| Titel: | Untersuchungen über die Zementation von Stahl. | 
| Autor: | K. Arndt | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 729 | 
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                        Untersuchungen über die Zementation von
                           									Stahlsiehe D. P. J.S. 359 d.
                                 										Bd..
                        Von K. Arndt,
                           									Charlottenburg.
                        Untersuchungen über die Zementation von Stahl II.
                        
                     
                        
                           F. Giolitti hat in Gemeinschaft mit F. CarnevaliGazetta
                                          											chimica italiana, 38. Jahrgang, Teil II, S. 309. seine
                              									Untersuchungen über den Zementierungsvorgang fortgesetzt und zwar in der Richtung,
                              									daß er als Zementierungsmittel gasförmige Kohlenstoffverbindungen benutzte:
                              									Kohlenoxyd, Methan, Aethylen und Leuchtgas.
                           Das angewandte Eisen war sehr arm an Kohlenstoff: es enthielt 0,06 v.H. Kohlenstoff,
                              									0,17 Mangan, 0,01 Silizium, 0,04 Schwefel und 0,05 Phosphor. Die
                              									Versuchstemperaturen waren 800°, 900°, 1000° und 1100°; es wurde bei gewöhnlichem
                              									Drucke und bei Drucken unterhalb 1 Atm. gearbeitet.
                           Bei den 48 Zementierungsversuchen, die Giolitti und Carnevali durchführten, wurden jedesmal vier
                              									Eisenstäbchen obiger Zusammensetzung von 9–10 mm  und etwa 50 mm Länge
                              									hintereinander in ein innen glasiertes Porzellanrohr geschoben, das in einem
                              									elektrischen Platinwiderstandsofen (von W.C. Heraeus)
                              									erhitzt wurde. Die aus dem Ofen herausragenden Enden des Rohres waren mit
                              									Gummistopfen verschlossen; durch den einen Stopfen ging das Gaszuleitungsrohr, der
                              									andere Stopfen ließ das Gasableitungsrohr und das Le-Chatelier-Pyrometer hindurch. Das Gas wurde auf seinem Wege vom
                              									Gasbehälter zum Ofen durch Waschflaschen gereinigt und durch Trockentürme
                              									getrocknet.
                           Die chemische Reinheit von Kohlenoxyd, Aethylen und Methan wurde durch die Analyse
                              									geprüft. Das benutzte Leuchtgas hatte folgende (etwas schwankende) Zusammensetzung:
                              									Kohlensäure 1,6 v.H. des Volumens, schwere Kohlenwasserstoffe 3,4 v.H., Sauerstoff
                              									0,2, Kohlenoxyd 10,8, Wasserstoff 52,0, Methan 31,6, Stickstoff (Rest) 0,4.
                           Der Grad der Zementation wurde durch Analyse und durch mikroskopische
                              									Untersuchung festgestellt. Zum Anätzen der Schliffe diente eine 4prozentige Lösung
                              									von Salpetersäure in Amylalkohol.
                           Zunächst wurden 18 Versuche bei Temperaturen um 800° C durchgeführt. Tabelle 1 zeigt
                              									die Versuchsbedingungen, sowie die erzielten Ergebnisse. Die letzte Spalte teilt
                              									mit, welchen der beiden von Giolitti aufgestellten
                              									Zementationstypen – nachstehend an Versuch 1 u. 2 erläutert – der Querschnitt des
                              									Stahls zeigt.
                           Die Mikrophotograhie des Querschnittes zeigt bei den Stäbchen des Versuches No. 1
                              									(Zementierung mit Kohlenoxyd) nur eine sehr schwache
                              									oberflächliche Zementierung; die gekohlteIch
                                    											will „zementieren“ durch „kohlen,“
                                    											„Zone“ durch „Gürtel“ wiedergeben. Zone ist nicht
                              									über 0,1 mm breit; ihr Kohlenstoffgehalt ist selbst an der Außenseite sehr klein.
                              									Der Schliff zeigt bei 60facher Vergrößerung neben den grauen Perlitsäumen die weißen
                              									Inseln des FerritsFerrit ist
                                    											bekanntlich kohlenstoffreies α-Eisen. bis zum äußersten Rande;
                              									also enthält der gekohlte Gürtel selbst an der Oberfläche weniger Kohlenstoff als
                              									dem reinen Eutektikum (Perlit: 0,9 V.H. Kohlenstoff) entspricht. Eine Schätzung der
                              									von den beiden Gefügebestandteilen eingenommenen Flächen führt etwa zum Werte 0,6
                              									v.H. für den Kohlenstoffgehalt der unmittelbar an der Oberfläche liegenden
                              									Schichten. Der Kohlenstoffgehalt nimmt stetig von außen
                              									nach innen bis zur Grenze des gekohlten Gürtels ab.
                           Ganz anders wie Kohlenoxyd wirkte Kohle beim Versuch No.
                              									2. Es wurde grobes Holzkohlenpulver
                           
                           Tabelle 1.
                           
                              
                                 No.
                                 KohlendeSubstanz
                                 Temp.etwa
                                 Druck
                                 Dauer inStunden
                                 Gasmengein Liter
                                 Ausschei-dung vonKohle
                                 Dicke derzement-tiertenSchicht
                                 Typus
                                 
                              
                                   1
                                 Kohlenoxyd
                                 810
                                 Atm.
                                 6
                                 10
                                 nicht
                                 sehrklein
                                 I
                                 
                              
                                   2
                                 Holzkohle
                                 820
                                 „
                                 7
                                 –
                                 –
                                 ?
                                 II
                                 
                              
                                   3
                                 Holzkohle undKohlenoxyd
                                 810
                                 „
                                 6
                                   6
                                 –
                                 0,25 mm
                                 II
                                 
                              
                                   4
                                 Holzkohle
                                 760
                                 „
                                 6
                                 –
                                 –
                                 0
                                 
                                 
                              
                                   5
                                 Kohlenoxyd
                                 760
                                 „
                                 7
                                 10
                                 nicht
                                 0,05
                                 I
                                 
                              
                                   6
                                 „
                                 „
                                 657 mm
                                 7
                                 10
                                 „
                                 0
                                 
                                 
                              
                                   7
                                 „
                                 770
                                 568
                                 7
                                 10
                                 „
                                 0
                                 
                                 
                              
                                   8
                                 „
                                 „
                                 450
                                 6
                                 10
                                 „
                                 0
                                 
                                 
                              
                                   9
                                 Kohlenoxydu. Holzkohle
                                 780
                                 548
                                 7
                                 ?
                                 –
                                 fast 0
                                 
                                 
                              
                                 10
                                 Kohlenoxyd
                                 „
                                 Atm.
                                 7
                                 10
                                 nicht
                                 0,2
                                 I
                                 
                              
                                 11
                                 Aethylen
                                 „
                                 „
                                 6
                                 10
                                 reichlich
                                 0,3
                                 II
                                 
                              
                                 12
                                 „
                                 „
                                 454
                                 7
                                   7
                                 nicht
                                 fast 0
                                 I
                                 
                              
                                 13
                                 „
                                 „
                                 „
                                 7
                                 12
                                 „
                                 „
                                 I
                                 
                              
                                 14
                                 Methan
                                 „
                                 Atm.
                                 6
                                   8
                                 spärlich
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 15
                                 „
                                 „
                                 453
                                 8
                                   8
                                 fast 0
                                 0
                                 
                                 
                              
                                 16
                                 Leuchtgas
                                 „
                                 Atm.
                                 7
                                 15
                                 mäßig
                                 fast 0
                                 
                                 
                              
                                 17
                                 „
                                 „
                                 613
                                 7
                                 15
                                 gering
                                 „
                                 
                                 
                              
                                 18
                                 „
                                 „
                                 463
                                 7
                                 15
                                 nicht
                                 0
                                 
                                 
                              
                           benutzt, das durch Behandeln mit Salzsäure fast ganz von Asche
                              									befreit war. Wie aus der Tabelle 1 zu ersehen, waren alle
                              									übrigen Versuchsbedingungen denen von No. 1 fast gleich. Auch hier war die Kohlung
                              									nur schwachDie im Kohlenpulver
                                    											liegenden Stäbchen waren nicht auf der ganzen Oberfläche, sondern nur in den
                                    											Mantelstreifen gekohlt, wo die Berührung zwischen Kohlenpulver and
                                    											Eisenzylinder inniger war, unten, wo die Berührung durch das Gewicht des
                                    											Zylinders bewirkt wurde, und oben, wo die Kohle durch ihr eignes Gewicht
                                    											sich anpreßte. Daraus geht hervor, daß die Zementierung nicht etwa
                                    											ausschließlich durch kohlenstoffhaltige Gase, sondern, wo diese Gase fehlen,
                                    											durch direkte Lösung von festem Kohlenstoff in γ-Eisen bewirkt
                                    										wird. und die gesamte Breite der gekohlten Zone nicht größer wie bei
                              									No. 1, aber das Gefügebild zeigte einen Unterschied im Kohlenstoffgehalt und besonders in der Verteilung des Kohlenstoffs auf die verschiedenen konzentrischen
                              									Schichten: An der Oberfläche erreicht und überschreitet der Kohlenstoffgehalt den
                              									eutektischen Wert 0,9 v.H., nach der Mitte zu nimmt der Gehalt erst schnell, dann
                              									langsam ab. Giolitti bezeichnet diese mit festem
                              									Kohlenstoff erhaltene Zementationsform als Typus II,
                              									während er die mit Kohlenoxyd erhaltene Form, bei welcher der Kohlenstoffgehalt an
                              									der Oberfläche bedeutend unter 0,9 v.H. liegt und gleichmäßig nach innen abnimmt, Typus I
                              									nennt.
                           Den zweiten Typus erhält man immer, wenn man als Zement
                                 										(Kohlungsmittel) eine Substanz benutzt, die festen Kohlenstoff enthält oder
                                 										unter den Versuchsbedingungen Kohle abscheidet, wie dies viele
                                 										Kohlenwasserstoffe tun, die man in der Technik zum Kohlen anwendet.
                           Im dritten Versuche wurde das Porzellanrohr mit Holzkohlenpulver beschickt und
                              									Kohlenoxyd durchgeleitet. Die gekohlte Zone war etwa 0,25 mm dick und
                           Tabelle 2.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 730
                              No.; Kohlende Gasart; Temp.; Druck;
                                 										Dauer in Std.; Gasmenge; Ausscheidung von Kohle; Typus; Dicke der gekohlten
                                 										Schicht in mm; übereutektisch; eutektisch; untereutektisch; gesamt; v.H. C an
                                 										der Oberfläche; Aethylen; Atm.; sehr reichlich; v.H.; weniger reichlich;
                                 										Kohlenoxyd; nicht; Methan; reichlich; Leuchtgas; Spur pulver. Kohle; noch
                                 										schwächer wie 26; mäßig; schwach; sehr schwach; fast; dichtermetallgl.
                                 										Niederschl.; sehr leichter Beschlag; Der ganze Querschnitt gekohlt
                              
                           
                           gleichmäßig am ganzen Umfang- des Zylinders; sie gehört dem zweiten Typus
                              									an.
                           Im vierten Versuche wurde kein Kohlenoxyd übergeleitet,
                              									aber Kohlenpulver genommen, das vorher in einem Kohlenoxydstrom auf 800° erhitzt und
                              									in diesem Gasstrom erkaltet war. Auf der Oberfläche der Stahlzylinder schlugen sich
                              									glänzende hexagonale Blättchen (vielleicht Graphit) nieder. Die Temperatur betrug
                              									nur 760°. Das Gefüge zeigt keine Spur von Perlit, nicht einmal am äußersten Rande;
                              									der ganze Querschnitt besteht aus reinem Ferrit. Es zeigt noch eine Besonderheit
                              									aller Stahlzylinder, die der beschriebenen Behandlung unterworfen wurden: Die äußere
                              									0,9 mm dicke Schicht des Zylinders besteht aus sehr großen Ferritkörnern; geht man
                              									weiter zur Mitte, so haben dann ohne Uebergang die Ferritkörner wieder ihre
                              									gewöhnlichen Maße.
                           Die Versuche 5–18 geben zu keinen besonderen Bemerkungen Anlaß. In Tabelle 2 sind für
                              									die Versuche 19–48 außer Gasart, Temperatur, Druck in mm Quecksilber, Zeit, Gasmenge
                              									und Auskunft über Kohlenabscheidung und Angabe des Typus noch die Dicken der drei charakteristischen Schichten des Typus
                              									II, erstlich der Schicht mit mehr als 0,9 v.H. Kohlenstoff, (übereutektischen
                              									Schicht), zweitens der eutektischen Schicht und drittens der untereutektischen
                              									Schicht mit weniger als 0,9 v.H. Kohlenstoff, sowie die Gesamtdicke des gekohlten
                              									Gürtels angegeben; die letzte Spalte nennt den Kohlenstoffgehalt an der
                              									Oberfläche.
                           Bei Versuch 28, 40 und 45 wurden von den zementierten Stäben auf der Drehbank
                              									konzentrische Schichten abgeschnitten und jede für sich analysiert. Tabelle 3 und
                              										Fig. 1 geben Auskunft über die so ermittelte
                              									Aenderung des Kohlenstoffgehaltes mit der Tiefe.
                           Tabelle 3.
                           
                              
                                 Tiefe inmm
                                 Kohlenstoffgehalt
                                 
                              
                                 No. 28
                                 40
                                 45
                                 
                              
                                 0,25
                                 1,30
                                 1,28
                                 
                                 
                              
                                 0,75
                                 0,86
                                 1,30
                                 0,27
                                 
                              
                                 1,25
                                 0,52
                                 1,02
                                 
                                 
                              
                                 1,50
                                 
                                 
                                 0,21
                                 
                              
                                 1,75
                                 0,26
                                 0,82
                                 
                                 
                              
                                 2,25
                                 0,08
                                 0,58
                                 
                                 
                              
                                 2,75
                                 
                                 0,21
                                 
                                 
                              
                                    3
                                 
                                 
                                 0,11
                                 
                              
                           Beim letzten Versuche (48) war der 10 mm dicke Stahlzylinder durch und durch
                              									zementiert; an der Oberfläche waren 1,5 v.H., in der Mitte 1,3 v.H. Kohlenstoff.
                           Aus der mikroskopischen Untersuchung der Schliffe hebt Giolitti folgendes hervor. Bei No. 19 (Aetylen bei 900°) besteht die
                              									äußere, etwa 0,3 mm dicke, übereutektische Schicht aus Perlit, der von feinen
                              									Zementitfäden durchquert wird; es folgt die aus reinem Perlit mit 0,85 v.H.
                              									Kohlenstoff bestehende eutektische Schicht und dann die untereutektische Schicht, in
                              									welcher der Kohlenstoffgehalt rasch abnimmt.
                           Während No. 19 ein vorzügliches Beispiel für Typus II bietet, gehört No. 22
                              									(Kohlenoxyd bei 900°) dem Typus I an; schon an der Oberfläche ist der Gehalt kleiner
                              									als 0,6 v.H.
                           Beim Versuche No. 26 (Leuchtgas bei 900°) zeigt das Gefüge
                              									eine Mittelform zwischen Typus I und IL Die Aehnlichkeit mit I besteht darin, daß
                              									die Oberflächenschicht weniger als den eutektischen Kohlenstoffgehalt (0,9 v.H.)
                              									aufweist; die hellen Ferritfelder werden nach dem Rande zu allmählich im Verhältnis
                              									zu den Perlitinseln kleiner, erreichen aber überall den Rand. Anderseit besteht
                              									die Aehnlichkeit mit Typus II darin, daß der Kohlenstoffgehalt nach der Mitte zu
                              									nicht gleichmäßig, sondern zuerst rasch, dann langsamer abnimmt.
                           In seinen allgemeinen Erörterungen bespricht Giolitti
                              									zuerst den Widerspruch, daß unterhalb 780° sehr kohlenstoffarmes Eisen nicht
                              									imstande ist, Kohlenstoff zu lösen, daß also unterhalb 780° keine Zementierung
                              									möglich ist, während doch tatsächlich schon bei 760° No. 5) eine Kohlung des Eisens
                              									festgestellt wurde. Er sucht diesen Widerspruch zu lösen, indem er das umkehrbare
                              									Gleichgewicht
                           2CO ⇄ C +
                                 										CO,
                           berücksichtigtBeim Zerfall
                                    											von Kohlenoxyd in Kohle und Kohlendioxyd wird Wärme frei; folglich wird
                                    											diese Umsetzung mit steigender Temperatur zu ungunsten der Kohle und des
                                    											Kohlendioxyds verschoben. Nach Boudouard sind
                                    											bei 500 95 v.H. CO2 mit 5 v.H. CO über Kohle im
                                    											Gleichgewicht, bei 800 nur 10 v.H. CO2 mit 90 v.H. CO..
                           Kohlenoxyd diffundiert leicht in Eisen oberhalb 500°. Da nun ein den
                              									Versuchsbedingungen entsprechender Teil des Kohlenoxydes in Kohlendioxyd und Kohle
                              									zerfällt, ein Zerfall, der durch die Gegenwart von Eisen beschleunigt wird, so
                              									scheidet sich im Innern der Metallmasse freier Kohlenstoff ab und das Eisen ist
                              									gekohlt, ohne daß sich Kohlenstoff im Eisen unterhalb 780° gelöst hat. Es handelt
                              									sich also um keine wahre Zementation, wenn man darunter die Lösung von Kohlenstoff
                              									in β- und in γ-Eisen versteht.
                           Die wahre Zementation beginnt bei 780°, eine Temperatur, welche für einen Stahl der
                              									von Giolitti benutzten Zusammensetzung dem Auftreten
                              									von β- Eisen entspricht, das im Gegensatz zu α-Eisen Kohlenstoff löst.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 324, S. 731
                              Fig. 1.
                              
                           Schon zwischen 780° und 810° tritt der Unterschied zwischen Typus I und II auf; er
                              									wird noch viel schärfer bei höheren Temperaturen. Immer, wenn kohlenstoffarmes Eisen
                              									zwischen 800° und 1100° mit einem Kohlenwasserstoff (Aethylen, Methan usw.) gekohlt
                              									wird, so wird gemäß Typus II der gekohlte Gürtel gebildet erstens von einer äußeren
                              									Schicht übereutektischen Stahles, die um so dicker ist, je höher erhitzt wurde und
                              									je länger das Gas einwirkte – sie enthält 1 – 1,4 v.H. Kohlenstoff –; unter dieser
                              									Schicht folgt eine zweite, deren Dicke 0,5 mm nicht überschreitet, mit dem
                              									Kohlenstoffgehalt des Eutektikums 0,85 v.H. Schließlich ist die dritte Schicht,
                              									deren Dicke sehr von der Art des Zements abhängt, durch einen Kohlenstoffgehalt
                              									gekennzeichnet, der rasch nach innen zu abnimmt.
                           Wenn man dagegen ein kohlenstoffarmes Eisen zwischen 900° und 1100° mit reinem
                              									Kohlenoxyd zementiert, so erhält man gemäß Typus I einen ziemlich gleichmäßig
                              									gekohlten Gürtel, in welchem der Kohlenstoffgehalt gleichmäßig zwischen ziemlich
                              									engen Grenzen von außen nach innen abnimmt.
                           
                           Der Kohlenstoffgehalt des gekohlten Gürtels Typus I hängt in erster Linie von
                              									der Temperatur, dann vom Druck und von der Geschwindigkeit des Gasstromes ab. Je
                              									kleiner der Gasdruck, um so geringer unter sonst gleichen Umständen der
                              									Kohlenstoffgehalt. Je größer die Kohlenoxydmenge ist, die mit der Einheit der
                              									Oberfläche des Stahls in Berührung kommt, um so größer wird der Kohlenstoffgehalt.
                              									Dies geht aus dem Vergleich des Versuches 38 mit 44 und 45 hervor; bei allen dreien
                              									betrug die Eisenoberfläche 60c2.
                           Wenn Kohlenoxyd oberhalb 850° wirkt, so bleibt die Oberfläche des Stahls vollkommen
                              									hell und blank; also löst sich der Kohlenstoff, der bei dem Zerfall des Kohlenoxyds
                              									frei wird, vollständig im γ-Eisen, mit dem er in Berührung kommt, d.h. unter den
                              									Versuchsbedingungen ist die Geschwindigkeit, mit der Kohlenstoff frei wird, kleiner
                              									als die Geschwindigkeit, mit der sich derselbe Kohlenstoff im γ-Eisen als Austenit
                              									und Martensit (je nach der Temperatur) löst.
                           Unter dieser Voraussetzung tritt bei den Versuchsbedingungen in dem umkehrbaren
                              									Gleichgewicht
                           2CO ⇆ CO2 + C
                           eine neue Veränderliche auf: Die Konzentration des in y-Eisen
                              									gelösten Kohlenstoffes. Jede Zunahme im Kohlenstoffgehalt dieser festen Lösung
                              									verschiebt das obige Gleichgewicht von rechts nach linksDiese Annahme ist nach meiner Ansicht nicht
                                    											ohne weiteres zulässig. Das Gleichgewicht stellt sich zwischen den 3
                                    											Bestandteilen (CO, CO2, C) im Gasraum her; da aber nach
                                    											dem Verteilungssatz die Konzentration des vergasten Kohlenstoffes mit dem
                                    											Kohlenstoffgehalt der festen Lösung, die mit dem Gasgemisch in Berührung
                                    											stellt, zunimmt, so kann man jene Annahme von Giolitti zulassen, vorausgesetzt, das sich das Gleichgewicht
                                    											zwischen fester Lösund und Gas nicht zu langsam herstellt..
                           Am Beispiel des Versuches No. 30 verfolgt Giolitti diese
                              									Betrachtung weiter. Die gesamte Oberfläche des Stahls war 60c2; da in 5 Stunden 7 l Kohlenoxyd
                              									übergeleitet wurden, so war die Geschwindigkeit, mit der das Gas für jeden c2 der Oberfläche
                              									erneuert wurde, 23,3c3 in der Stunde. Nun erfordert im System CO-CO2-C bei
                              									1000° das Gleichgewicht 0,7 v.H. Kohlendioxyd, damit freier Kohlenstoff sich
                              									abscheiden kann.
                           Auf Grund dieser Daten würde sich für die 2 mm dicke gekohlte Schicht ein mittlerer
                              									Gehalt von 0,03 v.H. Kohlenstoff berechnen, während tatsächlich viel mehr gefunden
                              									wurde (0.35 v.H. in der äußersten Schicht und 0,2 v.H. im Mittel). Daraus folgert
                              										Giolitti, daß der sich abscheidende Kohlenstoff,
                              									indem er sich im Eisen löst, sich derart verhält, als wenn er in einem Zustande
                              									größerer Verdünnung wäre, so daß das obige Gleichgewicht sich stärker nach rechts
                              									verschiebt und sich mehr Kohlendioxyd und freier Kohlenstoff bildet. Dieser
                              									Kohlenstoff löst sich im γ-Eisen bis zu der Konzentration, die mit dem Gase im
                              									Gleichgewicht ist. Das neue Kohlenoxyd, das an den Stahl herantritt, wird dieselbe
                              									Zersetzung erleiden, aber in geringerem Grade und deshalb weniger Kohlenstoff an den
                              									Stahl abgeben. So geht die Kohlung weiter und der Kohlenstoffgehalt der äußeren
                              									Schicht nimmt rasch zu. Nach dem kohlenstoffarmen Innern wandert der von außen
                              									aufgenommene Kohlenstoff infolge des Konzentrationsgefälles. Damit ist aber Typus 1
                              									noch nicht ganz erklärt. Bei den mit Kohlenoxyd zementierten Stählen fällt der
                              									Kohlenstoffgehalt von außen nach innen so schwach, daß entschieden bei der Diffusion
                              									noch eine andere Ursache mitwirken muß. Diese Ursache ist das Eindringen von Kohlenoxyd in die Stahlmasse. Wenn das Gemisch von
                              									Kohlenoxyd und Kohlendioxyd, das sich bei einer gegebenen Temperatur mit dem
                              									Kohlenstoffgehalte der Oberflächenschicht des Stahls im Gleichgewicht befindet,
                              									in die tieferen Schichten eintritt, die weniger Kohlenstoff enthalten, so gibt es an
                              									deren γ-Eisen etwas Kohlenstoff ab; durch diese Abgabe wird das Gleichgewicht
                              									verschoben und eine Zunahme des Kohlendioxyds hervorgerufen, welches seinerseits
                              									einen Teil des Kohlenstoffes oxydiert, der mit höherer Konzentration in den äußeren
                              									Schichten enthalten ist usw. Auf diese Weise gleicht das ins Eisen eindringende
                              									Kohlenoxyd die Unterschiede im Kohlenstoffgehalt einigermaßen aus.
                           Alle Ursachen, welche das Gleichgewicht der Umsetzung
                           2CO ⇆ CO2
                              									+ C
                           nach rechts verschieben, erhöhen auch den Kohlenstoffgehalt
                              									des Eisens entsprechend den Gleichgewichtsbedingungen. Deshalb begünstigt auch
                              									Erhöhung des GasdruckesAlle Umsetzungen,
                                    											die mit Volumenverringerung verbunden sind, werden durch Druckerhöhung
                                    											begünstigt. die Zementation. Temperaturerhöhung dagegen
                              									verschiebt das Gleichgewicht von links nach rechtsWeil die umkehrbare Reaktion CO2 + C = 2CO Wärme
                                    											bindet.; deshalb wird bei höherer Hitze eine geringere
                              									Kohlenstoffkonzentration im Stahl erreicht (vgl. No. 22 mit 30 und 38).
                           Die Geschwindigkeit und die Tiefe der Kohlung wächst
                              									natürlich stets wegen der erhöhten Diffusionsgeschwindigkeit mit steigender
                              									Temperatur.
                           Beim Kohlen mit Aethylen und Methan, Substanzen, welche Kohle abscheiden (Typus II),
                              									nimmt im Gegensatz zu Typus I (Kohlenoxyd) der Kohlenstoffgehalt nicht mit
                              									steigender Temperatur zu, sondern bleibt ungefähr gleich; auch die drei
                              									charakteristischen Schichten bleiben bestehen.
                           Der Einfluß des Druckes tritt bei Aethylen und Methan
                              									weniger deutlich hervor, wie bei Kohlenoxyd; unterhalb 1000° wächst im allgemeinen
                              									mit zunehmendem Druck die Tiefe der gekohlten Schicht.
                           Das mit Leuchtgas eine zwischen den beiden Typen liegende Kohlung erhalten wird,
                              									leuchtet in Rücksicht auf die Zusammensetzung des Leuchtgases ein. Das Kohlenoxyd,
                              									das zu 10–12 v.H. im Leuchtgas enthalten ist, wirkt wie ein reines Kohlenoxyd unter
                              									vermindertem Druck; aber seine kohlende Kraft wird durch die Gegenwart der
                              									Kohlenwasserstoffe (etwa 35 v.H. insgesamt) erhöht.
                           In der Technik kohlt man weder mit reinem Kohlenstoff noch mit reinem Kohlenoxyd;
                              									daher werden die beiden Vorgänge, der Eintritt der karburierenden Gase in die
                              									Metallmasse und die Auflösung von festem Kohlenstoff in γ-Eisen, gleichzeitig
                              									verlaufen und ihre Wirkungen gegenseitig vermehren.
                           Diese Beobachtungen über das besondere Verhalten des Kohlenoxyds als Zement haben Giolitti schon zu verschiedenen praktischen Anwendungen
                              									geführt. Bei den Kohlungen, die nach den in der Technik üblichen Verfahren
                              									ausgeführten werden, bildet die äußere hoch gekohlte Schicht wegen ihrer Brüchigkeit
                              									einen schweren Uebelstand, zumal bei gewissen Spezialstählen, z.B. Chromstahl. Man
                              									kann diesen Uebelstand vermeiden, indem man die Temperatur, den Gasdruck des
                              									Kohlenoxyd und die Geschwindigkeit, mit der man das Gas die Zementierungskammern
                              									durchstreichen läßt, passend regelt; dann erhält man den gewünschten
                              									Kohlenstoffgehalt. Wenn man gekohlte Schichten mit etwas höherem Kohlenstoffgehalt
                              									bekommen will, so ist es, wie eine Versuchsreihe in großem Maßstabe ergeben hat,
                              									günstig, dem Kohlenoxyd wechselnde (im allgemeinen kleine) Mengen von
                              									Kohlenwasserstoffen beizumengen.