| Titel: | Der Einfluß erhöhter Temperaturen auf die mechanischen Eigenschaften der Metalle. | 
| Autor: | M. Rudeloff | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 563 | 
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                        Der Einfluß erhöhter Temperaturen auf die
                           								mechanischen Eigenschaften der Metalle.
                        Von Prof. M. Rudeloff, Gr.
                              									Lichterfelde.
                        Der Einfluß erhöhter Temperaturen auf die mechanischen
                           								Eigenschaften der Metalle.
                        
                     
                        
                           Die Veränderungen, welche die Festigkeitseigenschaften der Metalle mit Aenderung
                              									ihrer Temperatur erleiden, sind nicht nur von dem Technologen bei der Verarbeitung
                              									(Schmieden, Walzen usw.) sondern auch von dem Konstrukteur bei Festsetzung der
                              									Abmessungen in Rücksicht zu ziehen; sie sind sogar häufig ausschlaggebend für die
                              									Verwendbarkeit des Materials zu bestimmten Zwecken. Bei ihrer hohen praktischen
                              									Bedeutung ist es nicht zu verwundern, daß die ersten Untersuchungen, sie durch
                              									Festigkeitsversuche zu ergründen, weit zurückliegen. So stellten Tremery und Proirier-Saint-Brice [1]Nummerfolge
                                    											der am Schluß gegebenen Literaturübersicht. schon im Jahre 1828
                              									fest, daß die Zugfestigkeit gehämmerten Schmiedeeisens von 43,5 kg/qmm bei
                              									Zimmerwärme auf 7,8 kg/qmm bei Rotglut zurückging. Wie die am Schluß gegebene
                              									Literaturübersicht zeigt, liegt jetzt eine stattliche Reihe einschlägiger
                              									Untersuchungen über den Temperatureinfluß vor; daß sie bis in die neueste Zeit
                              										hineinreichen,
                              									hat seinen Grund nicht allein darin, daß immer neue Materialien zu erforschen
                              									sind, sondern vielfach gilt es auch, die früher gewonnenen Ergebnisse entsprechend
                              									den Fortschritten in der Versuchstechnik nachzuprüfen unter Verwendung
                              									vervollkommneter Hilfsmittel und unter Berücksichtigung der Umstände, die nach der
                              									heutigen Kenntnis die Ergebnisse beeinflussen können.
                           Im Nachstehenden sollen die bis jetzt vorliegenden Ergebnisse, so weit sie dem
                              									Verfasser bekannt geworden sind, nach Material getrennt zusammengefaßt werden. Im
                              									voraus mögen aber die angewendeten Verfahren und ihr Einfluß auf das Ergebnis
                              									besprochen sein.
                           Die Art der Erprobung des Wärmeeinflusses war bei den meisten Untersuchungen der
                              									Zerreißversuch; daneben finden sich vereinzelt Stauchproben und neuerdings hat auch
                              									die Kugeldruckprobe nach Brinell (s. D. P. J. 1903, S.
                              									188; 1905, S. 280; 1907, S. 33) zur Ermittlung von Härteänderungen mit Erfolg
                              									Anwendung gefunden [36] [38].
                           Unter den Umständen, welche Nebeneinflüsse veranlassen können, kommen in Frage:
                           
                              1. Die Erzeugung und Bestimmung der Versuchstemperatur (die
                                 										Versuchseinrichtung).
                              2. Die Form des Probestabes und seine Einspannung in die
                                 										Festigkeitsprobiermaschine.
                              3. Die Belastungsgeschwindigkeit.
                              4. Die Verfahren zur Bestimmung der Formänderungen – Dehnung –
                                 										während des Versuches.
                              5. Der Bearbeitungszustand des Probematerials.
                              
                           
                        
                           Die Versuchseinrichtungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 564
                              Fig. 1. Flüssigkeitsbad von Martens mit Spiegelapparat.
                              
                           Zur Erzeugung der Versuchs-Temperaturen höher als Zimmerwärme diente als ältestes
                              									Verfahren das Erhitzen der Probe im Ofen oder im Wärmebad und hierauf folgende
                              									Prüfung an der Luft. Um hierbei den Einfluß des allmählichen Erkaltens der Probe
                              									möglichst hinten anzuhalten, hat man zu sehr schneller Durchführung des Versuches
                              									gegriffen (Kollmann [9]). Elastizitätsbestimmungen sind
                              									hierbei völlig ausgeschlossen, da die Zeit nicht ausreicht, um die Zunahme der
                              									Dehnung mit wachsender Belastung oder Spannung zu ermitteln. Aber auch die endlichen
                              									Werte für die Bruchdehnung und Bruchfestigkeit sind höchst unzuverlässig, zumal der
                              									Stab beim Bruch ungleichmäßig, innen höher als außen, erwärmt ist, und weil daneben
                              									der Einfluß der Belastungsgeschwindigkeit sich geltend macht. Das von Kollmann angewendete Verfahren – neben der Zerreißprobe
                              									eine zweite gleicher Form in demselben Ofen gleichzeitig zu erhitzen, und an ihr die
                              									Anfangstemperatur ta
                              									kalorimetrisch zu bestimmen, ferner die Endtemperatur te des Versuchsstabes entweder an Hand
                              									einer vorher bestimmten Abkühlungskurve oder an dem Bruchstück ebenfalls
                              									kalorimetrisch zu ermitteln und dann (ta
                              									+ te)½ als
                              									Versuchstemperatur anzusehen –, vermag die genannten Mängel nicht zu beseitigen.
                           Bei den neueren Versuchen ist man daher wohl allgemein zur Anwendung von
                              									Wärmebädern übergegangen, in denen die Probe während der
                                 										ganzen Dauer des Versuches verbleibt. Zu unterscheiden sind: Flüssigkeits-,
                              									Luft- oder Gasbäder.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 564
                              Fig. 2. Flüssigkeitsbad von v. Bach.a
                                 										Handhabe; b Brenner; c
                                 										Ablaßrohr; d Stützschrauben; e Kaminrohr.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 564
                              Fig. 3. Flüssigkeitsbad von Unwin.
                              
                           Zu den Flüssigkeitsbädern ist der Stoff so auszuwählen, daß der Probestab weder davon
                              									angegriffen wird noch sich damit legiert. Daher gelangen zweckmäßig zur Anwendung
                              									für Temperaturen bis 100° C Wasser, bis 200° C Paraffin, bis 300° C Mineralöl. Für
                              									höhere Temperaturen dienen Salz- oder Metallbäder. Sehr gut bewährt hat sich bei 350
                              									bis 600° C nach dem Vorschlage der Physikalisch-Technischen
                                 										Reichsanstalt zu Charlottenburg ein Gemisch aus gleichen Teilen Kali- und
                              									Natronsalpeter [23]. Auch Bäder aus Blei-Zinnlegierungen und reinem Blei haben bei
                              									Temperaturen von 300–400° C und der Versuchsdauer bis zu zwei Stunden sogar zur
                              									Prüfung von
                              									Metallegierungen anstandslos verwendet werden können [14]. Das Heizen der Bäder
                              									erfolgt entweder durch Gasflammen, die unter dem Ofen (s. Fig. 3 u. 7), über ihm (Fig. 8) und seitlich davon (Fig. 1, 2 u. 10, s. später) angebracht sind, oder elektrisch (Fig. 6 und 9).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 565
                              Fig. 4. Anschluß des Probestabes an den Kraftmesser nach Martens.
                              
                           Bei Zerreißversuchen auf Stehenden Festigkeitsprobiermaschinen, in denen der
                              									Probestab in senkrechter Stellung sich befindet, empfiehlt es sich, nach dem
                              									Vorgehen von Martens [11] (Fig. 1) von der unteren Einspannvorrichtung aus eine Zugstange durch den
                              									Boden des Wärmebades (Ofens) hindurchzuführen und ihn auf einen dichtschließenden
                              									Konus der Stange aufsitzen zu lassen (s. a. Fig. 2
                              									u. 9). Von oben ragt dann eine ebensolche Stange
                              									durch den Deckel in den Ofen hinein und zwischen den Enden der beiden Stangen ist
                              									mit letzteren konzentrisch die Zerreißprobe eingeschaltet. Bei wagerchter Lage des
                              									Stabes werden die Verlängerungsstangen entweder durch die Seitenwände des Bades
                              									hindurchgeführt und mit Stopfbüchsen abgedichtet, Fig.
                                 										3 (Unwin) [21], oder man schaltet zwischen
                              									der Probe und den Zugstangen je ein ∩-förmiges Stück ein, das die Wandungen des
                              									Wärmebades übergreift (Martens [10] s. Fig. 4 und Charpy [16]).
                              									Die Anwendung dieses Stückes an dem mit dem Kraftmesser der Zerreißmaschine
                              									verbundenen Stabende hat den Vorteil, daß der in der Stopfbüchse herrschende
                              									Reibungswiderstand aus der Kraftmessung ausgeschaltet ist. Die lichte Schenkelweite
                              									dieses Stükkes braucht bei feststehendem Bade nur gering zu sein; es genügt, wenn
                              									sie dem Spiel des Kraftmessers entspricht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 565
                              Fig. 5. Ofen von Rudeloff mit Spiegelapparat.
                              
                           Die Länge des Bades und somit auch der Zugstangen ist im Verhältnis zur Länge des
                              									Probestabes möglichst groß zu wählen, damit die Wärmeableitung durch die Zugstangen
                              									von dem Probestabe möglichst fern gehalten und der Stab in seiner ganzen Länge
                              									gleichmäßig erwärmt werden kann. Mit Rücksicht auf gleichmäßige Erwärmung verdienen
                              									die Versuchsanordnungen mit wagerecht liegendem Probestabe den Vorzug vor denen mit
                              									aufrecht stehendem Stabe. Bei letzterem sind Rührvorrichtungen zur Erzielung
                              									gleichmäßiger Erwärmung der Flüssigkeitssäule unerläßlich. Sie erschweren aber die
                              									Dehnungsmessungen während des Versuches und führen nicht immer zum Ziel. Es ist dies
                              									deutlich daran zu erkennen, daß die Probe dann am oberen oder unterem Ende
                              									reißt, je nachdem die Bruchfestigkeit des Materials innerhalb der jeweilig
                              									verschiedenen Temperaturen des Bades mit wachsender Temperatur ab- oder zunimmt
                              									[11].
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 565
                              Fig. 6. Elektrisch geheizter Ofen (Stickstoffbad) von Hopkinson und
                                 										Rogers.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 565
                              Fig. 7. Luftbad von CharpyB
                                 										Verbindungsstück; E Einspannklauen; G Brenner; S
                                 										Probestab; Th Thermoelement.
                              
                           Luftbädern haftet der Mangel an, daß sie zur Oxydation des
                              									Probestabes führen; die allmählich von der Oberfläche nach dem Innern vordringt. Wie
                              										Le Chatelier hervorhebt [26], geschieht dies
                              									besonders schnell bei hüttenmännisch gewonnenem unreinen Kupfer, aber auch bei
                              									elektrolytisch erzeugtem. Das Kupfer wird dann brüchig und zerfällt schließlichS.a. Heyn,
                                    											Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1902, S. 1115.. Stribeck [29] hält die oberflächlich gebildete dünne
                              									Oxydschicht für einen wirksamen Schutz, sofern sie nicht abspringt, oder nicht
                              									einzelne Bestandteile der Legierung ausdampfen, wie bei Messing von gewissen
                              									Temperaturen ab. Ein weiterer Mangel des Luftbades ist der unvollkommene
                              									Wärmeausgleich zwischen dem Probestabe und der umgebenden Luft; er macht es
                              									erforderlich, die Temperatur des Stabes selbst zu messen, statt der des Bades.
                           
                           Zur Vermeidung der Oxydation im Luftbade verwendete ich in einem besonderen Ofen
                              										(Fig. 5) Bäder aus Wasserdampf (100° C),
                              									Naphthalindampf (200° C), sowie Naphthylamindampf (300° C) [14]. Die Dämpfe, in
                              									einer kupfernen Vorlage erzeugt, treten bei L in den
                              									Ofen ein, nehmen den durch Pfeile gekennzeichneten Weg zwischen zwei teleskopartig
                              									in einander geschobenen Rohren und gehen dann, nachdem sie unmittelbar zum
                              									Probestabe P gelangt sind, durch die obere
                              									Einspannvorrichtung durch das Rohr L1 ab. Hopkinson und Rogers [35] benutzten in ihrem Ofen (Fig. 6), mit Quecksilberverschlüssen an den Enden,
                              									Stickstoffbäder.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 566
                              Fig. 8. Luftbad von Le Chatelier.
                              
                           Zum Heizen der Luftbäder verwendeten Charpy [18] und Le Chatelier [26] Gasflammen (s. Fig. 7 u. 8), Stribeck [29] und Hopkinson und Rogers [35] elektrische
                              									Heizspiralen (s. Fig. 9 u. 6). Die letzteren gewähren den großen Vorteil, daß man durch engere
                              									Wicklung an den Enden des Ofens (Stribeck) oder durch
                              									Dreiteilung der Spirale und Regulierung des Stromes in den einzelnen Teilen (Hopkinson) die Wärmeableitung durch die Zugstangen und
                              									Einspannungen besser ausgleichen und dadurch gleichmäßigere Erhitzung des
                              									Probestabes innerhalb seiner ganzen Länge erzielen kann. –
                           Carpenter [19] legt einen zweiteiligen gußeisernen
                              									Mantel von beträchtlicher Stärke um den Probestab und erhitzt ihn von außen mit
                              									Bunsenbrenner. Der Mantel überragt die Meßlänge des Probestabes an beiden Enden um
                              									25 mm. An einem durch den Mantel hindurchgehenden Stickstoffthermometer wird die
                              									Versuchstemperatur abgelesen. Daß Fehler in der Temperaturbestimmung dadurch völlig
                              									vermieden sind, daß die Versuche erst angestellt wurden, nachdem die
                              									Thermometeranzeigen einige Minuten lang konstant geblieben waren, erscheint
                              									mindestens zweifelhaft, zumal der Zwischenraum zwischen Mantel und Stab mit der
                              									Dehnung des letzteren beim Versuch wächst.
                           Zur Ausführung von Kugeldruckproben im Wärmebade hat Kürth [38] ein sehr zweckmäßiges Verfahren angegeben. Die Probe hat die
                              									Form eines Streifens von 200 mm Länge und 35 mm Breite. Sämtliche Druckstellen
                              									werden in seiner Mittellinie angeordnet und zwar immer bei derselben Temperatur
                              									mehrere in größeren Entfernungen (40–50 mm) voneinander und dazwischen dann je eine
                              									für die anderen Temperaturen. Auf diese Weise läßt sich der Einfluß der
                              									Ungleichmäßigkeiten des Materials leicht in Rücksicht ziehen, indem man die
                              									Beobachtungen für die gleichen Temperaturen über Abszissen gleich der
                              									Entfernung der Druckstellen zu Schaulinien aufträgt. Die letzteren verlaufen meist
                              									stetig und parallel zu einander und bei chemisch reinen Stoffen parallel zur
                              									Abszissenachse; ihr gegenseitiger Abstand entspricht den Härteunterschieden bei den
                              									angewendeten Versuchstemperaturen. Der Streifen ist, um den Druck an der gewünschten
                              									Stelle ausüben zu können, auf seinem Auflager (untere Druckplatte) an einem
                              									geteilten Schieber mit Mitnehmerstift parallel zur Achse um Strecken der gewünschten
                              									Größe verschiebbar und zwar in dem Bade bei unveränderter Temperatur. Der Behälter
                              									des Bades, ein schmaler Blechkasten mit doppelten Seitenwänden und dazwischen
                              									eingestampfter Infusorienerde, von unten durch mehrere Bunsenbrenner heizbar, trägt
                              									in der Mitte die untere Druckplatte. Die Stahlkugel ist mittels dünnen gelochten
                              									Bleches an der oberen Druckplatte befestigt; sie taucht mit der Platte in das Bad
                              									ein, kann aber zwecks wiederholter Besichtigung bequem angehoben werden. Das
                              									Anlassen und die hiermit verbundene Härteabnahme der Kugel sowie die durch das Bad
                              									verursachte Reibungsverminderung zwischen Kugel und Probestück erwiesen sich bei den
                              									untersuchten Materialien und Temperaturen (etwa 500° C) ohne Einfluß.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 566
                              Fig. 9. Elektrisch geheiztes Luftbad von Stribeck.
                              
                           Als allgemeines Ergebnis der Versuche von Kürth möge an
                              									dieser Stelle hervorgehoben werden, daß während des Versuches das Wachstum der Härte
                              									mit steigender Belastung für Kupfer bei 500° C das Gleiche war wie bei 20° C, wonach
                              									auch bei hohen Temperaturen kein Einfluß von Ausglühwirkungen auf die Härtezahl sich
                              									bemerkbar machte, sofern die Probe vorher völlig ausgeglüht war.
                           
                              (Fortsetzung folgt.)