| Titel: | Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen. | 
| Autor: | Hans A. Martens | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 409 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer
                           								Abhängigkeit von den Betriebsverhältnissen.
                        Von Eisenbahn-Bauinspektor Hans A.
                                 								Martens.
                        (Schluß von S. 392 d. Bd.)
                        Die Eisenbahn-Fahrgeschwindigkeitsmesser in ihrer Abhängigkeit von
                           								den Betriebsverhältnissen.
                        
                     
                        
                           Die zweite Gruppe umfaßt Strecken, auf denen mit noch schätzbarer
                              									Geschwindigkeit von 40–70 km in der Stunde gefahren wird und die keine besonderen
                              									Gefahrstellen aufweisen: Die Züge sind Güter- und Personenzüge. Bis 70 km lassen
                              									sich die Geschwindigkeiten mit der Uhr in der Hand noch genügend sicher feststellen.
                              									Es bedeutet diese gelegentliche Prüfung der Geschwindigkeit auch keine
                              									gefahrbringende Ablenkung des Führers von der Streckenbeobachtung. Auch hier werden
                              									Geschwindigkeitstafeln nach obigem Muster in den Händen der Lokomotivführer gute
                              									Dienste leisten. Beim Einholen von Verspätungen wird entweder die kürzeste Fahrzeit
                              									nach deutschen Vorschriften, oder die zulässige Höchstgeschwindigkeit der
                              									Lokomotiven und Wagen nach englischem Gebrauch maßgebend sein. Wenn höhere als 70
                              									km/St. Geschwindigkeit gefahren werden, so könnte dies auf die Notwendigkeit von
                              									Apparaten hinweisen. Jedoch ist die Häufigkeit von Zugverspätungen zu erwägen, ob
                              									die Höchstgeschwindigkeit überhaupt erreicht wird, ob besondere Betriebsgefahr aus
                              									ihr entspringt usw. Die Erfahrung wird hier maßgebend sein für die Anwendung von
                              									Geschwindigkeitsmessern. Liegen einige, wenige Gefahrstellen auf der Strecke, so
                              									wird eine Ueberwachung der Geschwindigkeit an diesen durch Radtaster am Platze sein.
                              									Es wird durch diese Einrichtung ein Druck auf die Innehaltung der
                              									Fahrdienstvorschriften ausgeübt. Gibt man dem Führer kein Mittel an die Hand, die
                              									Geschwindigkeit sicher ohne Rechnung feststellen zu können, so sollte man ihn auch
                              									nicht bei nur geringer Ueberschreitung zur Rechenschaft ziehen. Wird aber diese
                              									Praxis geübt, Vorschriften zu geben und ihre Erfüllung stillschweigend als kaum
                              									möglich zuzugeben, so wird dadurch das Vertrauen des Beamten gegen die Vorschriften
                              									und die sie erlassende Verwaltung- allgemein schwer geschädigt. Denn es muß als
                              									allgemeiner Grundsatz festgehalten werden, daß nur Vorschriften gegeben werden
                              									dürfen, deren Durchführung und deren Ueberwachung von vornherein möglich erscheinen
                              									und sich in der Zukunft auch wirklich durchführen und überwachen lassen. Hierzu
                              									kommt das wirtschaftliche Moment. Eine Strecke mit nur sehr wenigen zu überwachenden
                              									Gefahrstellen kann mit Lokomotiven ohne Geschwindigkeitsmesser befahren werden,
                              									sofern die Praxis des Betriebes keine Bedenken dagegen aufkommen läßt. Es erscheint
                              									höchst unwirtschaftlich, Lokomotiven mit teuren Apparaten auszurüsten, auf Strecken,
                              									auf denen diese nur bei jeder Fahrt ein- oder zweimal vonnöten sind. Da wird es
                              									vollauf genügen, sich von der Innehaltung der Fahrgeschwindigkeit durch an die
                              									Gefahrstellen verlegte Radtaster zu überzeugen, die den Führer schon zur
                              									Aufmerksamkeit und Pflichttreue anhalten.
                           Die Sichtbarmachung der Geschwindigkeit für den Führer fordert also keine
                              									Geschwindigkeitsmesser. Tritt nun aber die andere wichtige Forderung, die Prüfung
                              									der Zugfahrt in den Vordergrund infolge sehr belasteter Strecken und vieler Züge mit
                              									verschiedenen Geschwindigkeiten, die an sich eine große Gefahr darstellen und deren
                              									genaue Innehaltung daher anzustreben ist, so ist die Ausrüstung der Lokomotiven mit
                              									Geschwindigkeitsmessern und Schreibwerk eine Notwendigkeit des Betriebes. Zwar ist
                              									nach der obigen Darstellung ein Anzeigen der Geschwindigkeit nicht erforderlich. Es
                              									muß aber als grundsätzlich falsch bezeichnet werden, die Zugkraft durch Diagramme
                              									nachträglich zu prüfen, während dem Führer kein Mittel an die Hand gegeben wird,
                              									jederzeit die Geschwindigkeit zu erkennen. Ein derartiger schreibender
                              									Geschwindigkeitsmesser ohne Anzeige ist auf der Paris-Lyon-Mittelmeer-Eisenbahn im
                              									Gebrauch. Man kann sagen, daß in diesem Falle nicht die Geschwindigkeit, sondern die
                              									Zugfahrt an sich, also die Innehaltung des Fahrplanes nachgeprüft werden soll. Es
                              									schafft aber dies Vorgehen unter den Lokomotivbeamten Mißtrauen und Unzufriedenheit,
                              									welche nur zu natürlich und begreiflich sind.
                           Es ist hier der Ort, die Frage zu beleuchten, welche Bedeutung die
                              									Geschwindigkeitsmesser für den Dienst auf Lokomotiven langsamfahrender, schwerer
                              									Güterzüge haben. Merkwürdigerweise ist sie, meines Wissens, nie Gegenstand irgend
                              									welcher Untersuchungen oder Verhandlungen gewesen. Die Betriebstechniker haben die
                              									Frage der Geschwindigkeitsmessung immer vom einseitigen Standpunkt aus betrachtet,
                              									nämlich, wie bereits angedeutet, von der Forderung, hohe Fahrgeschwindigkeiten
                              									anzuzeigen. Sie ließen sich dabei von der Größe der Geschwindigkeit führen und
                              									hielten Geschwindigkeitsmesser für um so notwendiger, je größer jene war. Die
                              									Geschwindigkeit ist aber nur ein Faktor der Gefahr im Eisenbahnbetriebe; der andere
                              									ist die Masse des Zuges. Der fahrende Zug hat ein kinetisches Arbeitsvermögen, das
                              									zu der Geschwindigkeit im quadratischen und zu der bewegten Masse im geraden
                              									Verhältnis steht. Es ist nun ohne weiteres klar, daß das Arbeitsvermögen bei
                              									Personenzügen durch die größere Geschwindigkeit, bei schweren Güterzügen durch die
                              									größere bewegte Masse aufgebracht wird, so daß es annähernd bei beiden gleich sein
                              									muß. Die Wichtigkeit der Zugstärke in ihrem Zusammenhang mit der Geschwindigkeit kommt
                              									in den Bestimmungen der Eisenbahnen zum Ausdruck. Ist die Gleichheit aller
                              									Arbeitsvermögen verschiedenartiger Züge annähernd erreicht, so verschiebt sich der
                              									Grad der Betriebssicherheit wieder durch die mehr oder weniger vollkommene
                              									Bremseinrichtung. Die Handbremsung erhöht die Gefahr bei langen Güterzügen nicht
                              									unbedeutend, weswegen eine willkürliche Steigerung des Arbeitsvermögens des Zuges
                              									durch vorschriftswidriges Schnellerfahren nach Möglichkeit vermieden werden muß. Die
                              									theoretisch richtige Gleichheit der Arbeitsvermögen verschiedenartiger Züge besteht
                              									in Wirklichkeit nicht. Solange die Personenwagen im Gewicht von den Güterwagen nur
                              									wenig abwichen und die Fahrgeschwindigkeit 70 km/St, nicht überstieg, hat sie in der
                              									Tat nach den Vorschriften der deutschen Eisenbahnen annähernd bestanden. Mit
                              									Einführung erhöhter Fahrgeschwindigkeit und der vierachsigen Personenwagen, deren
                              									Aufbau wesentlich schwerer ist als derjenige der dreiachsigen Personenwagen und
                              									zweiachsigen Güterwagen, ist auch der Wert für das Arbeitsvermögen bei den modernen
                              									Schnellzügen erheblich gestiegen. Ein Ausgleich des Gefahrmoments beider
                              									Zuggattungen findet jedoch durch den Umstand statt, daß bei den schnellfahrenden
                              									Zügen in der Regel alle Achsen Bremsachsen sind, während bei Güterzügen nur ein
                              									gewisser Teil der laufenden Achsen vorschriftsmäßig zu bremsen ist. Es wird also das
                              									größere Arbeitsvermögen der Schnellzüge beim Anhalten schneller und sicherer durch
                              									die von einer Stelle aus bediente Leitungsbremse vernichtet, während bei Güterzügen
                              									noch immer mittels der Handbremse nach gegebenem Signal gebremst wird. Die Länge des
                              									Bereitschaftsweges beim Bremsen von Güterzügen ist allen Fachmännern bekannt und
                              									daher darf die Behauptung ausgesprochen werden, daß, trotzdem das Arbeitsvermögen
                              									vollbelasteter Güterzüge mit geringer Fahrgeschwindigkeit durchschnittlich die
                              									Hälfte bis ein Drittel von dem Arbeitsvermögen schwerer Schnellzüge mit hoher
                              									Fahrgeschwindigkeit beträgt, die Gefahrmomente beider Zuggattungen nicht nur
                              									annähernd als gleich zu betrachten sind, sondern das Gefahrmoment der Güterzüge,
                              									wenn auch nicht dem Zahlenwert nach, so doch mit Rücksicht auf die geringere
                              									Bremswirkung als das größere anzusehen ist. Die Erfahrung bestätigt diese Behauptung
                              									vollauf: Durch Ueberfahren von Haltsignalen kommen bei Güterzügen, nicht bei
                              									Schnellzügen, die meisten Unfälle vor. In der Untersuchung vermag meist eine noch so
                              									hervorragende Sachkenntnis der die Untersuchung führenden Beamten den durch die
                              									verschiedenen sich widersprechenden Aussagen der beteiligten Beamten verwirrten
                              									wahren Tatbestand kaum zu erkennen. Da ein Ueberfahren des Haltsignals durch
                              									verspätetes, nicht rechtzeitiges Bremsen, dies aber wiederum durch nicht rechtzeitig
                              									gegebenes oder gehörtes Bremssignal, nicht rechtzeitig gegebenes Haltsignal oder zu
                              									spät bemerktes verursacht wird, wozu noch eine nicht vorschriftsmäßige bzw.
                              									rechtzeitig ermäßigte Geschwindigkeit hinzukommen kann, so sind der für einen
                              									Zusammenstoß notwendigen Elemente genug, die vielfach gar nicht richtig beurteilt
                              									werden können. Hier könnte der Geschwindigkeitsmesser mit Schreibwerk in seiner
                              									Eigenschaft als Fahrtüberwachungsapparat helfend eingreifen. Der Wert einer
                              									Geschwindigkeits-Schaulinie läßt sich an Fig. 1
                              									beurteilen, die das Ueberfahren eines Haltsignals veranschaulicht, welches durch zu
                              									spätes Anziehen der Bremsen bei überschrittener Höchstgeschwindigkeit veranlaßt
                              									wurde. Die Geschwindigkeitslinie bei vorschriftsmäßiger Fahrt ist ebenfalls
                              									eingetragen.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 409
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 409
                              Fig. 2. Skizze zu einer Vorrichtung zum selbsstätigen Aufzeichnen der
                                 										Lokomotiv-Dampfpfeifensignale im Geschwindigkeits-Diagramm.
                              
                           Die Schaulinie unterrichtet vollkommen über die jeweilige Geschwindigkeit, auch der
                              									Beginn des Bremsens zeigt sich deutlich. Es fehlt nur noch die Darstellung des
                              									Augenblicks, in dem das Bremssignal gegeben wurde, und diese Forderung könnte in
                              									einfacher, zuverlässiger Weise erfüllt werden. Sie ist keine unnütze
                              									Sicherheitskrämerei, sondern entspringt den Betriebsverhältnissen der zur Zeit noch
                              									mit Handbremse gefahrenen Güterzüge. Fig. 2 ist ohne
                              									weitere Beschreibung verständlich: Jede Bewegung des Pfeifenzuges wird auf dem
                              									Diagrammstreifen selbsttätig aufgezeichnet. Dadurch wird dann auch der sogenannte
                              									Bereitschaftsweg gekennzeichnet, das ist der Weg, der vom Zuge durchlaufen wird in
                              									der Zeit vom Beginn des Bremssignal-Pfiffs bis zum ersten Augenblick der
                              									Bremswirkung. Dieser Weg- spielt bekanntlich im Betriebe der Güterzüge eine große
                              									Rolle. Die Einrichtung des Verfassers wird beste Dienste leisten bei der
                              									Untersuchung des Ueberfahrens von Haltsignalen durch Güterzüge, da die Angabe
                              									bestimmend ist für den Bremsweg. Dadurch können vielfach Härten in der Beurteilung
                              									der Schuldfrage bei einem Vergehen (Ueberfahren des Haltsignals) vermieden werden,
                              									welches mit Recht unnachsichtlich auf das Strengste bestraft werden muß. Diese
                              									wichtigen Punkte der Zugfahrt werden in der Schaulinie zuverlässig verzeichnet, so
                              									daß sich der Geschwindigkeitsmesser mit Schreibwerk als stummer, sicherer Zeuge
                              									darstellt, gegen dessen Aussagen die ihm widersprechenden null und nichtig sind. Ein
                              									zweiter Grund, der für die Anwendung von Geschwindigkeitsmessern bei schweren
                              									Güterzügen allgemein spricht, ist die Tatsache, daß Güterzüge trotz der geringen
                              									Fahrgeschwindigkeiten doch leichter die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten
                              									überschreiten als die schnellfahrenden Züge. Es ist dies weniger dem bösen Willen
                              									oder der Unkenntnis der Lokomotivbeamten zuzuschreiben, als dem größeren Einfluß der
                              									Strecke auf die Fahrgeschwindigkeit, wie es bei Personenzügen der Fall ist. Die
                              									Steigungen und Gefälle der Strecke erzeugen beim Güterzuge wegen seiner größeren
                              									Maße eine größere Beschleunigungs- und Verzögerungskraft als bei Personenzügen.
                              									Infolgedessen ist die Geschwindigkeit der Güterzüge auf stark wechselnden Strecken
                              									mit diesen stark veränderlich. Wenngleich es nun wirtschaftlich ist, beim Gefälle
                              									die Beschleunigung der Geschwindigkeit auszunutzen, um die Maschine auf der Steigung
                              									nicht mehr als in Regelleistung bei verminderter Geschwindigkeit arbeiten zu lassen,
                              									so ist es doch keineswegs zulässig, die vorgeschriebene Geschwindigkeit auf starken
                              									und langen Gefällen zu überschreiten.
                           Ein erschwerender Umstand für die Innehaltung der Geschwindigkeit, namentlich auf
                              									Gefällen, kommt noch hinzu: Es ist sehr schwierig und mit Gefahr der Zugtrennung
                              									verbunden, bei einem gebremst fahrenden Güterzuge wieder die Bremsen während der
                              									Fahrt zu lösen. Durch das ungleichmäßige, nicht gleichzeitige Lösen von Hand treten
                              									Stoße auf, die auf Gefällen und Steigungen natürlich gefährlicher sind, als auf der
                              									Wagrechten. Auf einigen Bahnen besteht die Bestimmung, daß der Schlußbremser eines
                              									Güterzuges auf einen Achtungspfiff der Lokomotive hin bei der Fahrt auf starken und
                              									langen Gefällen die Bremse anzieht und wenn noch keine merkbare Verringerung der
                              									Geschwindigkeit eintritt, auch noch der vorletzte Bremser. Es ist klar, daß dies
                              									Verfahren Zugtrennungen nicht ganz vermeiden kann – so richtig es in der Theorie ist
                              									– und daher von den Lokomotivführern erfahrungsgemäß nur ungern angewendet wird.
                              									Diese Uebelstände sind allen tüchtigen Lokomotivführern bekannt; und daher kommt es,
                              									daß die Geschwindigkeit eines Güterzuges, der mit der Regelgeschwindigkeit in ein
                              									Gefälle hineinfährt und dort naturgemäß immer steigende Geschwindigkeit annimmt,
                              									leicht das zulässige Maß überschreitet, was dem Führer wohl bekannt ist, der aber
                              									ein Bremsen des Zuges absichtlich vermeidet. Die Ausrüstung von Lokomotiven mit
                              									Geschwindigkeitsmessern würde nun Abhilfe schaffen, indem die Geschwindigkeit des
                              									Güterzuges schon vor Befahren langer Gefälle nach der Erfahrung angemessen ermäßigt
                              									wird, um auf ihm nicht unzulässige Werte anzunehmen. Durch ständiges Ablesen der
                              									Geschwindigkeit wird dem streckenkundigen Führer dann die Innehaltung
                              									vorgeschriebener Geschwindigkeiten wesentlich erleichtert, wenn nicht gar erst
                              									sicher ermöglicht.
                           Durch diese längere Erwägung ist gezeigt worden, welche Schwierigkeiten besonders bei
                              									wechselnden Steigungsverhältnissen der Strecke im Güterzugdienst bei Innehaltung der
                              									Fahrgeschwindigkeit bestehen und wie ein Geschwindigkeitsmesser passender,
                              									besonderer Bauart nützlich werden könnte. Jedenfalls ist hiermit auf die Aufgaben
                              									des Geschwindigkeitsmessers im Güterzugdienst hingewiesen worden, die bisher noch
                              									gar nicht ins Auge gefaßt worden waren. Daß sie für die Betriebssicherheit von
                              									Wichtigkeit sind, bedarf einer nochmaligen Bestätigung nicht mehr.
                           Auf Strecken mit vielen durch Radtaster überwachten Gefahrstellen wird ein
                              									Geschwindigkeitsmesser nicht entbehrt werden können. Für Personenzüge wird sich eine
                              									vereinfachte Bauart empfehlen. Ein Aufschreiben der Zugfahrt ist mit Rücksicht auf
                              									die Strecke nicht erforderlich, kann mithin unterbleiben, solange es der Betrieb
                              									selbst nicht zur Nachprüfung der Zugfahrt verlangt. Bei Güterzügen ist die Anwendung
                              									eines Geschwindigkeitsmessers mit Schreibwerk nach den obigen Erwägungen eine
                              									unbedingte Notwendigkeit, so daß sie hier erst recht Geltung haben.
                           Lokomotiven, die ständig Züge mit mehr als 70 km in der Stunde befördern, sollten mit
                              									schreibenden Geschwindigkeitsmessern ausgerüstet sein. Es bleibt für den Kernpunkt
                              									der Sache ohne Einfluß, wenn diese Geschwindigkeitsgrenze auf einen andern Wert,
                              									etwa 80 bis 100 km/St. festgelegt wird. Die Unmöglichkeit, die Geschwindigkeit mit
                              									Sicherheit noch abzuschätzen, drängt alle anderen Rücksichten in den Hintergrund.
                              									Und da mit der erhöhten Geschwindigkeit auch die Gefahr wächst, die aus nicht
                              									fahrplanmäßiger Zugbeförderung, namentlich bei großer Verkehrsdichte entsteht,
                              									so wird eine Ueberwachung der ganzen Zugfahrt durch das Schreibwerk des
                              									Geschwindigkeitsmessers ein nützliches Mittel – mehr wirksam durch moralischen Druck
                              									als durch tatsächliche Einwirkung – zur Erhöhung der Betriebssicherheit im
                              									Schnellzugverkehr sein. Dieser Ansicht scheinen heutzutage viele Betriebstechniker
                              									beizustimmen. Viele Eisenbahnverwaltungen gehen damit vor, alle
                              									Schnellzuglokomotiven mit schreibenden Geschwindigkeitsmessern auszurüsten. Es
                              									bleibt nun unbenommen, besondere Gefahrstrecken noch außerdem durch Radtasteranlagen
                              									zu überwachen, obwohl diese aus wirtschaftlichen Rücksichten auf ein Mindestmaß
                              									eingeschränkt werden sollten. Es sind Geschwindigkeitsmesser gebaut worden – Capteyn
                              									– bei denen bei Ueberschreitung einer gewissen Höchstgeschwindigkeit die
                              									Leitungsbremse selbsttätig angestellt wird. Diese Einrichtung kann bei schreibenden
                              									Geschwindigkeitsmessern entbehrt werden, da die als Ankläger auftretende Schaulinie
                              									den Führer verhindern wird, unzulässige Geschwindigkeiten zu fahren.
                           Entwickelt man die Forderungen von einem andern Standpunkt, so gelangt man ebenfalls
                              									zu praktisch brauchbaren aber anderen Ergebnissen. Verzichtet man auf die
                              									Möglichkeit einer nachträglichen Prüfung der ganzen Zugfahrt, so kann das
                              									Schreibwerk am Geschwindigkeitsmesser entfallen. Allerdings wird für gewöhnlich kaum
                              									eine gewissenhafte PrüfungEine Vorrichtung zur
                                    											schnellen Nachprüfung von Radtaster- und Geschwindigkeitsmesser-Streifen ist
                                    											kürzlich vorn Herrn Minister der öffentlichen Arbeiten dem Verfasser
                                    											prämiiert worden. der Schaulinien sämtlicher Apparate stattfinden
                              									können. Sie gewinnen erst Bedeutung bei der Untersuchung von Unglücksfällen. Sonst
                              									ist eine Prüfung der Zugfahrt, der jeweiligen Geschwindigkeit nur durch Stichproben
                              									möglich. Dadurch wird natürlich eine Ueberwachung der Gefahrstellen durch Radtaster
                              									bindend. Diese Schaulinien sind leicht täglich zu prüfen, da einmal ihre Prüfung
                              									verschiedenen Beamten übertragen werden kann, und da sie zweitens nur an den
                              									notwendigen Stellen der Strecke aufgezeichnet werden, also einen wesentlich
                              									geringeren Arbeitsstoff für die Nachprüfung darstellen. Nun kann allerdings eine
                              									nicht zulässige Geschwindigkeit an anderen Stellen der Strecke nicht nachgewiesen
                              									werden. Um diesen Uebelstand zu beseitigen, kann in folgender Weise vorgegangen
                              									werden. Die in einem Zuge laufenden Fahrzeuge – Lokomotive und Wagen – sind alle für
                              									die gleiche Höchstgeschwindigkeit betriebsfähig, mit welcher alle nicht durch
                              									Radtasteranlagen überwachten Streckenabschnitte ohne Ausnahme befahren werden
                              									dürfen. Dann steht nichts im Wege bis zu dieser Geschwindigkeit ohne Bedenken zu
                              									gehen, vorausgesetzt, daß das Gleis nicht eine geringere Geschwindigkeit zur
                              									Bedingung macht. Die fahrplanmäßig zu durchfahrenden Stationen werden heutzutage
                              									nicht mehr als zwingender Grund zur Verminderung der Fahrgeschwindigkeit angesehen,
                              									es sei denn, daß besondere Gründe vorliegen; sie werden daher ebenfalls von
                              									Schnellzügen mit unverminderter Geschwindigkeit durchfahren. Um also ein
                              									Ueberschreiten der zulässigen Geschwindigkeit zu verhindern, wird die vorhin
                              									erwähnte selbsttätige Anstellung der Leitungsbremse angeordnet. Wenn man dies
                              									Vorkommnis noch besonders erkennbar macht, so kann der Führer ebenfalls nachträglich
                              									zur Rechenschaft gezogen werden. Dadurch sind recht einfache Verhältnisse geschaffen
                              									worden: Ueberwachung der Gefahrstrecken durch Radtaster und tägliche Prüfung der
                              									Schaulinien mit wenig Zeitaufwand; Geschwindigkeitsmesser ohne Schreibwerk, wodurch
                              									sich ihr Anschaffungspreis und ihre Unterhaltungskosten
                              									mindern, wirksames Verhindern einer Ueberschreitung der zulässigen
                              									Höchstgeschwindigkeit durch mechanische Einrichtung, deren Beschaffungs- und
                              									Unterhaltungskosten gegenüber denen des Schreibwerks zu vernachlässigen sind.
                           Diese beiden Systeme, auf verschiedene Grundlagen aufgebaut, stehen sich gegenüber
                              									und haben dennoch ihre Berechtigung. Einzig und allein werden die Erfahrung und die
                              									verschiedenartigen Betriebsbedingungen für das eine oder das andere die Entscheidung
                              									treffen. Beiden gemeinsam ist die Erfüllung der grundlegenden Forderungen: Ständige
                              									Geschwindigkeitsmessung, ständige Ueberwachung der Gefahrstrecken und Anzeige der
                              									Erreichung bezw. Ueberschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an beliebiger
                              									Stelle der Strecke!
                           Von hoher Bedeutung ist die Innehaltung bestimmter vorgeschriebener Geschwindigkeiten
                              									bei der Einfahrt in Kopfstationen. Gewöhnlich wird die Fahrgeschwindigkeit durch
                              									Radtaster überwacht. Für den dem Bahnhof am nächstliegenden ist die geringste
                              									Fahrgeschwindigkeit vorgeschrieben, bei deren Anwendung es in der Regel möglich ist,
                              									den Zug an der richtigen Stelle zum Stillstand zu bringen oder wie man sich auch
                              									auszudrücken pflegt, „bei der der Lokomotivführer den Zug noch in der Gewalt
                                 										hat.“ Da hiervon das betriebssichere Anhalten des Zuges abhängt, so ist die
                              									Innehaltung- der vorgeschriebenen Fahrgeschwindigkeit durchaus notwendig. Da diese
                              									in der Schätzung zugänglichen Grenzen liegt (50 bis 10 km/St.), so können
                              									Geschwindigkeitsmesser in diesem Falle entbehrt werden.
                           Unter Schnellbahnen sollen Bahnen verstanden werden, auf denen mit 120 km in der
                              									Stunde und höheren Geschwindigkeiten gefahren wird. Es liegt im Wesen der
                              									Schnellbahnen, daß eigentliche Gefahrstrecken mit Rücksicht auf die betriebssichere
                              									Durchführung der hohen Geschwindigkeiten nicht vorhanden sind oder doch nur, wo sie
                              									nicht zu vermeiden sind, in ganz beschränkter Anzahl. Da eine annähernd richtige
                              									Schätzung der Geschwindigkeit unmöglich ist, so liegt darin die Forderung für die
                              									Anwendung von Geschwigkeitsmessern. Der Schnellbahnbetrieb selbst wird lehren, ob
                              									die Meßapparate zur Erhöhung der Betriebssicherheit mit Schreibwerk zu bauen sind.
                              									Es wiederholen sich bei der Entscheidung dieser Frage alle jene Erwägungen, die bei
                              									der vorherbeschriebenen Gruppe H nötig waren.
                           Von den Geschwindigkeitsmessungen im Betriebe sind die bei Versuchen angestellten
                              									Messungen zu unterscheiden, die nach den Versuchszwecken in 2 Gruppen zerfallen: 1.
                              									Versuchsfahrten zur Erprobung von Dauerleistungen von Lokomotiven auf bestimmten
                              									Strecken, nach denen die Fahrzeiten festgelegt werden sollen, das sind Versuche von
                              									ausgesprochen praktischem Gepräge, 2. Versuchsfahrten zur Feststellung der
                              									jeweiligen und Höchstleistung der Maschine, das sind Versuche von mehr
                              									wissenschaftlichem Gepräge.
                           Für die ersteren Versuche sind allgemein die Angaben der im Betriebe üblichen
                              									Geschwindigkeitsmesser ausreichend, deren Fehler – bis zu 5 v.H. zusammen – für das
                              									Ergebnis bedeutungslos sind. Der Zug wird in bestimmter Stärke zusammengestellt und
                              									nach einem bestimmten Fahrplan befördert. Es liegt hauptsächlich daran
                              									festzustellen, ob die Maschine, ohne Erschöpfung zu zeigen, den Anforderungen
                              									entspricht. Für überschlägige Versuche genügt sogar zeitweiliges häufiges Prüfen der
                              									Geschwindigkeit mittels Uhr und Hektometersteinen, soweit dies noch möglich ist.
                           Die Leistungsversuche müssen nach Möglichkeit größte Genauigkeit anstreben, da sie
                              									als wissenschaftliche Grundlagen verwendet werden sollen. Auch tritt die
                              									Geschwindigkeitsaufschreibung vor der Anzeige in den Vordergrund, die vielfach nur
                              									zur allgemeinen Unterrichtung, wie schnell ungefähr gefahren wird, angenehm
                              									empfunden wird, wobei auf eine völlige Genauigkeit kein so hoher Wert gelegt wird.
                              									Bei ihnen werden Dampfdiagramme genommen, die Zugkraft fortlaufend verzeichnet, zu
                              									der auch die Aufzeichnungen der jeweiligen Geschwindigkeiten hinzukommen, um die
                              									Leistung zu bestimmen. Da hier die gewöhnlichen Geschwindigkeitsmesser namentlich in
                              									den Beschleunigungs- und Verzögerungsabschnitten, weil sie nicht genug schnell
                              									folgen, ungenaue Anzeigen geben, so muß zu anderen Verfahren geschritten werden. Da
                              									es nichts zur Sache tut, die Geschwindigkeiten erst mittelbar aus Aufzeichnungen
                              									abzuleiten, so werden diese vorzuziehen sein, wenn sie nur zuverlässige Werte
                              									ergeben. Die Schwierigkeit, genaue Augenblickswerte der Geschwindigkeit zu erhalten,
                              									liegt einmal in der Bauart der Meßapparate selbst und besteht ferner in dem
                              									Umstände, daß der Apparat selbst fortwährend den Stößen während der Fahrt ausgesetzt
                              									ist, und daher empfindliche Apparate von diesen beeinflußt werden, zu träge Apparate
                              									hingegen nicht schnell genug den Aenderungen der Fahrgeschwindigkeit folgen und
                              									daher ungenaue Angaben machen. Es kommt daher auf möglichst einfache Bauart der
                              									Vorrichtungen an. Der Entwicklungsgang dieser ist vom Einfachen ausgehend zu noch
                              									Einfacherem zurückgekehrt und hat in den bei den Schnellbahnfahrten
                              									Marienfelde–Zossen verwendeten Vorrichtungen mustergültige Apparate mit bisher
                              									unerreichter Genauigkeit gezeitigt. Der Grundgedanke der Wegmessung ist beibehalten
                              									worden; aber während die Apparate, welche die zeitliche Geschwindigkeitslinie
                              									selbsttätig aufzeichnen, in sich die Fehlerquelle bergen, vermeidet man diese
                              									dadurch, daß man aus dem mit größter Genauigkeit selbsttätig verzeichneten
                              									Zeit-Wegdiagramm von Hand das zeitliche Geschwindigkeitsdiagramm aufzeichnet:
                              									Während zur allgemeinen ungefähren Anzeige der jeweiligen Geschwindigkeit Apparate
                              									bekannter üblicher Bauart verwendet werden, wird die genaue Aufschreibung durch
                              									Vermerken der Radumdrehungen einer ungebremsten Achse auf einem gleichmäßig bewegten
                              									Papierstreifen bewirkt!
                           Es ist die Arbeit skizziert worden, welche dem Bau beziehungsweise der Beschaffung
                              									von Fahrgeschwindigkeitsmessern vorangehen muß. Vorbedingung für eine zweckmäßige,
                              									wirtschaftliche Verwendung eines Fahrgeschwindigkeitsmessers ist die klare Erkennung
                              									der Forderungen, die der Eisenbahnbetrieb an denselben stellt und welche die Fragen
                              									vorlegen, ob ein Meßapparat überhaupt notwendig ist und ob er nur die
                              									Geschwindigkeit anzeigen oder auch selbsttätig aufzeichnen soll. Die Strecken- und
                              									Betriebsverhältnisse sind allein ausschlaggebend. Besondere Schwierigkeiten wird
                              									immer die Beantwortung der Frage bezüglich Notwendigkeit des
                              									Geschwindigkeitsdiagramms bereiten. Aber vielleicht läßt sich hier eine Folgerung
                              									aus der geschichtlichen Entwicklung ziehen. Im Beginn des Eisenbahnbetriebes setzten
                              									die bis dahin unbekannten Geschwindigkeiten in Erstaunen und man glaubte ohne
                              									Diagramme nicht betriebssicher fahren zu können. Unsere Zeit steht in ähnlicher
                              									Weise, wenn auch schon viel kühner geworden, Hochgeschwindigkeiten gegenüber, die
                              									bisher noch nicht allgemein üblich sind. Hat sich erst der menschliche Organismus
                              									für diese erstrebten Hochgeschwindigkeiten genügend geschärft, so bedarf es
                              									voraussichtlich des Schreibwerks nicht mehr, um die Fahrt nachträglich Minute für
                              									Minute nachprüfen zu können.
                           Die Anwendung von Geschwindigkeitsmessern greift tief in die Verwendung der
                              									Lokomotiven ein. Es wird nicht immer leicht sein, beim Lauf der Lokomotiven auf
                              									verschiedenen Strecken und in verschiedenen Zügen einen in betriebstechnischer,
                              									konstruktiver und wirtschaftlicher Hinsicht entsprechenden
                              									Geschwindigkeitsmesser zu verwenden; denn es dürfte bewiesen sein, daß ein
                              									sogenannter „Universalapparat,“ der allen Ansprüchen in gleicher Weise
                              									gewachsen ist, ein Unding ist.