| Titel: | Zweiter Bericht über Festigkeitsversuche mit Eisenkonstruktionen. | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 468 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Zweiter Bericht über Festigkeitsversuche mit
                           								Eisenkonstruktionen.
                        Erstattet von der Versuchskommission des
                           									Vereins deutscher Brücken- und Eisenbaufabriken.
                        (Schluß von S. 454 d. Bd.)
                        Zweiter Bericht über Festigkeitsversuche mit
                           								Eisenkonstruktionen.
                        
                     
                        
                           Ueber die Schlagzugversuche berichtet das Königl. Materialprüfungsamt wie
                              									folgt.
                           
                        
                           Schlagzugversuche mit Nietverbindungen, Niete in Längsrichtung
                              									beansprucht. (Zeugnis I. 6878 a.)
                           Die Versuche bezweckten festzustellen, ob Nietköpfe mit Versenk weniger zum Abspringen neigen als Nietköpfe ohne Versenk.
                           Die Versuchsanordnung war nach dem von Professor Rudeloff in der Sitzung des Ausschusses am 20. Mai 1908 gemachten
                              									Vorschlage wie folgt getroffen.
                           Die Probestücke bestanden je aus zwei quadratischen Abschnitten mit 10,6 cm
                              									Kantenlänge von 2,3 cm starken Blechen, die in der Mitte durch das zu prüfende Niet
                              										N (s. Fig. 11–13) von 2,0 cm 
                              									miteinander vereinigt waren.
                           Bei der Prüfung wirkten senkrecht zur Blechoberfläche gerichtete Stöße auf
                              									Abheben der Bleche voneinander, wobei die Niete stoßweise auf Zug beansprucht
                              									wurden. Hierzu waren die beiden Bleche A und B durch je zwei in den Diagonalen angeordnete
                              									Schraubenbolzen a1a2 und b1b2 mit den 5 cm dicken
                              									Stahlstücken C und D
                              									verschraubt, indem die Köpfe der Bolzen b1b2 in das Blech A
                              									eingelassen waren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 468
                              Schlagversuche mit Nieten.
                              
                           An dem Stück C war die Probe mit dem Bolzen E in dem Fallwerk (Bauart Martenss. Mitteilungen a d.
                                    											Königl. techn. Versuchsanstalten 1891, S. 1.) aufgehängt. Der in
                              									das Stück D eingeschraubte Bolzen F trug den Stahlgußrahmen G, der die Aufhängestelle des Bolzens E
                              									umfaßte, seitlich durch die Führungen des Fallbären gehalten war und den auf ihn
                              									ausgeübten Schlag des Fallbären auf die Probe übertrug. Das Bärgewicht betrug 60,5
                              										kgHingewiesen sei
                                    											darauf, daß nicht die gesamte Schlagarbeit von dem zu prüfenden Niet
                                    											aufgenommen, sondern ein Teil derselben durch Formänderung der Bleche und
                                    											der Einspannteile, sowie Reibungswiderstände aufgezehrt wurde. Der hierdurch
                                    											entstehende Fehler kann aber vernachlässigt werden, da es sich nur um den
                                    											Vergleich der beiden Nietungsarten handelt und die Proben stets die gleichen
                                    											Abmessungen hatten..
                           Zur Ausführung gelangten zwei Versuchsreihen:
                           
                              
                                 Reihe
                                 I
                                 umfaßte
                                 je
                                 3
                                 Proben,
                                 
                              
                                 „
                                 II
                                 „
                                 „
                                 10
                                 „
                                 
                              
                           aus Nieten mit und ohne Versenk unter dem Kopf s. Tab. 3. Die
                              									Festigkeitseigenschaften des Nietmaterials zur Reihe I wurden durch Zug-, Biege- und
                              									Stauchproben ermittelt. Ergebnisse s. Tab. 4–6.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 468
                              Fig. 14.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 468
                              Fig. 15.
                              
                           Reihe I.
                           Der erste Versuch wurde mit einer Probe angestellt, die ein Niet ohne Versenk
                              									enthielt, und der erste
                           Tabelle 3.
                           
                              Ergebnisse der Schlagzugversuche mit Nieten.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 468
                              Versuch No.; Art des Nietes;
                                 										Längenänderungen in 1/100 cm bei den übergeschriebenen Schlägen; Bis
                                 										zum Bruch; Zahl der Schläge; Schlagarbeit; Bemerkungen; Mittel; mit Versenk;
                                 										ohne Versenk; Von der Mittelbildung ausgeschlossen (s. Bemerkung 3); Bei Schlag
                                 										3 brach Bolzen F (s. Fig. 11.); Beim zweiten Schlag
                                 										aus 1,5 m Fallhöhe brach Einspannvorrichtung. Fallwerk durch Nacharbeiten der
                                 										Führungen geändert, Probe 11 mit weiteren 6 Schlägen aus 2,0 m Fallhöhe zu Bruch
                                 										gebracht und dann Versuche 4 bis 10 und 12 bis 20 ohne weitere Störungen
                                 										ausgeführt.
                              
                           Schlag aus 1 m Fallhöhe, also mit 60,5 mkg Schlagarbeit,
                              									ausgeübt. Das Niet hatte sich stark gedehnt. Nachdem die Probe dann weitere 7
                              									Schläge aus 1 m Fallhöhe ausgehalten hatte, wurde sie noch mit 3 Schlägen aus 2 m
                              									Fallhöhe beansprucht. Bei der hiernach aufgewendeten Gesamtschlagarbeit von 8 × 60,5
                              									+ 3 × 121,0 = 847,0 mkg war das Niet noch nicht gebrochen, die Bleche hatten sich
                              									aber stark verbogen. Sie wurden nun so zerschnitten, daß das Niet unverletzt
                              									herausgehoben werden konnte. Sein Schaft zeigte in der Mitte der Länge starke
                              									Einschnürung, wie sie aus den Zerreißversuchen bekannt ist; irgendwelche Querrisse
                              									unter den Köpfen konnten nicht festgestellt werden.
                           Nach dem Aufschneiden des Nietes der Länge nach und Aetzen der Schnittfläche zeigten
                              									sich am Schließkopf von den Ecken e ausgehende feine
                              									Risse f (Fig. 14);
                              									wahrscheinlich leiten sie das Abscheren des Kopfes (s. Fig. 16 u. 17) ein.
                           Die 5 anderen Proben wurden nun bis zum Bruch mit Schlägen aus 1, 2 und 2,4 m
                              									Fallhöhe geschlagen. Bei allen Proben riß der Nietschaft nach vorausgegangener
                              									starker Einschnürung; Verletzungen oder Anrisse unter den Köpfen waren nicht zu
                              									erkennen.
                           
                           Tabelle 4. Ergebnisse der Prüfung von zwei Rundstäben auf
                                 										Zugfestigkeit.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 469
                              Versuch No.; Abmessungen;
                                 										Durchmesser; Breite; Querschnitt; Länge der Teilung; Elastizitätszahl;
                                 										Spannungen kg/qcm; Proportionalitätsgrenze; Streckgrenze; Bruchgrenze; Mittlere
                                 										Entfernung der Bruchstelle von der nächsten Endmarke; Dehnung δ bezogen auf
                                 										Länge; von der Bruchstelle; Querschnittsverminderung; Angaben über das Aussehen
                                 										der; Bruchfläche; Oberfläche nach dem Bruch; Mittel; mattgrau feinschuppig,
                                 										Trichterbildung; krispelig; Martens:
                                 										Materialienkunde, Abs. 365.
                              
                           Tabelle 5. Ergebnisse der Biegeproben.
                           Die Proben wurden um einen Dorn von 1,0 cm  vorgebogen und dann durch Druck
                              									auf die Schenkelenden zusammengedrückt.
                           
                              
                                       Probe      
                                 ZustandderProbe
                                 Durch-messerdin cm
                                 Biege-winkel
                                    											imGraden
                                 Biegehalb-messerauf
                                    												halbenProben-durch-messerρcm
                                 Biege-größeBg=\frac{50 \cdot
                                       												d}{\rho}
                                 Bemerkungen
                                 
                              
                                 No.
                                 
                              
                                 1
                                 Die Probenwurden bei850 C°
                                    											etwa¼ Stundelang geglühtund dann imWasser von28
                                    											C°abgeschreckt.
                                 1,93
                                 180
                                 0,97
                                 100
                                 Die Probenließen
                                    											sichvollständigzusammen-drücken.Rißbildungtrat
                                    											nichtein.
                                 
                              
                                 2
                                 1,93
                                 180
                                 0,97
                                 100
                                 
                              
                           Tabelle 6. Ergebnisse der Stauchproben.
                           
                              
                                 ProbeNo.
                                 Zustand derProben
                                 Abmeesungen vor demVersuch in cm
                                 Höhenach demVersuch
                                 Bemerkungen
                                 
                              
                                 Durch-messer d
                                 Höheh
                                 
                              
                                 1
                                 rotwarm
                                 1,72
                                 3,42
                                 1,14
                                 Rißbildungtrat nicht ein
                                 
                              
                                 2
                                 1,70
                                 3,42
                                 1,14
                                 
                              
                           Die aufgewendeten Gesamtschlagarbeiten, (eingeschlossen den Schlag, bei dem der Bruch
                              									erfolgte) betrugen bei
                           
                              
                                 Probe„
                                 2 = 7263 = 726
                                 mkg.„
                                 Niete ohne Versenk.
                                 
                              
                                 „„„
                                 4 = 7265 = 7266 = 484
                                 „„„
                                 Niete mit Versenk.
                                 
                              
                           Reihe II.
                           Sämtliche Proben (mit Ausnahme von No. 11 s. Tab. 3) wurden bis zum Bruch geprüft mit
                              									Schlägen aus 2 m Fallhöhe = 121 mkg. Schlagarbeit. Nach jedem Schlag wurde die
                              									Dehnung des Nietes festgestellt. Hierzu war in die Mitte auf den im Fallwerk vorn
                              									liegenden, allein zugänglichen Flächen der beiden vernieteten Bleche je eine
                              									Körnermarke eingeschlagen, ihr Abstand wurde nach jedem Schlage in 0,01 cm
                              									festgestellt. Die Abstandsänderung umfaßt also die Dehnung des Nietes einschließlich
                              									Aufbiegen der Bleche.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 469
                              Fig. 16.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 469
                              Fig. 17.
                              
                           Die beobachteten Längenänderungen und die bis zum Bruch aufgewendeten Schlagarbeiten
                              									sind aus Tab. 3 zu ersehen. Die Ergebnisse der Versuche 1, 2, 3 und 11 mußten aus
                              									den in der Tabelle angegebenen Gründen von der Mittelbildung ausgeschlossen
                              									werden.
                           
                           Die Proben n und 12 ohne Versenk gingen zu Bruch, indem je ein Kopf vom Schaft
                              									abgeschert wurde (s. Fig. 16 und 17). Unter dem nicht abgescherten Kopf feiner
                              									Querriß; im Schnitt Fig. 15 ist dieser Querriß als
                              									Beginn des Abscherens zu erkennen; die obere Kopffläche ist etwas eingesunken. An
                              									einigen der übrigen Nieten ohne Versenk traten die feinen Querrisse unter dem Kopf
                              									ebenfalls auf, und die Einsenkung der Kopffläche war infolge Abspringens des Zunders
                              									besonders an den Schließköpfen deutlich erkennbar. Bei den Nieten mit Versenk waren
                              									keine Risse unter den Köpfen sichtbar. Die oberen Flächen der Schließköpfe waren
                              									aber auch bei ihnen etwas eingesunken, während die Setzköpfe fast unverändert
                              									waren.
                           Groß-Lichterfelde West, den 15. Februar 1909.
                           
                              Königliches Materialprüfungsamt.
                              
                           Direktor: gez. Rudeloff.
                              									Abteilungsvorsteher. In Vertretung: gez. Stock.
                           (L.S.)
                           Die Versuchsergebnisse zeigen, daß ein Abreißen oder Abspringen
                                 										des Nietkopfes senkrecht zum
                              									Schaft weder bei den Nieten mit Versenk, noch bei denen
                                 										ohne Versenk erfolgte.
                           In der Arbeitsaufnahme (Schlagfertigkeit) sind keine erheblichen Unterschiede
                              									zwischen Nieten mit Versenk und ohne Versenk.
                           Die Schlagversuche haben nicht ergeben, daß ein Niet ohne
                                 										Versenk einem solchen mit Versenk an Haltbarkeit nachsteht.
                           Da durch die beschriebenen Versuche nachgewiesen ist, daß Niete ohne Versenk den
                              									Nieten mit Versenk weder durch geringere Scherfestigkeit noch durch geringere
                              									Abreißfestigkeit nachstehen, und da die Herstellung einer guten Nietung mit Nieten,
                              									die das kleine Versenk haben, sehr schwierig, ja beinahe unmöglich ist, so ist
                              									dringend zu empfehlen, in Zukunft das Versenk wegfallen zu lassen und die Niete
                              									unter dem Kopf nur mit der kleinen Ausrundung zu versehen, wie sie sich bei der
                              									Nietfabrikation von selbst ergibt. Es ist dann nur nötig, die Lochränder
                              									abzugraten.
                           Bei den zukünftigen Versuchen werden nur noch Niete ohne Versenk zur Anwendung
                              									kommen.