| Titel: | Rangiereinrichtungen in industriellen Betrieben. | 
| Autor: | Hans Wettich | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 610 | 
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                        Rangiereinrichtungen in industriellen
                           								Betrieben.
                        Von Dipl.-Ing. Hans Wettich,
                           									Halle a.S.
                        Rangiereinrichtungen in industriellen Betrieben.
                        
                     
                        
                           Zu den schwierigeren Transportaufgaben gehört auf größeren Werken das Rangieren
                              									der Eisenbahnwaggons zur Gebrauchsstelle und wieder zurück zum Anschlußgleis.
                              									Während man sich bei einer weniger großen Tageszahl von Wagen mit Pferdezug oder
                              									Handspillen behilft, muß man bei regerem Wagenverkehr zu umfangreichen maschinellen
                              									Einrichtungen greifen, um die Waggons schnell und unter Aufgebot von möglichst wenig
                              									Bedienungsmannschaft verschieben zu können.
                           Das einfachste, auf Bahnhofsanlagen gelegentlich, in industriellen Werken häufiger
                              									angewandte Mittel bildet die Aufstellung von mehreren, meist elektromotorisch
                              									betätigten Spillen, die man in Abständen bis zu 50 m an
                              									zweckmäßigen Arbeitspunkten anordnet. Für eine vielteilige, insbesondere eine durch
                              									Gebäude getrennte Gleisanlage verlangt aber eine solche Einrichtung recht
                              									beträchtliche Anschaffungskosten. Dazu kommt, daß der Betrieb verhältnismäßig
                              									langsam vonstatten geht, da ja die Wagen von Spill zu Spill gezogen werden müssen,
                              									und daß der Verkehr neben den Gleisen durch den Transport und den Abzug des
                              									Zugseiles Behinderungen erfährt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 609
                              Fig. 1.
                              
                           Man ist daher vielfach zu zentralen Rangieranlagen
                              									übergegangen, die sich in der Anschaffung häufig billiger stellen, ein wesentlich
                              									größeres Arbeitsfeld beherrschen, Geländehindernisse überwinden und eine größere
                              									Arbeitsgeschwindigkeit gestatten.
                           Namentlich die Eheiner Maschinenfabrik Windhoff &
                                 										Co., Rheine i.W., hat in dieser Richtung fruchtbar gearbeitet durch
                              									Schaffung zentral aufgestellter Rangierwinden, die ein Arbeitsfeld bis zu 200 m
                              									Umkreis zu bedienen vermochten. Die Einrichtungs. D.
                                    											P. J. 1906, Bd. 321, S. 72, Fig. 19 u. 20.
                              									besteht darin, daß an einem zu den Gleisen geeignet gewählten Punkte eine
                              									Rangierwinde aufgestellt ist, von deren Trommel aus das Rangierseil entweder unter
                              									Vermittlung von Umlenkrollen die Wagen von der Winde abzieht oder unmittelbar zur
                              									Winde hinbewegt. Das freie Seilende besitzt einen Haken, der an den Waggon
                              									angehangen wird. Nur bei kleineren Anlagen werden Rangierwinden mit Handbetrieb
                              									angewandt, die dann auf einer Säule drehbar aufgehangen werden, um der Zugrichtung
                              									des Seiles folgen zu können. Diese Winden erhalten dann eine Einrichtung für
                              									doppelte Seilgeschwindigkeit und finden vorzugsweise Aufstellung auf Schiebebühnen
                              									und Drehscheiben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 609
                              Fig. 2. Rangier winde zur Bedienung von Drehscheiben der Rheiner
                                 										Maschinenfabrik Windhoff & Co.
                              
                           Für größere Leistungen wird Riemenbetrieb, hauptsächlich aber
                              									Antrieb durch Dampfmaschinen oder Elektromotoren gewählt. Vor der Trommel wird
                              									hierbei eine Auslaufklüse für das Seil angebracht, aus einem Rollenpaare bestehend,
                              									so daß die Winde selbst fest aufgestellt werden kann. Da die Beschleunigung der zu
                              									verschiebenden Wagen erhebliche Stöße verursacht, erfolgt der Antrieb bei den
                              									elektromotorisch betätigten Winden unter Vermittlung einer Reibkupplung und
                              									allgemein unter Einschaltung einer Schraubenfeder in das Zugseil. Beim Anfahren wird
                              									der Motor durch den Anlasser auf eine niedere Geschwindigkeitsstufe gesteuert und
                              									erfährt erst nach eingetretener Beschleunigung des Wagens eine
                              									Geschwindigkeitssteigerung, um den Kraftverbrauch in mäßigen Grenzen zu halten. Bis
                              									zum Anspannen des Zugseiles hat dabei das Schwungrad der Winde genügend Zeit, die
                              									für das erste Anziehen erforderliche Energie in sich aufzunehmen, so daß der Motor
                              									hierdurch entlastet und die Reibkupplung geschont wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 610
                              Fig. 3. Rangierwinde mit 2 Seiltrommeln der Rheiner Maschinenfabrik, Windhoff
                                 										& Co.
                              
                           Die Rheiner Maschinenfabrik hat auf die Ausbildung,
                              									Betriebsbilligkeit und -Sicherheit und die vielseitige Verwendbarkeit ihrer
                              									Rangierwindenformen großen Wert gelegt. Hierher gehört hauptsächlich die
                              									Seilaufwicklungsvorrichtung zur Schonung des Zugseiles. Da dieses in der Regel eine
                              									große Länge besitzt, so ist es nötig, daß die einzelnen Seillagen genau neben- und
                              									übereinander auf die Trommel gebracht werden. Dem Zwecke dient eine besondere,
                              									gesetzlich geschützte Seilaufwickelvorrichtung in Verbindung mit einer
                              									Seilabzugseinrichtung. Diese letzte gestattet durch Abkuppeln der Trommel von den
                              									übrigen Getriebeteilen, daß auch verhältnismäßig lange Seile durch einen Mann allein
                              									abgezogen werden können. Die Seilausgabe wird dabei von dem Windenführer durch
                              									Einschaltung einer vor der Trommel angeordneten Zugwalze maschinell veranlaßt,
                              									wodurch gleichzeitig die Seilwindungen auf der Trommel gespannt bleiben, so daß
                              									Aufbauschungen und Festklemmungen des Seiles auf der Trommel nicht eintreten
                              									können.
                           Die Windhoffsche Einrichtung erlaubt auch die Bedienung
                              									von winkelig zur Maschine verlaufenden Gleisen und vermag unter Verwendung
                              									entsprechend angeordneter Umlenkrollen auch Drehscheiben zu bedienen. Das
                              									Rangierseil wird hierbei, vgl. Fig. 1, um eine
                              									Umlenkrolle gelegt, die neben der Drehscheibe aufgestellt ist. Wird das Seil dann,
                              									bei verriegelter Drehscheibe an den Wagen angeschlagen, so kann dieser wie beim
                              									Lokomotivbetrieb von der Scheibe abgestoßen werden. Auch das Drehen der Scheibe läßt
                              									sich auf diese Weise durchführen, wenn an ihr entsprechende Anschlagspunkte
                              									geschaffen sind, doch hat die Rheiner Maschinenfabrik
                              									auch eine besondere Windenform für diesen Zweck ausgebildet, die in Fig. 2 dargestellt ist. An Stelle des sonst üblichen
                              									Zahnradvorgeleges zum Trommelantrieb wird ein Riemenvorgelege verwendet. Hierbei ist es durch
                              									eine besondere Spannvorrichtung mit Differentialhebel möglich, den Riemen während
                              									des Betriebes zu spannen, um dadurch die Seilgeschwindigkeit in den weitesten
                              									Grenzen regeln zu können. Man kann so die Drehscheibe durch die Winde genau auf die
                              									einzelnen Gleise einstellen und die Wagen mit ganz geringer Geschwindigkeit auf die
                              									Gleise ziehen. Damit ist die Gefahr ausgeschlossen, daß die Wagen über die
                              									Drehscheibe hinweglaufen. Bei Anwendung dieser Sonderform von Rangierwinden ist
                              									keine weitere Bedienung für das Drehen von Drehscheiben mit Handbetrieb
                              									erforderlich.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 611
                              Fig. 4. Gleichzeitiges Arbeiten von 3 Windhoff-Rangiermaschinen.
                              
                           Die Verwendbarkeit der Windhoff-Rangierwinden auch für
                              									vielteilige Gleisanlagen erhellt aus Fig. 4, die die
                              									Bedienung eines großen Grubenholzlagers an einem Hafenplatz zeigt. Die Gleise laufen
                              									hier senkrecht zum Entladekai und beherrschen unter Einschaltung von Weichen in
                              									paralleler Verteilung den Stapelplatz. Die Verschiebung der Holzzüge erfolgt von
                              									einer Zentrale aus, in der dem großen Umfang der Anlage entsprechend 3 Windhoffwinden aufgestellt sind, deren Seile unter
                              									Vermittlung von Umlenkrollen das ganze Feld bedienen.
                           Den dargelegten Vorteilen der Rangierwinde steht der Nachteil gegenüber, daß der
                              									Windenführer von seinem Stande aus nicht in allen Fällen, namentlich bei
                              									zwischenstehenden Gebäuden oder besetzten Gleisen, die bewegten Wagen im Auge
                              									behalten kann. Für solche Fälle hat die Rheiner
                                 										Maschinenfabrik eine Signal-Verständigung eingeführt, sowohl mittels Pfeife
                              									oder Trompete als auch bei Dunkelheit durch Schwingen von brennenden Laternen,
                              									ähnlich den auf der Staatsbahn üblichen Signalen. Ferner wird die Aufwicklung des
                              									Seiles bei leer eingeholtem Haken naturgemäß nicht ebenso fest sein, wie bei
                              									Belastung, und schließlich kann die einzelne Maschine jedesmal nur ein Gleis
                              									bedienen, es sei denn, daß eine zweite Seiltrommel angeordnet wäre, in welchem Falle
                              									die gleichzeitige Bedienung von Doppelgleisen möglich ist. Eine solche Type der Rheiner Maschinenfabrik stellt Fig. 3 dar, sie ist bereits verschiedentlich
                              									ausgeführt und hat sich zur Bedienung mehrerer Gleise bestens bewährt.
                           Dagegen besitzt die Rangierwinde den Vorzug größerer Billigkeit einer gleichwertigen
                              									Zahl von Spillen gegenüber.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 611
                              Kupplungsapparate von Bleichert & Co.
                              
                           Weiterhin ist der Gedanke der Seilbahn in der Form der Unterseilbahn, bekannt von
                              									Drahtseilbahnen, Kettenbahnen und den amerikanischen Kabelbahnen vor Einführung der
                              									elektromotorischen Wagenförderung, auf die Rangieranlagen übertragen worden. Die
                              									Ausbildung der Förderanlagen in dieser Richtung ist das Verdienst von Adolf Bleichert & Co., Leipzig-Gohlis. Während der Betrieb mit
                              									einer Windhoffschen Rangierwinde ein freies Seilende
                              									erfordert, das intermittierend arbeitet, leitet Bleichert ein endloses Seil an den zu bedienenden Gleisen entlang, das
                              									einen ständigen Antrieb von einer Zentralstelle aus erfährt. An dieses Seil können
                              									an allen Punkten der Anlage, also auch auf verschiedenen Gleisen gleichzeitig die zu
                              									verschiebenden Wagen angeschlagen werden. Das Seil wird neben den Gleisen durch
                              									Tragrollen in handlicher Höhe geführt, und zwar verlegt man neben jedes Gleis
                              									möglichst einen rechts und einen links laufenden Strang, um in beiden Richtungen
                              									verschieben zu können. Das Ankuppeln der einzelnen Wagen oder der zu Zügen
                              									vereinigten Wagen geschieht in einfachster Weise durch einen Seilgreifer, Fig. 5 und 6. der mit dem Wagen
                              									durch ein 4 m langes Seil unter Zwischenschaltung einer Schraubenfeder verbunden
                              									ist. Ein Arbeiter setzt den Greifer auf das Zugseil und schließt durch eine einfache
                              									Kurbeldrehung die Klemmbacken soweit, bis sie sich an das Förderseil legen. Hierauf
                              									wird durch die Reibung am Seil der endgültige feste Schluß herbeigeführt. Ein
                              									Handgriff für die linke Hand erleichtert die Bedienung des Greifers. Das Anschlagen
                              									der Wagen ist aus Fig. 7 erkennbar.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 612
                              Fig. 7. Bewegen eines Wagens zu der Beladestation.
                              
                           Der Antrieb der Anlagen erfolgt in ganz ähnlicher Weise, wie bei gewöhnlichen Ketten-
                              									und Seilförderanlagen, indem sich das endlose Zugseil, vgl. Fig. 8 u. 9, um eine
                              									Antriebsseilscheibe und eine durch Gewichte belastete, im Schlitten geführte
                              									Spannscheibe schlingt.
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 612
                              Fig. 8. Antriebsstation von Bleichert & Co.
                              
                           
                           Die Umfangsgeschwindigkeit dieser Scheiben und damit die
                              									Seilgeschwindigkeit beträgt 0,5 bis 0,7 m/Sek. Der Antrieb erfolgt von der
                              									Transmission aus oder durch einen besonderen Elektromotor. Die Seilführung an der
                              									Antriebsstation zeigt Fig. 8, die eine Rangieranlage
                              									mit zwei Seilläufen wiedergibt.
                           Da beim Anschlagen in den Augenblicken, wo der Seilgreifer anzieht, ein sehr hoher
                              									Energiebedarf für die Ingangsetzung des Wagens vorliegt, wird in die Anlage ein
                              									Schwungrad von solcher Gewichtsbemessung eingebaut, daß es den für das Anfahren der
                              									Waggons erforderlichen Kraftüberschuß abzugeben vermag, ohne daß der Antriebsmotor
                              									oder die Antriebstransmission eine höhere Belastung, als die des Beharrungszustandes
                              									erfährt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 613
                              Fig. 9. Rangieranlage mit zwei Seilläufen von Bleichert & Co.
                              
                           Es werden demnach die Antriebsseilscheiben beim Anziehen eines Waggons eine wenn auch
                              									kurze Zeit lang- ihrem Antrieb gegenüber in Verzug kommen. Würde kein elastisches
                              									Zwischenglied im Getriebe vorbanden sein, so wäre hiernach einerseits die Gefahr von
                              									Brüchen im Getriebe gegeben und nach der anderen Seite würde ein Gleiten des
                              									Zugseiles in den Backen des Greifers oder in den ledergefütterten Rillen der
                              									Antriebsscheiben auftreten, das zu schnellem Verschleiß des Seiles und des
                              									Futters führen würde. Es ist daher zwischen Antrieb und Seilscheiben eine
                              									Rutschkupplung eingeschaltet, die es dem Schwungrade gestattet, ganz allmählich
                              									seine lebendige Kraft auf die anzufahrenden Wagen zu übertragen. Die Anfahrperiode,
                              									bei der zunächst das umlaufende Seil einen Augenblick zum Stillstand gelangt,
                              									während Motor und Schwungrad mit kaum verminderter Geschwindigkeit weiter laufen,
                              									dauert etwa 6 bis 10 Sekunden.
                           Auf der Strecke wird das Zugseil durch Tragrollen in 300 bis 350 mm Höhe über S.O.
                              									geführt. An Winkelpunkten treten horizontale Ablenkscheiben ein von 750 bis 1000 mm
                              									, vor denen Führungsrollen vorgelagert werden. An Gleiskreuzungen,
                              									Wegeüberführungen und dergleichen werden bei sonst gerader Strecke vertikale
                              									Ablenkrollen verwendet, vgl. Fig. 9. Kreuzungen des
                              									Gleises durch das Seil, Fig. 10, werden mit einer
                              									Vertikalrolle in Gleismitte und mit zwei seitlichen Schrägrollen durchgeführt. Die
                              									Ablenkrollen besitzen in diesen Fällen Durchmesser von 600 bis 800 mm.
                           Kurven werden durch Kurvenrollen mit unterem Flansch, vgl. Fig. 7 u. 10, genommen, während auf der
                              									geraden Strecke breite Streckentragrollen, s. Fig.
                                 										11, angewendet werden. Die Form der Rollen sichert einen stoßlosen Durchgang des
                              									Seilgreifers.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 614
                              Fig. 10. Rechtwinklige Seilunterführung von Bleichert & Co.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 614
                              Fig. 11. Streckentragrolle von Bleichen & Co.
                              
                           Auch die Bedienung von Drehscheiben kann mit Ablenkrollen durchgeführt werden, indem
                              									das Kuppelseil über diese geführt und an das Zugseil angeschlagen wird (Fig. 12). Bei Unterführungen des Zugseiles muß der
                              									Greifer abgeschlagen werden, während das Fahrzeug sich vermöge seiner lebendigen
                              									Kraft über die Seilunterführung fortbewegt, um nachher wieder an das Förderseil
                              									angeschlossen zu werden, was durch die auf den Wagen mitfahrende Bedienung ohne
                              									Zeitverlust geschieht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 614
                              Fig. 12. Durch das Rangierseil betätigte Drehscheibe nach Bleichert &
                                 										Co.
                              
                           
                              (Schluß folgt.)