvorrichtung die genauere und sichere Führung der Maschine ist; denn im
                              									Gegensatz zu den Gegendampfdiagrammen (Fig. 40)
                              									nehmen die Staudiagramme einen regelmäßigen, vorher zu bestimmenden Verlauf. Von dem
                              									verausgabten Dampf wird nur der in der Stauperiode in die Zylinder gelangende mit
                              									einem kleinen Ueberschuß an Spannung zurückgewonnen. Die diesem Ueberschuß
                              									entsprechende Dampfwärme ist denn auch der – natürlich recht kleine – Teil, der als
                              									wirkliche Rückgewinnung der beim Anfahren aufgewandten Energie zu buchen ist. Es
                              									darf nämlich nicht vergessen werden, daß der in der Stauperiode eintretende Dampf
                              									mehr oder weniger stark gedrosselt wird, daß also ein Teil seiner Energie vor
                              									Eintritt in den Zylinder vernichtet wird. Wenn der Dampf durch die sich bewegenden
                              									Massen wieder auf die Kesselspannung komprimiert wird, so ist
                              									das also kein Gewinn, sondern nur eine Erstattung- der Auslagen.
                           Es wäre daher ganz falsch, wollte man bei der Dampfmaschine von Energiegewinn in
                              									denselbem Sinne sprechen wie beim Elektromotor. Das ist eben der große Vorteil des
                              									letzteren, daß er ohne weiteres sowohl Stromverbraucher wie Stromerzeuger sein kann;
                              									von außen angetrieben verwandelt er mechanische Arbeit in elektrische. Der
                              									Dampfzylinder kann jedoch nicht zum Dampfkessel werden. Wohl könnte er zum
                              									Luftkompressor werden, aber dies kommt bei Fördermaschinen nicht in Betracht.
                           Bei elektrischem Betrieb kann man in der Tat die von einer niedergehenden Last
                              									geleistete Arbeit zum größten Teil gewinnen. Es mag hier jedoch nicht unerwähnt
                              									bleiben, daß es nicht ganz richtig ist, wenn immer gesagt wird, der vom Fördermotor
                              									erzeugte Strom wird ins Netz zurückgeschickt. Man könnte dabei auf den Gedanken
                              									kommen, daß, wenn oft mit eingehängten Lasten gearbeitet wird, die elektrische
                              									Fördermaschine unmittelbar zur Stromversorgung mit herangezogen werden kann. Es wäre
                              									dies ja auch möglich, wenn das Kraftwerk Gleichstrom lieferte oder eine
                              									Pufferbatterie vorhanden wäre. In den meisten Fällen hat man es jedoch mit Drehstrom
                              									und Schwungradumformer zu tun. Die durch den Fördermotor gewonnene elektrische
                              									Energie gelangt also nicht ins Leitungsnetz, sondern sie entlastet das Kraftwerk nur
                              									bis auf den zum Leerlauf des Umformer-Drehstrommotors nötigen Strom und dient zum
                              									Aufladen des Schwungrades sowie zur Ueberwindung der Eigenwiderstände des Umformers.
                              									Hat das Schwungrad seine höchste Umlaufzahl erreicht, so muß der überschüssige Teil
                              									der erzeugten Energie durch die Bremse oder in Widerständen vernichtet werden.
                              									Solche Fälle, wie der hier angenommene, dürften in der Praxis jedoch recht selten
                              									vorkommen.
                           Ueberblicken wir noch einmal die Entwicklung des Dampffördermaschinenbaues in den
                              									letzten Jahren, so kann man zugeben, daß auf diesem Gebiete sehr große Fortschritte
                              									sowohl in wirtschaftlicher wie in betriebstechnischer Hinsicht gemacht worden sind.
                              									Die höhere Wirtschaftlichkeit der modernen Zwillings-Tandemmaschinen gegenüber der
                              									älteren Zwillingsmaschine veranschaulichen die beiden Diagramme (Fig. 44 u. 45). In
                              										Fig. 45 leistet 1 kg Dampf 16600 m/kg, in Fig. 44 62300 m/kgAd. Wallichs:„Dampffördermaschinen oder elektrische Fördermaschinen.“ Z.d.V.d.I.
                                    											1907..
                           Nach der betriebstechnischen Seite, namentlich was die Sicherheitsvorrichtungen und
                              									die Unabhängigkeit von besonderer Geschicklichkeit des Maschinisten betrifft, ist
                              									der anfängliche Abstand von der elektrischen Fördermaschine erheblich verringert
                              									worden, allerdings auf Kosten der Einfachheit. Sicherheitsvorrichtungen, die
                              									beim elektrischen Antrieb mit den einfachsten Mitteln zu erreichen sind und zumeist
                              									schon in der Natur des Elektromotors liegen, erfordern bei Dampfbetrieb ein recht
                              									verwickeltes System von Hebeln, Stangen, Anschlägen, Hilfsmotoren, Schiebern u.
                              									dergl., die nicht selten in dem Betriebsbeamten ein unbehagliches, Gefühl erwecken
                              									müssen. Die Teufenzeiger der A.E.G. und der Siemens-Schuckertwerke (Fig. 15, S. 194 und
                              										Fig. 25, S. 225) zeigen eine wahrhaft klassische
                              									Einfachheit gegenüber den Teufenzeigern, die in den beiden oben genannten Arbeiten
                              									in der Z.d.V.D.I. dargestellt sind.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 275
                              Fig. 44. Dampfdiagramm einer älteren Zwillingsfördermaschine. (1 kg Dampf
                                 										leistet 62300 m/kg.)
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 275
                              Fig. 45. Dampfdiagramm einer modernen Zwillings-Tandemfördermaschine. (1 kg
                                 										Dampf leistet 16600 m/kg.)
                              
                           Es kann nicht geleugnet werden, daß die Dampffördermaschine selbst in ihrer
                              									vollkommensten Gestalt einen sehr schweren Stand gegenüber ihrer Rivalin, der
                              									elektrischen Fördermaschine, hat, zumal jene am Ende ihrer Entwicklung steht,
                              									während dieser wenn nicht unbegrenzte, so doch noch recht viele bisher unbenutzte
                              									Möglichkeiten zu Gebote stehen. Bei Wasserkraft- oder Gasmaschinenzentralen dürften
                              									Dampffördermaschinen überhaupt nicht mehr in Frage kommen. Die beiden Firmen A.E.G. und Siemens-Schuckertwerke haben zusammen von 1902 bis 1908 allein für
                              									deutsche Gruben nicht weniger als 100 Hauptschacht-Fördermaschinen geliefert.