| Titel: | Zuschrift an die Redaktion. | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 764 | 
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                        Zuschrift an die Redaktion.
                        (Ohne Verantwortlichkeit der
                           								Redaktion.)
                        [Zuschrift an die Redaktion.]
                        
                     
                        
                           Die Betriebssicherheit der Heißdampf-Lokomotive, Bauart Schmidt.
                           
                              
                              Geehrte Redaktion!
                              
                           Indem ich von der freundlichst bewilligten Gelegenheit zu nochmaliger Entgegnung auf
                              									die Ausführungen von Herrn Osthoff in Heft 39, S. 621
                              									mit dem Ausdrucke meines verbindlichen Dankes Gebrauch mache, beschränke ich mich
                              									auf folgendes:
                           Bei dem Neubau von Heißdampflokomotiven für die Preußische Staatseisenbahn Verwaltung
                              									werden jetzt nur die Zylinder etwas kleiner und die Rahmen etwas stärker ausgeführt,
                              									der Schmidtsche Ueberhitzer wird dagegen unverändert
                              									beibehalten. Die von Herrn O. erwähnten, vom kgl.
                              									Eisenbahn-Zentralamt vorgeschriebenen Verstärkungen würden auch gegen Wasserschläge
                              									nicht helfen, wohl aber gegen die statischen Beanspruchungen der hinteren
                              									Zylinderdeckel durch den starken Kreuzkopfdruck infolge Federns der Rahmen. Warum
                              									brechen denn die vorderen Zylinderdeckel nicht, wenn es sich wirklich um
                              									Wasserschläge handelt?
                           Die schnell und stetig wachsende Zahl der Heißdampflokomotiven mit Kolbenschiebern
                              									und die Anwendung der Kolbenschieber bei mehr als der Hälfte aller in den
                              									Vereinigten Staaten von Nordamerika in letzter Zeit überhaupt beschafften
                              									Lokomotiven spricht am besten für deren allerorts anerkannte Ungefährlichkeit.
                           Die zahlreichen Brüche an Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung gibt Herr O. selbst zu.
                              									Ueber die Ursachen kann man ja dann doch noch verschiedener Ansicht sein. Warum haben denn die Lentz-Ventile nicht gehalten? und warum war die Härtung der Stangen
                              									und Rollen nicht „sachgemäß“, da doch die
                              									Ausführung den besten Händen anvertraut war und reichliche Erfahrungen an ortsfesten
                              									Maschinen vorlagen? Der wirkliche Grund ist doch nur der, daß die Beanspruchungen
                              									der Ventile sich im Betriebe der Lokomotiven als weit stärker erwiesen als
                              									theoretisch errechnet worden. Es sind, was Herr O. nicht erwähnt, an Maschinen mit Lentz-Ventilsteuerung auch wiederholt Brüche der Ventilkasten vorgekommen, die doch wohl nicht auch
                              									versehentlich aus Weichguß hergestellt waren.
                           Im übrigen hat die Lentz-Ventilsteuerung für Lokomotiven
                              									weder in bezug auf Dampfverbrauch noch sonst wie Vorteile ergeben, welche den
                              									erheblichen Mehraufwand an Beschaffungs- und Unterhaltungskosten für die
                              									vielgliedrige Lentzsche Steuerung rechtfertigen
                              									könnten.
                           Zu 2. Die Meinungsverschiedenheiten drehten sich von Anfang an vorwiegend um die
                              									Betriebssicherheit. Alles andere kommt erst in zweiter Linie in Betracht. Die
                              										„Dampflässigkeit“ gut gearbeiteter Kolbenschieber
                                 										mit federnden Ringen ist nach meiner
                              									persönlichen Wahrnehmung und eingehenden Untersuchungen an der zweiten
                              									Heißdampflokomotive in Cassel im Jahre 1900, nicht erheblich größer als die eines
                              									gut unterhaltenen Flachschiebers.
                           Zu 3. Die Preußische Staatseisenbahnverwaltung besaß am 1. April d.J. erst 1540
                              									Heißdampflokomotiven im Betrieb. Bei der von Herrn O.
                              									angegebenen Zahl von 2000 Heißdampflokomotiven sind die laufenden Bestellungen für
                              									1909 mitgerechnet. Federnde Schieberringe sind seitens
                              									derselben Verwaltung schon im Jahre 1900 an einigen Heißdampflokomotiven verwendet
                              									worden und neuerdings wieder seit Mai d.J. Zwischen federnden und nichtfedernden Dichtungsringen
                              									ist eben der große Unterschied, daß die ersteren bei Wasserschlägen nachgeben können
                              									und dabei eine ringförmige Oeffnung zu beiden Seiten des Kanals freigeben,
                              									wohingegen starre Ringe nicht nachgeben können.
                           Eigentliche Wassersäcke können in dem Rauchröhrenüberhitzer kaum entstehen, sonst wären die Dampfsammelkästen
                              									leicht seitlich anzuordnen und zu Wasserabscheidern auszubilden. Bei dem Rauchkammerüberhitzer ließe sich der Gefahr eines
                              									Wasserschlages, wenn sie bei der Beobachtung der gewöhnlichsten Vorsichtsmaßregeln
                              									wirklich noch erheblich wäre, durch einen guten Wasserabscheider im Dom des Kessels,
                              									wie bei Naßdampflokomotiven, vorbeugen. Richtig bemessene Zylindersicherheitsventile
                              									genügen indessen erfahrungsgemäß auch schon.
                           Es ist eben ein großer und höchst bedauerlicher Fehler, aus allen möglichen anderen Ursachen erfolgende Brüche den Kolbenschiebern zur
                              									Last zu schreiben, während die letzteren nur in den seltensten Fällen die Schuld
                              									daran tragen.
                           Zu 4. Es handelte sich nicht darum, die unbestrittene Ungefährlichkeit der Flachschieber nachzuweisen, sondern für Herrn O. darum, die Gefährlichkeit der Kolbenschieber und für
                              									mich, die Unzulänglichkeit der Lentz-Ventile gegen
                              									Wasserschläge zu begründen.
                           Gerade in den ersten Jahren der Heißdampflokomotiven sind, trotz der Kolbenschieber,
                              									keine Brüche vorgekommen. Die jetzige Brauchbarkeit und Betriebssicherheit der Lentzschen Steuerung für Lokomotiven muß dagegen noch
                              									bewiesen werden.
                           Zu 5. Für einfache Besetzung der Lokomotiven habe ich gar
                              									nicht gesprochen, vielmehr habe ich starres Festhalten hieran stets als
                              									Kapitalvergeudung betrachtet. Gegen doppelte Besetzung
                              									habe ich nicht das mindeste einzuwenden. Durch Hervorheben von mehrfach mittels Sperrdrucks glaubte ich die Möglichkeit eines
                              									Mißverständnisses ausgeschlossen zu haben. Die von Herrn O. angeführten, auf mangelhafter Schulung und Sachkenntnis des Personals
                              									beruhenden Uebelstände können indessen nur bei einer dem längst historisch
                              									gewordenen, selbst in Amerika aufgegebenen, first in first out nahekommenden mehrfachen Besetzung der Lokomotiven entstehen, wie von
                              									mir früher ausdrücklich hervorgehoben ist. Der Vorwurf nicht hinreichend
                              										„modern“ zu sein, trifft mich deshalb nicht.
                           Zu 6. Es war überhaupt nur von Wasserschlag die Rede. Die von Herrn O. zugegebene sehr ungünstige Vergangenheit der Lentz-Ventilsteuerung ist sicher noch kein Beweis für
                              									ihre jetzige Zuverlässigkeit. Im übrigen besitzt die Preußische
                              									Staatseisenbahnverwaltung nur 13 Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung, darunter 12 Heißdampflokomotiven. Die von Herrn O. angegebene Zahl 40 wäre also noch zu begründen.
                           Zu 7. Meine Theorie ist nicht widerlegt. Ein vollständig dichtes Lentzsches Auslaßventil einer Lokomotive kann sich
                              									unter der Wirkung eines von dem Dampfzylinder herkommenden Druckes von 12 Atm. gar nicht öffnen und kann deshalb
                                 										auch nicht als Sicherheitsventil wirken. Wohl aber läßt sich die hierzu
                              									erforderliche kleine Undichtheit bei einem Versuch leicht durch Drehen der Spindel
                              									herstellen.
                           Der Durchmesser der feinen Bohrungen in den federnden Ringen der Schmidtschen Kolbenschieber ist nicht theoretisch,
                              									sondern rein empirisch so bestimmt, daß die Ringe nicht
                              									zusammengedrückt werden, wenn der darauf von außen wirkende Druck, ob groß oder
                              									klein, Zeit hat sich durch die feinen Bohrungen nach der Innenseite der Ringe
                              									fortzupflanzen. Nur bei plötzlich auftretendem äußeren Druck, wie bei einem
                              									Wasserschlage, wenn die Zeit zum Druckausgleich nicht reicht, klappen die Ringe
                              									zusammen.
                           Die geringere Beweglichkeit des Wassers gegenüber dem Dampf, namentlich gegenüber dem
                              									überhitzten Dampf, spielt dabei auch eine Rolle. Indessen ist schon bei sehr
                              									schnellem Oeffnen des Reglers das Geräusch der zusammenklappenden Ringe deutlich
                              									wahrzunehmen.
                           Zu 8. Um so auffallender sind die früheren Angaben von Herrn O., die doch nicht mißverständlich waren. Wenn das Wasser rechtzeitig aus
                              									dem Dampfzylinder entfernt wird, so kommt sicher kein Wasserschlag zustande. Deshalb
                              									sind die „Vorgänge vor dem (dann ausbleibenden) Wasserschlage“ sehr wichtig.
                           –––––
                           Im übrigen bin ich der Ansicht, daß das sachliche Interesse an der Erörterung jetzt
                              									so ziemlich erschöpft ist. Zur Klarstellung der tatsächlichen Verhältnisse ist
                              									vieles erreicht. Was an Meinungsverschiedenheiten übrig bleibt, beruht auf
                              									persönlicher Ansicht, und da ich auf absehbare Zeit voraussichtlich keine
                              									Gelegenheit mehr hätte auf etwaige, durch meine Ausführungen veranlaßte neue
                              									Behauptungen Herrn O. ausführlich zu antworten, so
                              									sollen nur noch zum Schlusse die nicht unwesentlichen Punkte hervorgehoben werden,
                              									in denen Herr O. mit mir völlig einverstanden ist.
                           Das ist: 1. die unzweifelhafte Ueberlegenheit des stark überhitzten Dampfes über den
                              									gesättigten, auch für Lokomotivbetrieb;
                           2. das Nichtvorhandensein einer Gefahr für die Bildung von Oelkrusten und dadurch
                              									veranlaßte allmähliche Verkleinerung des schädlichen Raumes in den Schieberbüchsen
                              									und den Dampfzylindern;
                           3. das bisherige, durch die Ventilsteuerung selbst veranlaßte, häufige Vorkommen von
                              									Brüchen und sonstigen Betriebsstörungen an Lokomotiven mit Lentz-Ventilsteuerung.
                           C. Guillery, Kgl. Baurat.
                           –––––
                           Mit Herrn Guillery bin ich völlig derselben Meinung, daß
                              									das sachliche Interesse an der Erörterung schon lange erschöpft ist. Hierzu kommt
                              									noch, daß Herr G. mehrfach hier nicht hergehörende
                              									Sachen in die Erörterungen hineingezogen hat, was zur Klärung der Frage bzgl. der
                              									Wasserschläge beizutragen nicht geeignet war.
                           Bevor ich auf die einzelnen Punkte der Zuschrift eingehe, möchte ich bzgl. der von
                              									Herrn G. angeführten Mitteilungen der fremden
                              									Bahnverwaltungen folgendes vorweg bemerken. Nach Herrn G's eigenen Angaben im „Archiv für Eisenbahnwesen,“ Jahrgang 1909,
                              									Heft 5, Seite 1130, betrug die Anzahl der im Betriebe jener fremden Verwaltungen
                              									befindlichen Heißdampflokomotiven, welche also die Unterlagen für die Mitteilungen
                              									abgegeben haben, im April 1909 für die Belgischen Staatsbahnen: 235 (193),
                              									Bayrischen Staatsbahnen: 104 (22), Sächsischen Staatsbahnen: 88 (24), Schwedischen
                              									Staatsbahnen: 61 (49), Italienischen Staatsbahnen: 48 (119), Schweizerischen
                              									Bundesbahnen: 44 (45), Bosnisch-Herzegowinischen Staatsbahnen: 20 (0),
                              									Württembergischen Staatsbahnen: 17 (20), Holländische Eisenbahn-Gesellschaft: 14
                              									(10), Nord-Mailänder Eisenbahn: 13 (3), Rhätische Bahn: 8 (3) und für die
                              									Französische Südbahn (Midi): 7 (30). Die eingeklammerten Zahlen stellen die
                              									Neubeschaffungen für 1909/10 dar. Bezüglich der Böhmischen Nordbahn und der
                              									Außig-Teplitzer Bahn enthält der Aufsatz keine Zahlenangaben. Es wird dort die
                              									Anzahl der Heißdampflokomotiven also wohl geringer sein als 7 Stück. Vergleichen wir
                              									die Gesamtzahl der Heißdampflokomotiven bei den von Herrn G. angeführten fremden Bahnen mit den im April 1909 vorhandenen 1551 (450)
                              									Heißdampflokomotiven der Preußischen Staatsbahnen, so ergibt sich, daß letztere im
                              									April 1909 rund dreimal soviel Heißdampflokomotiven wie jene fremden Bahnen zusammen
                              									besaßen. Hierzu kommt noch, daß die Preußischen Staatseisenbahnen die
                              									Heißdampflokomotiven viel eher eingeführt haben und diese Lokomotiven hier nicht als
                              									Mustermaschinen mit besonderer Aufmerksamkeit behandelt werden wie etwa bei den
                              									fremden Bahnen mit nur einzelnen Heißdampflokomotiven. (Eine einzige preußische
                              									Betriebswerkstätte, z.B. Osnabrück besaß im April 1909 mehr Heißdampflokomotiven wie
                              									z.B. die Bayrischen Staatsbahnen!) Entsprechend diesen Zahlen und Verhältnissen ist
                              									der Wert der Mitteilungen der fremden Bahnverwaltungen im Vergleich etwa zu den auf
                              									Seite 553 angeführten Mitteilungen des Preußischen Eisenbahnzentralamtes
                              									einzuschätzen.
                           Inzwischen ist mir von den Belgischen Staatsbahnen, welche nächst den Preußischen die
                              									größte Anzahl Heißdampflokomotiven besitzen, auf meine Anfrage die dankenswerte
                              									Mitteilung zugegangen, daß bei Verwendung von Sicherheitsventilen von 60 mm  an den
                              									dortigen Heißdampflokomotiven Brüche an Zylindern, Deckeln und Kolben infolge
                              									Wasserschlags vorgekommen sind, und daß erst seit Vergrößerung der
                              									Sicherheitsventile auf 100 mm  die Verhältnisse bzgl. der Wasserschläge
                              									wieder „normale“ geworden sind. Brüche infolge Wasserschlags sind also auch
                              									dort vorgekommen und sind demnach die von Herrn G. auf
                              									S. 540 angeführten Mitteilungen der Belgischen Staatsbahnen in einem sehr
                              									wesentlichen Punkte unvollständig. Ferner habe ich in Wien erfahren, daß auch dort
                              									bei der Staatsbahn Deckelbrüche infolge Wasserschlags an Heißdampflokomotiven
                              									vorgekommen sind.
                           Nun zu den einzelnen Punkten der Zuschrift.
                           1. Die Behauptung Herrn G's, daß die Brüche an den
                              									hinteren Zylinderdeckeln nur allein auf übermäßige Beanspruchung infolge des
                              									normalen starken Kreuzkopfdruckes zurückzuführen sind, ist schon deshalb hinfällig,
                              									weil auch Brüche an den vorderen Deckeln vorkommen, wo doch der Kreuzkopf fehlt. Die
                              									Längsrisse in den vorderen und hinteren Teilen der Zylindergußstücke lassen sich
                              									doch sicherlich nicht auch auf normalen Kreuzkopfdruck zurückführen. Daß die
                              									vorderen Zylinderdeckel verhältnismäßig selten er brechen als die hinteren, rührt
                              									daher, daß dieselben infolge ihrer Form ein viel größeres Widerstandsmoment besitzen
                              									als letztere, und zu ihrer Zerstörung somit ein bedeutender Wasserschlag
                              									erforderlich ist. Die Drücke der hinteren Deckel auf Durchfedern der Rahmen bei
                              									normalen Kolbenkräften usw. zurückzuführen, ist auch nicht angängig. Bei normalen
                              									Kolbenkräften dürfte der Rahmen steif genug sein, nicht aber bei Wasserschlag im
                              									Zylinder, wo, wie wir auf Seite 167 gesehen haben, der Rahmen zwischen Zylinder und
                              									Treibachse durch den Wasserwiderstand so enorm auf Druck bzw. Zug beansprucht wird.
                              									Die Ursache des möglichen Federns der Rahmen und weiterhin der Deckelbrüche hinten
                              									dürfte also der Wasserschlag im Zylinder sein.
                           In den Vereinigten Staaten wird der Kolbenschieber auch bei Naßdampflokomotiven sehr
                              									viel verwandt. An dieser Stelle aber ohne nähere Kenntnis über amerikanische
                              									Verhältnisse zu urteilen, halte ich für unzulässig. Ich möchte nur auf folgendes
                              									hinweisen. Bei der geringen Schulung der amerikanischen Lokomotivführer wird auch
                              									bei Naßdampflokomotiven, trotz des fehlenden großen Rauminhaltes eines Ueberhitzers,
                              									wohl des öfteren beim Anfahren viel Wasser in die Zylinder mit übergerissen werden,
                              									und somit die Vorbedingung für das Eintreten von Wasserschlägen gegeben sein. Man
                              									vergleiche hierzu nun in Gorbe
                              									„Dampflokomotiven“ den Abschnitt über – die in den Vereinigten Staaten
                              									ausschließlich verwandten – Barrenrahmen, wo u.a. auf Seite 146 steht, daß
                              									Rahmenbrüche am häufigsten an der Stelle zwischen Zylinder und Treibachse vorkommen.
                              									Es scheint demnach, daß dort der Barrenrahmen, welcher eine geringere Festigkeit
                              									besitzt als unser Blechrahmen, die schwächste Stelle des Triebwerkes ist. Ferner
                              									vergleiche man Seite 1022 in „Stahl und Eisen,“ 1909, wo über
                              									Festigkeitsversuche an Lokomotivzylindern aus Stahlguß berichtet wird. Ohne Not
                              									werden gerade die Amerikaner anstelle der gußeisernen nicht die zwar festeren aber
                              									bedeutend teureren Stahlgußzylinder verwenden.
                           Schäden allgemeiner Art aber nicht „zahlreiche Brüche“ an den ersten
                              									Ventillokomotiven sind von mir niemals in Abrede gestellt. Dagegen sind Brüche
                              									infolge Wasserschlags an den Lentzschen
                              									Ventillokomotiven nicht vorgekommen. Zahlreich waren dagegen die Brüche usw. an den
                              									ersten Heißdampfkolbenschieberlokomotiven. Baute man doch besondere
                              									Brechstücke, z.B. Kupfermuttern ein, um beim Festklemmen der Kolbenschieber größere
                              									Brüche in der Steuerung zu vermeiden.
                           Jeder Fachmann weiß, daß die Härtung langer, unregelmäßig geformter Stangen wie der
                              									Nockenstangen große Schwierigkeiten bereitet. Die Ventile waren bei einigen
                              									Lokomotiven nicht etwa infolge „Versehens“ aus Weichguß hergestellt, sondern
                              									in voller Absicht aus übergroßer Vorsicht, obwohl die bisher z.B. an der ⅖ gek.
                              									Mailänder Ausstellungslokomotive verwandten gußeisernen Ventile keine Anstände
                              									ergeben hatten. Die Weichgußventile besaßen eine Menge sog. „kalter
                                 										Gußstellen“ und zersprangen an diesen Stellen infolge der vorhandenen
                              									Gußspannungen. Nach Auswechslung dieser Ventile gegen gußeiserne haben sich irgend
                              									welche Schäden nicht mehr gezeigt. Ob die von Herrn G.
                              									erwähnten Brüche an den Ventilkästen ortsfester Lentzmaschinen auf Wasserschlag zurückzuführen sind, läßt sich ohne nähere
                              									Kenntnis der Einzelheiten hier nicht entscheiden. Zu berücksichtigen bleibt, daß die
                              									Auslaßventile, welche bei Lokomotiven hauptsächlich das Triebwerk gegen Wasserschlag
                              									schützen, bei den ortsfesten Maschinen nach Fig. 28
                              									S. 264 d. Bd. sich nicht öffnen können, und das Wasser hier durch die unter höherer
                              									Federbelastung stehenden Einlaßventile entweichen muß.
                           Die auch nach langer Betriebszeit stets dichten Ventile haben andern
                              									Steuerungsorganen gegenüber eben den Vorteil, daß der Minderverbrauch der
                              									Heißdampflokomotiven nicht durch Undichtigkeiten (besonders der ungefederten
                              									Kolbenschieber) wieder wettgemacht wird. Die Gesamtkosten der Ventilsteuerung bzgl.
                              									Lizenz, Bau und Unterhaltung lassen sich vorläufig natürlich nur schätzen. Ich bin
                              									der Ansicht, daß diese Kosten niedriger sein werden als z.B. die hohen Gesamtkosten
                              									der bei den Preußischen Staatsbahnen eingeführten Schmidtschen Kolbenschieber.
                           2. Ueber die Dampflässigkeit verschiedener Steuerungsorgane können nur auf längere
                              									Betriebszeit sich erstreckende Versuche an einer größeren Zahl von Lokomotiven,
                              									nicht aber an einer einzelnen Maschine, Aufschluß geben. Ich bemerke nochmals, daß
                              									bisher sämtliche Heißdampflokomotiven der Preußischen Staatsbahnen mit
                              									verschwindenden Ausnahmen ungefederte Kolbenschieber besitzen. Erst für die
                              									Neulieferungen ab Oktober 1909 sind federnde Kolbenschieber vorgesehen.
                              									Vorausgesetzt, daß die Schmidtschen Federringe (bei
                              									weiter Trennfuge) zusammenklappen können, wird der zu geringe Durchflußquerschnitt
                              									der dann entstehenden Ringöffnung bewiesen durch die Beschädigungen an den
                              									belgischen Lokomotiven, denn diese besitzen nach Herrn G's Angaben auf Seite 620 d. Bd., Punkt 3, federnde Ringe. Wirksame
                              									Sicherheitsventile müssen so groß bemessen werden, daß es vorteilhafter ist,
                              									dieselben gleich als hochwertige Steuerungsorgane auszubilden und den Kolbenschieber
                              									ganz auszuscheiden. Zuverlässig wirksame Wasserabscheider an Lokomotiven gibt es
                              									leider noch nicht. Die bloße Behauptung, daß ein konstruktives Problem sich leicht
                              									wird lösen lassen, ist wertlos.
                           Im übrigen verweise ich auf das eingangs von mir Gesagte.
                           3. Die Gefährlichkeit der Kolbenschieber bei Wasserschlag an Heißdampflokomotiven ist
                              									durch Tatsachen erwiesen. Für Brüche infolge Wasserschlags an Lentz-Ventillokomotiven, die sich auch sonst als
                              									betriebssicher erwiesen haben, fehlt dieser Beweis durch Tatsachen. Günstiger wäre
                              									es übrigens doch sicherlich, wenn die Brüche an den Heißdampflokomotiven während ihrer
                              									Kinderjahre vorgekommen wären und jetzt aufgehört hätten, anstatt umgekehrt.
                           4. Die Schuld an dem Mißverständnis liegt nicht auf meiner Seite.
                           5. Wenn überhaupt nur von Wasserschlag die Rede war, so verstehe ich nicht, weshalb
                              									Herr G. die Beschädigungen an den ersten
                              									Ventillokomotiven, die sich doch beim besten Willen nicht auf Wasserschlag
                              									zurückführen lassen, hier in die Erörterung hineinzieht. Ich bin übrigens erstaunt,
                              									daß Herr G., dessen vornehmlichste Aufgabe es nach
                              									seiner eigenen Angabe unter Punkt 4 war, die Unzulänglichkeit der Lentz-Ventile gegen Wasserschlag zu begründen, so wenig
                              									über die Ventillokomotiven, insbesondere ihre Zahl, unterrichtet ist. (Die näheren
                              									Einzelheiten über die Beschädigungen sind übrigens zuerst von mir und nicht etwa von
                              									Herrn G. angegeben!) Da Herr G. über die Schmidtschen Heißdampflokomotiven
                              									sogar bei fremden Bahnen mit sieben und weniger solcher Lokomotiven Erkundigungen
                              									eingezogen hat, so wäre es nicht mehr wie recht und billig gewesen, wenn Herr G. auch über die Ventillokomotiven Erkundigungen
                              									eingezogen und hier veröffentlicht hätte, anstatt einfach vom grünen Tisch aus eine
                              									Steuerung, welche an ortsfesten Maschinen in allen Kulturstaaten die weiteste
                              									Verbreitung gefunden hat, jetzt trotz bereits günstiger Erfahrungen bei Lokomotiven
                              									in Mißkredit zu bringen versuchen.
                           Nach Angabe der Firma Egestorff waren am 1. Okt. 1909 41
                              									ihrer Ventillokomotiven im Betrieb, außer in Preußen noch in Oldenburg, Schweden,
                              									Frankreich, Italien, Schweiz und bei einigen Privatwerken. Bestellt ist u.a. von den
                              									Preußischen Staatsbahnen als Ausstellungslokomotive für Brüssel eine ⅖ gek. S9-Ventillokomotive.
                           6. Bezüglich des Oeffnens der Lentz-Ventile, deren
                              									Bauart übrigens nach Fig. 2 (S. 146) Fig. 23 (S. 244) und Fig.
                                 										28 (S. 264) eine Drehung der Ventile garnicht zuläßt, beansprucht Herr G. Anerkennung für seine Theorie trotz
                              									vorliegender, das Gegenteil beweisender Tatsachen. Bezüglich der feinen Bohrungen in
                              									den Schieberringen zieht Herr G. dagegen den
                              									praktischen Versuch der Theorie vor. Gesehen dürfte übrigens das Zusammenklappen der
                              									Ringe wohl noch Niemand haben. Das von Herrn G. beim
                              									raschen Oeffnen des Reglers wahrgenommene Geräusch kann außer von vielen andern
                              									Ursachen auch von dem Aufschlagen der Ringe seitlich an die Stege des
                              									Schieberkörpers oder bei viel seitlichem Spiel sogar von einem Auseinanderklappen
                              									der Ringe (durch Dahintertreten von Dampf) an die Wände der Schieberbuchsen
                              									herrühren.
                           Federnde Kolbenschieber, wie solche bei den Heißdampf- und den S7-Lokomotiven (bei letzteren sollten die Ringe
                              									eigentlich viel eher zusammenklappen, weil die feinen Bohrungen hier fehlen)
                              									angewandt werden, schützen das Triebwerk nicht bei Wasserschlägen, wie die Brüche an
                              									den belgischen Heißdampf- und den preußischen S7-Lokomotiven beweisen.
                           7. Da ich mir keines Widerspruches bewußt bin, so kann ich die Sache wohl auf sich
                              									beruhen lassen.
                           –––––
                           Genau gleicher Meinung wie Herr G. bin ich bzgl. der
                              									Ueberlegenheit des Heißdampfes gegenüber dem Naßdampf.
                           Nur bei Verwendung geeigneter Oele und häufiger Reinigung der Schieber läßt sich die
                              									Bildung von Oelkrusten vermeiden. Immerhin ist dauernde, äußerste Sorgfalt
                              									erforderlich.
                           Ich habe bereits unter Punkt 1 Verwahrung dagegen eingelegt, daß „häufig“
                              									Brüche und sonstige Betriebsstörungen an Lentz-Ventillokomotiven vorgekommen sind. Letztere haben ebenso wie jede
                              									andere neue Lokomotivgattung, ihre Kinderkrankheiten durchmachen müssen und werden
                              									auch ohne das Wohlwollen Herrn G's sich schon ihr Feld
                              									erobern.
                           Dr.-Ing. Max Osthoff, Reg.-Baumeister.