| Titel: | Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen. | 
| Autor: | Hans A. Martens | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 389 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer
                           								Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen.
                        Von Eisenbahn-Bauinspektor Hans A.
                                 								Martens.
                        (Fortsetzung von S. 377 d. Bd.)
                        Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer Abhängigkeit von
                           								den Betriebsverhältnissen.
                        
                     
                        
                           Es ist fürwahr eine reichhaltige Mannigfaltigkeit der Meinungen, die aus dem
                              									geschichtlichen Abriß zu uns spricht. Der Widerstreit der Anschauungen spiegelt sich
                              									auch wieder in den im Laufe der Jahre entstandenen Konstruktionen der
                              										FahrgeschwindigkeitsmesserZu
                                    											vergleichen des Verfassers Aufsätze in Heft 18 u. ff. und Heft 44 u. ff.
                                    											Jahrgang 1908 dieser Zeitschrift., wofür die Tabelle 2 (S.
                              									390/91) ein anschauliches Bild gewährt.
                           Es läßt sich folgern, daß die Entscheidung über die Anwendung von
                              									Fahrgeschwindigkeitsmessern zu treffen sein wird mit Rücksicht auf die höchten
                              									Fahrgeschwindigkeiten und die Gefahrstellen einer Strecke, welche die Ermäßigung der
                              									Fahrgeschwindigkeiten fordern. Dazu kommt die Rücksichtnahme auf die
                              									Wirtschaftlichkeit der Meßapparate, d.h. die Höhe der Be-schaffungs- und
                              									Unterhaltungskosten im Vergleich zum wirklichen Nutzen der Anwendung.
                           Die Untersuchung wird sich daher zweckmäßig an nachstehende Einteilung der
                              									Betriebsverhältnisse anlehnen müssen:
                           Tabelle I:
                           
                              
                                 A. Regel-Betriebsverhältnisse
                                    											auf
                                 
                              
                                 I.
                                 II.
                                 III.
                                 
                              
                                 Strecken mit sehr kleinen    Geschwindigkeiten. (Ne-    ben- u.
                                    											Straßenbahnen)o = 40 km/St.    a. ohne besondere
                                    											Ge-        fahrstellen    b. mit besonderen
                                    											Ge-        fahrstrecken (lange        starke Gefälle,
                                    											scharfe        Krümmungen, un-        übersichtliche
                                    											und        unbewachte Weg-        übergänge).
                                 Strecken mit noch    sicher
                                    											schätzbaren    Geschwindigkeiten40 km bis 70
                                    											km/St.    (Personenzüge auf    Hauptbahnen. Gü-    terzüge
                                    											aber mit ge-    ringerer Geschwin-    digkeit)    a. ohne
                                    											besondere        Gefahrstellen    b. mit
                                    											besonderen        Gefahrstellen.
                                 Strecken mit höheren,    nicht mehr sicher    schätzbaren
                                    											Ge-    schwindigkeiten70 km und höher    (Schnellzug-
                                    											und    Schnellbahn-Ver-    kehr)Die
                                    											Unterabteilungen    a und b wie bei I    und II fallen
                                    											hier    fort.
                                 
                              
                                 B. Versuchsfahrten ohne
                                    											besondere Einteilung.
                                 
                              
                           Bei Neben- und Kleinbahnen mit geringer Fahrgeschwindigkeit spielt die
                              									Geschwindigkeit eine große
                           
                           Tabelle 2. (Zu S. 389) Zusammenstellung der
                              									Fahrgeschwindigkeitsmesser.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 390
                              Erbaut oder erfunden von;
                                 										Grundlader der Wirkungsweise; Antrieb; Zeiger und Schreiber; Diagramm; Die
                                 										Radabnützung wird berücksichtigt durch; In Betrieb auf; Verhalten im Betriebe;
                                 										Beschaffungskosten; Veröffentlichungen Zeitschrift und Jahr; Chaussenot;
                                 										Galy-Cazalat; Dato; Finckbein & Schäfer Schäffer & Budenberg; Klose,
                                 										Maschineninspektor der Vereinigten Schweizer Bahnen; Stroudley, Betriebs-Chef
                                 										der London-Brighton-Südküsten-Eisenbahn; Dr. Braun; Brüggemann, Reg.- u. Baurat
                                 										in Breslau, P. Suckow in Breslau; Kapteyn, Generaldirektor der
                                 										Westinghouse-Gesellschaft; Französ. Südbahn Gonzin & Bleys; Franz.
                                 										Staatsbahnen Desdouits, Oberinginieur; Rheinische Tachometerbau-Gesellschaft;
                                 										Petri, Neher, München, Siemens & Halske, Wien; Fliehkraft-Pendel; Fliehkraft
                                 										eines astatisch aufgehängten Massensystems an horizontaler Welle; Fliehkraft
                                 										eines astatisch aufgehängten Massensystems an wag- oder aufrechter Welle;
                                 										Fliehkraft des Wassers in einer Schleuderpumpe; Fliehkraft einer Flüssigkeit in
                                 										luftdicht abgeschlossenem Rohr; Fliehkraft von Quecksilber; Fliehkraft von
                                 										Massen an wagerechter Welle; Fliehkraft einer Flüssigkeit einer Schleuderpumpe;
                                 										Fliehkraft ein, schwingenden Masse; Fliehkraft zweier Flüssigkeiten in luftdicht
                                 										abgeschloss. Raum; Riemen; Vorrichtung ist in ein Rad eingebaut; Kette ohne
                                 										Ende; Riemen mit Blindachse; Schlitzkurbel; Mitnehmer an dem Kuppelstangenkopf;
                                 										Riemen oder Zahnräder; Schleppkurbel, Mitnehmer am Kuppelstangenkopf;
                                 										Räderantrieb; Schwinghebel; Zeiger mit Höchstangabe; Zeiger; Geschwindigkeits-
                                 										und Wegzeiger; Aeltere Bauart: Nur Schreiber; Neuere Bauart: Zeiger und
                                 										Schreiber; Jeweiliger Stand der Flüssigkeit in einem Standrohr aus Glas;
                                 										Unmittelbare Ablesung des Flüssigkeitsstandes; Aeltere Bauart: Nur Zeiger.
                                 										Neuere: auch Schreiber; Zeiger und Einwirkung auf die Bremse; Zeiger (auch mit
                                 										Schreiber); fehlt; Polares zeitliches Geschwindigkeits-Diagramm; Orthogonales
                                 										zeitliches Geschwindigkeits-Diagramm; Aeltere Bauart: Orthogonales örtlich.
                                 										G.-Diagr. Neuere Bauart: Orth. zeitl. G.-Diagr.; 1. Zeit-Weg-Diagr.; 2. Zeitl.
                                 										orthogonal. Geschw.-Diagr.; Aenderung des Hebelarms, an dem die gegenwiegende
                                 										Feder angreift; Verschiedene Zifferblätter in 3 Stufen; Veränderung des
                                 										Hebelarms der Fliehkraft; Hannoversche Staatsbahn; Saarbrückner Bahn 1876; Nied
                                 										Märk.-Eisenbahn; Schweizer Nordostbahn seit 1892; Franz. Ostbahn seit 1896;
                                 										London-Brighton-Südküsten-Bahn; Zum Betrieb auf Eisenbahnen vom Erfinder
                                 										empfohlen; Mehrere deutsche u. russische Verwaltungen; Bei Versuchsfahrten in
                                 										Baden bewährt.; Franz. Südbahn; Franz. Staatsbahnen; Auf Lokomotiven noch nicht
                                 										versucht; Gut bewährt; Preisgekönt v. Verein deutscher Eisenbahnverwaltungen;
                                 										Gute Ergebnisse; Während kurzer Betriebsdauer bewährt; 1898 in Betrieb genommen.
                                 										Sehr zufriedenstellend; 750 Frcs. (1891); Ohne Schreibwerk 185 Mk.; Aelt. Bauart
                                 										300 Frs. Neue Bauart 350 Frs. Jährliche Unterhaltungskosten 10 Frs., mit Einbau
                                 										150 Mk.; 290 Gulden (österr.); Polytechnisches Centralblatt 1843;
                                 										Polytechnisches Centralblatt 1847; Organ 1877; Organ 1878 80/89/90; Zentralblatt
                                 										der Bauverwaltung 1890; Organ 1879, Schweizerische Bauzeitung 1883/84; Organ
                                 										1880; Verhandlungen zur Beförderung des Gewerbefleißes 1880, Schweiz. Bauzeitung
                                 										1893; Organ 1888; Organ 1889; Organ 1901 u. Dinglers Polyt. Journal 1901; Organ
                                 										1901 u. Revue industrielle 31; Industriewarte 1903; Glasers Annalen 1879.
                                 										Wochenschrift des österreich. Ing.- und Architekten-Vereins 1891
                              
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 391
                              Erbaut oder erfunden von; Grundlage
                                 										der Wirkungsweise; Antrieb; Zeiger und Schreiber; Diagramm; Die Radabnützung
                                 										wird berücksichtigt durch; In Betrieb auf; Verhalten im Betriebe;
                                 										Beschaffungskosten; Veröffentlichungen Zeitschrift und Jahr; Hausshälter, Seidel
                                 										& Naumann, Dresden; Hasler, Seidel & Naumann, Dresden; Jules Richard,
                                 										Paris; Dr. Th. Horn; Wittfeld, Geh. Ober-Baurat, Berlin; Dettmar, Berlin;
                                 										Scholkmann, Geh. Ober-Baurat, Berlin; Magnetische Induktion; Schwingender
                                 										Gleichstrom in einem Wechselstrom-Umformer; Schleppkurbel; Riemen; Unmittelbare
                                 										Kupplung mit Tenderachse; Zeiger; Zeitliches orthogon.
                                 										Geschwindigkeits-Diagramm; Orthogon. zeitliches Geschwindigkeits-Diagramm;
                                 										fehlt; Einstellung des Apparates auf mittler. Raddurchmesser; Stufen durch
                                 										Vorschaltwiderstände; Viele deutsche und schweizer Bahnen; Franz. und schweizer
                                 										Bahnen; Bisher für Eisenbahnen noch nicht gebaut; Nicht f. Eisenbahnen;
                                 										Versuchsweise auf d. Preußischen Staatsbahnen; Gute Ergebnisse; Gute
                                 										Erfahrungen; Gutes Ergebnis; 350 Mk.; 460 Mk. Einbau eingeschlossen; 300 Mk. mit
                                 										Schreibwerk, 200 Mk. ohne Schreibwerk; 120–170 Mk.; Organ 1887, Schweiz,
                                 										Bauzeitung 1891; Organ 1903; Glasers Annalen 1884; Glasers Annalen 1902; Glasers
                                 										Annalen 1903; Dinglers Polyt. Journal 1903 und Génie civil 1903
                              
                           Rolle nicht wegen der sicheren Beförderung des Zuges
                              									selbst, sondern wegen der Gefahr für Wagen, Fußgänger, Tiere auf den die Bahn
                              									kreuzenden bzw. von ihr mit benutzten Landstraßen. Auf den deutschen Nebenbahnen mit
                              									eigenem Bahnkörper beträgt die Höchstgeschwindigkeit der Personenzüge 50 km in der
                              									Stunde unter gewissen beschränkenden Bedingungen für die Zugstärke und Bauart der
                              									Wagen und der Bremsen.
                           Die Beschränkung der Achsenzahl hängt eng zusammen mit der Frage des Bremsweges bei
                              									bestimmten Geschwindigkeiten, da die lebendige Kraft des Zuges nicht zu sehr
                              									anwachsen darf, damit sie bei plötzlichen Hindernissen der Fahrt noch genügend
                              									schnell vernichtet werden kann. Verkehrsreiche Wegübergänge müssen bei mehr als 15
                              									km in der Stunde bewacht werden. Wo die Bahn bestehende Landstraßen mitbenutzt,
                              									beträgt die Fahrgeschwindigkeit in der Regel nur 15 bis 30 km in der Stunde. – Die
                              									Innehaltung dieser Geschwindigkeit bereitet nicht die geringsten Schwierigkeiten für
                              									den Führer, so daß ein Geschwindigkeitsmesser vollständig entbehrt werden kann.
                           Befinden sich auf den derartig betriebenen Bahnstrecken viele Gefahrstrecken, das
                              									sind Strecken, die mit besonderer Vorsicht und deshalb ermäßigter
                              									Fahrgeschwindigkeit zu befahren sind, wie lange und starke, wechselnde Gefälle,
                              									scharfe Krümmungen, unübersichtliche, unbewachte Wegübergänge, Strecken durch
                              									Ortschaften unter Benutzung der Landstraße, so tritt ein häufiger Wechsel in der
                              									Fahrgeschwindigkeit ein. Die Aengstlichen unter den Betriebstechnikern leiten aus
                              									dieser Fülle von Gefahr natürlich sofort die unumgängliche Notwendigkeit von
                              									Geschwindigkeitsmessern ab. Dazu liegt aber kein Grund vor. Die Möglichkeit, die
                              									Geschwindigkeit ohne Anzeige durch Apparate innezuhalten, ist vorhanden. Den
                              									Lokomotivführern kann durch Ueberlassung von Geschwindigkeitstafeln nach
                              									nachstehendem Muster zum Handgebrauch zur Innehaltung der Geschwindigkeit helfend
                              									entgegengekommen werden. Aus ihnen ersehen sie ohne weitere Rechnung die zum
                              									Durchfahren von 100 und 200 m nötigen Zeiten bei bestimmter Geschwindigkeit und
                              									können sie so mühelos während der Fahrt durch Taschenuhr und Hektometerpflöcke
                              									feststellen und sich dadurch selbst Rechenschaft ablegen. Dadurch wird auch die
                              									Fähigkeit, bestimmte Geschwindigkeiten richtig abzuschätzen, gefördert. Auf Anregung
                              									des Verfassers sind auf mehreren Gebirgsstrecken mit sehr starken Gefällen auch in
                              									einigen Maschineninspektionen mit Flachlandstrecken derartige Tafeln zur Ausgabe
                              									gelangt, was von den Lokomotivbeamten mit Dank empfunden worden ist.
                           Tabelle 3.
                           Merktafel in Notizbuchgröße zum
                                 										Handgebrauch für das Lokomotivpersonal.
                           
                              
                                 Bei einer Fahrgeschwindigkeitvon
                                    											Km/Std.
                                 beträgt die Fahrzeit in Sek.
                                 
                              
                                 für 100 m
                                 für 200 m
                                 
                              
                                 10
                                 36
                                 72
                                 
                              
                                 15
                                 24
                                 48
                                 
                              
                                 20
                                 18
                                 36
                                 
                              
                                 25
                                   14,4
                                   28,8
                                 
                              
                                 30
                                 12
                                 24
                                 
                              
                                 35
                                   10,3
                                   20,6
                                 
                              
                                 40
                                   9
                                 18
                                 
                              
                                 45
                                   8
                                 16
                                 
                              
                                 50
                                     7,2
                                   14,4
                                 
                              
                           Da der Gebrauch der Merktafel noch immer umständlich erscheint, empfiehlt der
                              									Verfasser sich die Geschwindigkeitstafel in folgender Weise anzulegen: Man schreibt an die
                              									Minutenstriche der Taschenuhr, die die Zahlenwerte in Spalte 3 obiger Tafel
                              									darstellen sollen, die Geschwindigkeitswerte der Spalte 1. Beobachtet man nun die
                              									Fahrzeit für 200 m Weg mittels des Sekundenzeigers, so liest man sofort an dem
                              									dieser Sekundenzahl entsprechenden Minutenstrich die Fahrgeschwindigkeit in Km/St
                              									ab. Da der Lokomotivbeamte die Uhr stets mit sich führt, so hat er auch die
                              									Geschwindigkeitstafel stets zur Hand. Es wäre sehr erwünscht, wenn diese Art einer
                              									Geschwindigkeitstafel fabrikmäßig auf den Zifferblättern von Uhren, die vorzugsweise
                              									für Eisenbahnbeamte bestimmt sind, hergestellt würde.
                           Gegen Böswilligkeit ist der Geschwindigkeitsmesser ohne Schreibwerk auch kein
                              									Heilmittel. Es müßte also ein Apparat mit Schreibwerk oder Radtaster zur Prüfung der
                              									Fahrgeschwindigkeit Verwendung finden. Die Schaulinien gewinnen aber erst dann
                              									Bedeutung, wenn es gilt, Beweise für Unregelmäßigkeiten bei Unfällen anzutreten. Es
                              									kann aber vom Standpunkt des Rechts und der Billigkeit nicht für notwendig angesehen
                              									werden, teure Apparate monatelang in Betrieb zu nehmen, die vielleicht ein oder
                              									zweimal im Jahre ihre Anwendung rechtfertigen. Dagegen spricht ferner die Rücksicht
                              									auf Wirtschaftlichkeit des Betriebes: Neben- und Kleinbahnen sollen alle
                              									überflüssigen Einrichtungen vermeiden, die ihre Wirtschaftlichkeit unnütz belasten,
                              									ohne für den Betrieb unumgänglich notwendig zu sein. Man hat infolgedessen auch von
                              									der Ausrüstung der Lokomotiven mit Geschwindigkeitsmessern unter diesen Umständen
                              									abgesehen, es aber dennoch vielfach für notwendig erachtet, Gebirgsstrecken mit
                              									starken und wechselnden Gefällen vollständig mit Radtastern, die alle 500 oder 1000
                              									m verlegt sind, zu versehen. Wird nun der Spielraum zwischen der zur Beförderung des
                              									Zuges notwendigen Geschwindigkeit und der zulässigen Höchstgeschwindigkeit etwas eng
                              									bemessen, dann kann es nur als Härte bezeichnet werden, wenn der Lokomotivführer
                              									wegen Fahrgeschwindigkeitsüberschreitungen zur Rechenschaft gezogen wird. Ein Blick
                              									auf die Geschwindigkeitstafel lehrt, wie wenig Sekunden (30) weniger Fahrzeit für
                              									500 m dazu gehören, um z.B. statt mit 15 km meter in der Stunde mit 20 km in der
                              									Stunde zu fahren.
                           Eine besondere Schwierigkeit liegt in der Innehaltung der Geschwindigkeit bei
                              									Güterzügen mit Handbremsung.
                           Als zulässige Höchstgeschwindigkeit darf nur eine Geschwindigkeit betrachtet werden,
                              									bei der wirklich eine Betriebsgefahr vorliegt.
                           Es werden alle Betriebstechniker darin übereinstimmen, daß z.B. eine
                              									Geschwindigkeit von 20 km im Vergleich zu einer von 15 km in der Stunde, die der
                              									Fahrplan angibt, noch keine Gefahr in sich birgtDas
                                    											Verfahren, die Geschwindigkeitsüberschreitung in Vonhundert-Werten
                                    											auszudrücken, führt häufig wegen der hohen Zahlenwerte (z.B. von 15 auf 20
                                    											Km/Std.: 33 v.H. mehr) zu einer ganz falschen Beurteilung der tatsächlichen
                                    											Geschwindigkeitsverhältnisse.. Es würde auch hart sein, ein
                              									geringes Ueberschreiten der sogenannten Grundgeschwindigkeit des Zuges strafend zu
                              									verfolgen, da ja diese dauernd zur Anwendung gelangen muß, um im Fahrplan zu fahren
                              									und ein Ueberschreiten bei schwierigen Neigungsverhältnissen selbst von dem
                              									geschicktesten Führer nicht immer vermieden werden kann. Ist der Spielraum zwischen
                              									Grundgeschwindigkeit und zulässiger Höchstgeschwindigkeit in praktisch brauchbaren
                              									Grenzen festgelegt, so daß letztere von pflichttreuen Führern nie erreicht wird, so
                              									werden Ueberschreitungen zu den Seltenheiten gehören und kostspielige
                              									Radtasteranlagen daher unnütz sein. Im übrigen gestatten die kurzen Entfernungen der
                              									Stationen und die durch Innehaltung des Fahrplanes gewährte Prüfung der
                              									Fahrgeschwindigkeiten keine allzu hohe Fahrgeschwindigkeit. Zuverlässigkeit,
                              									Tüchtigkeit und Verantwortlichkeitsgefühl, eine Frucht guter Erziehung müssen der
                              									Lokomotivmannschaft unerläßliche Eigenschaften sein. Häufige Dienstreisen von
                              									Aufsichtsbeamten werden zur Innehaltung der Vorschriften mehr beitragen als die
                              									übermäßige Anwendung von Kontrollapparaten – der Führer nennt sie Fußangeln,
                              									Seelenverkäufer, Bezeichnungen, die zu denken geben, wenngleich jedes Mittel zur
                              									Prüfung der Pflichttreue unbeliebt ist. – Die Verwaltungen dürfen des Wortes von M.M. von Weber nicht uneingedenk sein, das er in seinem
                              									Buch: „Die Praxis der Sicherung des Eisenbahnbetriebes“ 1876 sagt: „Dem
                                 										Tauglich-Redlichen ist zu vertrauen, solange er sich dessen nicht unwert gezeigt
                                 										hat; grundsätzliches Mißtrauen und die darauf basierten Kontroll- und
                                 										Ueberkontrollsysteme sind Gift für die Eisenbahnmäßigkeit des
                                 									Organismus!“
                           Es kann überhaupt nicht genug davor gewarnt werden, das ganze Heil von Vorrichtungen
                              									und Apparaten aller Art zu erwarten und die persönliche Tüchtigkeit der Beamten
                              									nichts gelten zu lassen. Durch ein Zuviel hierin kann nur zu leicht das Gegenteil
                              									von dem Erstrebten erreicht werden: Ein zu reichlicher Ersatz der intellektuellen
                              									Fähigkeiten des Beamten durch mechanisch wirkende Vorrichtungen führt zur
                              									Unzuverlässigkeit und zum Mangel an Selbstvertrauen bei den Beamten.
                           
                              (Schluß folgt.)