| Titel: | Ueber die Einwirkung von Strukturänderungen | 
| Autor: | Hermann Gewecke | 
| Fundstelle: | Band 324, Jahrgang 1909, S. 817 | 
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                        Ueber die Einwirkung von
                           								Strukturänderungen
                        auf die physikalischen, insb. elektrischen
                           								Eigenschaften von Kupferdrähten und über die Struktur des Kupfers in seinen
                           								verschiedenen Behandlungsstadien.
                        Von Dipl.-Ing. Hermann Gewecke,
                           									Darmstadt.
                        (Schluß von S. 810 d. Bd.)
                        Ueber die Einwirkung von Strukturänderungen.
                        
                     
                        
                           III. Untersuchung der
                                 									Struktur.
                           
                              1. Bisherige Arbeiten.
                              Die eingehende Untersuchung der Metallstruktur ist noch keineswegs alt. Wohl die
                                 										erste in Betracht kommende Arbeit über die Molekularstruktur der Metalle stammt
                                 										von S. Kalischer, der nach der Beobachtung, daß
                                 										Zink durch Glühen kristallinisch wirdS. Kalischer: Verhandlg. d. phys.
                                       												Ges. Berlin I p. 33 bis 39. 1882., auch noch eine ganze Reihe
                                 										von anderen Metallen daraufhin untersuchteS. Kalischer: Chem. Berichte 14 p.
                                       												2747 bis 54. 1881.Nach Drucklegung meiner Arbeit wurde ich von Herrn Geh.
                                       												Regierungsrat Professor M. Rudeloff darauf
                                       												aufmerksam gemacht, daß über die Struktur des Eisens von A. Martens ältere Arbeiten vorliegen,
                                       												Z.d.V.d.J. 1878 p. 11, 205 und 481; und 1880 p. 397..
                              Besondere Beachtung verdienen die ausführlichen Untersuchungen von J.A. Swing und vor allem die zahlreichen Arbeiten
                                 										von G.F. Beilby. Beide Forscher stellen auch
                                 										interessante Theorien über die Vorgänge im Innern der von ihnen
                                 										verschiedenartiger Behandlung unterworfenen Metalle auf. Wertvolle
                                 										Untersuchungen über Kupfer und Sauerstoff sind ferner von E. Heyn ausgestellt, sowie über Kupfer in
                                 										verschiedenen Zuständen der Bearbeitung von L.
                                    											Addicks, während William Campbell sehr
                                 										schöne Mikrophotogramme von verschiedenen Metallen angefertigt hat.
                              Die hier mitgeteilten Photogramme bilden im großen Ganzen einen Beleg für die
                                 										Gültigkeit der neuerdings aufgestellten Theorien auch für das Kupfer, resp. eine
                                 										Erweiterung und Abänderung dieser Anschauungen.
                              Außerdem wurden einige bisher mikro-photo-graphisch noch nicht untersuchte
                                 										Vorgänge in den Kreis der Beobachtungen einbezogen.
                              Die Anordnung der Photogramme wurde so gewählt, daß der ganze Entwicklungsprozeß
                                 										des Kupfers von der elektrolytisch niedergeschlagenen Form bis zu der des weich
                                 										geglühten Drahtes nebst den möglichen Nebenerscheinungen mikro-photographisch
                                 										verfolgt wurde.
                              
                           
                              2. Herstellung der SchliffeDas Verfahren kann hier nur in ganz groben
                                       												Umrissen skizziert werden. Nähere Angaben darüber siehe u.a. H. Behrens, das mikroskopische Gefüge der
                                       												Metalle und Legierungen. Hamburg und Leipzig 1894. O. Boudouard, Metallographie Microscopique
                                       												Bull. Soc. Chim. Paris. III. Serie No. 13–14 p. I–XX. 15–20. Juli
                                       												06..
                              Die zu untersuchenden Kupferstücke wurden mittels eines Kitts aus Wachs,
                                 										Colophonium und Schellack auf einen Objektträger aufgekittet. Dann wurde
                                 										mittels Feile und gröberen Schmirgelpapiers eine glatte Fläche hergestellt, die
                                 										mit feinstem Schmirgelpapier (bis No. 0000) poliert wurde. Es wurde sorgfältig
                                 										darauf geachtet, daß der Draht bei dieser Behandlung nicht warm wurde und so
                                 										etwa seine Struktur sich änderte. Geätzt wurde einige Sekunden mit konzentrieter
                                 										Salpetersäure und dann mit verdünntem Ammoniakwasser nachgespült, um einer
                                 										weiteren Einwirkung der Säure Einhalt zu tun.
                              
                           
                              3. Mikroskopische Beobachtung.
                              Das benutzte Mikroskopstativ war von Leitz in
                                 										Wetzlar, der Illuminator für vertikale Beleuchtung sowie die Objektive:
                                 										Apochromat 16 mm, DD und E in kurzer Fassung und ein benutztes Projektionsokular
                                 										von C. Zeiss in JenaAlle diese Apparate sowie der
                                       												Aufnahmeapparat wurden mir von Herrn Professor v. Roessler in liebenswürdiger Weise überlassen, wofür mir
                                       												gestattet sei, auch an dieser Stelle meinen Dank
                                       											auszusprechen..
                              Die Beleuchtung geschah durch Gasglühlicht, dessen Strahlen durch eine
                                 										Condensorlinse konzentriert wurden.
                              
                           
                              4. Mikrophotographische Aufnahme der Schliffe.
                              Für die Anfertigung der Mikrophotogramme waren vorbildlich die Arbeiten von A. MartensA. Martens: Mikrophotographie im
                                       												auffallenden Licht. Mitt. d. Königl. Techn. Versuchsanstalt Berlin 1899.
                                       												p. 71. und das Lehrbuch über Mikrophotographie von R. NeuhaussR. Neuhauss: Lehrbuch der
                                       												Mikrophotographie, Harald Bruhn 1898.. Ich kann mich daher
                                 										hier auf das Wichtigste beschränken.
                              Zur Aufnahme wurde monochromatisches Licht benutzt, für das sich ein 5%iges
                                 										Kalium-Bichromat-Filter von 20 mm Stärke mit dahinter befindlichem Gasglühlicht
                                 										am besten bewährt hatte. Als Platte wurde die Flavinplatte von Hauff in Feuerbach, die stark gelb empfindlich ist,
                                 										sehr brauchbar gefunden.
                              Für die Aufnahmen kamen drei verschiedene Vergrößerungen in Anwendung, und zwar
                                 										42 fache, 150 fache und 225 fache.
                              
                           
                              5. Erläuterung der Mikrophotogramme.
                              In Fig. 17 sehen
                                 										wir elektrolytisch niedergeschlagenes Kupfer, und zwar einen senkrecht zur
                                 										Kathodenfläche gelegten Schnitt vor uns. Die Struktur ist strahlig, die Strahlen
                                 										stehen im großen Ganzen senkrecht zur Kathode.
                              Fig. 18 stellt
                                 										einen Schnitt parallel zur Fläche der Kathode dar. Die Anordnung der Kristalle
                                 										ist sehr
                                 										unregelmäßig; in beiden Schnitten weist jedoch nichts auf Verunreinigungen
                                 										durch Kupferoxydul u. dgl. hin. Diese zeigen sich dagegen bei gegossenem Kupfer,
                                 										wie in Fig. 19,
                                 										die eine aus einem Kupferbarren entnommene Probe darstellt. Die Löcher sind
                                 										wahrscheinlich Gasblasen, in denen sich, wie an der roten Färbung erkennbar,
                                 										Kupferoxydul ebenso wie an der Oberfläche des Barrens gebildet hat. Die
                                 										Erstarrung ist wohl zu schnell vor sich gegangen, sodaß es nicht mit dem Kupfer
                                 										die eutektische Mischung bilden konnte. Dagegen sehen wir diese als feine Adern,
                                 										die sich stellenweise verbreitern, zwischen den nicht ausgebildeten unregelmäßig
                                 										geformten Kupferkristallen verlaufen, wie sich noch deutlicher bei stärkerer
                                 										Vergrößerung (Fig.
                                    											20) zeigt. Hier sieht man auch, daß diese Adern plastisch
                                 										hervortreten, weil sie durch das Aetzen weniger angegriffen waren als reines
                                 										Kupfer.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 324, S. 818
                                 Fig. 17. Elektrolyt. Kupfer, Schnitt senkrecht zur
                                    											Kathodenfläche.Fig. 18. Elektrolyt. Kupfer, Schnitt parallel zur
                                    											Kathodenfläche.Fig. 19. Gegossener Kupferbarren.Fig. 20. dgl.
                                    											Trennungslinien-Futektikum Cu-Cu2o.Fig.
                                    											21. dgl. Menge des Eutektikums größer.Fig. 22. Gegossener Kupferbarren,
                                    											Schnitt senkrecht zu Nr. 3.Fig. 23. dgl. Löcher enthalten Cu2o.Fig. 24. dgl. Nachträglich bis zur
                                    											Hellrotglut erhitzt.Fig. 25. Walzdraht, parallel zur
                                    											Walzrichtung
                                 
                              In Fig. 21
                                 										sehen wir die eutektische Mischung vergrößert und die Kupferkristalle gleichsam
                                 										in dieser schwimmen (cf. HeynE. Heyn:
                                       												Mitt. d. Königl. Techn. Versuchsanstalt Berlin 1900 p. 234.)
                                 										Kupfer und Sauerstoff). Hier hat das Kupferoxydul Zeit gehabt, die eutektische
                                 										Mischung zu bilden. Da die sämtlichen Proben ziemlich der Oberfläche des Barrens
                                 										an verschiedenen Stellen entnommen sind, so sind solche Unterschiede und auch so
                                 										große Gehalte an Kupferoxydul möglich, die natürlich nicht im Innern des Barrens
                                 										vorhanden sein können.
                              An einer Aufnahme an anderer Stelle (Fig. 22), wo das
                                 										Kupferoxydul sich wieder in den Gußlöchern befindet, zeigt sich deutlich eine
                                 										verschieden helle Färbung der einzelnen Kupferkomplexe, die ihren
                                 										Grund hat in einer verschiedenen Richtung- der aufbauenden Lamellen und
                                 										infolgedessen einer verschieden starken Einwirkung des Aetzens und verschiedener
                                 										Lichtreflexion. Bei stärkerer Vergrößerung (Fig. 23) zeigt
                                 										sich diese verschiedene Orientierung der Struktur des einzelnen Korns
                                 										deutlicherer. Auch ist auf einem derselben eine Dendritenbildung bemerkbar, wie
                                 										sie W. CampbellW. Campbell: l.c.p.
                                       											828. des öfteren beobachtet hat.
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 324, S. 819
                                 Fig. 26. 1. Zugstufe, parallel zur Zugrichtung.Fig. 27. 2. Zugstufe,
                                    											parallel zur Zugrichtung.Fig. 28. 3. Zugstufe, senkrecht zur
                                    											Zugrichtung.Fig. 29. Draht auf 0,5 mm gezogen, parallel zur
                                    											Zugrichtung.Fig. 30. derselbe, senkrecht zur Zugrichtung.Fig. 31.
                                    											Gezogener Draht auf 350° geglüht.Fig. 32. derselbe, auf 600°
                                    											geglüht.Fig. 33. Gezogener Draht von 0,5 mm, ¾ Std. auf 800°
                                    											geglüht.Fig. 34. Gezogener Draht von 2,0 mm, ¾ Std. auf 800°
                                    											geglüht
                                 
                              Um zum Walzen geeignet zu sein, wird nun der Barren auf Hellrotglut erhitzt. Die
                                 										Veränderung der Struktur bei diesem Vorgang zeigt Fig. 24. Wir sehen
                                 										hier, daß sich die unregelmäßig geformten Kristallkörner in polygonale große
                                 										Kristalle verwandelt haben. Durch das Walzen werden dieselben allerdings wieder
                                 										zerstört, immerhin verläßt aber der Draht die Walzenstraße noch bei einer
                                 										Temperatur von etwa 300°, so daß sich mittelgroße Kristalle trotz schneller
                                 										Abkühlung noch ausbilden können (Fig. 25).
                                 										Dieselben liegen unregelmäßig durcheinander; von Kupferoxydul, das sich ja an
                                 										der Oberfläche des Barrens befand, ist nichts zu sehen. Es ist wohl anzunehmen,
                                 										daß die Schicht durch das Walzen zu dünn geworden ist, um noch sichtbar zu sein,
                                 										oder gar vollständig abgesprungen ist.
                              Fig. 26 zeigt die
                                 										erste Stufe des nunmehr kaltgezogenen Drahtes, und zwar einen Schnitt parallel
                                 										zur Zugrichtung; die Verlängerung der Kristalle in derselben ist deutlich
                                 										erkennbar, sowie auch sehr gut das Auftreten von Spaltlinien (Gleitbändern) an
                                 										den Kristallen infolge der mechanischen Beanspruchung Die Fig. 27 zeigt an
                                 										der nächsten Zugstufe das allmähliche Herumfließen der Matrix, in der die
                                 										Kristallreste als einzelne Lamellen stehen bleiben. Ein Querschnitt
                                 										durch eine folgende Zugstufe ist in Fig. 28 abgebildet
                                 										und veranschaulicht gleichfalls das Herumfließen der amorphen Matrix um die
                                 										Kristallreste. Aber selbst sehr starkes Ziehen vermag diese nicht vollständig zu
                                 										zerstören (Fig.
                                    											29), und es ist also nicht möglich, eine größere Menge der amorphen
                                 										Matrix rein zu erhalten. Der Draht, der so weit heruntergezogen ist, daß im
                                 										Querschnitt (Fig.
                                    											30) bei der angewandten Vergrößerung einzelne Kristalle nicht mehr
                                 										erkannt werden können, sondern die Struktur ganz feinkörnig aussieht, wird
                                 										nunmehr geglüht. Es wurden Proben entnommen für die Temperatur, bei der das
                                 										Kupfer sein höchstes Leitvermögen erreicht, etwa 350° (Fig. 31), und dann
                                 										bei der Temperatur von 600°, bei der ja auch das Leitvermögen im vorhergehenden
                                 										Kapitel untersucht wurde (Fig. 32).
                              
                                 
                                 Textabbildung Bd. 324, S. 820
                                 Fig. 35. Walzdraht, verbrannt.Fig. 36. derselbe, Randpartie.Fig.
                                    											37. derselbe, andere Stelle und stärker geätzt.Fig. 38. derselbe, links
                                    											oben Stück einer Rille.Fig. 39. Schmelzperle eines in Luft geglühten
                                    											Kupferdrahtes.Fig. 40. dgl. gebildet bei Glühen im Vacuum
                                 
                              Durch Erhitzung auf 350° bilden sich, wie Fig. 31 zeigt,
                                 										Kristalle aus, die etwa die Größe derjenigen des Walzdrahtes erreichen und auch
                                 										wie diese ziemlich regellos durcheinandergewürfelt sind. Beim weiteren Glühen
                                 										bis auf 600° werden die Kristalle immer größer (Fig. 32), und sie
                                 										orientieren sich mehr in zwei zueinander senkrechten Richtungen. Bei den einen
                                 										stehen die sie zusammensetzenden Platten oder Facetten parallel zur
                                 										Schnittfläche oder senkrecht zur Drahtlänge, das sind die hellen, das Licht
                                 										vollständig reflektierenden, bei den andern stehen sie in einem mehr oder
                                 										weniger großen Winkel zur Schnittebene. Die Enden der Platten reflektieren das
                                 										Licht schlechter, daher erscheinen diese dunkler. Für die Größe der bei der
                                 										Erhitzung sich bildenden Kristalle kommt außer Erhitzungstemperatur und -zeit
                                 										auch noch der Durchmesser des geglühten Drahtes in Frage, wie die folgenden
                                 										Photogramme zeigen. Ein hartgezogener Draht von 0.5 mm und ein solcher von 2.0
                                 										mm Durchmesser wurden gleichzeitig ¾ Stunden lang auf 800° erhitzt. Die
                                 										Erhitzungszeit wurde deshalb so lang genommen, damit in dem dünneren
                                 										Drahte, der ja im Zustande größerer Spannung sich befindet, diese Spannungen
                                 										auch genügend Zeit hatten, sich auszulösen. Fig. 33 und 34 zeigen, daß die
                                 										Größe der gebildeten Kristalle mit dem Drahtdurchmesser wächst, gleichsam als
                                 										wenn sie in dem dickeren Drahte mehr Platz hätten sich auszudehnen. Vielleicht
                                 										spielen hier die bei den beiden Drahtstärken verschiedenen
                                 										Abkühlungsverhältnisse eine Rolle. Die gleiche Erscheinung wurde zu mehreren
                                 										Malen beobachtet.
                              Wird ein Draht lange Zeit zu stark (bis nahe unter den Schmelzpunkt) erhitzt, so
                                 										verbrennt er. Die Fig.
                                    											35–38
                                 										zeigen Schliffe eines verbrannten Drahtes von ca. 5 mm Durchmesser, der so
                                 										spröde geworden war, daß kurze Stücke mit Leichtigkeit in der Hand zerbrochen
                                 										werden konnten. Ein Schnitt in schwacher Vergrößerung (Fig. 35) zeigt,
                                 										daß das ganze Innere des Drahtes von tiefen Rillen durchfurcht ist, die an der
                                 										geringen Festigkeit die Schuld tragen. (Die feinen, kreuz und quer verlaufenden
                                 										Risse in Fig. 35
                                 										sind Schleifrisse, die nicht ganz weggeäzt wurden). Die Furchen gehen von außen
                                 										aus in das Metall hinein, wie Fig. 20, die eine
                                 										Randpartie darstellt, zeigt. Man sieht da, daß sich an der Oberfläche rund herum
                                 										eine Schicht abgelöst hat, die aus ganz porösem Kupfer wahrscheinlich mit viel
                                 										Kupferoxydul besteht. Diese Schicht ist durch eine Rille von dem Kern des
                                 										Drahtes an den meisten Stellen getrennt, und von dieser Rille aus führen die
                                 										Furchen in das Innere (Fig. 36). Wie an der cochenilleroten Färbung zu erkennen ist, hat
                                 										sich in denselben Kupferoxydul gebildet. Fig. 38, die ein
                                 										Stück einer Rille enthält, erinnert auch leicht an die Löcher bei gegossenem
                                 										Kupfer (Fig. 19).
                                 										Die Masse des Kupfers selbst ist in eine schöne große Kristalle zerfallen, bei
                                 										denen die Orientierung parallel und senkrecht zum Drahtquerschnitt
                                 										(besonders in Fig.
                                    											37) ganz deutlich zutage tritt. Die Kristalle, deren Facetten parallel
                                 										zur Schnittfläche liegen, wurden beim Aetzen weniger angegriffen und liegen
                                 										daher höher als die anderen.
                              Wird der Draht so stark geglüht, daß er schmilzt, so haben wir wieder die
                                 										Verhältnisse wie beim gegossenen Metall. Fig. 39 zeigt
                                 										einen Schnitt durch die Schmelzperle eines in Luft geglühten Drahtes. Wir sehen
                                 										hier deutlich die unvollständig ausgebildeten Kupferkristalle, die sich
                                 										gegenseitig im Wachstum beeinträchtigt haben, getrennt durch die teilweise sehr
                                 										breiten Rillen des Eutektikums, die erhaben sind, weil das letztere durch das
                                 										Aetzen nach E HeynE. Heyn: Mitt
                                       												d. Königl. Techn. Versuchsanstalt Berlin 1900, p. 324. nicht
                                 										so leicht angegriffen wird wie reines Kupfer.
                              Bringt man den Draht unter Luftabschluß im Vacuum durch Glühen zum Schmelzen, so
                                 										kann natürlich kein Sauerstoff eindringen. Fig. 40 zeigt
                                 										einen Schnitt durch eine im Vacuum erhaltene Schmelzperle. Sie zeigt sehr schöne
                                 										große Kristalle reinen Kupfers und keine Spur des Eutektikums oder von
                                 										Kupferoxydul. Die Lagerung der Facetten ist, wie der verschiedene Angriff des
                                 										Aetzens zeigt, auch hier bei den einzelnen Kristallen verschieden.
                              
                           
                              6. Leitvermögen und Struktur.
                              Den eigentümlichen Verlauf des Leitvermögens, das in gegossenem Zustande einen
                                 										sehr niedrigen Wert hat, durch Walzen dann erhöht wird, beim Ziehen wieder
                                 										sinkt, beim Ausglühen steigt und beim Ueberhitzen und Verbrennen wieder sinkt,
                                 										zu erklären, ist zuerst von L. AddicksL. Addicks:
                                       												l.c.p. 10. versucht worden.
                              Die niedrige Leitfähigkeit des gegossenen Kupfers rühre daher, daß es kombiniert
                                 										die Leitfähigkeiten der reinen Kupferkörner und der unreinen Matrix habe. Beim
                                 										Walzen wächst infolge der dadurch hergestellten besseren Kontakte die
                                 										Leitfähigkeit. Ihr Sinken infolge des Ziehens wird auf die Beschränkung der
                                 										Bewegungsfreiheit der Moleküle zurückgeführt, da mehr Arbeit aufzuwenden sei, um
                                 										ein Atom in Schwingungen zu versetzen, wenn es eine Ladung seinem Nachbar
                                 										weitergeben soll. Durch Glühen werden diese inneren Spannungen ausgeglichen;
                                 										beim Ueberhitzen bringt das Wachsen der Kristalle das Metall wieder in seinen
                                 										ursprünglichen Zustand, und die Leitfähigkeit sinkt.
                              Ich halte diese Deutung für nicht ganz glücklich. Lassen wir das gegossene Kupfer
                                 										fort, dessen Leitfähigkeit L. Addicks nicht
                                 										untersucht hat, und für dessen Oberfläche doch auch höchstens die gegebene
                                 										Deutung zutreffen könnte, – denn wenn das ganze Innere des gegossenen Barrens
                                 										verunreinigt sein sollte, so können doch diese Unreinigkeiten infolge des
                                 										Walzens nicht einfach verschwinden.
                              Beim gewalzten Kupfer ist die Leitfähigkeit verhältnismäßig hoch, wie ich selbst
                                 										auch durch einige Messungen an gewalzten Drähten von etwa 5 mm 
                                 										festgestellt habe.
                              Es sei ein Beispiel angeführt:
                              
                                 
                                    Widerstand bei 18°
                                    = 0.00010231 Ohm
                                    
                                 
                                    Länge
                                    = 133.80 mm
                                    
                                 
                                    Durchmesser
                                    = 5.3095 mm
                                    
                                 
                                    also spec. Leitverm.
                                    = 59.0066
                                    
                                 
                              gegenüber dem höchsten Wert bei gezogenem Draht von
                                 										58.240, ist also bedeutend größer als dieses.
                              Es liegen beim Walzdraht eben reine Kupferkristalle ohne trennende Matrix dicht
                                 										nebeneinander. Durch das Ziehen lagert sich nun zwischen die Kristalle die
                                 										amorphe schlechter leitende Matrix und vermindert so das gesamte Leitvermögen.
                                 										Durch Glühen wird sie wieder in die kristallinische Phase verwandelt, wir haben
                                 										wieder eine Struktur, die der des gewalzten Drahtes ähnelt (vergl. Fig. 25 und 31), und das
                                 										Leitvermögen steigt wieder. Durch das Ueberhitzen des Drahtes (über 500°)
                                 										wachsen die Kristalle nicht nur, sondern sie orientieren sich auch, wie oben
                                 										auseinandergesetzt in zwei zueinander senkrechten Richtungen. Diejenigen, deren
                                 										Facetten senkrecht zur Stromrichtung stehen, setzen, dem Strome einen größeren
                                 										Widerstand entgegen, weil noch der Uebergangswiderstand von Platte zu Platte zu
                                 										überwinden ist; außerdem liegt die Annahme nahe, daß die Trennungslinien
                                 										zwischen den einzelnen Kristallen infolge der Verkleinerung der gesämten
                                 										Trennfläche breiter werden (Fig. 37 und 38), wodurch auch
                                 										der Uebergangswiderstand noch vergrößert würde. Da beim überhitzten Draht ein
                                 										einzelner Kristall wegen seiner Größe einen relativ bedeutenden Teil des
                                 										Querschnittes erfüllt, so erhöhen solche Kristalle, deren Facetten senkrecht zur
                                 										Stromrichtung liegen, den Widerstand des Drahtes in verhältnismäßig viel
                                 										stärkerem Maße als das durch die nicht in der Stromrichtung liegenden Facetten
                                 										beim Walzdraht der Fall ist, weil hier die Kristalle viel kleiner und ziemlich
                                 										regellos durcheinander gewürfelt sind, so daß schon eher Kristalle mit in der
                                 										Stromrichtung liegenden Facetten aneinanderstoßen und so den Stromdurchgang
                                 										bequemer vermitteln.
                              
                           
                        
                           C. Zusammenfassung.
                           Die Hauptresultate meiner Untersuchungen lassen sich wie folgt kurz
                              									zusammenfassen:
                           
                              1. Es wird versucht, die beim Drahtziehen auftretenden Vorgänge
                                 										und Kräfte theoretisch zu behandeln.
                              2. Es wird festgestellt, daß das Leitvermögen von Kupferdrähten
                                 										infolge von Kaltziehen sinkt.
                              3. Die Dichte steigt infolge der gleichen Behandlung.
                              4. Es wird die Temperatur der beginnenden Rekristallisation
                                 										hartgezogener Kupferdrähte durch Untersuchung ihres Leitvermögens, des
                                 										Temperaturkoeffizienten des Leitvermögens und der Zerreißfestigkeit bei etwa
                                 										210° gefunden und ferner der Einfluß der Erhitzungszeit auf diese Temperatur
                                 										untersucht.
                              5. Durch Aufnahme von Erhitzungscurven wird der rein
                                 										strukturelle Charakter dieser Umwandlungen erwiesen.
                              6. Durch Mikrophotogramme werden die Vorgänge im Innern des
                                 										Kupfers während seines ganzen Entwicklungsganges veranschaulicht.
                              7. Es wird versucht, auf Grund der Strukturverhältnisse eine
                                 										Erklärung für die Aenderung des Leitvermögens in den verschiedenen Stadien
                                 										seiner Entwicklung zu geben.