| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 509 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Motor-Eisenbahnwagen.
                           Die heutige Strömung, für den Lokalverkehr zur Personenbeförderung Motorwagen
                              									einzustellen, hat es nahe gelegt, außer Elektrizität auch flüssige Brennstoffe zur
                              									Erzeugung der Betriebskraft zu verwenden und hierzu Explosionsmotoren als
                              									Betriebsmaschinen einzubauen. Auch im Auslande hat sich das Bedürfnis nach
                              									derartigen Verkehrsmitteln schon seit längerer Zeit geltend gemacht, und eine
                              									ausländische Regierung sah sich veranlaßt, die Motorenfabrik
                                 										Oberursel A.-G. mit der Herstellung derartiger Wagen zu betrauen, von denen
                              									der erste zur Ablieferung gelangte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 509
                              Fig. 1. 50–60 PS-Eisenbahn-Motorwagen.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 509
                              Fig. 2.
                              
                           Der Wagen Fig. 1 dient auf einer 60 km langen
                              									Strecke zur Personenbeförderung. Vorgeschrieben war die Einteilung des Wagens in
                              									Abteile II. und III. Klasse zur Aufnahme von 30 Personen. Zur Krafterzeugung dient
                              									ein etwa 60pferdiger Vierzylindermotor s. Fig. 2,
                              									welcher mittels vier Geschwindigkeitsübersetzungen eine Fahrgeschwindigkeit von 10,
                              									24, 36 und 50 km ermöglicht. Dieselbe kann bis auf etwa 60 km in der Stunde
                              									gesteigert werden.
                           Als Brennstoff kann Benzin, billiges Benzol, Autin, Spiritus usw. benutzt werden, und
                              									stellt sich der Verbrauch an Brennstoff bei maximaler Fahrgeschwindigkeit auf etwa 19 kg in
                              									der Stunde, also ungefähr auf 400 g für das Kilometer.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 510
                              Fig. 3.
                              
                           Die Kraftübertragung von der Getriebewelle auf die Triebräder erfolgt mittels Ketten
                              									s. Fig. 2, welche über nachstellbare Spannrollen
                              									laufen, um ein etwaiges Längen und Sacken derselben unwirksam zu gestalten.
                           Der Wagen ist mit einem Brennstoffreservoir versehen, welches für etwa zehnstündigen
                              									Betrieb ausreicht, und ist an demselben ein Schauglas angebracht, um den
                              									jederzeitigen Stand des Brennstoffes im Reservoir erkennen zu lassen. Das zur
                              									Kühlung des Motors benötigte Wasser, wovon nur ganz geringe Mengen notwendig sind,
                              									wird in einem Behälter mitgeführt; nach Passieren des Motors wird das Wasser behufs
                              									Wiederverwendung mittels Kühlschlangen abgekühlt und in das Reservoir
                              									zurückgeleitet. Die Zündung des Motors ist eine doppelte, und zwar mittels Batterie-
                              									und Abreiß-Magnetzündung, von denen die erstere zur Inbetriebsetzung des Motors
                              									dient.
                           Die Zentralschmierung ermöglicht es, sämtliche Stellen vom Führerstand aus mit Oel zu
                              									versehen und dessen Zulauf zu kontrollieren.
                           Die Auspuffgase gehen entweder durch einen Auspufftopf oder gelangen direkt ins
                              									Freie, während sie im Winter durch eine sinnreiche Vorrichtung behufs Heizung des
                              									Wagens Verwendung finden.
                           Der Wagen, welcher im Aeußeren unseren Eisenbahnwagen gleicht Fig. 3, hat an beiden Enden je einen vollständig
                              									abgeschlossenen geräumigen Führerstand, der sämtliche Organe zur Bedienung des
                              									Wagens aufnimmt, und zwar sind dieselben so angeordnet, daß die Bedienung auf jeder
                              									Seite unabhängig voneinander erfolgen kann, indem auf dem der Fahrtrichtung
                              									entgegengesetzten Führerstande sämtliche Organe ausgeriegelt werden können.
                           
                              B.
                              
                           
                        
                           Vierzylinder-Verbundlokomotiven.
                           Für den amerikanischen Lokomotivexport haben sich in den letzten 10 Jahren bedeutende
                              									Aenderungen ergeben. Die amerikanischen Lokomotivfabriken, lieferten gewöhnlich
                              									nur Lokomotiven amerikanischer Bauart nach Europa und zeigten wenig Neigung, auf die
                              									besonderen Wünsche der Besteller einzugehen. Eine der ersten Fabriken, die
                              									Lokomotiven auch nach besonderen
                           Angaben bauten, waren die Schenectady Lokomotiv Werke,
                              									jetzt mit der American Locomotive Company vereinigt die
                              									besonders Lokomotiven englischer Bauart nacli England lieferten. Zurzeit sind wohl
                              									die meisten amerikanischen Lokomotivfabriken bereit, ausländische Lokomotivbauarten
                              									selbst nach metrischem Maßsystem auszuführen.
                           Die Eisenbahnverwaltung Paris–Orleans hat nach eigenen Zeichnungen im metrischen
                              									Maßsystem bei der American Locomotive Company,
                                 										Schenectady
                              									3/6 gekuppelte
                              									Vierzylinderverbundlokomotiven bestellt, die für lange und starke Steigungen bis zu
                              									1 v.H. bei 300 bis 325 t Wagengewicht und einer Geschwindigkeit von 55 km/St,
                              									bestimmt sind. Diese Lokomotiven, Bauart De Glehn haben
                              									die Niederdruckzylinder (640 mm ) innerhalb des Rahmens. Die
                              									Hochdruckzylinder haben 390 mm , gemeinsamer Hub ist 650 mm. Die Feuerbüchse,
                              									Bauart Belpair, ist aus Kupfer hergestellt, die
                              									Stehbolzen im Wasser sind aus Manganbronze, jene im Dampfraum aus Falls-Spezialstahl. Der Kessel enthält 261 Rauchröhren,
                              									55 mm lichten  mit 5,95 m Länge. Der Mündungsquerschnitt des Blasrohres kann
                              									vom Führerstand aus eingestellt werden. Der Tender faßt 20 cbm Wasser. Die
                              									Lokomotiven besitzen Westinghousebremsen, pneumatische
                              									Sandsteuer, Bauart Gresham & Craven und
                              									Geschwindigkeitsmesser System Hausshalter. Das
                              									Lokomotivgewicht ist 87 t, mit Tender 131 t.
                           Dabei ist:
                           
                              \frac{\mbox{Reibungsgewicht}}{\mbox{Zugkraft}}=4,89
                              
                           
                              \frac{\mbox{Gesamtheizfläche}}{\mbox{Rostfläche}}=66,6
                              
                           
                              \frac{\mbox{Gesamtheizfläche}}{\mbox{feuerberührte
                                 										Heizfläche}}=16,5.
                              
                           (Engineering 1909 S. 588–590.)
                           
                              W.
                              
                           
                        
                           
                           Stahlendmaße.
                           Gehärtete Stahlstücke, welche keiner besonderen Behandlung unterworfen worden sind,
                              									unterliegen bedeutenden Form- und Volumenänderungen. Acht Jahre alte Endmaße, haben
                              									Abweichungen bis zu 0,05 mm aufgewiesen. Durch Temperung des Stahles, sowie durch
                              									eine längere Ruhezeit kann man diesen Erscheinungen entgegenwirken. Ungehärteter
                              									Stahl zeigt anscheinend keine oder nur geringe Aenderungen. Zur Herstellung der
                              									feinen Meßflächen ist es jedoch nötig, die Enden zu härten. Hierbei hat sich
                              									gezeigt, daß die gehärteten eben geschliffenen Endflächen sich nach kurzer Zeit zu
                              									einer konkaven Fläche verziehen. Endmaße von 100 mm Länge aus gewöhnlichem
                              									Werkzeugstahl mit etwa 3 qcm großen 1 mm tief gehärteten Meßflächen hatten sich nach
                              									6 Monaten in der Mitte verkürzt und an Umfang verlängert. Die Fehler betrugen
                              									mehrere tausendstel Millimeter. Versuche, diese Endmaße nachzuarbeiten, zeigten, daß
                              									der leiseste Schlag auf eine Seite ein Verziehen der Meßfläche in unberechenbarer
                              									Weise zur Folge hatte. Gehärteter Stahl zeigt diese Empfindlichkeit nicht. Gegen die
                              									Verwendung von ungehärtetem Stahl mit gehärteten Endflächen spricht außerdem, daß
                              									die gehärteten Enden für das Schleifen und Nacharbeiten eine bestimmte Dicke haben
                              									müssen. Das Längenverhältnis des ungehärteten zum gehärteten Teile ist infolgedessen
                              									bei den kleineren wesentlich anders als bei den grösseren Endmassen. Nun sind die
                              									Ausdehnungskoeffizienten des gehärteten und ungehärteten Stahles verschieden. Es
                              									können derartige Masse daher nur bei derjenigen Temperatur verwendet werden, bei der
                              									sie hergestellt sind, da Korrekturen für andere Temperaturen nicht auf einfache
                              									Weise ermittelt werden können. Endmaße sollten infolgedessen nur aus gehärtetem
                              									Stahl hergestellt werden, der jedoch zur Vermeidung von Formenänderungen, einer
                              									besonderen Behandlung zu unterziehen ist. Ferner müssen sie von Zeit zu Zeit
                              									nachgeprüft werden.
                           Mit Rücksicht auf die Herstellung, den Einfluß auf die Temperaturänderungen, sowie
                              									das Gewicht der großen Endmaße, welche ungünstig auf die Ausführung genauer
                              									Messungen einwirken, empfiehlt es sich nicht, für Endmaße verschiedener Länge eine
                              									gleichbleiblende Toleranz zuzulassen. Würde man ferner aus kleineren Endmaßen sich
                              									ein größeres zusammensetzen, so würden die Toleranzen sich addieren, und eine
                              									Gesamttoleranz ergeben, die die vorgeschriebene Genauigkeit beeinträchtigt. Johansson macht bei seinen zusammenstellbaren
                              									Normalsätzen die Toleranzen, den Maßen proportional, und wählt als Toleranzziffer
                              									0,0001 für eine Länge von 10 mm. Hierdurch wird erzielt, daß für eine aus mehreren
                              									kleineren Endmaßen zusammengesetzte Länge die Toleranz gleich der für ein einzelnes
                              									entsprechend grosses Endmaß ist. (Spangberg).
                              									(Mitteilungen des Berliner Bezirksvereins Deutscher Ingenieure 1909 No. 5 S.
                              									4–5).
                           
                              Pr.
                              
                           
                        
                           Prüfungsvorrichtung für Geschwindigkeitsmesser.
                           Wagener und Bliß benutzen
                              									im Maschinenlaboratorium der Königl. Technischen Hochschule Danzig zur Prüfung von
                              									Geschwindigkeitsmessern eine besondere Vorrichtung, bei der eine mit einem
                              									Schwungrad versehene Hauptwelle durch einen Elektromotor mittels eines Schnurtriebes
                              									und einer Stufenscheibe mit fünf verschiedenen Uebersetzungen angetrieben werden
                              									kann. Die Umlaufszahl des Elektromotors wird durch Draht- und Lampenwiderstände in
                              									den Grenzen von etwa 850 bis 1500 Umdrehungen in der Minute verändert. Mit der
                              									Hauptwelle kann ein von der Rheinischen
                                 										Tachometer-Baugesellschaft in Freiburg herrührendes Tachometer gekuppelt
                              									werden, dessen Meßbereich etwa von 240 bis 1040 Umdrehungen in der Minute sich
                              									erstreckt. Die Skala dieses Instrumentes ist nicht, wie gewöhnlich empirisch
                              									bestimmt, sondern unmittelbar nach ganzen Winkelgraden geteilt. Der Zeiger endet in
                              									der für elektrische Präzisionsinstrumente bekannten Weise in einen hochkant zur
                              									Skala gestellten schmalen Blechstreifen und spielt über einen Spiegel, um bei der
                              									Ablesung Fehler infolge Parallaxe auszuschließen. Das andere Ende der Hauptwelle
                              									trägt eine mit Papier bespannbare Indiziertrommel, auf die mittels eines
                              									elektromagnetischen Schreibzeuges (s. D. P. J. 1907 S. 781 „Indikator“) das
                              									Bild einer gedämpften Schwingung aufgezeichnet wird. Mit Hilfe der bekannten
                              									Schwingungsdauer des Schreibhebels kann dann mit großer Annäherung aus dem
                              									Schwingungsbilde die mittlere Winkelgeschwindigkeit der Hauptwelle bestimmt werden.
                              									Für diejenigen Geschwindigkeitswerte, die mit der Schreibvorrichtung ermittelt sind,
                              									werden dann die entsprechenden Ausschläge des Zeigertachometers bestimmt und somit
                              									das letzere als Normalinstrument für die Benutzung der Prüfungsvorrichtung geeicht.
                              									Um die durch den Meßbereich des Zeigertachometers gegebenen Grenzen sowohl nach
                              									oben, wie nach unten zu erweitern, ist parallel der Hauptwelle eine Hilfswelle
                              									angeordnet. Beide können durch Zahnräderpaare verschiedener Uebersetzung gekuppelt
                              									werden, und es können dann an der Hilfswelle Geschwindigkeiten von 45 bis 6000
                              									Umdrehungen in der Minute erhalten werden. Zur Erzielung geringer
                              									Geschwindigkeitsänderungen ist ein an das Schwungrad anliegender Bremsklotz
                              									vorgesehen, der mittels eines auf einem Hebelarm verschiebbaren Gewichtes
                              									verschieden stark angepreßt werden kann. Die zu untersuchenden Tachometer werden mit
                              									dem einen Ende der Hilfswelle gekuppelt; ferner trägt die letztere eine
                              									Stromsendescheibe zur Prüfung Frahmscher
                              									Frequenzzähler. Mit der Hilfswelle ist schließlich noch durch Schraubenräder eine
                              									senkrecht stehende Hilfswelle gekuppelt zur Prüfung solcher Tachometer, die nur in
                              									senkrechter Lage benutzbar sind. Versuchsergebnisse, die mittels der
                              									Prüfungseinrichtung erhalten sind, werden in Aussicht gestellt. (Wagener) (Zeitschrift des Vereins Deutscher Ingenieure
                              									1909 S. 483–484.)
                           
                              Pr.
                              
                           
                        
                           Die Wasserkraftanlage der Stadt Stuttgart in Poppenweiler am
                              									Neckar.
                           Die Anlage hat den Zweck, das überlastete Elektrizitätswerk der Stadt Stuttgart zu
                              									unterstützen und war schon seit einer Reihe von Jahren in Aussicht genommen. Etwa 2
                              									km oberhalb Poppenweiler ist eine Stauanlage errichtet, die gestattet, den
                              									Oberwasserspiegel bis zur Höhe des Neckargröninger Wehres, d.h. um 4,1 m gegenüber
                              									dem mittleren Wasserstand zu heben und auf diese Weise das Gefälle des Flusses auf
                              									eine Länge von 4,3 km auszunutzen. Wegen der bevorstehenden Neckar-Kanalisierung
                              									konnte kein festes Wehr, wegen der großen Pressungen aber auch kein Fallen- oder
                              									Aufsatzwehr eingebaut werden. Man mußte sich daher zum Bau eines Walzenwehres
                              									entschließen, dessen zu beiden Seiten eines Mittelpfeilers angeordnete Walzen je 28
                              									m Länge und 3 m  erhalten und aus Blechtafeln mit innerer Versteifung durch
                              									⌶-Träger zusammengenietet werden. Der Kanal, welcher später gleichzeitig für die
                              									Zwecke der Neckar-Großschiffahrt dienen soll, ist in seinem Querschnitt dieser
                              									Bestimmung angepaßt. An mehreren Stellen, die kieshaltigen Grund hatten, waren umfangreiche Arbeiten
                              									erforderlich, um die Sohle abzudichten. Das Turbinenhaus wird 1500 m unterhalb des
                              									Wehres angelegt. Es enthält 4 Turbinen von je 600 PS Leistung, womit sich,
                              									allerdings nur bei Hochwasserstand, 2400 PS Leistung- der gesamten Anlage erzielen
                              									lassen, während bei niedrigem Wasserstand nur Wasser für 1400 PS zur Verfügung
                              									steht. Das an den Turbinen vorhandene nutzbare Gefälle beträgt 5,2 m. Neben dem
                              									Turbinenhaus ist ein Querbau für Akkumulatoren, Umformer-Einrichtungen und
                              									Bedienungsmannschaft geplant. Auf der nach dem Neckar hin gerichteten Seite des
                              									Turbinenhauses liegt der Lehrlaufkanal und zwischen diesem und dem Fluß eine
                              									Schleuse mit großem Gefälle, 4,6 m Breite und 40 m nutzbarer Länge, welche der
                              									gegenwärtigen Neckar – Schiffahrt dient, aber bei Einführung der Großschiffahrt
                              									umgebaut werden wird. (Deutsche Bauzeitung 1909 S. 124).
                           
                              H.