| Titel: | Der Nachwuchs im Verwaltungsfach. | 
| Autor: | J. Kollmann | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 769 | 
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                        Der Nachwuchs im Verwaltungsfach.
                        Von Ingenieur Dr. phil. et jur. J.
                                 										Kollmann in Bad Ems.
                        Der Nachwuchs im Verwaltungsfach.
                        
                     
                        
                           Die Bereitwilligkeit der Schriftleitung von D. P. J., die Spalten dieser
                              									angesehenen technischen Zeitschrift für eine Aussprache über die Art der Vorbildung
                              									und Erziehung zum Verwaltungsbeamten zur Verfügung zu stellen, wird allgemeine
                              									Anerkennung finden, weil es sich um eine der wichtigsten Fragen der modernen
                              									Staatswirtschaft handelt. Die Erziehung eines geeigneten Nachwuchses für das
                              									Verwaltungsfach in Staat und Gemeinde kann selbstverständlich nur vom Standpunkte
                              									des öffentlichen Interesses beurteilt werden, jede Art von Sonderinteresse hat in
                              									dieser Frage von vornherein auszuscheiden. Es kann deshalb auch garnicht darauf
                              									ankommen, Wünsche der technischen Intelligenz und des Standes der wissenschaftlich
                              									gebildeten Techniker als solche zu verwirklichen, man muß vielmehr den Nachweis
                              									erbringen, daß die Erfüllung dieser Wünsche einem wirklichen Bedürfnis der Staats
                              									Wirtschaft entspricht. Die gradezu unwürdige Unterstellung, daß eine zeitweise
                              									Ueberfüllung der technischen Fächer zur Expansion nach anderen Richtungen treibe und
                              									daß man hauptsächlich dieser Ueberfüllung wegen andere Tätigkeitsgebiete für die
                              									Techniker zu erschließen suche, muß mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen werden.
                              									Das Juristentum hat es allerdings immer verstanden, seinen großen Ueberschuß an
                              									Kräften sehr verschiedener Wertigkeit in allen möglichen anderen Berufsarten
                              									unterzubringen. Daß diese Methode in zahllosen Fällen zu Mißerfolgen und Schäden
                              									schlimmster Art geführt hat, ist zu bekannt, als daß es noch erwiesen zu werden
                              									brauchte. Die Techniker werden nicht in gleicher Weise darauf ausgehen, andere
                              									Berufsarten mit ihrem Einfluß zu beherrschen, dagegen sind sie mit vollem Recht
                              									bemüht, ihren Platz an der Sonne zu gewinnen. Wenn die Vertreter der Technik den
                              									lebhaften Wunsch haben, daß das Fach der öffentlichen Verwaltung nicht länger den im
                              									technisch-wirtschaftlichen Geiste erzogenen Bewerbern verschlossen bleibe, so gehen
                              									sie dabei lediglich von der Ueberzeugung aus, daß der moderne Staat zur Erfüllung
                              									seiner vielseitigen Zwecke der führenden Mitwirkung derartiger Verwaltungskräfte
                              									dringend bedarf. Die unaufhaltsame Entwicklung des Industriestaates, welche schon
                              									wegen der Ernährung des Bevölkerungszuwachses unentbehrlich ist, läßt die Erfolge
                              									technisch-wirtschaftlicher Intelligenz im Wettbewerbe mit dem Auslande immer mehr in
                              									die Erscheinung treten, und da der Staat die Aufgabe hat, im Interesse der
                              									Gesamtheit der Staatsbürger die wirtschaftlichen Kräfte des Landes, insbesondere
                              									auch die natürlichen Energiequellen, rationell zu verwalten und deshalb in sehr
                              									vielen Fällen als Unternehmer aufzutreten, so liegt es ohne Zweifel im staatlichen
                              									Interesse, die mit dem Fortschritt wissenschaftlicher Technik in der
                              									Privatwirtschaft erzielten großen Erfolge auch für die Staatsverwaltung nutzbar zu
                              									machen. Wenn auf diese Verhältnisse seitens führender technischer Korporationen im
                              									Reiche sowohl als auch in den größeren Bundesstaaten mit Nachdruck hingewiesen wird,
                              									so ist hierbei keinerlei Sonderinteresse maßgebend, sondern lediglich der Gedanke,
                              									die öffentliche Meinung und die leitenden Kreise in Regierung und Volksvertretung
                              									auf das staatliche Interesse an der führenden Mitwirkung technisch-wirtschaftlicher
                              									Intelligenz aufmerksam zu machen. Sollte dabei das faustische Gefühl mitwirken, daß
                              									schließlich nur ein solcher Beruf volle und dauernde Befriedigung gewährt, der in
                              									vollem Maße auch der Gesamtheit der Mitbürger und damit zugleich der allgemeinen
                              									Kultur der Menschheit zugute kommt, so kann daraus gewiß kein Tadel abgeleitet
                              									werden.
                           Verständiger Weise sollte wie für alle anderen Disziplinen auch für das
                              									Verwaltungsfach der Grundsatz gelten, daß die für dasselbe erforderliche wissenschaftliche Vorbildung mit der im Berufe verlangten
                                 										Leistung gleichartig sein müsse. Mit diesem Grundsatze stehen aber die in
                              									den deutschen Bundesstaaten geltenden Vorschriften über die Vorbereitung für den
                              									Verwaltungsdienst in direktem Widerspruch. Allerdings war es früher anders, schon um
                              									die Wende des achtzehnten Jahrhunderts hatte man in Preußen und später auch in
                              									einigen anderen deutschen Staaten die Notwendigkeit erkannt, die Staats Wirtschaft
                              									zum Hauptinhalt des Studiums der Verwaltungsbeamten, unabhängig von der Lautbahn der
                              									Juristen, zu machen. Damals kam das Kameralstudium auf, welches indessen der
                              									neuzeitlichen Entwicklung, da die Grundlage technischen Wissens fehlte, nicht zu
                              									folgen vermochte und späterhin nach und nach aufgegeben wurde. Das Monopol der
                              									juristischen Vorbildung hat sich hiernach eingebürgert. Unter diesem Monopol kann
                              									der künftige Verwaltungsbeamte nur auf der Universität vorgebildet werden, er hat
                              									hier genau denselben Studiengang bei der juristischen Fakultät durchzumachen wie der
                              									künftige Richter und Rechtsanwalt, er muß dasselbe Referendariats-Examen ablegen wie
                              									die Rechtsbeflissenen, tritt dann zur Verwaltung über und kommt erst in den nun
                              									folgenden Jahren der praktischen Ausbildung bei den Verwaltungsbehörden in Berührung
                              									mit seiner eigentlichen späteren Berufstätigkeit, die in der Hauptsache keineswegs
                              									auf der Kenntnis des Rechtes beruht. Seit mehr als einem halben Jahrhundert besteht
                              									dieselbe akademische Vorbildung für die eigentlichen Juristen und die
                              									Verwaltungsbeamten, die Art dieser Vorbildung ist in dieser langen Zeit stets
                              									dieselbe geblieben, auch die Studienzeit ist nicht verlängert worden, nur einen
                              									Frontwechsel vom römischen zum deutschen bürgerlichen Recht hat man vorzunehmen sich
                              									gezwungen gesehen. Und mit diesem Rüstzeug stehen die Verwaltungsbeamten, für die
                              									tatsächlich nur die praktische Schulung von Wert für ihren eigentlichen Beruf ist,
                              									den Aufgaben der modernen Staatsverwaltung gegenüber! Eine ganze Reihe von
                              									Schädigungen der Staats Wirtschaft ist unter diesem System entstanden. Es sei nur
                              									darauf verwiesen, daß wegen des mangelnden Verständnisses der Verwaltung der
                              									technische Fortschritt in der Zuckerfabrikation und in der Branntweinbrennerei ein
                              									halbes Jahrhundert lang zu sehr empfindlichen Schädigungen der Staatskassen geführt
                              									hat. Man hat dieses System unverdienter Prämien, das schließlich durch den Eingriff
                              									des Auslandes beseitigt worden ist, als auf die Förderung der Technik berechnet
                              									hinstellen wollen, während doch jeder einsehen muß, daß dieser Zweck viel leichter
                              									und jedenfalls erheblich billiger durch Auslobung einmaliger Staatsprämien hätte
                              									erreicht werden können. Allerdings ist von ganz hervorragenden Rechtslehrern wie
                              									auch von erfahrenen Verwaltungsbeamten längst anerkannt worden, daß das einseitige
                              									Studium der Rechtswissenschaft, das seit einem halben Jahrhundert das einzige
                              									wissenschaftliche Rüstzeug des Verwaltungsbeamten bildet, für diesen Beruf nicht
                              									ausreiche und deshalb die wirtschaftliche Vorbildung reformiert werden müsse. Alle
                              									Reformvorschläge aber, die aus diesen Kreisen gemacht worden sind, halten an der
                              									hergebrachten Vorstellung fest, daß nur die Universität die wissenschaftliche
                              									Vorbildung des Verwaltungsbeamten vermitteln könne. Durch Reformierung und
                              									Verbesserung des juristischen Studiums glaubt man eine zweckmäßige Vorbildung des
                              									Verwaltungsbeamten erreichen zu können, man will den Staatswissenschaften, der
                              									Volkswirtschaftslehre und der Soziologie einen größeren Anteil an dem
                              									vorgeschriebenen Studiengang gewähren und dadurch wenigstens eine gewisse
                              									Gleichartigkeit zwischen dem Studium und dem späteren Beruf herbeiführen.
                              									Weitergehende Vorschläge bezweckten die Schaffung eines besonderen Lehrganges für
                              									Verwaltungsjuristen an der Universität oder die Errichtung einer eigenen
                              									Verwaltungsakademie, die den Assessoren und Landräten nachträglich die für das
                              									Verwaltungsfach erforderlichen theoretischen Kenntnisse vermitteln soll, soweit sie
                              									während des juristischen Studiums nicht erlangt werden konnten. In die gleiche
                              									Richtung fallen auch die bekannten staatswissenschaftlichen Fortbildungskurse für
                              									Verwaltungsbeamte.
                           Allen diesen Vorschlägen liegt der Gedanke zugrunde, daß die Universität allein
                              									berufen sei, die akademische Vorbildung der Verwaltungsbeamten zu vermitteln und daß
                              									ferner das juristische Studium den Mittelpunkt des akademischen Studiums zu bilden
                              									habe. Hieraus ergibt sich zur Evidenz, daß die lange Gewöhnung an das Monopol der
                              									juristischen Vorbildung die ganz falsche Vorstellung hervorruft, es sei unmöglich,
                              									den Nachwuchs für das Verwaltungsfach aus den Kreisen anderweitig vorgebildeter
                              									Akademiker zu entnehmen. Diesen Vorstellungen gegenüber ist doch wohl die Frage
                              									berechtigt, ob der Verwaltungsbeamte für den Staat und die Gemeinde da ist oder
                              									umgekehrt und ob man noch länger wegen des bloßen Vorurteils, daß die äußere
                              									Stellung des Verwaltungsbeamten unter einer der modernen Staatswirtschaft
                              									entsprechenden Neuordnung der Vorbildungsfrage leiden könne, die Lebensbedingungen
                              									der Staatswirtschaft verkennen will. Die Gesamtheit der Bürger in Staat und Gemeinde
                              									hat jedenfalls den Anspruch darauf, daß die Verwaltung ihrer geistigen und
                              									wirtschaftlichen Güter in solche Hände gelegt wird, die die volle Verwertung dieser
                              									Güter zum Wohle des Ganzen verbürgen und die Stellung unseres Volkes unter den
                              									Kulturnationen befestigen und erweitern. Bei näherer Ueberlegung muß es absurd
                              									erscheinen, diese hohe ideale und ethische Aufgabe auch nur in entfernte Beziehungen
                              									zu dem Bestehen der Referendariatsprüfung bringen zu wollen. Wohl aber liegt es
                              									nahe, diese Aufgabe den besten Kräften aus den Kreisen derjenigen Akademiker zu
                              									übertragen, deren wissenschaftlicher Bildungsgang die Gewähr für das volle
                              									Verständnis der modernen staatlichen Entwicklung bietet. Mögen diejenigen Gebiete
                              									der Verwaltung, in welchen das Zwangsmoment voherrscht oder eine ausschließlich
                              									richterliche Tätigkeit den Beruf bildet, den Juristen vorbehalten bleiben, in den
                              									übrigen Zweigen der Verwaltung aber sind sie nicht am Platze. Bei dieser Ueberlegung
                              									scheidet die Frage ganz aus, ob und inwieweit das juristische Studium an sich
                              									reformbedürftig ist und welche Mängel das positive Wissen der Juristen aufweist,
                              									auch läßt es uns gleichgiltig, ob dieses Wissen dem Kolleg, dem Repetitor oder dem
                              									Kommentar verdankt wird, da es sich hier in der Verwaltungsfrage nicht um einen
                              									einzelnen, wenn auch hochwichtigen Teil des staatlichen Organismus handelt, sondern
                              									um die der Gesamtheit der Bürger unentbehrliche Erhaltung und Sicherung geistiger
                              									und wirtschaftlicher Güter. Wenn das zünftige Juristentum die Anforderungen an seine
                              									Leistung nicht hoch genug stellt und Regierung wie Volksvertretung ruhig zusehen, so
                              									können und werden die Folgen für die Stellung dieses Standes im staatlichen Leben
                              									nicht ausbleiben, die Akademiker anderer Richtung aber werden mit um so größerem
                              									Eifer an der Erweiterung ihrer wissenschaftlichen Bildung und an der Vertiefung
                              									ihrer praktischen Tätigkeit arbeiten und damit den Beweis liefern, daß die moderne
                              									Zeit nicht der modernen Kräfte entbehrt. Nicht das Ausruhen nach bestandenen
                              									Prüfungen, sondern die innere Weiterbildung und das lebendige Erfassen der
                              									Berufsaufgaben kennzeichnen die moderne Richtung, nur durch immer mehr gesteigerte
                              									Anforderungen an die eigene Leistung kann sie ihre Ziele erreichen und
                              									behaupten.
                           Wenn man sich die Berufstätigkeit der Verwaltungsbeamten näher ansieht, so wird man
                              									mit angesehenen Rechtslehrern sehr bald zu der Ueberzeugung gelangen, daß das Recht
                              									für den Verwaltungsbeamten keineswegs den wesentlichen Inhalt seines Berufes bildet
                              									wie bei den Juristen, daß seine gesamte Tätigkeit vielmehr viele Anknüpfungspunkte
                              									an den privatwirtschaftlichen Betrieb aufweist und Rechtskenntnisse vorzugsweise nur
                              									insoweit erfordert, als das Recht die Schranke und
                                 										gelegentliche Richtlinie seiner Tätigkeit bildet. Der Verwaltungsbeamte ist
                              									also mehr als Unternehmer denn als Rechtswächter oder als
                              									Polizeiverwalter aufzufassen, zumal ja Staat und Gemeinde in zahlreichen Fällen
                              									selbst als Unternehmer auftreten und hierbei mehr oder weniger privatwirtschaftliche
                              									Zwecke verfolgen. Die Aufgaben und Ziele der Verwaltung ergeben sich demgemäß aus
                              									den Anforderungen und Bedürfnissen des praktischen Lebens und aus dem stetig
                              									verschärften Wettbewerb mit den übrigen Kulturvölkern. Das Ziel der Verwaltung liegt
                              									bei dieser Sachlage darin, im staatlichen Interesse die natürlichen Schätze des
                              									Landes und die wirtschaftlichen Kräfte des gesamten Volkes nach aller Möglichkeit zu
                              									entwickeln und die Leistung zu steigern. Dieses Ziel kann doch verständiger Weise
                              									nur durch solche Verwaltungsbeamte erreicht werden, deren wissenschaftliches Studium
                              									auf ein gründliches Erfassen des modernen Wirtschaftslebens hinausgeht, so daß die
                              									praktische Berufstätigkeit die direkte Fortsetzung und Vertiefung des Studiums
                              									bildet. Derartig vorgebildete Verwaltungsbeamte stehen aber bisher der
                              									Staatswirtschaft nicht zur Verfügung, unter den leidigen Mängeln der juristischen
                              									Vorbildung sind sie vielmehr von der staatlichen Verwaltung ängstlich ferngehalten
                              									worden, diese Laufbahn ist ihnen noch heute zum Schaden der Staatswirtschaft
                              									verschlossen. Dem kaum beendeten Kampfe um die Gleichberechtigung der neunklassigen
                              									Mittelschulen in der Vorbereitung zum akademischen Studium verschiedener Richtung
                              									folgt deshalb mit Notwendigkeit der neue Kampf um die
                                 										Gleichberechtigung des Studienganges an der Universität und der Technischen
                                 										Hochschule zum Eintritt in die staatliche Verwaltungslaufbahn. Daß auch
                              									dieser letztere Kampf zugunsten der modernen Richtung entschieden werden wird, ist
                              									nicht im mindesten zweifelhaft, es bedarf dazu allerdings noch der Aufklärung der
                              									maßgebenden Kreise in Regierung und Volksvertretung und der Emanzipation von
                              									veralteten Anschauungen und Vorurteilen. Starke Unterstützung findet der Ruf nach
                              									Beseitigung der Mängel der juristischen Vorbildung in den immer größeren
                              									Anforderungen, die von Reich, Staat und Gemeinde an die Steuerkraft der Staatsbürger
                              									gestellt werden, weil mit wachsender Berechtigung das Verlangen gestellt werden kann
                              									und wird, daß staatliche und kommunale Verwaltungen in der denkbar
                              									wirtschaftlichsten Weise arbeiten. Wird aber diese Forderung in die Praxis
                              									übersetzt, so muß mit zwingender Notwendigkeit der alte Irrtum erkannt werden und
                              									das Juristenmonopol immer mehr an Boden verlieren.
                           Es bleibt noch die Frage zu erörtern, ob eine den heutigen Ansprüchen der
                              									Staatswirtschaft entsprechende kameralistische Vorbildung der Verwaltungsbeamten
                              									auch durch die Reform oder Erweiterung des juristischen Studiums erreichbar sein
                              									würde, wie sie von den Anhängern des alten Systems angestrebt wird. Zunächst sei
                              									darauf hingewiesen, daß keinerlei innerer Zusammenhang zwischen dem juristischen und
                              									dem naturwissenschaftlich-technischen Studium besteht und daß es dem Juristen ebenso
                              									schwer wie jedem Akademiker anderer Richtung wird, sich in die
                              									technisch-wirtschaftlichen Zweige der Verwaltung hineinzufinden. Nun hat man
                              									zahlreiche Verbesserungsvorschläge gemacht, um das juristische Studium dem modernen
                              									Wirtschaftsleben einigermaßen anzupassen. Man will die Lehren der Nationalökonomie
                              									und das Studium der Sozialpolitik in den Vordergrund rücken, ferner sollen die
                              									künftigen Verwaltungsbeamten durch vorübergehenden Eintritt in gewerbliche und
                              									kaufmännische Betriebe sowie durch staatswissenschaftliche Fortbildungskurse für
                              									ihren praktischen Beruf vorbereitet werden. Vorschläge dieser Art können aber
                              									niemals der immer mehr hervortretenden Unzulänglichkeit der juristischen Vorbildung
                              									abhelfen und deshalb auch keinen Erfolg haben. Allerdings läßt sich auch den
                              									Studierenden der Rechtswissenschaft jenes System der Nationalökonomie eintrichtern,
                              									das mit der Dreifelderwirtschaft anfängt und vor den Toren unserer modernen Fabriken
                              									seiner Unzulänglichkeit wegen Halt machen muß. Aber damit ist ja doch auch für die
                              									Anforderungen des Staatsdienstes nichts erreicht, diese setzen vielmehr das volle
                              									Erfassen und Durchdringen des modernen Wirtschaftslebens voraus. Dieses Verständnis
                              									kann aber nur auf Grundlage einer allgemeinen technischen Vorbildung vermittelt
                              									werden, weil die Entwicklung zum Industriestaat sehr wesentlich auf dem technischen
                              									Fortschritt beruht. Einsichtige Nationalökonomen haben längst anerkannt, daß eine
                              									gründliche technische Allgemeinbildung und die in eigener verantwortlicher Stellung
                              									gewonnene praktische Erfahrung am sichersten zum Verständnis und zur einheitlichen
                              									Auffassung des Wirtschaftslebens führen. Wie kann man denn annehmen wollen, daß
                              									durch eine Erweiterung des juristischen Studiums das gleiche Ziel erreicht werden
                              									könne? Steht nicht der Jurist der technischen Arbeit und der durch dieselbe
                              									bewirkten Bewegung im Wirtschaftsleben fremd gegenüber? Die juristischen Lehren
                              									werden sehr wesentlich von dem Moment des Zwanges und der Unterwerfung beeinflußt,
                              									während die wirtschaftlichen Kräfte in stetem Wettbewerb in der Rechtsordnung nur
                              									eine Schranke finden. Dieser bedeutsame Unterschied in der Auffassung kann nicht
                              									durch Einschaltung einiger neuer Bücherwissenschaft in den juristischen Studiengang
                              									beseitigt werden, ebensowenig durch das beliebte „Einarbeiten“ in eine
                              									fremdartige praktische Tätigkeit. Mit dem beabsichtigten neuen Verputz des Monopols
                              									der juristischen Vorbildung wird man also keinenfalls einen vollwertigen Nachwuchs
                              									für das Verwaltungsfach heranbilden können.
                           Einen wesentlich anderen Fonds für die Praxis des Verwaltungsbeamten bringt der von der technischen Hochschule kommende Akademiker
                              									mit. Sein vierjähriges Studium kann ohne jede Schwierigkeit derart eingerichtet
                              									werden, daß neben den technischen Fächern die volkswirtschaftlichen, Staats
                              									wissenschaftlichen und sozialpolitischen Disziplinen volle Berücksichtigung finden
                              									und auch die allgemeine Rechtskenntnis nicht vernachlässigt wird. Zugleich aber
                              									bildet die gründliche technische Allgemeinbildung, die noch durch eine zweijährige
                              									praktische Arbeit vertieft worden ist, das beste Rüstzeug für die Beurteilung
                              									wirtschaftlicher Verhältnisse, sie befähigt zum raschen Erfassen der zumeist auf dem
                              									technischen Fortschritt beruhenden Umgestaltungen und zur Anpassung an neue
                              									Anschauungen und Verhältnisse. Der Akademiker der technischen Hochschule bringt also
                              									eine seiner späteren Berufstätigkeit als Verwaltungsbeamter völlig gleichartige Vorbildung und diejenigen Kenntnisse mit, die dem von
                              									der Universität kommenden Referendar gänzlich fernliegen und die ihm auch nicht
                              									nachträglich auf einer ganz unzureichenden Grundlage vermittelt werden können.
                              									Während es dem an der Technischen Hochschule studierenden späteren
                              									Verwaltungsbeamten, der schon über eine gewisse praktische Erfahrung verfügt, sehr
                              									leicht wird, sich die für seinen Beruf erforderlichen Rechtskenntnisse anzueignen,
                              									zumal er ihren Wert erkennt, findet der demselben Beruf zustrebende Studierende der
                              									Rechtswissenschaft in seinen Studien nur sehr lose Beziehungen zu seiner späteren
                              									Tätigkeit, seine Vorbildung ist nichts weniger als gleichartig mit den Aufgaben
                              									seines Berufes. Darum kann aus Gründen des Staatswohles
                              									das bisherige Monopol der juristischen Vorbildung nicht bestehen bleiben. Den
                              									Akademikern der technischen Hochschule muß vielmehr die Verwaltungslaufbahn ebenso
                              									zugänglich gemacht werden wie den von der Universität kommenden jungen Juristen, der
                              									wirtschaftlich vorgebildete Diplomingenieur soll in gleicher Weise zur praktischen
                              									Ausbildung bei den Verwaltungsbehörden und zu der staatlichen Prüfung zugelassen
                              									werden wie der bisher monopolisierte Referendar. In der Erfüllung dieser Forderungen
                              									liegt zugleich die gesetzliche Anerkennung der technischen Hochschulen als mit den
                              									Universitäten gleichberechtigte Hochschulen für die Vorbildung zur
                              									Verwaltungslaufbahn.
                           Die technisch-wirtschaftlich vorgebildeten Verwaltungsbeamten finden in dem modernen
                              									Staatswesen und nicht weniger in den Gemeinden ein weites Feld für fruchtbringende
                              									Tätigkeit. Sie können die Fortschritte der wissenschaftlichen Technik für Staat und
                              									Gemeinde rechtzeitig nutzbar machen und in den öffentlichen Betrieben verwerten und
                              									zugleich den oft ganz unmittelbaren Einfluß technischer Neuerungen auf die
                              									wirtschaftliche und soziale Lage der arbeitenden Klassen richtig beurteilen. Wenn
                              									nicht mehr wie bisher in der Verwaltung die oberste Initiative von der obersten
                              									Verantwortung getrennt sein wird, so werden auch die staatlichen und kommunalen
                              									Betriebe sowohl in ihrer qualitativen Leistung als auch im Ertrage und namentlich
                              									auch in bezug auf ihre soziale Stellungrahme mustergiltig ausgestaltet werden.
                              									Weitgehende Förderung haben ferner zu erwarten die zahllosen Zweige der staatlichen
                              									Kontrolle und des staatlichen Eingriffs in das wirtschaftliche Leben, dahin gehören
                              									die Verwaltung der natürlichen Bodenschätze des Landes, die Ausnutzung der
                              									vorhandenen Wasserkräfte durch die Hand des Staates und die damit zusammenhängende
                              									elektrische Kanalisierung des ganzen Landes, die Beseitigung der Hochwassergefahr
                              									und die rationelle Bewässerung mittels künstlicher Stauwerke, das gesamte
                              									Verkehrswesen, das technische Schulwesen, die gewerbliche Gesetzgebung, das Zoll-
                              									und Steuerwesen, das Patentwesen, die öffentliche Gesundheitspflege usw. Nur der
                              									Verwaltungsbeamte mit technischer Allgemeinbildung kann auf allen diesen Gebieten
                              									das staatliche Interesse wirksam fördern, er allein ist imstande, den Zug unserer
                              									Zeit in technischer und sozialer Beziehung, d.i. das unablässige Streben nach Verbilligung und Ersparung der Energie in
                              									seiner vollen Bedeutung zu erfassen und rechtzeitig dem Staate die Vorhand in dieser
                              									Richtung zu sichern. Was für den Staat gefordert werden muß, gilt in mindestens
                              									gleichem Maße auch für die kommunalen Verbände.
                           Was die wissenschaftliche Seite des Verwaltungswesens und des Verwaltungsrechtes
                              									angeht, so kann man nach dem keineswegs glänzenden Stande der Literatur dieser
                              									Disziplinen nur schließen, daß die jm bisherigen System vorgebildeten
                              									Verwaltungsbeamten in ihrem eigentlichen Berufe nur unwesentliche und zu
                              									wissenschaftlicher Betätigung nicht anregende Beziehungen zu ihrem juristischen
                              									Studium finden. Dagegen ist mit Sicherheit zu erwarten, daß der Eintritt
                              									technischwirtschaftlich vorgebildeter Kräfte in die Verwaltungslaufbahn eine
                              									entsprechende Literatur zeitigen wird, die dem Verwaltungswesen den Charakter einer
                              									wirklichen Wissenschaft verleiht. Findet die Berufstätigkeit des Verwaltungsbeamten
                              									in einer gleichartigen Hochschulbildung ihre kräftige Stütze, so wird nach dem
                              									Beispiel der technisch-wirtschaftlichen Literatur auch das Verwaltungswesen eine
                              									seiner Bedeutung in der Staatswirtschaft entsprechende literarische Behandlung und
                              									Vertiefung erfahren. Es kann überhaupt kein Zweifel darüber bestehen, daß der
                              									Eintritt der Technokameralisten in die Verwaltung die weitgehendsten Erwartungen
                              									erfüllen wird. Man braucht in dieser Beziehung nur auf die beispiellose Entwicklung
                              									der deutschen Industrie zu verweisen, die doch im wesentlichen den organisatorischen
                              									Kräften gleicher Voibildung zu danken ist. Dagegen hat man sehr häufig erlebt, daß
                              									die Gesetzgebung, die in der Hauptsache von den Juristen gemacht wird, der
                              									industriellen Entwicklung nichts weniger als günstig war und daß die
                              									Verwaltungsbeamten an die bewährte Intelligenz und Tatkraft der Industrie
                              									appellieren mußten, um die Schäden nach Möglichkeit auszugleichen. Ein Beispiel für
                              									die Verschiedenheit der Verwaltung unter juristischer und technischer Leitung bieten
                              									auch viele kleinere Städte und Gemeinden, welche neuzeitlicher Einrichtungen nicht
                              									entbehren können, ohne über die erforderlichen technischen Kräfte für den Betrieb
                              									und dessen Beaufsichtigung zu verfügen. Liegt die Leitung solcher Gemeinden in der
                              									Hand von Juristen, so wird, von vereinzelten Ausnahmefällen abgesehen, zwar die
                              									äußere Ordnung gewahrt, die Einrichtungen selbst aber werden unrationell und unter
                              									Benachteiligung der Steuerzahler verwaltet. Hat dagegen eine kleine Gemeinde das
                              									Glück, von einem Beamten mit technischem Verständnis verwaltet zu werden, so wird
                              									der Segen moderner Bauten und Einrichtungen erst zur vollen Geltung für die
                              									Gesamtheit der Bürgerschaft gebracht. Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung
                              									sind hier die leitenden Gesichtspunkte. Auch in den großen und größten Städten ist
                              									die Verwaltung wesentlich verbessert worden, seitdem man den wissenschaftlich
                              									gebildeten Technikern die volle Gleichberechtigung mit den juristisch gebildeten
                              									Magistratsmitgliedern gewährt hat. Gern und aus freier Initiative haben die Juristen
                              									ihre bevorzugte Stellung in den städtischen Verwaltungen nicht aufgegeben – in
                              									Bayern besteht dieselbe sogar heute noch – aber die Notwendigkeit neuzeitlicher
                              									Entwicklung und die Rücksichtnahme auf die Steuerzahler machte das alte System
                              									unmöglich. So wird es auch im staatlichen Verwaltungswesen kommen, wenn man nicht im
                              									Interesse des wirtschaftlichen Fortschritts auf Seiten der Regierungen wie auch der
                              									Volksvertretungen vorsorglich alsbald die Verwaltungslaufbahn den
                              									technisch-wirtschaftlichen Kräften eröffnen sollte. Die späteren Generationen werden
                              									das Andenken derjenigen Männer segnen, die die Staatswirtschaft aus dem System des
                              									Formalismus in die freie Bahn rationeller Verwaltung herübergeführt haben.