| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 525 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Die erste elektrische Oberstrom-Eisenbahn.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 524
                              Fig. 1.
                              
                           Die Verwaltung der London Brighton & South Coast
                                 										Railway hat sich zu einer bemerkenswerten Neuerung entschlossen, deren
                              									vollgültiger Wert zwar schon längst in Fachkreisen anerkannt, aber bis jetzt noch
                              									nirgends praktisch eingeführt worden ist. Sie versieht eine ihrer größten Londoner
                              									Verkehrsadern vom Bahnhof Viktoria nach London Bridge, eine Strecke von neun Meilen,
                              									mit elektrischer Oberstromleitung (s. Fig. 1) und
                              									wird somit die erste Eisenbahn der Erde sein, die an Stelle von Dampfkraft oder
                              									unterirdischer Elektrizität den billiger zu überleitenden, besser arbeitenden und
                              									für Personal und Fahrgäste weniger gefährlichen Oberstrom als Triebkraft
                              									verwendet.
                           Die Stromstärke für die ganze Anlage wird 6700 V betragen, wovon auf jeden Zug
                              									ungefähr nur 100 bis 140 Amp. kommen. Die höchste Stromstärke, die ein solcher Zug
                              									braucht, beträgt ungefähr 500 bis 600 Ampere. Die Akkumulatoren sind derartig in den
                              									Zug eingebaut, daß selbst bei unvorhergesehenen Unglücksfällen oder Kurzschluß
                              									keinerlei Feuer- und Lebensgefahr für das Publikum besteht. Die Akkumulatoren
                              									befinden sich in feuerfesten Umhüllungen und außerdem ist jeder Wagen an der Decke,
                              									den Seitenwänden und dem Fußboden mit Aluminium und Asbest bekleidet.
                           Der Strom wird von 10 zu 20 Fuß den Drähten und von dort aus durch Kupferkontakte,
                              									die nicht aus den Leitungsdrähten herausspringen können, dem Wagen zugeleitet. Ein
                              									solcher Zug besteht aus drei langen Wagen (Fig. 2),
                              									von denen nur der erste und dritte einen Motor besitzt, während der zweite, also der
                              									mittelste als Wagen erster Klasse keinen Motor hat. Die anderen beiden Wagen sind
                              									dritter Klasse. Die Wagen sind äußerst praktisch eingerichtet und besitzen breite,
                              									bequeme, gepolsterte Sitze, Gepäcknetze und elektrisches Licht. Die Wagen dritter
                              									Klasse haben 72 Sitzplätze, während der Wagen erster Klasse nur 56 hat.
                           Sämtliches Meterial, der Bau der Wagen, Schienen usw. wurde nur von
                              									englischen Firmen geliefert und ausgeführt. Die gesamte Elektrizitätsanlage und die
                              									Ausführung leitete die bekannte deutsche Firma A.E.G.
                              									Berlin.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 525
                              Fig. 2.
                              
                           Die kürzlich vorgenommenen Versuche auf der kurzen bereits hergestellten Strecke
                              									haben sehr befriedigende Ergebnisse geliefert, so daß man hofft, in wenigen Wochen
                              									die gesamte Anlage dem Verkehr übergeben zu können. Das Publikum wird diese
                              										„Erste elektrische Oberstrom-Eisenbahn“ um so freudiger begrüßen, da dann
                              									die Strecke Viktoria-London Bridge anstatt in 36 in 25 Minuten zurückgelegt werden
                              									kann, also der Londoner Geschäftsmann elf Minuten Zeit spart.
                           Ing. Fr. Bock.
                           
                        
                           Straßenbahnmeßwagen.
                           Zu Messungen auf der Strecke, zur Prüfung der im Betriebe verwendeten Fahrschalter
                              									und Motoren, sowie zur Ausbildung der Betriebsaufseher haben sich die städtischen
                              									Straßenbahnen in Cöln einen besonderen Meßwagen gebaut. Er entspricht im
                              									wesentlichen dem im Cölner Betriebe fast ausschließlich verwendeten zweiachsigen
                              									Motorwagen und wiegt etwa 11,5 t. Der 2,02 m breite etwas verlängerte Wagenkasten
                              									ist jedoch durch eine Wand mit Schiebetür in zwei 2,33 m lange Haupträume geteilt,
                              									während die Führerstände vollkommen geschlossen ausgeführt sind.
                           Zur Beobachtung der Motoren sind in den Wagenfußboden Klappen mit starken
                              									Glasfenstern eingelegt.
                           Das mit Blattfedern versehene zweiachsige Untergestell besitzt 1800 mm Radstand und
                              									ist von der Firma Van der Zypen & Charlier,
                                 										Cöln-Deutz geliefert. Der Antrieb des Wagens geschieht durch zwei von den
                              										Siemens-Schuckertwerken, Berlin herrührende 35 PS
                              									Motoren, welche die Achsen mit einer Zahnradübersetzung 1 : 5,1 antreiben. Die
                              									Fahrschalter stehen frei in den Führerständen, so daß sie leicht gegen solche
                              									anderer Bauart ausgetauscht werden können; auch bei der Lagerung der Motoren ist
                              									eine entsprechende Auswechslung vorgesehen. Zum Bremsen des Fahrzeuges ist eine
                              									Handbremse vorhanden; außerdem können, die Motoren unter Zwischenschaltung von
                              									Widerständen unmittelbar, sowie auch unter Einfügung einer Solenoidbremse, System
                              									S.S.W. kurz geschlossen werden.
                           In der als Meßraum eingerichteten einen Wagenhälfte steht in der Mitte ein Meßtisch
                              									mit Präzisions-Volt- und Amperemetern, einem Morseapparat, sowie den Schaltern für
                              									den letzteren und Schaltern für die Zeitschreiber von Instrumenten mit
                              									Funkenregistrierung. Ferner sind im Meßraum zu beiden Seiten des Tisches
                              									Marmortafeln mit Hartgummiumrahmung aufgestellt. Eine derselben trägt einen Strom-
                              									und einen Spannungszeiger, zwei Wattstundenzähler, einen Geschwindigkeitsanzeiger
                              									und eine Anzahl Handschalter. Auf der anderen Schalttafel sind drei Strom- und zwei
                              									Spannungsmesser mit Funkenregistrierung angebracht, die mit besonderen elektrischen
                              									Zeitschreibern ausgerüstet sind. Auch ist an der Schalttafel ein Zeitzähler der
                              									Firma Hartmann & Braun befestigt. Zur Erteilung von
                              									Befehlen seitens des Messenden an den Wagenführer sind lautsprechende Telephone
                              									vorgesehen.
                           Die Fahrgeschwindigkeit wird mittels eines von der Siemens
                                 										& Halske A.-G. herrührenden Umdrehungs-Fernanzeigers beobachtet. Dieser
                              									besteht aus einer mit einer Wagenachse gekuppelten Dynamomaschine, deren Feld durch
                              									permanente Stahlmagnete erregt wird. Da die Klemmenspannung im Verhältnis der
                              									Drehzahl der Maschine steigt, so kann an einem Voltmeter mit entsprechender Teilung
                              									unmittelbar die jeweilige Fahrgeschwindigkeit abgelesen werden. Die Aufzeichnung der
                              									Fahrgeschwindigkeit bewirkt einer der Schreibhebel des Morseapparates, der mittels
                              									vier Kontakten, die an einer auf der Wagenachse sitzenden Scheibe befestigt sind,
                              									gesteuert wird, während ein zweiter Schreibhebel durch eine Sekundenuhr bewegt wird.
                              									Um beim Anfahren und bei Bremsversuchen falsche Angaben zu vermeiden, die infolge
                              									Schleifens der Räder eintreten können, wird zur Geschwindigkeitsmessung in diesem
                              									Falle ein am Untergestell befestigtes besonderes Laufrad verwendet.
                           Karten und Pläne des Bahnnetzes, sowie ein Schaltungsschema der elektrischen
                              									Ausrüstung des Wagens vervollständigen die Ausrüstung des Meßwagens (Schoengarth) (Elektrische Kraftbetriebe mit Bahnen 1909
                              									S. 201–206).
                           
                              Pr.
                              
                           
                        
                           Lokomotiv-Feuerbüchse von Wood.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 525
                              Fig. 1.
                              
                           Viele Versuche wurden schon gemacht, um die gebräuchliche Lokomotivfeuerbüchse zu
                              									verbessern, besonders deren Steifigkeit zu vermindern, die zu vielen
                              									Betriebsstörungen Veranlassung gibt. Die Bauart der „Fire
                                    											Box and Tube Plate Co. Lokomotive,“ Media soll diese Mängel
                              									vermeiden.
                           Fig. 1 und 2 zeigen den Längs- und
                              									Querschnitt der Feuerbüchse einer Lokomotive der Konsolidations-Bauart für die New- York Central and Hudson River Railway. Der Kessel
                              									dieser Lokomotive hat 2032 mm  besitzt 458 Rauchröhren und ist 4,7 m lang. Die Decke
                              									und die beiden Seitenwände der Feuerbüchse bestehen aus einer einzigen gewellten
                              									Stahlplatte (Wellenlänge etwa 125 mm, Höhe etwa 30 mm) von 10 mm Dicke. Fig. 4). Die Rohrwand
                              									in der Feuerbüchse (13 mm Dicke) und in der Rauchkammer (16 mm Dicke) sind, wie dies
                              										Fig. 2 und 5 zeigen, an ihrem
                              									Umfang ebenfalls gewellt. Auf diese Weise können sich die Rauchröhren besser
                              									ausdehnen und ein Leckwerden derselben wird dadurch vermieden. Die ersten drei
                              									Reihen der Deckenanker sind so ausgebildet, daß sie der Ausdehnung der Feuerbüchse
                              									möglichst folgen können. (Fig. 3). Da diese Feuerbüchse weniger starr sein soll, als die
                              									gewöhnliche Bauart, so wurde auch die Anzahl der Stehbolzen verkleinert. Durch
                              									Verwendung des gewellten Stahlbleches erhält man auch eine um 35 v.H. vergrößerte
                              									Heizfläche der Feuerbüchse.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 526
                              
                           Im Betriebe hat sich diese Feuerbüchse gut bewährt, Kessel mit solcher besitzen eine
                              									gute Verdampfungsfähigkeit. (Engineering 1909 S. 631).
                           
                              W.
                              
                           
                        
                           Neue Wehrbauten aus Eisenbeton.
                           Bei der Ausführung von Wehrbauten aus Eisenbeton werden an Stelle der Wehrmauern mit
                              									vollem Querschnitt Pfeiler mit diese verbindenden Abdeckplatten ausgeführt. Die
                              									vollen Mauern haben in der Regel rechtwinkelig-dreieckigen Querschnitt mit einer
                              									senkrechten Seite gegen die Stromrichtung und mit abgerundeter Krone. Die Pfeiler
                              									der „hohlen“ Wehrmauern aus Eisenbeton haben eine dreieckige Form mit einer
                              									gegen die Stromrichtung unter einem Winkel von 30 bis 45° geneigten Seite. Die das
                              									Oberwasser absperrende, von diesen Pfeilern getragene Abdeckplatte ist also
                              									gleichfalls unter diesen Winkeln schräg geneigt. Diese 40 bis 50 cm starke
                              									Deckenplatte muß unten am Boden in den festen Baugrund eingreifen und oben an der
                              									Krone talwärts gekrümmt sein. An beiden Stellen ist eine besondere Verstärkung
                              									erforderlich, hier wegen des festen Anschlusses an den Boden, dort wegen der
                              									Sicherung gegen Beschädigung durch Eisschollen und dergleichen. Die Plattenstärke
                              									nimmt von der Krone nach dem Fuße hin zu und ist durch Rundeisen senkrecht zu den
                              									Pfeilern in der Regel doppelt bewehrt. Die 30 bis 50 cm starken Pfeiler haben
                              									meistens einen Abstand von 3 bis 4 m. Abdeckung der Wehrpfeiler talwärts ist nicht
                              									unbedingt erforderlich. Soll jedoch der Uebersturz des Wassers mehr von dem Pfeiler
                              									fortgelenkt werden, so wird die Deckenplatte über die Krone weg schräg nach unten
                              									verlängert, evtl. bis zur halben Pfeilerhöhe, wobei der Querschnitt dieser
                              									Ueberdeckung nach der Ueberlaufskurve geformt wird. Führt man die Decke
                              									talwärts, sogar bis zum Boden, wobei ihr Fuß konkav gekrümmt wird, so wird das über
                              									die Wehrkrone stürzende Wasser am günstigsten, unter geringstem Sohlenangriff in das
                              									Unterwasser übergeleitet. Das völlig geschlossene Wehr ist daher die günstigste
                              									Form. Der Raum unter der Abdeckplatte läßt sich zur Aufstellung einer
                              									Wasserentnahmevorrichtung ausnutzen. Bei einigen Ausführungen sind die Pfeiler auch
                              									mit Durchbrechungen ausgeführt, um im Wehrkörper einen durchlaufenden Gang
                              									herzustellen. Bei felsigem Baugrund genügt die Einzelgründung der Pfeiler und zum
                              									Anschluß der Abdeckplatten an den Boden eine kleine Herdmauer. Besteht aber der
                              									Untergrund aus losen Erdarten wie Gerolle, Kies, Ton und dergl., so ist eine
                              									Gründung unter dem ganzen Wehrkörper und eine Sicherung des Sturzbettes
                              									erforderlich. Zur Sicherung gegen Unterspülung und zum Abschluß von Quellen sind
                              									stromauf und stromab bis auf den festen Baugrund reichende Herdmauern oder kürzere
                              									Herdmauern mit Spundwänden erforderlich. Zweckmäßig werden zur Verminderung des
                              									Bodendruckes die Pfeiler durch eine durchlaufende Bodenplatte zwischen den
                              									Herdmauern verbunden. Hierbei sind in der Bodenplatte in der Nähe der oberen
                              									Herdmauer kleine Oeffnungen vorzusehen, um zur Vermeidung schädlichen Auftriebes
                              									unter dem Wehre befindliche Wasseradern drucklos austreten zu lassen. Diese
                              									Oeffnungen werden auf der Unterseite durch eine Kiespackung gegen Verunreinigung
                              									geschützt. Bei geschlossener Form des Wehres ist noch dafür zu sorgen, daß das durch
                              									die Oeffnungen der Bodenplatte eintretende Wasser durch seitliche Oeffnungen in der
                              									Abdeckplatte talwärts austreten kann. Bei offener Ausführung läßt sich die
                              									Bodenplatte zur Herstellung eines Wasserpolsters oder Sturzbettes leicht ausnutzen.
                              									Hierbei erhält die vordere Herdmauer eine kleine Ueberhöhung gegen das Flußbett nach
                              									Art eines Grundwehres, so daß das die Krone überfließende Wasser zunächst auf das
                              									Wasserpolster stürzen muß. Unterhalb des Wehres ist noch eine sorgfältige
                              									Befestigung der Flußsohle durch Eisenbetonplatten, Senkstücke, Steinpackungen und
                              									dergl. vorzunehmen. In Amerika ist eine große Anzahl derartiger hohler
                              									Eisenbetonwehre bis zu 20 m Höhe ausgeführt.
                           Bei beweglichen Wehren werden nur die unbeweglichen Teile aus Eisenbeton hergestellt,
                              									die den aus Eisen oder Holz gebildeten beweglichen Teilen als Unterstützung oder
                              									Führung dienen. Bei Schützwehren sind die Sohle und die die einzelnen Oeffnungen
                              									trennenden Pfeiler, vielleicht auch die Laufbrücke in Eisenbeton herzustellen. Bei
                              									Nadelwehren können sämtliche Teile, sogar die Nadelböcke aus Eisenbeton errichtet
                              									werden. Nur die Nadeln bestehen aus Holz.
                           Ein derartiges Wehr ist bei Ravenna im Fluß Ronco ausgeführt. Das 50,7 m lange Wehr
                              									ist durch 16 je 30 cm starke, fachwerkartig ausgebildete Grieswände oder Böcke in
                              									Oeffnungen von 2,7 m Lichtweite zerlegt. Der Unterbau besteht stromaufwärts aus
                              									einer 30 cm starken Spundwand, die gleichzeitig den Fachbaum für den unteren
                              									Anschlag der Nadeln trägt, stromabwärts in 3 m Entfernung aus Eisenbetonpfählen in 3
                              									m gegenseitigem Abstand, die unter sich und mit der Spundwand durch Längs- und
                              									Querbalken verbunden sind. Auf den Querbalken stehen die nicht umlegbaren
                              									Grieswände. Der Boden ist zwischen der Spundwand und den Pfählen und noch weiter 5 m
                              									talwärts durch eine Steinpackung gesichert, deren unteres Ende durch eine
                              									Holzspundwand abgeschlossen ist. Die Nadeln lehnen sich gegen hohle 13 cm starke
                              									gußeiserne Rohre, die die Grieswände als Nadellehnen verbinden. Die Nadeln lassen
                              									sich sowohl einzeln als auch feldweise zusammen durch besondere Vorrichtungen sehr schnell lösen.
                           In Verbindung mit einem niedrigeren, festen Eisenbetonwehr dienen zur Erhöhung des
                              									Stauspiegels bewegliche Bretter, Klappen und Segmentschützen, die an der Krone
                              									befestigt sind und teilweise unter Benutzung des Wasserdruckes geöffnet und
                              									geschlossen werden können.
                           Die einfachste Ausführung besteht aus Aufsatzbrettern, die an senkrechten eisernen
                              									Stangen befestigt sind. Letztere sind durch in der Wehrkrone Hegende senkrechte
                              									Rohre hindurch geführt und können vom Wehrinnern aus hochgeschoben oder
                              									heruntergezogen werden. Besser sind Bohlentafeln, die an der Krone des Wehres
                              									gelenkig befestigt sind. Bei aufrechter Stellung derselben wird die Stauhöhe
                              									vergrößert. Zu ihrer Bewegung dienen Druckwasserzylinder, die von einer unter dem
                              									ganzen Wehr weglaufenden Leitung gespeist werden. Am besten wird die Erhöhung
                              									erreicht durch die Verbindung des festen Wehres mit einem Segmentschütz, dessen
                              									Achse in den Pfeilern des festen Wehres befestigt ist. Die Schütze bilden die
                              									Fortsetzung der niedrigeren Abdeckplatten des festen Wehres. Flußabwärts ist das
                              									Wehr offen. Die unter den Pfeilern weglaufende Bodenplatte ist talwärts mit einer
                              									niedrigeren Wehrmauer verbunden, so daß der Boden des Wehres zugleich als
                              									Wasserpolster oder Sturzbecken dient. Das Flußbett vor dem Wehr wird durch
                              									Eisenbetonplatten gesichert. Das Sturzbecken läßt sich entleeren, so daß alle Teile
                              									des Wehres einer Prüfung zugänglich sind. Derartige Anlagen sind in Amerika
                              									ausgeführt am Muskegon River in der Nähe von Croton, Michigan, bei Lyon am Grand
                              									River und in der Nähe von Scotland am Shetucketflusse.
                           Der Vorzug der hohlen Eisenbetonwehre gegenüber den gemauerten Wehren mit vollem
                              									Querschnitt besteht in größerer Standsicherheit, geringerem Materialverbrauch und
                              									geringeren Baukosten. Bei der alten Ausführung mit senkrechter Wand stromaufwärts
                              									wird mit steigendem Wasser die Beanspruchung ungünstiger, da das Gewicht konstant
                              									bleibt, während der Horizontalschub wächst. Bei hohlen Wassermauern mit schräger
                              									Abdeckplatte wirkt der Wasserdruck normal zur schrägen Fläche in bezug auf die
                              									Kippkante in gleichem Sinne wie das Gewicht, so daß mit steigender Füllung sogar der
                              									Sicherheitsgrad zunimmt. Ein Kippen des Wehrkörpers kommt überhaupt nicht in Frage.
                              									Während bei dem vollen Querschnitt bei höchstem Hochwasser u.a. Zugspannungen an der
                              									Kante stromaufwärts und ein Klaffen der untersten Fuge auftreten können, ist die
                              									Spannungsverteilung bei der Hohlmauer stets trapezförmig mit dem größten Kantendruck
                              									stromaufwärts. Auch gegen Seitenschub sind die hohlen Wehrmauern vorteilhafter wie
                              									die vollen Mauern. Bei einer Neigung von 30° der Abdeckplatte schneidet die
                              									Resultierende aus Wasserdruck und Gewicht die Bodenfuge unter einem Winkel von rund
                              									25° zur Senkrechten, bei senkrechter Wand in der Stromrichtung und bei voller Mauer
                              									wird dieser Winkel rund 33°. Je steiler aber dieser Winkel ist, desto günstiger
                              									wirkt die Reibung. Einer Bewegung des Wehres setzt sich der passive Erddruck
                              									entgegen. Bei schlechtem Baugrund wird durch die bauliche Anordnung der passive
                              									Erddruck bei den hohlen Wehrmauern größer als bei den vollen Mauern, wenn die breite
                              									stark belastete Bodenplatte mit der stromaufwärts angeordneten, bis zum festen
                              									Baugrund reichenden Herdmauer starr verbunden ist.
                           Der Baustoffaufwand bei hohlen Mauern mit beiderseitiger Abdeckplatte ohne
                              									durchlaufende Bodenplatte beträgt 40 bis 50 v.H. des Aufwandes bei vollen Mauern
                              									nach der älteren Ausführung. Die gleichmäßigste und daher günstigste
                              									Lastverteilung auf den Baugrund erhält man bei einer Neigung der Abdeckplatte gegen
                              									die Stromrichtung von etwa 37½°. (Schulze.) (Beton und
                              									Eisen 1909. Heft V bis VII, S. 112–116, 140–143, 164–166.)
                           Dr.-Ing. Weiske.
                           
                        
                           Die Wasserkräfte des Staates Maine in Nordamerika.
                           Von den Wasserkraftanlagen dieses Staates ist diejenige der Bar Harbor and Union River Power Company am Union River bei Ellsworth,
                              									Maine, besonders bemerkenswert. Die Anlage ist im Laufe des Jahres 1907 erbaut und
                              									am 1. Januar 1908 in Betrieb genommen worden, nachdem die Pläne dafür seit mehr als
                              									30 Jahren vorgelegen hatten. Der aus Eisenbeton erbaute Staudamm erhebt sich 21,3 m
                              									über die Flußsohle und ist hohl ausgeführt. Er wird durch A-förmige Bocke von 100 m
                              									Spannweite an der Sohle versteift, die im Inneren des Dammes in Abständen von je 4,5
                              									m aufgestellt und gegeneinander durch Querbinder abgestüzt sind, und erzeugt ein
                              									Staubecken, von welchem aus das Wasser durch 2,4 m weite Druckrohre zu dem 18 m
                              									tiefer gelegenen Kraftwerk geleitet wird. Die Gesellschaft, der das ganze
                              									Stromgebiet der Union River gehört, beabsichtigt, 3,2
                              									km von dem gegenwärtigen Staudamm einen zweiten zu errichten, und hierdurch den
                              									Wasserstand am Kraftwerk um 4,5 m zu erhöhen. Das Staubecken würde dann einen Inhalt
                              									von etwa 142 Millionen cbm erhalten und bei 18 m nutzbarem Gefälle etwa 10000 PS
                              									fortlaufende Leistung ergeben. Vorläufig sind in dem aus Betonblöcken errichteten
                              									Maschinenhause zwei Maschineneinheiten von 1500 KW Gesamtleistung untergebracht. Die
                              									eine besteht aus zwei S. Morgan-Smith-Turbinen von 1700
                              									PS, gekuppelt mit einer Drehstromdynamo von 1000 KW, die andere aus zwei Turbinen
                              									von 850 PS, welche einen 500 KW-Stromerzeuger treiben. Für die Fernleitung nach den
                              									Orten Bar Harbor und Bangor wird die Spannung des mit 2300 V erzeugten Stromes auf
                              									33000 V erhöht. Die Fernleitung nach Bar Harbor ist 33,6 km lang, und besteht aus 6
                              									Aluminiumdrähten, die sich selbst bei einer 270 m weitgespannten Ueberbrückung eines
                              									Meerarmes zwischen Ellsworth und Bar Harbor als genügend widerstandsfähig erwiesen
                              									haben. Außer dem genannten Werk sind im Staate Maine eine ganze Reihe von Anlagen im
                              									Betriebe, die von einer der 5 Haupt-Seenketten des Landes gespeist werden. Zu
                              									erwähnen sind hiervon die Anlagen bei Penobscot und Veazie, die 1650 und 1500 PS
                              									liefern, das Werk an den Carrilunk-Fällen von 3500 PS, bei Madison, wo 3000 PS
                              									verfügbar gemacht werden können, und bei Skowtegan, wo mit 5,1 m Nutzgefälle 5100 PS
                              									erzielt werden. (Electrical World 1909 I S. 438 bis 439.)
                           
                              H.
                              
                           
                        
                           Neuere Wasserkraftanlagen.
                           Von neueren Wasserkraftelektrizitätswerken sind außer den in dieser Zeitschrift
                              									bereits erwähnten Werken an der Anza am Südostabhange der Walliser Alpen und an der
                              									Kerka in Dalmatiens. D. P. J., S. 78
                                    											d. Bd. die Anlagen am Cassibile bei Syracus und am Alcandara bei
                              									Taormina in Sizilien, das Werk Kinloch Leveu in
                              									Schottland und die Werke Waipori, Launceston und Hillgrove in Australien zu erwähnen. Die in Sizilien
                              									geplanten Anlagen, die wohl wegen des Erdbebens vorläufig gar nicht oder nur in sehr
                              									beschränktem Umfange zur Ausführung gelangen
                              									dürften, nutzen hohe Gefälle von 275 und 104 m aus und sollen nach
                              									vollständigem Ausbau 8000 und 7000 PS Gesamtleistung liefern. Sie werden von der Societâ Elekrica della Sililia Orientale eingerichtet,
                              									welche beabsichtigt, das ganze Stromgebiet durch eine für 40000 V bemessene
                              									Fernleitung mit Drehstrom zu speisen. Bei den Werken in Australien handelt es sich
                              									um kleinere Leistungen von höchstens 3300 Ps; auch die Fernleitungen sind weniger
                              									ausgedehnt. Nur das kleine Hillgrove-Werk hat eine
                              									Fernleitung von 30 km Gesamtlänge und verwendet 23000 V Spannung. Ein größeres Werk
                              									von zunächst 10000 PS Leistung ist außer den erwähnten am Golburnfluß bei Trawool
                              									geplant. Es ist hier eine Talsperre von gewaltigem Inhalt, etwa 2000 Millionen
                              									Kubikmetern, beabsichtigt, welche zugleich Bewässerungszwecken dienen soll. Die
                              									Aussichten dieses Werkes sind ziemlich günstig, da die großen Städte im Süden von
                              									Australien für den Absatz des Stromes gut gelegen sind. Die Anlage in Kinloch Leven in Schottland, welche der British Aluminium Company gehört, ist nahezu
                              									betriebsfertig. Das nutzbare Gefälle dieser Anlage beträgt 280 m und wird in 9 Peltonturbinen von je 3200 PS Leistung bei 300 bis 330
                              									Umdrehungen i.d. Minute sowie in zwei 900-pferdigen Turbinen ausgenutzt. Das
                              									Stauwerk ist ein 1200 m langer und 25 m hoher Damm im Levenfluß unterhalb von drei
                              									Seen mit insgesamt 15,5 Quadratkilometer Fläche. Das Wasser fließt in einem 6 km
                              									langen Oberwasserkanal aus Eisenbeton zu einem Wasserschloß, von welchem sechs
                              									schweißeiserne Druckleitungen von 1 m Weite zum Maschinenhause führen. Von den Peltonrädern werden je zwei Gleichstromerzeuger
                              									von 1000 bis 1100 KW Leistung und 250 bis 275 V Spannung angetrieben. Außerdem sind
                              									zwei 500 KW- und zwei 75 KW-Gleichstrommaschinen für die Beleuchtung des Werkes, für
                              									Kraftantriebe und für den Betrieb einer Förderbahn vorhanden. (Zeitschr. des
                              									Vereines deutscher Ingenieure 1909 S. 357 bis 358.)
                           
                              H.
                              
                           
                        
                           Reinigung von Chlorgas.
                           Das im technischen Großbetriebe erhaltene Chlor ist stets mit Luft und Kohlensäure
                              									verunreinigt. Verflüssigt man das unreine Chlor, so verliert man viel Chlor mit den
                              									Abgasen. Um es zu reinigen, leitet Th. Goldschmidt das
                              									durch Schwefelsäure getrocknete Gasgemisch unter bestimmtem Drucke bei bestimmter
                              									Temperatur in Zinnchlorid ein, z.B. ein Gasgemisch mit 80
                              									v.H. Chlor unter 1,3 Atm. Ueberdruck bei – 20° (Zinntetrachlorid gefriert erst bei –
                              									33°). Dann nimmt das Zinnchlorid etwa das Doppelte seines eigenen Gewichts an Chlor
                              									auf, während die Abgase fast frei von Chlor sind. Das Chlorzinnchloridgemisch gibt
                              									unter Atmosphärendruck bei mäßigem Erwärmen rasch reines Chlor wieder ab. Temperatur
                              									und Druck werden für die Absorption so gewählt, daß sich das Chlor aus dem
                              									Gasgemisch eben zu verflüssigen beginnt.
                           Die kleinen Mengen von Zinnchlorid, die von den Abgasen mitgerissen werden, entzieht
                              									man ihnen durch Waschen mit Wasser. [Z.f. Elektrochemie (1909), S. 425–427].
                           
                              K.A.