| Titel: | Verwaltungsjuristen – Verwaltungsingenieure. | 
| Autor: | W. Franz | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 498 | 
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                        Verwaltungsjuristen –
                           								Verwaltungsingenieure.
                        Von W. Franz.
                        Verwaltungsjuristen – Verwaltungsingenieure.
                        
                     
                        
                           Im Laufe des letzten Jahrhunderts hat sich in Deutschland ein Begriff gebildet,
                              									der in dem Wort Verwaltungsjurist festgelegt ist.
                              									Gebräuchlicher und allgemein verwendet seit etwa 4–5 Jahrzehnten wird mit diesem
                              									Wort eine Persönlichkeit gekennzeichnet, die aus der Schule der Jurisprudenz
                              									hervorgegangen ist und nach kürzerer Tätigkeit im Dienste der Rechtspflege sich
                              									einem anderen Berufe, dem Berufe der höheren Verwaltung, zugewendet hat oder – wie
                              									es gewöhnlich heißt – zur höheren Verwaltung „übergetreten“ ist. Und in der
                              									Folge hat sich in allen Ländern deutscher Zunge hieraus eine ganz eigentümliche
                              									Ideenverbindung zwischen Jurisprudenz und Verwaltung
                              									vollzogen. Wir knüpfen an das Wort „Jurist“ ohne weiteres die Fähigkeit, jede
                              									Verwaltungstätigkeit auszuüben. In ganz Deutschland gilt deshalb auch das Bestehen
                              									der ersten juristischen Prüfung als ein Beweis dafür, daß der Inhaber des
                              									Prüfungszeugnisses die wissenschaftlichen Grundlagen für das weite Gebiet der
                              									höheren Verwaltung erworben hat. Ja – wir sehen schon in jedem, der einmal bei einer
                              									juristischen Fakultät eingeschrieben war, den wissenschaftlich gebildeten,
                              									prädestinierten Verwaltungsbeamten. Das Studium der Jurisprudenz, das in erster
                              									Linie für zukünftige Richter und Rechtsanwälte bestimmt ist, ist also in Deutschland
                              									zugleich das Berufsstudium der höheren Verwaltung. Dabei ist es aber nicht etwa
                              									erforderlich, daß der Verwaltungsjurist als Richter oder Rechtsanwalt tätig war. Es
                              									wird diese Tätigkeit des Rechtsprechens und Rechtfindens – überhaupt eine längere
                              									und ausschließliche Beschäftigung mit den Materien des Rechts und seiner Anwendung –
                              									neuerdings sogar als ein Mangel in der Vorbildung der Verwaltungsjuristen
                              									betrachtet.
                           Diese eigentümliche Begriffsbestimmung, die das vorige Jahrhundert gebildet hat, ist
                              									auch in dem neuen Jahrhundert durch einen wichtigen Gesetzesakt wieder festgelegt
                              									worden. In dem preußischen Gesetz von 1906 – das erst nach langen ausgedehnten
                              									Verhandlungen zustande gekommen ist – wird an das Bestehen der ersten juristischen
                              									Prüfung nicht nur die ausschließliche Berechtigung zur
                              									Laufbahn der höheren Verwaltung geknüpft, es wird auch gesagt, daß nur mit dem
                              									Bestehen dieser – und keiner anderen – Prüfung die Befähigung erlangt werde. Wie sehr diese Anschauung in unser Bewußtsein
                              									eingedrungen ist, wird uns erst wieder klar, wenn wir von einer Ausnahme hören. Wenn
                              									z.B. ein Minister berufen wird, der kein juristisches Prüfungszeugnis aufweisen
                              									kann, so empfinden wir das Fehlen dieses Zeugnisses geradezu als einen Mangel in
                              									seiner Vorbildung; wir sind jedenfalls leicht geneigt, anzunehmen, daß er nur eine
                              									geringere Befähigung zum Verwalten haben könne.
                           Wenn man den Begriff Verwaltungsjurist noch genauer
                              									fassen will, so wird man auch darauf hinzuweisen haben, daß nach deutscher
                              									Auffassung das juristische Wissen, wie überhaupt die akademische Bildung auf einer
                              										bestimmten Hochschule, der Universität, erworben sein muß; eine andere
                                 										Hochschule ist aus geschlossen. Die Universität bezw. die juristische
                              									Fakultät hat für das so weite und so vielgestaltige Gebiet der Verwaltung eine
                              									ähnliche Monopolstellung erhalten, wie sie bis vor kurzem noch das humanistische
                              									Gymnasium für die sogenannte Allgemeinbildung und die Zulassung zur Hochschule
                              									besessen hatte. Das gilt nicht bloß für die höhere Verwaltung im Staate (die ist mit
                              									einem verhältnismäßig nur kleinen Bruchteil beteiligt), sondern auch für die
                              									Verwaltung der kommunalen Verbände, besonders der Städte, und in der Neuzeit in
                              									immer steigendem Maße auch für die vielen wirtschaftlichen Vereinigungen. Wo immer
                              									in der neuen Zeit eine Berufstätigkeit entstanden ist, die – wenn auch nur äußerlich
                              									– die Formen der bestehenden Verwaltung angenommen hat – sie hat ihr Berufsstudium
                              									in der Jurisprudenz erhalten. Zwischen den allgemein bildenden Fächern der
                              									Mittelschule und der Jurisprudenz der Hochschule besteht auch insofern eine weitere
                              									Aehnlichkeit, als man nahe daran ist, die akademisch juristische Bildung mit Bildung
                              									überhaupt zu verwechseln. Das Studium der Jurisprudenz ist zum Studium katexochen
                              									geworden. Und in der Folge sind alle Wissensrichtungen, die einen so bestimmenden
                              									Einfluß auf die Gestaltung unserer neuzeitlichen Verhältnisse gewonnen haben, aus
                              									der Vorbildung der obersten Beamten ganz ausgeschieden; in der führenden Schicht
                              									unseres Landes haben die Sozial- und Wirtschaftswissenschaften, besonders aber die
                              									angewandten Naturwissenschaften nur einen niedrigen Kurs. Akademisch gebildet –
                              									überhaupt gebildet – darf sich hier jeder nennen, der während seiner Studienjahre
                              									die genannten Wissenszweige vollständig ignoriert hat. Es genügt, wenn er drei Jahre
                              									bei einer juristischen Fakultät eingeschrieben war – und sein Prüfungswissen beim
                              									Repetitor geholt hat.
                           Ich glaube, wer auch nur versucht, sich eine Vorstellung davon zu machen, wie denn
                              									der große Organismus der Verwaltung noch funktionieren soll, wenn bei seiner
                              									unmittelbaren Betätigung alle anderen Wissensrichtungen ausgeschaltet bleiben
                              									sollen, der muß erkennen, daß wir auf einem gefährlichen Wege sind. Aber dieser
                              									unmittelbare Nachteil, der sich aus der Einseitigkeit der Vorbildung ergibt, könnte
                              									noch gering angeschlagen werden. Wir können hoffen, unter der großen Zahl derer, die
                              									als Studenten nichts anderes denn jus studiert haben, doch immer wieder tüchtige
                              									Verwaltungsbeamte zu finden – wenn das auch mit der Zeit sehr schwierig werden
                              									wird. – Was mir bedenklicher erscheint, ist der mittelbare Nachteil, den dieses
                              									System mit sich bringt.
                           Wenn in einem Land die Führung der Volksgemeinschaft immer ein und derselben Wissens-
                              									und Geistesrichtung überlassen wird, wenn die leitenden, die regierenden Beamten von
                              									Generation zu Generation aus der gleichen Schule hervorgehen, die zudem für ganz
                              									andere Ziele bestimmt ist, so muß schließlich eine Zeit kommen, in der den
                              									maßgebenden Stellen das Verständnis für den Wert einer anderen Geistesschulung ganz
                              									verschlossen bleiben muß – in der sie auch bei gutem Willen gar nicht mehr die
                              									Fähigkeit, das wirklich Richtige zu erkennen, besitzen. Auf diese Gefahr ist schon
                              									vor 50 Jahren von einsichtigen Männern hingewiesen worden. Bei der Schulreform haben
                              									wir dieselbe Erscheinung verfolgen können. Wer seine Mittelschulbildung
                              									ausschließlich in der humanistischen Richtung des Gymnasiums erhalten hatte, dem
                              									mußte es schwer fallen, zuzugeben, daß eine anders geartete Einwirkung auf die
                              									Geistes- und die Charakterbildung die gleichen Resultate oder gar noch bessere
                              									hervorbringen könnte. Da die überwiegende Mehrzahl aller in unserem Staatsleben
                              									führenden und bestimmenden Persönlichkeiten durch die historisch gewordene, mit
                              									weitgehenden Vorrechten ausgestattete, Mittelschule gegangen waren, so wäre der
                              									Kampf der wenigen Einsichtigen erfolglos geblieben, wenn nicht ein mächtiger Wille
                              									eingegriffen hätte. Auf dem Gebiete, das uns heute beschäftigt, liegen die
                              									Verhältnisse auch in diesem Punkt ganz ähnlich. Seit einem halben Jahrhundert etwa
                              									ist die akademische Bildung aller höheren Verwaltungsbeamten der juristischen Schule
                              									überlassen, und schon können wir ganz deutlich beobachten, wie bei den führenden
                              									Männern unserer Staaten, in den Ministerien und den Parlamenten jede andere
                              									Möglichkeit, einen brauchbaren Nachwuchs in der höheren Verwaltung zu erzielen, von
                              									vornherein als unmöglich betrachtet wird, wenn nicht einer bestimmten Hochschule das
                              									bestehende Monopol belassen wird. Man ist überzeugt, daß die bisherige Vorbildung
                              									mit vielen Mängeln behaftet ist, daß es so nicht weiter gehen kann; man ist sich
                              									auch bewußt, daß die juristische Schule, diese eigentümliche Verbindung von
                              									Verwaltungs- und Richterstudium auf die Dauer nicht beibehalten werden kann –
                              									jedenfalls nicht als ausschließliches Berufsstudium für zwei ganz verschiedene
                              									Berufe. Aber unter der großen Zahl derer, die als Staatsmänner oder Parlamentarier,
                              									als Verwaltungsbeamte und Sachkenner über das Problem geredet und geschrieben haben,
                              									ist nicht ein Einziger, der eine andere Möglichkeit der Vorbildung auch nur erwähnt
                              									hätte – eine andere Vorbildung als das Studium auf einer Universität. Sie haben
                              									selbst alle auf der Universität studiert, sind alle bei einer juristischen Fakultät
                              									eingeschrieben gewesen, und können sich deshalb überhaupt nicht vorstellen, daß es
                              									eine andere Möglichkeit der Vorbildung gibt.
                           Als das vorerwähnte Gesetz über die Befähigung für den höheren Verwaltungsdienst
                              									vorbereitet wurde, hat man in den preußischen Ministerien die verschiedenen
                              									Möglichkeiten doch gewiß erwogen. Ueber die Frage nach der Hochschule ist man mit
                              									einem einzigen Satz hinweggegangen, der ungefähr so lautete: Der zukünftige höhere
                              									Verwaltungsbeamte muß naturgemäß auf der Universität studiert haben. Wenn es
                              									selbstverständlich war, daß keine andere Hochschule bei der akademischen Vorbildung
                              									der deutschen Verwaltungsbeamten mitwirken könne, so durfte naturgemäß auch keine
                              									weitere Erwägung angestellt werden.
                           Fürst Bülow hat kürzlich von der Engherzigkeit und Kurzsichtigkeit der deutschen
                              									Regierungen aus dem Anfange des vorigen Jahrhunderts gesprochen. Solche Phasen sind
                              									in jedem Zeitalter möglich. Meiner Ansicht nach sind wir wieder mitten in einer
                              									solchen Zeit. Engherzig versperren Regierungen und Parlamente die Laufbahn der
                              									höheren Verwaltung und kurzsichtig verschließen sie sich den vorhandenen
                              									Möglichkeiten einer zeitgemäßen Vorbildung unserer Führerschaft.
                           Ich entnehme aus dieser Erscheinung die Notwendigkeit eines Zusammenschlusses aller
                              									der Volkskreise, die sich noch die Einsicht in die drohende Gefahr bewahrt haben. In
                              									erster Linie müßte die technische Intelligenz aufstehen und verlangen, daß neben der
                              									Jurisprudenz auch die angewandten Naturwissenschaften wieder als wissenschaftliche
                              									Grundlagen der Verwaltungstätigkeit in Regierung und Diplomatie zur Geltung kommen.
                              									Die einseitig juristische Schulung müßte verschwinden, der Nachwuchs der
                              									Führerschaft müßte wieder lebensfrischer werden. „Fort mit dem
                                 										Juristenmonopol!“ – das müßte die Losung werden. Dieses einfache Programm
                              									von der gesamten technischen Intelligenz aufgestellt, würde eine große Zugkraft
                              									haben.
                           Für die praktische Ausführung unserer Forderung brauchten wir nur dem
                              										„Verwaltungsjuristen“ den „Verwaltungsingenieur“
                              									gegenüberzustellen, um weite Kreise davon zu überzeugen, daß eine Wandlung zum
                              									Bessern ohne Ueberstürzung und auf durchaus sicherem Wege zu erreichen ist. Ich habe
                              									das wiederholt ausgeführtVergl. „Der
                                       												Verwaltungsingenieur.“ Verlag Oldenbourg,
                                    									München-Berlin.. Ganz analog dem vorher gekennzeichneten Begriff
                              										„Verwaltungsjurist“ hätten wir unter einem Verwaltungsingenieur einen
                              									Akademiker mit voller Mittelschul- und voller Hochschulbildung zu verstehen, der in
                              									dem Milieu des technischen Fortschritts studiert hat. Seine Universität ist die
                              									Technische Hochschule; er geht aus der Schule der Ingenieurwissenschaften hervor; er
                              									hat die für zukünftige Ingenieure geforderte Abschlußprüfung bestanden, um sich frühzeitig der praktischen Verwaltungstätigkeit zu
                                 									widmen.
                           Für den zukünftigen Verwaltungsbeamten ist auf diese Schule der Praxis der
                              									allergrößte Wert zu legen. Sie ist mindestens ebenso wichtig
                                 										als das Hochschulstudium. In dieser frühzeitig einsetzenden praktischen
                              									Schulung liegt auch der Erfolg begründet, den bisher die Verwaltungsjuristen – trotz
                              									aller Mängel ihrer akademischen Vorbildung – gehabt haben. Der Verein deutscher
                              									Ingenieure hat auf der diesjährigen Tagung in Wiesbaden diesem Gedanken seine
                              									Unterstützung zugewandt. In seiner Resolution heißt es: „Wenn Akademiker aller
                                 										Berufsklassen zu den höheren, jetzt ausschließlich von Juristen bekleideten
                                 										Aemtern im Staats- und Kommunaldienst zugelassen werden wollen, so müssen sie
                                 										reine Verwaltungsbeamte werden und auf eine Betätigung in ihren eigentlichen
                                 										Fachgebieten verzichten. Sie müssen sich einer gleichen Ausbildung im
                                 										Verwaltungsdienst unterwerfen, wie die jetzigen Regierungsreferendare und die
                                 										vom Staate für die höheren Verwaltungsbeamten geforderte zweite Staatsprüfung
                                 										ablegen.“ Gibt es eine einfachere Lösung des Problems, die zugleich die Gewähr bietet, daß wir eine möglichst
                              									gleichmäßig vorgebildete zu einheitlicher Tätigkeit bestimmte Beamtenschaft
                              									erhalten? Man hat vorgeschlagen – um die Verwaltung vielseitiger zu gestalten – die
                              									führenden Beamten aus allen Berufsständen, aus den Fachtechnikern, Kaufleuten,
                              									Landwirten usw. zu entnehmen. Das mag für einzelne Fälle
                              									ausführbar sein. Für ein System der Beamtenerziehung ist der Vorschlag-
                              									untauglich. Ich glaube auch, daß eine solche Lösung – wenn sie überhaupt möglich
                              									wäre, gerade die technische Intelligenz am ungünstigsten stellen würde. Einen
                              									Kaufmann, einen Landwirt würde man vielleicht zum Landrat wählen und ernennen –
                              									einen Fachtechniker niemals. Oder hat man jemals an irgendeiner Stelle erwogen,
                              									einen Architekten oder den Kreisbauinspektor für die Besetzung des Landratsamtes in
                              									Vorschlag zu bringen? (Gesetzliche Bestimmungen stehen dem nicht im Wege).
                           Ohne diese wichtige Stelle aber, die in Preußen das Sprungbrett zu allen Aemtern der
                              									Staatsführung ist, würde das Ziel nicht erreicht werden können, die ganze Verwaltung
                              									(und die Diplomatie) mit technischer und wirtschaftlicher Intelligenz zu
                              									durchsetzen.
                           Es käme noch eine andere Lösung in Betracht: Technische und wirtschaftliche Studien
                              									an der Universität. Damit wäre aber das Interesse der Techniker wenig gefördert,
                              									während allein die Tatsache, daß ein Landrat auf derselben Hochschule studiert, auf
                              									der auch der Kreisbauinspektor seine wissenschaftliche Schulung erhalten hat, für
                              									das Ansehen und die Wertschätzung des letzteren von großer Bedeutung sein müßte.
                           Es ist in der letzten Zeit lebhaft darüber debattiert worden, wie wohl die Stellung
                              									der akademisch gebildeten Techniker in den Behörden sowohl wie im freien Berufe
                              									gehoben werden könnte. Auch für diese Frage gibt es m.E. keine einfachere Lösung als
                              									die: Man trete dafür ein, daß die Hochschule des Kreisbauinspektors auch die
                              									akademische Bildungsstätte des Landrats werde. Man fördere die Ueberzeugung, daß die
                              									geistige Schulung auf einer Technischen Hochschule – daß die wissenschaftliche
                              									Arbeit im Geiste des technischen Fortschrittes für die Vorbildung der führenden und
                              									regierenden Beamten ebensogut ist, wie die zurzeit vorgeschriebene juristische
                              									Schulung auf der Universität. Reform der Berechtigungen muß verlangt werden. – Das
                              									bringt auch die Lösung der Technikerfrage.
                           Ich habe diesen Gedanken an das Wort „Verwaltungsingenieur“ geknüpft und
                              									glaube, daß das letztere seine Berechtigung erweisen wird – schon deshalb, weil die
                              									Analogie in der Bezeichnung „Verwaltungsjurist“ gegeben ist. Ein
                              									Verwaltungsjurist ist – wie aus dem Vorhergehenden schon ersichtlich – ein Verwaltungsbeamter, der aus der Juristenschule
                              									hervorgegangen ist, kein Jurist. Der zweite Wortteil bedeutet also die Herkunft, nicht die Berufstätigkeit. Man bezeichnet nicht etwa den
                              									aufsichtsführenden Richter eines Amtsgerichts oder den Präsidenten eines
                              									Landgerichts oder irgendeinen Verwaltungsbeamten der Justiz als
                              										„Verwaltungsjuristen,“ sondern – um das noch einmal zu sagen – nur
                              									denjenigen Akademiker, der aus der Juristenschule (und der juristischen Praxis) in
                              									den Beruf der Verwaltung übergetreten ist. Auch der „Verwaltungsingenieur“
                              									soll Verwaltungsbeamter werden, nicht etwa Fachtechniker – nicht Architekt oder
                              									Wasserbauer, nicht Baumeister oder Betriebsingenieur. Der Verwaltungsingenieur soll
                              									seinen Beruf in der Verwaltung finden, er soll den Geist der angewandten
                              									Naturwissenschaften in den veralteten Organismus unserer Verwaltungen hineintragen,
                              									er soll mit helfen zu modernisieren. Die „Modernisierung“ wird jetzt mit
                              									allen Mitteln angestrebt. Das vorgeschlagene Mittel, mit dem auf Technischen
                              									Hochschulen vorgebildeten Verwaltungsingenieur eine vorsichtig wägende und
                              									entschieden auftretende Initiative direkt, und unmittelbar zur Wirkung zu bringen,
                              									wird nicht das schlechteste sein.
                           Unsere Regierungen und unsere Volksvertretungen werden die Mitwirkung der Technischen
                              									Hochschulen in der Zukunft nicht entbehren können. Darum gilt es vorzuarbeiten.
                              									Die Erziehung von Verwaltungsingenieuren wird neben der Schulung von Fachtechnikern
                              									– die stets die vornehmste und erste Aufgabe der Technischen Hochschulen bleiben muß
                              									– die besondere Aufmerksamkeit dieser Bildungsstätten erfordern. Sie wird zunächst
                              									auf die Bedürfnisse der Privatwirtschaften, der Industrie werke und der
                              									wirtschaftlichen Verbände gerichtet sein müssen. Auch die öffentlichen Korporationen
                              									und besonders die Städte zählen schon jetzt zu dem Kreise derjenigen, die an der
                              									Erziehung von Verwaltungsingenieuren Interesse nehmen. Es wird deshalb auch das
                              									immer noch wachsende Personalbedürfnis ihrer Verwaltungen schon jetzt zu
                              									berücksichtigen sein. Und dies besonders deshalb, weil gerade der Dienst in den
                              									Selbstverwaltungen eine vorzügliche Schule für den Verwaltungsingenieur ist und weil
                              									ein Erfolg auf diesem Gebiete schließlich auch die Staatsleitung von der
                              									Brauchbarkeit der Verwaltungsingenieure überzeugen wird.
                           Aber nicht bloß Vorarbeit soll hiermit geleistet werden – es ist auch der Ausgleich
                              									widerstrebender Meinungen ein Ziel, das mit dem Vorschlag erzielt werden soll. Der
                              									Kampf zwischen Techniker und Jurist ist aussichtslos. Weder der eine noch der andere
                              									kann entbehrt werden. Es ist aber weder der Jurist noch der Techniker für die
                              									Führung einer Nation geeignet. „Mit Pandekten und deutscher Rechtsgeschichte“
                              									sagt R.v. Mohl
                              									„wird die Welt nicht regiert, und überhaupt gibt die ausschließliche
                                 										Beschäftigung mit positivem Rechte dem Geiste des jungen Mannes einen engen
                                 										Gesichtskreis und eine einseitige Auffassung, welche ihn zu allen anderen
                                 										Geschäften, als zum eigentlichen Rechtsprechen verderben.“ Ist nicht auch
                              									bei dem Techniker eine engere Grenze gezogen? Folgt nicht aus der Zweckbestimmung
                              									seines Berufsstudiums, daß der Fachtechniker (es handelt sich immer nur um
                              									Fachtechniker) sich nicht gleichzeitig auf zwei Berufe vorbereiten kann? Wer
                              									Baukünstler werden will, will doch nicht gleichzeitig auch alle die Studien treiben,
                              									die für die Verwaltung unumgänglich sind. Und wer sich nach seinem Hochschulstudium
                              									als Maschinen-Konstrukteur beschäftigt hat, hat das doch nicht getan, um Kenntnisse
                              									und Erfahrungen für die Leitung eines Landratsamtes zu erwerben – er möchte
                              									wahrscheinlich niemals Landrat werden. Was der akademisch gebildete Techniker –
                              									gleichgültig ob er beamteter Wasserbauer oder Zivilingenieur ist – verlangt, ist die
                              									Anerkennung der Gleichwertigkeit. Er verlangt die gleiche soziale Stellung mit dem
                              									Richter und dem Rechtsanwalt, und er will im Amte mit dem „Juristen“ in
                              									gleicher Linie arbeiten; seine Arbeit soll die gleiche
                                 										Würdigung finden. Aber da ist auch die Grenze. Er kann nicht verlangen, daß
                              									der Richter bei Seite tritt und den Ingenieur Recht sprechen läßt, oder daß der
                              									Landrat einem Baurat sein Amt überträgt. Jedem das Seine – das muß auch hier gelten.
                              									Der jetzt herrschende Antagonismus zwischen Jurist und Techniker ist zum größten
                              									Teil darauf zurückzuführen, daß beide sich gegenseitig nicht würdigen können. Sie stehen sich fremd gegenüber, weil von keiner
                              									Seite eine Vermittelung, ein Uebergang, möglich ist. Dazu kommt, daß innerhalb der
                              									Verwaltungskörper nicht der Jurist dem Techniker gegenübersteht, sondern oft als
                              									jüngerer Verwaltungsbeamter ihm übergeordnet ist. Und
                              									hier kommt dann leicht die Ueberhebung des juristisch vorgebildeten Akademikers
                              									gegen den Techniker hinzu, der schon seiner Herkunft wegen als nicht gleichwertig
                              									betrachtet wird. Aus der Schule der Ingenieurwissenschaften kann ja kein höherer
                              									Verwaltungsbeamter hervorgehen. Und schließlich ist es auch dieses Empfinden der
                              									vermeintlichen oder von der Gegenseite behaupteten Inferiorität, das den Techniker
                              									niederdrückt. Diese Gegnerschaft würde in kurzer Zeit verschwinden, wenn neben den
                              									Verwaltungsjuristen auch Verwaltungsingenieure in allen Verwaltungen tätig wären.
                              									Damit wäre ein sicherer Weg des gegenseitigen Verstehens gegeben, der einseitigen
                              									Ueberhebung wäre jeder Schein der Berechtigung genommen und was das wichtigste ist:
                              									den Fachtechnikern wäre an allen Stellen im Innern der
                              									Verwaltungskörper eine Persönlichkeit gegeben, welche die technische Arbeit voll
                              									würdigen könnte und stets für die Gleichstellung juristischer und technischer
                              									Intelligenz eintreten würde. Gibt es eine einfachere Lösung des Problems?
                           
                        
                           Bemerkungen der
                                 									Schriftleitung.
                           Auch wir möchten die Frage hiermit zur Diskussion stellen, auf welchem Wege die
                              									zurzeit zweifellos unzulängliche Vorbildung der höheren Verwaltungsbeamten von
                              									Reich, Staaten, Städten usw. den neuzeitlichen Forderungen angepaßt werden könnte.
                              									Insbesondere wäre es uns erwünscht, wenn Vertreter der technischen Intelligenz ihre
                              									Ansicht äußern wollten, in welcher Weise sie eine Beteiligung der Technischen
                              									Hochschule bei den vorliegenden Aufgaben wünschen. Wir stellen diese Blätter hiermit
                              									zur Verfügung und bitten besonders die Frage zu behandeln, ob die Technischen
                              									Hochschulen gleich der Universität die akademischen Bildungsstätten der höheren
                              									Verwaltung werden sollen oder ob sie bei der Schulung der wichtigsten Beamtenschaft
                              									nach wie vor ausgeschaltet bleiben sollen.
                           
                              Die Schriftleitung.