| Titel: | Zur Sterilisierung des Trinkwassers durch Ozon. | 
| Autor: | M. Erb | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 586 | 
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                        Zur Sterilisierung des Trinkwassers durch
                           								Ozon.
                        Von Dr. M. Erb, Frankfurt
                              									a.M.
                        Zur Sterilisierung des Trinkwassers durch Ozon.
                        
                     
                        
                           Als Schönbein im Jahre 1839 die als Ozon bekannte
                              									Modifikation des Sauerstoffes entdeckte und schon damals die heute zur industriellen
                              									Erzeugung des Ozon ausschließlich in Frage kommende Bildungweise durch dunkle
                              									elektrische Entladungen angab, war damit der Anstoß zu einer sehr großen Anzahl
                              									bezüglicher Erfindungen gegeben.
                           Wie aus „Poggendorffs Annalen der Physik und
                                 										Chemie“ Band 102 hervorgeht, hat Werner von Siemens bereits im Jahre 1857 einen brauchbaren, auf
                              									Ozonerzeugung durch stille Entladungen beruhenden Ozonisator hergestellt. Die ersten
                              									Versuche, das große Oxydationvermögen des Ozon zur Sterilisation des Trinkwassers zu
                              									verwenden, wurden 1889 im Laboratorium von Siemens &
                                 										Halske unternommen, und die hierbei gewonnenen günstigen Resultate durch
                              									Geheimrat Ohlmüller vom Reichsgesundheitsamte
                              									bestätigt.
                           Nunmehr setzten die ausländischen Erfindungen ein, von denen an dieser Stelle nur
                              									genannt seien die von Baron Tindal (1893) Andreoli (1896) Dr. Marmier,
                                 										Abraham, Otto. Von diesen Systemen haben diejenigen des letztgenannten
                              									Erfinders und das im Laufe der Jahre weiter ausgebildete System von Siemens & Halske die größte Bedeutung erlangt.
                              									Es entstanden denn auch in der Folge eine Reihe von Großanlagen, von denen die
                              									bedeutendste, die Anlage der Stadt Nizza (System Otto),
                              									täglich etwa 24000 cbm sterilisiertes Wasser zu liefern vermag und auf eine
                              									Leistungsfähigkeit von 38000 cbm erweitert wird.
                           Einen schlagenden Beweis für die Wichtigkeit und Notwendigkeit der Errichtung von
                              									Ozonwasserwerken erbringt die nach dem System Siemens &
                                 										Halske gebaute Anlage der Stadt Paderborn, die eine Leistungsfähigkeit von
                              									etwa 1000 cbm pro Tag besitzt. Infolge der ungesunden Grundwasserverhältnisse wurde
                              									Paderborn fast alljährlich von Typhusepidemien heimgesucht, während nunmehr nach
                              									Errichtung des Ozonwerkes seit etwa fünf Jahren die Krankheit in epidemischer Form
                              									nicht mehr aufgetreten ist. An weiteren größeren Anlagen seien genannt die Anlage in
                              									Chartres (stündlich etwa 230 cbm), die Versuchsanlage der Städtischen Wasserwerke
                              									Paris zu St. Maur mit 100 cbm stündlicher Kapazität, die Anlage in Lille (System Marmier-Abraham) mit 35 cbm stündlicher Leistung,
                              									endlich die Anlagen in Villafranka, Casale Monferrato, Dinard, Cosne, Armentières
                              									und Schierstein-Wiesbaden, welches letztere längere Zeit eingestellt war,
                              									dessen Betrieb aber in nächster Zeit wieder aufgenommen werden soll.
                           Nachdem die industrielle Wasserreinigung mittels Ozon durch die genannten und noch
                              									andere Anlagen verwirklicht worden wars. D.
                                    											P. J. 1902, Bd. 317, S. 754., stellte sich das Bedürfnis nach
                              									einem Ozonisator ein, den jeder Privatmann in seinem Hause, beispielsweise in der
                              									Küche, anbringen und durch Entnahme von elektrischem Strom aus seiner Lichtleitung
                              									zur Herstellung keimfreien Wassers benutzen konnte.
                           Nachdem kleinere Ozonanlagen von 3–10 cbm Stundenleistung von Siemens & Halske in Petersburg, Astrachan und München eingerichtet
                              									worden waren, wurde ein brauchbarer Hausapparat von dem bereits früher genannten
                              									französischen Ingenieur Otto angegeben und von den Felten & Guilleaume-Lahmeyerwerken weiter
                              									ausgebildet. Mit diesem in Fig. 1 dargestellten
                              									Apparate wurden von Professor Dr. M. Neißer an dem
                              									Königl. Institut für experimentelle Therapie in Frankfurt a.M. eine Reihe von
                              									Versuchen gemacht, auf die in folgendem kurz zurückgekommen werden soll.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 587
                              Fig. 1.
                              
                           Der Apparat besteht in der Hauptsache aus einem in gemeinsamem Schutzkasten
                              									untergebrachten Hochspannung – Transformator (120 : 5000 V) und einem
                              									Plattenkondensator, ferner aus einer Mischdüse und dem den Ozonerzeuger mit der Düse
                              									verbindenden Ozonrohr. Der Ozonerzeuger selbst setzt sich zusammen aus einer
                              									Aluminiumplatte und einer mit Metallbelag versehenen Glasplatte, die voneinander nur
                              									geringen Abstand besitzen. Zwischen den Platten erfolgen die dunkeln Entladungen,
                              									durch die ein Teil des Luftsauerstoffes in Ozon verwandelt wird. Die Wirkungsweise
                              									des Apparates ist folgende:
                           Nach Oeffnung des Wasserhahnes schaltet der in der Figur erkennbare Membrankontakt
                              									automatisch den Transformator ein, dessen Sekundärklemmen (Hochspannung) mit den
                              									Platten des Kondensators verbunden sind. Die mit dem erzeugten Ozon gemischte Luft
                              									wird unter fortwährendem Nachströmen frischer Luft, die gleichzeitig die
                              									erforderliche Kühlung der Platten bewirkt, abgesaugt und gelangt durch das Ozonrohr
                              									in eine besonders konstruierte Mischdüse. Diese Düse, die an den Wasserleitunghahn
                              									ohne weiteres angeschlossen werden kann, besteht, wie aus Fig. 2 ersichtlich, aus einer kleinen Wasserstrahlpumpe, in deren
                              									unterem Teile mehrere Mischkammern angeordnet sind. Die Mischkammern setzen sich aus
                              									durchlöcherten gegeneinander versetzten Einsätzen zusammen, durch deren Führungen
                              									der eintretende Wasserstrahl in zahlreiche, sich noch mehrfach verteilende
                              									Wasserfäden aufgelöst und in ein Gemisch von Wasser- und Ozonluft zerstäubt wird.
                              									Die möglichst innige Mischung des Wassers mit dem Ozon ist erforderlich, damit
                              									selbst die kurze Berührung beider genügt, um die im Wasser vorhandenen Keime sicher
                              									abzutöten.
                           Bemerkenswert ist, daß bei dieser Anordnung der Ozonerzeuger nur so lange in Betrieb
                              									ist, als Wasser der Leitung entnommen wird. Daher wird auch nur während dieser Zeit
                              									Strom verbraucht, und es kommt außerdem stets frisch erzeugtes, also möglichst
                              									wirksames Ozon zur Verwendung.
                           Gegenüber der ursprünglichen Anordnung von Otto gewährt
                              									die beschriebene Mischdüse der F.G.L. den Vorteil, daß
                              									mit ihr zur sicheren Keimtötung genügende Wassermengen auch bei geringerem Drucke
                              									der Wasserleitung abgesaugt, und bei gleichem Drucke in gleicher Zeit größere
                              									Wassermengen mit Ozon gemischt werden können. Dies wird belegt durch zwei
                              									Versuchsprotokolle, die in den von Geh. Obermed. Rat Professor Dr. H. Ehrlich herausgegebenen „Arbeiten aus dem
                                 										Königlichen Institut für experimentelle Therapie“ zu Frankfurt a.M.
                              									veröffentlicht sind und hier wiedergegeben werden sollen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 587
                              Fig. 2.
                              
                           Es sei eingeschaltet, daß Frankfurter Leitungwasser mit künstlichem Bazillenzusatz zu
                              									den Versuchen verwendet wurde, und zwar zunächst aus dem Grunde, weil das reine
                              									Trinkwasser so wenig Keime enthielt, daß eine Konstatierung der Ozonwirkung kaum
                              									möglich war, anderseits, um die Wirkung des Ozon auf bestimmte Arten und auf größere
                              									Mengen von Bakterien feststellen zu können.
                           Versuch I.
                           
                              Durchmischung des zu untersuchenden Wassers mit Ozon mittels
                                 										des Emulseurs nach System
                              Otto.
                              
                           Art der Wassermischung: 60 l Trinkwasser +10 ccm einer eintägigen
                              									Colibouillonkultur:
                           
                              
                                 Ohne Einschaltung des Ozon, 1 Atm. Druck, 2,4 l
                                    											Wasser
                                 
                              
                                     pro Minute
                                 etwa 43000 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Nach Einschaltung des Ozon während einiger
                                    											Minuten
                                 
                              
                                 
                                 etwa 5000 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Nach Erhöhung des Wasserdruckes auf 2 Atm. (3,61
                                    											Wasser
                                 
                              
                                     pro Minute)
                                 etwa 2 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Nach Wiederausschaltung des Ozons nach einigen
                                    											Mi-
                                 
                              
                                     nuten
                                 etwa 40000 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                           Versuch II.
                           
                              Durchmischung des zu untersuchenden Wassers mit dem Ozon
                                 										mittels der Mischdüse System
                              F.G.L.
                              
                           
                              
                                 Ohne Einschaltung des Ozon etwa 43000 Keime in 1
                                    											ccm
                                 
                              
                                 Nach Einschaltung des Ozon (0,6 Atm. Druck, 2 l
                                    											Wasser
                                 
                              
                                     in der Minute)
                                 etwa 5000 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                           
                           
                              
                                 Unter 1 Atm. Druck (2,6 l Wasser in der Minute)
                                 
                              
                                 etwa 11 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Unter 2 Atm. Druck (4 l Wasser in der Minute)
                                 
                              
                                 weniger als 10 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                           Eine Reihe weiterer unter Benutzung verschiedener Mischdüsen System F.G.L. mit Colibazillen und Staphylokokken angestellter
                              									Versuche ergab übereinstimmend das Resultat, daß bereits bei einem Drucke von 1,5
                              									Atm. fast sämtliche zugesetzten Keime sicher abgetötet wurden. Zwei Versuchsplatten,
                              									die eine vor die andere nach erfolgter Ozonisierung des bei den Versuchen I und II
                              									untersuchten Wasser angefertigt, sind in Fig. 3 u.
                              										4 dargestellt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 588
                              Fig. 3.
                              
                           Der Umstand, daß vereinzelt einige wenige nicht abgetötete Keime zurückbleiben, ist
                              									wohl meistens auf ein zufälliges Hängenbleiben derselben am Auslaufrande der Düse
                              									zurückzuführen. Jedenfalls kann das mit dem beschriebenen Apparate behandeltete
                              									Wasser als praktisch keimfrei, und die erzielten Resultate gegenüber der Entkeimung
                              									des Trinkwassers mittelst der bekannten Sandfilter als unvergleichlich besser
                              									bezeichnet werden.
                           Zur Beurteilung der kurzen Zeitdauer, die genügt, um große Bazillenmengen sicher
                              									abzutöten, seien noch folgende Versuchsergebnisse angeführt.
                           Art der Wassermischung: 60 l reines Trinkwasser gemischt mit 10 ccm reiner
                              									zweitägiger Eiterbakterienkultur. Druck des Leitungwassers: 1,5 Atm. Es wurden
                              									gezählt:
                           
                              
                                 Ohne Ozon
                                 11200 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Nach to Sek. Ozoneinschaltung
                                       20 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Nach weiteren 10 Sek. Ozoneinschaltung
                                 
                              
                                 
                                         4 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                                 Bei Steigerung des Druckes auf 2 Atm.
                                 
                              
                                 
                                         2 Keime in 1 ccm
                                 
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 588
                              Fig. 4.
                              
                           Im Gegensatz zu den Großanlagen, bei denen durchaus eine bedeutend längere Einwirkung
                              									des Ozons auf das zu sterilisierende Wasser stattfindet, genügt, wie aus Obigem
                              									hervorgeht, bei dem beschriebenen kleinen Hausapparate, die nur Bruchteile von
                              									Sekunden dauernde Einwirkung des Ozon, um das Wasser keimfrei zu machen. Zum
                              									Schlusse sei noch bemerkt, daß für ein Wohnhaus nur ein einziger gemeinschaftlicher
                              									Ozonerzeuger eingerichtet werden kann, an den sämtliche Wasserleitunghähne des
                              									Hauses durch Verbindungsleitungen angeschlossen werden.