| Titel: | Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen. | 
| Autor: | Hans A. Martens | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 357 | 
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                        Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer
                           								Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen.
                        Von Eisenbahn-Bauinspektor Hans A.
                                 								Martens.
                        Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer Abhängigkeit von
                           								den Betriebsverhältnissen.
                        
                     
                        
                           Die Frage der Geschwindigkeitsmessung hat von jeher die Eisenbahnfachleute
                              									beschäftigt, ohne daß es bisher gelungen wäre, zu einer allseitig befriedigenden
                              									Lösung zu gelangen. Die Geschichte lehrt, daß die Ansichten über die Notwendigkeit
                              									und den Bau von Fahrgeschwindigkeitsmessern fast von Jahr zu Jahr hin- und
                              									hergeschwankt haben: Bald wurde nur die Anzeige der jeweiligen Geschwindigkeit des
                              									Zuges für den Lokomotivführer für notwendig erachtet, bald glaubte man ohne
                              									Festhalten der Geschwindigkeit im Diagramm nicht auskommen zu können; empfahl man in
                              									einem Jahr die Ueberwachung der Zugfahrt durch Radtaster, so verwarf man sie im
                              									nächsten. Die einen leiteten die Sicherheit langsam fahrender Züge, die andern die
                              									planmäßige Beförderung schnellfahrender Züge von dem Vorhandensein von
                              									Geschwindigkeitsmessern auf Lokomotiven ab. Die Entwicklung der vorliegenden Frage
                              									ist bemerkenswert genug, um sie durch einige Urteile von Fachleuten, und Beschlüsse
                              									von Kongressen, die bereits der Vergangenheit angehören, zu belegen. Die
                              									Erörterungen und daraus gefolgerten Bauarten der Geschwindigkeitsmesser aus alter
                              									Zeit muten zuweilen kindlich und abenteuerlich an. Aber es ist für unsere Zeit doch
                              									nicht unersprießlich, in die Vergangenheit zurückzugreifen, und auf vergilbten
                              									Blättern in mangelhafter Darstellung die Konstruktionen, die unsere Vorväter gaben,
                              									zu studieren und die Erörterungen noch einmal durchzudenken, die in jenen Zeiten
                              									gepflogen worden: Sind doch viele Grundgedanken auch für die neue Zeit noch
                              									unverändert gültig, welche sich mit der Frage der Geschwindigkeitsmessung ständig
                              									beschäftigt und beschäftigen muß, da der Verkehr am Beginn des Zeitraumes steht, in
                              									dem mit der Schätzung nicht mehr zugänglichen Geschwindigkeiten gefahren werden
                              									soll, d.h. im Beginn des Schnellbahnbetriebs. Der menschliche Organismus ist
                              									unfähig, Hochgeschwindigkeiten von 100 km/St. und mehr mit Sicherheit ohne
                              									Hilfsmittel zu bestimmen, so daß Meßapparate für hohe Geschwindigkeiten ein ebenso
                              									notwendiges Ausrüstungsstück der Lokomotive werden müssen, wie es Manometer und
                              									Wasserstandsglas sind. Aber auch für mittlere und niedere Geschwindigkeiten kann der
                              									Geschwindigkeitsmesser unter eigenartigen Betriebsverhältnissen ein unentbehrliches
                              									Ausrüstungsstück der Lokomotive werden. Wenn die Bedeutung und Notwendigkeit von
                              									Fahrgeschwindigkeitsmessern auch heute noch nicht allgemein zum Ausdruck kommt, so
                              									liegt das nur darin begründet, daß man den Anforderungen des Betriebes nicht durch
                              									die Bauart eines solchen gerecht zu werden vermag. Das Urteil,
                              									Geschwindigkeitsmesser auf Lokomotiven seien praktisch wertlos, erscheint daher nur
                              									aufgezwungen durch die noch immer nicht den Ansprüchen genügende konstruktive
                              									Ausbildung. Diese Ansprüche sind abhängig vom Betrieb. Diese Beziehung, die auch in
                              									der Vergangenheit nicht immer klar erkannt worden ist, eingehend zu würdigen, soll
                              									Gegenstand vorliegender Untersuchung sein: Bevor an die konstruktive Durchbildung
                              									der Fahrgeschwindigkeitsmesser herangetreten wird, muß die Vorfrage entschieden
                              									werden: Unter welchen Betriebsverhältnissen sind Geschwindigkeitsmesser eine
                              									notwendige BetriebsbedingungDie Literatur zur
                                    											geschichtlichen Entwicklung der Geschwindigkeitsmesser findet sich
                                    											vorzugsweise im Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, Dinglers
                                    											Polytechnischem Journal, in der Schweizerischen Bauzeitung und für die Jahre
                                    											1843 bis 1857 im Polytechnischen Zentralblatt.?
                           Fahrzeit im engeren Sinne ist diejenige Zeit, welche für jeden Zug zum Durchfahren
                              									einer bestimmten Strecke unter Zugrundelegung einer bestimmten Geschwindigkeit mit
                              									Zuschlägen für das Anfahren und Bremsen vorgeschrieben wird. Sie bildet die
                              									Grundlage des Fahrplans, sodaß daher die genaue Einhaltung der Fahrzeit zur
                              									Durchführung eines regelmäßigen Zugverkehrs gefordert werden muß. Neben dieser
                              									fahrplanmäßigen Fahrzeit ist die „kürzeste Fahrzeit“ zu unterscheiden, die
                              									geringer als jene fahrplanmäßige zum Ausgleich von im Zugverkehr eingetretenen
                              									Verspätungen dient und daher nur bei diesen zur Anwendung gelangt. Sie ist in der
                              									Regel ebenfalls für jeden Zug vorgeschrieben und darf nur benutzt werden, wenn es
                              									der Zustand der Bahn oder der Betriebsmittel erlaubt.
                           Durch den Begriff Fahrzeit ergibt sich die Grenze der Fahrgeschwindigkeit nach unten
                              									von selbst: Um den Zug fahrplanmäßig zu befördern, darf die der Fahrzeit zugrunde
                              									gelegte Grundgeschwindigkeit nicht unterschritten werden. Nach oben hin wird die
                              									Fahrgeschwindigkeit aus mannigfachen Gründen begrenzt und die Begrenzung nach oben
                              									ist es, die das Bedürfnis nach Geschwindigkeitsmessern wachgerufen hat. Sie erfolgt
                              									im wesentlichen nach zwei Gesichtspunkten: Rücksichten des Betriebes und der Bauart
                              									des Oberbaues sowie der Fahrzeuge. Zu ersteren geben unübersichtliche
                              									Streckenverhältnisse, namentlich Kurven bei Einfahrt in Bahnhöfe, Umbaustrecken,
                              									größere Brücken, starke und lange Gefälle, Stärke der Züge, Bremsbesetzung der Züge
                              									und besondere Betriebsverhältnisse, wie Schieben von Zügen durch Lokomotiven mit und
                              									ohne führende Lokomotive an der Spitze des Zuges, nicht signalisierte Sonderfahrten,
                              									nicht bewachte Wegübergänge die Veranlassung; zu letzteren in erster Linie die
                              									Bauart der Lokomotive, die bei Ueberschreitung gewisser Höchstgeschwindigkeiten
                              									gefährliche störende Bewegungen hervorrufen kann, die Bauart der Wagen,
                              									bei denen Radstand, Raddruck und Beweglichkeit der Achsen eine große Rolle für
                              									die Sicherheit gegen Entgleisung bei hohen Geschwindigkeiten spielen.
                           Auf dem europäischen Festland wurden in den Jahren 1835 bis 1838 die ersten
                              									Eisenbahnen in Betrieb genommen. Der Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen wurde
                              									Mitte der 50er Jahre gegründet; er hat sich wiederholt mit der Frage der Anwendung
                              									und des Baues von Geschwindigkeitsmessern in seinen Techniker-Versammlungen
                              									beschäftigt, ohne bisher zu einer bindenden Vereinbarung gekommen zu sein. Solange
                              									noch Züge nur mit Handbremse gefahren wurden, war die sichere Innehaltung einer als
                              									zulässig erkannten Höchstgeschwindigkeit und deren Nachprüfung sehr wichtig. Hält
                              									man diese geschichtlichen Vermerke im Gedächtnis, so erscheinen die folgenden
                              									Urteile der Fachleute verständlicher.
                           B. Chaussenot aîné schreibt im Polytechnischen
                              									Zentralblatt 1843: Zu große Geschwindigkeit ist bekanntlich eine Ursache vermehrter
                              									Gefährlichkeiten auf Eisenbahnen, es ist daher auch vonseiten der Staatsverwaltung
                              									schon in einzelnen Fällen ein. Maximum der Geschwindigkeit vorgeschrieben worden,
                              									zum Beispiel auf der Paris-Versailles-Eisenbahn die Geschwindigkeit von 10
                              									mètres/Sec., das sind 36 Kilometer in der Stunde. Freilich fehlt es an einem Mittel,
                              									das Vorhandensein dieser Geschwindigkeit augenblicklich nachzuweisen, denn der
                              									Vergleich der zwischen Abgang und Ankunft eines Wagenzuges verflossenen Zeit mit der
                              									Länge des Weges kann zwar eine Durchschnittsgeschwindigkeit ergeben, keineswegs aber
                              									übersehen lassen, bis zu welchen Größen die Geschwindigkeit zu einzelnen Zeiten
                              									anwuchs, da es soviele Mittel gibt, nach einem mit großer Geschwindigkeit
                              									zurückgelegten Wegstück zu bewirken, daß die Fortsetzung mit verminderter
                              									Geschwindigkeit durchlaufen, und so die für eine bestimmte Strecke bestimmte Zeit
                              									genau innegehalten wird. Der Apparat von Chaussenot
                              									gibt bei Ueberschreitung der Maximum-Geschwindigkeit ein allen Reisenden bemerkbares
                              									Zeichen, damit diese das Maschinenpersonal anzeigen können.
                           1850 schlägt Breguet in Frankreich ein Instrument vor,
                              									das selbsttätig auf einem Papierstreifen die Geschwindigkeit und Aufenthalte
                              									aufschreibt. Es ergibt sich die bekannte Wege-Zeit-Kurve, aus der mittels der
                              									trigonometrischen Tangente die Geschwindigkeit zu bestimmen ist.
                           1855 ist der Apparat von dem Betriebsdirektor der Bahn Montereau-Troyes beschrieben,
                              									der es zu wissen gestattet, wenn der Lokomotivführer das Abfahrtzeichen gibt. Der
                              									Zweck wird leider nicht angegeben, sondern nur, daß es in mehreren Fällen von
                              									Wichtigkeit ist, es zu wissen. Es wird auf dem Diagramm eine Marke gemacht.
                           Zivilingenieur Charles Lierum in Amerika schreibt in
                              									einer kleinen Druckschrift um 1860: Europäische Ingenieure haben längst das
                              									Bedürfnis einer Vorrichtung erkannt, mittels der die bei der Eisenbahn eingehaltene
                              									Geschwindigkeit kontrolliert werden kann. Schon 1842 war ein von Chaussenot erfundener Geschwindigkeitsapparat in
                              									Frankreich und Belgien in Gebrauch. Es ist aber von keinem Wert, die
                              									Maximum-Geschwindigkeit zu kennen, wenn man nicht zugleich den Ort kennt, wo sie
                              									stattgefunden hat; es geht daraus hervor, daß man ein Mittel haben muß, die
                              									Geschwindigkeit zu ermitteln, da es keinen Wert hat, Sicherheitsmaßregeln
                              									vorzuschreiben, deren Einhaltung man nicht kontrollieren kann.
                           Der Apparat ist ebenfalls den Reisenden sichtbar; er schreibt auf einer Scheibe die
                              									Geschwindigkeit auf.
                           Im Jahre 1873 im November hatte zu Berlin eine Konferenz stattgefunden, in der
                              									in den „Beratungen der zur Erhöhung der Sicherheit im Eisenbahnbetriebe zu
                                 										ergreifenden Maßnahmen“ foldende Frage (No. 22) vorgelegt wurde. „Ist
                                 										eine fortwährende Kontrolle der Fahrgeschwindigkeit eines jeden Zuges durch
                                 										selbsttätig registrierende Vorrichtungen als ein geeignetes Mittel zur
                                 										Verhinderung einer vorschriftswidrigen Fahrgeschwindigkeit anzusehen? Und welche
                                 										derartigen Vorrichtungen werden evtl. zur Anwendung empfohlen?“ Die Frage,
                              									deren Entscheidung einer Subkommission übergeben worden war, wurde in folgender
                              									Fassung beantwortet:
                           Die Kontrolle der Fahrgeschwindigkeit der Züge durch selbsttätig registrierende
                              									Apparate wird als eine zweckmäßige Einrichtung zur Erhöhung der Betriebssicherheit
                              									anerkannt. Die bis jetzt vorhandenen derartigen Vorrichtungen entsprechen jedoch den
                              									zu stellenden Anforderungen noch nicht vollständig und es ist deshalb die Anstellung
                              									weiterer Versuche zu empfehlen. Es wird vorgeschlagen, die Konstruktion eines
                              									Apparates, der die nachstehenden Bedingungen erfüllen muß, zum Gegenstand einer
                              									Preisaufgabe zu machen:
                           
                              1. Die an jeder Stelle der Bahn vorhanden gewesene
                                 										Geschwindigkeit muß ohne Rechnung und Messung sofort abgelesen werden
                                 										können.
                              2. Die Haltezeiten des Zuges auf den Stationen müssen genau
                                 										registriert werden.
                              3. Der Apparat muß auch dem Lokomotivführer die
                                 										Fahrgeschwindigkeit zu jeder Zeit angeben.
                              
                           Unter den besten der bisher benutzten derartigen Apparaten wird der von Weber und von Sammann
                              									genannt.
                           In der Technikerversammlung von 1874 zu Düsseldorf stand die Frage zur
                              									Besprechung:
                           
                              „Auf welchen Bahnen haben die Apparate mit graphischer Darstellung zum Messen der
                                 										Zugkraft, zur Kontrolle der Fahrzeit sowie zur Ermittlung der Gleislage das
                                 										Versuchsstadium überschritten und sind zur dauernden praktischen Anwendung
                                 										gekommen, mit Angabe der Bezugsquelle der empfehlenswerten Apparate?“
                              
                           Von den angeführten Apparaten wird praktischer Wert gelobt, weil sie ein sicheres
                              									Beweismittel über den wirklichen Lauf der Züge liefern, um in Streitigkeiten
                              									Entscheidungen herbeizuführen. Das Lokomotiv- und Stationspersonal wird überwacht,
                              									so daß die Apparate auf exakte Zugförderung günstig wirken.
                           Die Schlußfolgerung ist:
                           Für die Kontrolle der Fahrzeiten bestehen einige gute Apparate. Für die Kontrolle der
                              									Geschwindigkeit ist die erwünschte Brauchbarkeit noch nicht erzielt, und deren
                              									Aufgabe wird zusammengefaßt in einer leserlichen graphischen Darstellung der
                              									Geschwindigkeit in Verbindung mit zugehörigen Zeitangaben mit einem Zeigerwerk, auf
                              									dem unmittelbar die Geschwindigkeit vom Lokomotiv- oder Zugführer abgelesen werden
                              									kann.
                           Im Handbuch für spezielle Eisenbahntechnik von Heusinger von
                                 										Waldeck 1875 wird als Ursache für die Notwendigkeit der Apparate an erster
                              									Stelle die Prüfung über das Innehalten des Fahrplans und die Vermeidung der schon
                              									damals leidigen Zwiespalte in den Angaben des Lokomotiv- und Zugführers angeführt.
                              									Als Aufgabe der Fahrgeschwindigkeitsmesser wird aufgestellt:
                           
                              1. Gesamte Fahrzeit zwischen zwei Stationen festlegen.
                              2. Aufenthaltszeiten auf einer Station,
                              3. Geschwindigkeit des Zuges an irgend einer Stelle der
                                 										Bahnstrecke anzeigen.
                              
                           Die Messung durch Kontaktwerke am Oberbau erschien zu teuer und wurde nur für kurze
                              									Strecken empfohlen.
                              									Die auf dem Prinzip der Zentrifugalkraft beruhenden Fahrgeschwindigkeitsmesser am
                              									Fahrzeuge selbst sind verlassen, weil sie ungünstige Ergebnisse gezeigt haben. Als
                              									einfachster und sonach in mancher Beziehung bester Kontrollapparat wird der Sammann und von Webersche
                              									Apparat unzweifelhaft bezeichnet, trotzdem er nur das Innehalten des Fahrplans nach
                              									Fahrzeit und Aufenthalt zu erkennen gab, aber nicht die jeweilige Geschwindigkeit.
                              									Man folgerte eben aus dem Innehalten der Fahrzeit die nicht unzulässige
                              									Geschwindigkeit. Es werden noch verschiedene ähnliche Apparate angeführt, die aber
                              									alle keine eigentlichen Fahrgeschwindigkeitsmesser sind, sondern nur die Innehaltung
                              									des Fahrplans prüfen.
                           Im Jahre 1877 haben Bremsversuche auf der Main-Neckar-Bahn stattgefunden. Da die
                              									derzeitigen Apparate zur Bestimmung der Geschwindigkeit als teils nicht genau, teils
                              									nicht zuverlässig genug erschienen, wurde die Geschwindigkeit bei den Versuchen
                              									durch Strecken-Kontakt-Apparate gemessen.
                           Im Dezember 1880 zu Berlin sprach sich die Versammlung Deutscher Eisenbahn-Techniker
                              									in folgender Weise aus: „Es ist zwar grundsätzlich als wünschenswert zu erachten,
                                 										sämtliche Lokomotiven mit zuverlässig arbeitenden Geschwindigkeitsmessern
                                 										auszurüsten, es muß jedoch in Ermangelung völlig bewährter Konstruktionen zur
                                 										Zeit davon abgesehen werden; dagegen ist es zu empfehlen, ausgedehntere
                                 										Anwendung von Kontaktapparaten zu machen, um die Geschwindigkeit dort, wo es not
                                 										tut, zu kontrollieren.
                           Eine Abhandlung des Zentralblattes der Bauverwaltung vom Jahre 1882 hat die Kritik
                              									seinerzeit stark hervorgerufen. Es wird dort der Nutzen der auf Lokomotiven
                              									angebrachten Geschwindigkeitsmesser als sehr zweifelhaft hingestellt, weil jeder
                              									einigermaßen geübte Führer eine vollständig ausreichende Fertigkeit in der Erzielung
                              									der zweckentsprechenden oder zulässigen Geschwindigkeit habe, und durch die auf den
                              									Lokomotiven angebrachten Geschwindigkeitsmesser die Aufmerksamkeit des
                              									Lokomotivführers von anderen wichtigeren Sachen abgelenkt würde. Es wird weiter
                              									angeführt, daß kaum ein Bedürfnis vorliegt, ein durchaus genaues Einhalten der
                              									zulässigen Geschwindigkeit zu verlangen oder durch Anwendung verwickelter Apparate
                              									diese möglich zu machen, da die mathematisch genaue Festsetzung der zulässigen
                              									Geschwindigkeit ebenso unmöglich ist, wie das mathematisch genaue Fahren.
                           Ferner wird darauf hingewiesen, daß Geschwindigkeitsmesser besonders für solche
                              									Maschinen für erforderlich gehalten werden, welche die Züge auf Bahnen
                              									untergeordneter Bedeutung befördern, weil die Anforderungen an die Ausrüstung und
                              									Bewachung dieser Bahnen nur unter der Voraussetzung auf ein sehr geringes Maß
                              									herabgesetzt worden seien, daß die Geschwindigkeit von 10–15 km in der Stunde nicht
                              									überschritten werde. Es wird indessen als selbstverständlich angenommen, daß eine
                              									Prüfung der Fahrgeschwindigkeiten nötig ist, die am wirksamsten durch elektrische
                              									Kontaktapparate ausgeübt wird. Wollte man dazu übergehen, den durch die
                              									Geschwindigkeitsmesser dargestellten gesamten Lauf jeder Lokomotive zu
                              									kontrollieren, so müßte ein Heer von Beamten angestellt werden, um die
                              									Aufzeichnungen der Apparate nachzusehen und den entstehenden Schriftwechsel zu
                              									bewirken. Auf die Prüfung auf stark geneigten Strecken ist in erster Linie
                              									hinzuwirken, und es werden bei einer Ausrüstung der Strecke mit Kontaktapparaten die
                              									Kosten in keinem Verhältnis zu denen bei Ausrüstung aller die Strecke befahrenden
                              									Lokomotiven mit Geschwindigkeitsmessern stehen. Dem Führer kann die Möglichkeit
                              									gegeben werden, die Geschwindigkeit des Zuges annähernd genau festzustellen,
                              									indem die Entfernung der einzelnen Kontaktapparate so bemessen wird, daß Schnellzüge
                              									mindestens 1 Minute, Personenzüge mindestens 1¼, und Güterzüge mindestens 2 Minuten
                              									Fahrzeit innehalten, wenn die zulässige Geschwindigkeit nicht überschritten werden
                              									soll. Es wird zum Schluß empfohlen, selbst wenn alle Lokomotiven
                              									Geschwindigkeitsmesser haben, doch die dauernde Kontrolle an den gefährlichen
                              									Stellen der Strecke durch Kontaktapparate zu bewirken. Besser jedoch sei es, die
                              									Kosten der Geschwindigkeitsmesser auf Lokomotiven auf die Ausrüstung mit guten
                              									Bremsen zu verwenden.
                           Lochner unterwirft 1883 diesen Aufsatz einer Besprechung
                              									und führt darin aus: Wohl ist die Anschauung im allgemeinen richtig, daß die
                              									Anwendung von elektrischen Kontakt-Apparaten im Gleis zur Kontrolle der
                              									Geschwindigkeit der Züge zweckmäßiger ist, als die Anbringung von
                              									Geschwindigkeitsmessern auf Lokomotiven, solange es sich nur um die nachträgliche
                              									Prüfung der Fahrgeschwindigkeit handelt. Erfahrungsgemäß wird dieser Zweck besser
                              									durch Kontaktapparate als durch Geschwindigkeitsmesser auf den Lokomotiven erreicht.
                              									Diese sind aber deswegen nicht etwa überflüssig, denn sie sollen dem Führer die
                              									Mittel an die Hand geben, die Geschwindigkeit jederzeit den Vorschriften gemäß zu
                              									regeln, während die Kontaktapparate nur dazu dienen können, die Erfüllung dieser
                              									Vorschriften zu überwachen. Der Lokomotivführer muß während der Fahrt seine
                              									gespannteste Aufmerksamkeit auf die Lokomotive und die vorliegende Strecke richten
                              									und ist daher außerstande, mit der Uhr in der Hand die Geschwindigkeit abzumessen,
                              									er schätzt diese vielmehr nur nach der Zeit, in der bekannte Punkte der Bahn
                              									erfahrungsgemäß erreicht werden, und nach dem taktgemäßen Geräusch der
                              										LokomotiveIn
                                    											Lokomotivführerkreisen gibt es das volkstümliche Wort: „Der
                                       												Lokomotivführer hat das Tempo (der Fahrt) in den
                                       									Beinen.“. Aeltere Lokomotivführer, die lange Zeit die gleiche Strecke
                              									mit der gleichen Geschwindigkeit fahren, werden daher die Fahrgeschwindigkeit
                              									genügend genau schätzen können. Dies ist aber nicht mehr der Fall auf weniger
                              									bekannten Strecken mit ständigem Wechsel von Lokomotiven und Zügen, oder bei
                              									ungünstigen Verhältnissen. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit hängt von der Bauart
                              									der Lokomotive, der Zuggattung, der Strecke ab, und wenn auch die Fahrpläne
                              									allgemein nicht nach ihr aufgestellt sind, so muß sie doch öfters gefahren werden.
                              									Die Erfahrung bestätigt ein häufiges Ueberschreiten der Höchstgeschwindigkeit ohne
                              									Wissen und Willen der Lokomotivführer. Dafür ein Beispiel: Auf der starken Steigung
                              									einer mitteldeutschen Bahn wurden 1881 Kontaktapparate verlegt und dem
                              									Lokomotivführer Anweisung über die Maximum-Geschwindigkeit gegeben: In den ersten
                              									Monaten wurden Ueberschreitungen von 15–20 v.H. festgestellt, die nach Ausrüstung
                              									der Lokomotiven mit Geschwindigkeitsmessern unterblieben.
                           Wenngleich das Bedürfnis nach Geschwindigkeitsmessern schon lange besteht, und viele
                              									Apparate dem Versuch unterworfen worden sind, so hat die Erfahrung doch gelehrt, daß
                              									die Apparate den vielen schädlichen Einflüssen, wie Stößen, Temperaturänderungen auf
                              									der Lokomotive, nicht gewachsen sind, und daß sie vielfachen Ausbesserungen und
                              									Berichtigungen unterworfen sind. Weitere Erfahrungen ergaben, daß eine Aufzeichnung
                              									der ganzen Fahrt von Anfang bis zu Ende entbehrt werden kann, und daß es im
                              									wesentlichen nur auf eine regelmäßige Kontrolle der Geschwindigkeit auf Strecken mit
                              									ungünstigen Neigungs- und Krümmungsverhältnissen ankommt.
                           
                           Es ergibt sich hiernach als unbedingt zweckmäßig, die Aufgaben, deren Lösung
                              									bisher von einem Apparate verlangt wurde, auf zwei verschiedene Apparate von
                              									einfacher Konstruktion zu verteilen. Die erste Aufgabe verlangt eine sichere
                              									Kontrolle des Zuges, und wie die Erfahrung gezeigt hat, wird dieser Zweck am besten
                              									vollständig und sicher durch Kontaktapparate erreicht. Die zweite Aufgabe besteht
                              									darin, dem Lokomotivführer durch einfache Apparate jederzeit eine sichere
                              									Beurteilung der Geschwindigkeit seiner Fahrt zu ermöglichen. Der Lösung dieser
                              									Aufgabe stehen nicht mehr die Schwierigkeiten entgegen wie früher. Bei der
                              									Konstruktion eines solchen Apparates dürfte von folgenden Punkten auszugehen sein.
                              									Zunächst ist eine mathematisch genaue Bestimmung nicht für erforderlich zu erachten,
                              									denn es ist für die Sicherheit des Betriebes ohne praktischen Wert, ob der
                              									Lokomotivführer, der mit 75 Kilometer fahren soll, mit 74½ oder 75½ wirklich fährt.
                              									Unter Berücksichtigung aller sich abnutzenden Teile und aller sonstigen
                              									Fehlerquellen, genügen die Apparate allen praktischen Anforderungen, wenn die
                              									Anzeige nicht mehr als 5 v.H. von der Wirklichkeit abweicht. Derartige Apparate sind
                              									bereits vorhanden und probeweise in Anwendung, ohne daß sich wesentliche Mängel
                              									herausgestellt haben.
                           Die Versammlung der Techniker vom 3. u. 4. Januar 1883 erklärt, daß die
                              									Anbringung von einfachen Geschwindigkeitsmessern ohne Kontroll- und
                              									Registriervorrichtung, lediglich als Anzeiger auf den Lokomotiven zu empfehlen sei,
                              									ebenso wie die Anbringung von elektrischen Kontaktapparaten im Gleis, ohne damit
                              									jedoch die weitere Anwendung und Erprobung von selbstregistrierenden
                              									Geschwindigkeitsmessern ausschließen zu wollen.
                           Baurat Kecker in Metz weist in einer Veröffentlichung
                              									1884 auf die Beratungen von 1883 hin und hält die Verwendbarkeit der Kontaktapparate
                              									für eine beschränkte insofern, als bei vielbefahrenen Strecken und bei rascher
                              									Zugfolge die Kontrollbezirke sehr klein werden müssen, und die Kontaktapparate einer
                              									ständigen Aufsicht bedürfen, um die Nummer der Fahrt bezw. jede einzelne den Bezirk
                              									durchlaufende Lokomotive aufzuschreiben. Es wird auch sehr schwierig die
                              									Fahrgeschwindigkeit eines einzelnen Zuges fortlaufend durch eine Reihe von Bezirken
                              									zu verfolgen, da man dazu der Kontaktstreifen sämtlicher befahrener Bezirke bedarf.
                              									Die Schwierigkeit des Einbaues und der Ueberwachung, die Beschädigungen durch die
                              									aufschlagenden Räder im Verein mit den Ungenauigkeiten der Apparate auf Lokomotiven
                              									führen Kecker zu einem Entwurf einer Vereinigung beider
                              									Apparate in gemeinsamer Wirkung.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)