| Titel: | Konstruktion der Ventilbeschleunigungen bei Füllungsänderungen. | 
| Autor: | O. Mader | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 17 | 
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                        Konstruktion der Ventilbeschleunigungen bei
                           								Füllungsänderungen.
                        Von Dr.-Ing. O. Mader,
                           								Aachen.
                        Konstruktion der Ventilbeschleunigungen bei
                           								Füllungsänderungen.
                        
                     
                        
                           Für die jetzt bei der Dampfmaschine viel verwendeten Schwingdaumensteuerungen,
                              									deren bekannteste die Lentz-Steuerung ist, benutzt man
                              									vielfach aus Kreisen und Geraden gebildete Nockenformen. Dies gestattet eine
                              									Festlegung der Form durch Zahlen und damit eine bequeme Herstellung der
                              									Werkstattschablonen. Das Verlangen nach stoßfreiem ruhigen Arbeiten der Steuerung
                              									macht jedoch eine größere Rücksichtnahme auf die vorkommenden Massenbeschleunigungen
                              									nötig; eine Forderung, der man einerseits durch tunlichste Verringerung der rasch zu
                              									beschleunigenden Masse, anderseits durch Konstruktion des Nockens nach einem
                              									bestimmten Beschleunigungsgesetz nachzukommen sucht.
                           Diese Nockenkonstruktion wird meist nur für eine Füllung
                              									der Maschine durchgeführt, bei anderen Füllungen ändern sich aber die
                              									Antriebsverhältnisse und damit auch die Beschleunigungen ziemlich stark. Daher kann
                              									aus dem Ergebnis der Betrachtung bei normaler Füllung noch kein Schluß auf das
                              									Verhalten der Steuerung bei anderen Füllungen gezogen werden. Es soll nun im
                              									folgenden an einem einfachen Beispiele eine Konstruktion dieser geänderten
                              									Beschleunigungen gezeigt werden, die zwar prinzipiell nichts Neues enthält, jedoch
                              									eine für schnellere handlichere Anwendung geeignetere Form darstellt.
                           Die kinematische Behandlungsweise der Aufgabe ist an die Vorlesung „Graphodynamik
                                 										der Steuerungen“ von Prof. W. Lynen, München
                              									und an „Tolle, Die Regelung der Kraftmaschinen“,
                              									angelehnt. Hier wird von der vielfach üblichen Benutzung der lotrechten
                              									Geschwindigkeiten abgesehen und mit der geometrischen Zusammensetzung der
                              									lagerichtig gezeichneten Geschwindigkeiten und Beschleunigungen aus einzelnen
                              									Komponenten gearbeitet. Das Beispiel eines Schwingenantriebes (Fig. 1) möge diese Behandlungsart erläutern.
                           Ein Exzenter IA = R rotiere mit der
                              									Winkelgeschwindigkeit w und der Winkelbeschleunigung
                              										ε. Es ist dann die Geschwindigkeit vA des Punktes A:Zeichenerklärung: In den folgenden Figuren soll stets bedeuten:Textabbildung Bd. 326, S. 17(Vergl. Tolle, 2. Aufl.
                                    											S. 17.).
                           vA = wR = IA • tg ϑ und die
                              									Beschleunigung bA des
                              									Punktes A besteht erstens aus einer nach dem Drehpunkt
                              										I gerichteten Normalbeschleunigung nA = wR = (IA • tg ϑ) tg ϑ und einer ⊥ IA verlaufenden Tangentialbeschleunigung tA
                              									= ε R.
                           Rotiert, wie wir annehmen wollen, das Exzenter IA
                              									gleichförmig, so wird die Winkelbeschleunigung ε = O. Die allein übrig bleibende Normalbeschleunigung nA kann berechnet oder
                              									konstruiert werden.Zur Konstruktion
                                    											errichtet man im Endpunkt Av der Geschwindigkeit vA eine
                                    											Senkrechte auf die Linie IAv, die dann auf dem verlängerten Radius IA eine Strecke w2R
                                    											= na
                                    											abschneidet (Fig. 1). Die Richtung von nA verläuft
                                    											jedoch stets gegen den Drehpunkt I.
                                    											Voraussetzung für obige Konstruktion ist die Bestimmung des Maßstabes der
                                    											Beschleunigungen aus den Maßstäben der Längen und Geschwindigkeiten. Macht
                                    											man z.B.1 m inWirklichkeit= 1/a minZeichnungund1 m/Sek.„= 1/b m„„so wird derMaßstab der Beschleunigungen1 m/Sek2i. W.= a/b2
                                          													m.Wählt man den Maßstab der Beschleunigungen unabhängig
                                    											von dem der Längen und Geschwindigkeiten = 1/c, so hat man das Ergebnis der
                                    											Konstruktion noch mit cb2/a zu
                                    											multiplizieren.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 17
                              Fig. 1.
                              
                           Durch eine Exzenterstange AB = l wird ein in dem festen
                              									Punkte II drehbar gelagerter Hebel II B = r in schwingende Bewegung versetzt. Zu bestimmen
                              									sind die Bewegungsverhältnisse der Stange II B, d.h.
                              									deren Winkelgeschwindigkeit w1 und Winkelbeschleunigung ε1. Dazu fassen wir die Bewegung der Stange AB zuerst als eine Parallelverschiebung mit der
                              									Geschwindigkeit vA und
                              									der Beschleunigung bA
                              									von A und eine gleichzeitige Drehung um A mit einer vorerst unbekannten Winkelgeschwindigkeit
                              										w2 und
                              									Winkelbeschleunigung ε2
                              									auf. Denken wir uns dann Punkt B als einen Punkt der
                              									Stange AB, so setzt sich die Geschwindigkeit vB zusammen aus:
                           vB =
                              										vA +→ vB um A,
                           wo vB
                                 										um A die nur der Richtung (XX' ⊥ AB) nach bekannte Geschwindigkeitskomponente AB
                                 										w2 von B
                              									infolge der Drehung der Stange AB um A vorstellt.
                           Punkt B kann aber auch als zu Schwinge II B gehörig aufgefaßt werden, und dafür kennen wir die
                              									Richtung (YY' ⊥ II B) der
                              									Geschwindigkeit vB
                              									= II B w1, Der
                              									Schnittpunkt der Richtungen XX' und YY' liefert den Endpunkt Bv der Geschwindigkeit vB und damit vB. Auch die der Größe
                              									nach bisher unbekannte Komponente AB w2 und damit w2 ist nun gefunden.
                           Zur Bestimmung der Beschleunigung bB des Punktes B sehen
                              									wir zuerst wieder B als zu Stange AB gehörig an. Dann setzt sich die Beschleunigung bB zusammen aus: bB = bA +→ nB um a +→ tB um A, wo nB um a die der Geschwindigkeit vB um
                              									a = AB w2
                              									entsprechende, wie na
                              									zu konstruierende Normalbeschleunigung AB w2, tB um A die nur der Richtung (ZZ' ∥ XX') nach bekannte
                              									Tangentialbeschleunigung AB • ε2 bei der Drehung von AB um A vorstellt.
                           Wenn Punkt B hinwieder als Punkt der Schwinge II A aufgefaßt wird, so setzt sich die Beschleunigung
                              									von B zusammen aus: bB = nB +→ tB, wo nB die vb = II B w1 entsprechende Normalbeschleunigung II Bw21 und tB die entsprechende, nur der Richtung (UU' ∥ YY') nach bekannte
                              									Tangentialbeschleunigung II B • ε1 vorstellt. Der Schnitt von ZZ' und UU' liefert den Endpunkt Bb der
                              									Gesamtbeschleunigung bb. Aus vb ergibt
                              									sich dann w_1=\frac{v_B}{r} und aus
                              										t_B\,:\,\epsilon_1=\frac{t_B}{r}.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 18
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 18
                              Fig. 3.
                              
                           Als Steuerungsschema sei unserem Konstruktionsbeispiel
                              									der in Fig. 2 gezeichnete Ventilantrieb einer Lentz-Steuerung zugrunde gelegt:
                           Auf der Kurbelwelle I befindet sich ein unter dem
                              									Einflüsse eines Achsenreglers stehendes Exzenter IA,
                              									das mit der Maschinenkurbel IK den Winkel 90° + δ1 einschließt. Durch
                              									die Flügelstange AB wird der um II drehbare Schwinghebel II B angetrieben,
                              									der den Nocken und daran anschließend die Rast (vom Halbmesser II D = p) trägt. Auf dem Nocken schleift die zu einer
                              									Spitze CDie praktisch
                                    											allein ausführbare Ventilrolle deutet Fig. 3
                                    											an. Die Form des dazu gehörigen Nockens wird später noch
                                    										besprochen. zusammengeschrumpft gedachte Ventilrolle. Hat sich der
                              									Schwinghebel II B um den Winkel β aus seiner Mittellage herausgedreht, so habe sich die Ventilspitze C um DC = ξ von der Rast entfernt. (Ventilerhebung = ξ.)
                           Bei Gestaltung der Nockenform sind durch das
                              									Dampfdiagramm meist der Zeitpunkt für Oeffnen (VE) und
                              									Schließen (Exp) des Ventils vorgeschrieben, ebenso
                              									durch die Abmessungen der Maschine der Ventilhub s. Zu
                              									wählen sind die Größen- und Lagenverhältnisse des Antriebes, außerdem ein
                              									Beschleunigungsgesetz. Aus diesem kann rechnerisch oder zeichnerisch die einer
                              									bestimmten Schwinghebelstellung β zugehörige
                              									Ventilbeschleunigung \left(\frac{d^2\,\xi}{d\,t^2}\right),
                              									Ventilgeschwindigkeit \left(\frac{d\,\xi}{d\,t}\right) und
                              									Ventilerhebung (ξ) ermittelt werden, wobei t die Zeit vorstellt.
                           Es soll z.B. für das Dampfeinlaßventil unserer Lentz-Steuerung bei 50 v. H. Füllung (Exp in Fig. 2) der Ventilhub s
                              									= 15 mm betragen und diese Höhe bei einem Kurbeldrehwinkel von 48° erreicht werden.
                              									Dies entspricht bei einer Tourenzahl von n = 130 i. d.
                              									Min. einer Oeffnungszeit von
                              										T=\frac{60\,.\,48^{\circ}}{n\,360^{\circ}}=0,0615 Sek. Als
                              									Beschleunigungsgesetz sei das Sinusgesetz angenommen, wie es bei dem Kurbeltrieb mit
                              									unendlich langer Flügelstange und bei jeder harmonischen Schwingung auftritt: Denkt
                              									man sich eine Kurbel IA = s/2 (Fig. 4) gleichförmig mit der
                              									Winkelgeschwindigkeit w = αt rotierend, so hat der Punkt A die
                              									Geschwindigkeit va =
                              										IA w = s/2 • αt und
                              									ein mit A durch eine unendlich lange Stange gekuppelter
                              									Kolben B von der Totlage T1 die Entfernung
                           
                              \xi=\frac{s}{2}\,(1-\mbox{cos}\,\alpha\,t)
                              
                           und die Geschwindigkeit
                           
                              \frac{d\,\xi}{d\,t}=\alpha\,.\,\frac{s}{2}\,\mbox{sin}\,\alpha\,t
                              
                           und die Beschleunigung
                           
                              \frac{d^2\,\xi}{d\,t^2}=\alpha^2\,\frac{s}{2}\,\mbox{cos}\,\alpha\,t.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 18
                              Fig. 4.
                              
                           In unserem Falle denken wir uns das Ventil durch die
                              									Kurbel IA angehoben und wieder geschlossen, worauf eine
                              									längere Pause eintritt. Die Beschleunigungskurve stellt sich dann, auf die
                              									Ventilerhebung (ξ) als Abszisse wie in Fig. 4 bezogen, als eine gerade Linie, die
                              									Geschwindigkeitskurve im allgemeinen als eine Ellipse, wenn der
                              									Geschwindigkeitsmaßstab jedoch so gewählt war, daß va = s/2, als ein Kreis
                              									dar. Auf die Zeit, bzw. den Kurbeldrehwinkel als Abszisse bezogen, werden
                              									Beschleunigungs-, Geschwindigkeits- und Ventilerhebungskurven Sinuslinien.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 18
                              Fig. 5.
                              
                           Die Konstante α ergibt sich aus der Grenzbedingung daß
                              									bei t = T = 0,0615 Sek. ξ
                              									= s werden muß, zu
                              										\alpha=\frac{\pi}{T}=51,2. Die bei Anfang, Mitte und Ende der
                              										Oeffnungszeit
                              									auftretende maximale Beschleunigung beträgt in unserem Beispiele
                              										\alpha^2\,.\,\frac{s}{2}=19,7
                              									m/Sek.2
                           Die Aufzeichnung der Nockenkurve erfolgt am besten in ihrer Mittellage (ß = O). Dazu denkt man sich in Fig. 2 den Schwinghebel B II
                                 										D um den Winkel β zurückgedreht, wobei D nach D' (Fig. 5) gelangt und trägt nun II D' C' = ρ + ξ ab. Dies hat man für andere
                              									Winkel β zu wiederholen und erhält so die von der
                              									Ventilspitze relativ zum Schwinghebel beschriebene Wegkurve, d.h. den Nocken. Da die
                              									in Fig. 2 und 5
                              									angenommene scharfe Ventilspitze praktisch durch eine Rolle ersetzt werden muß, so
                              									ist der wirklich auszuführende Nocken eine Aequidistante zur konstruierten Kurve im
                              									Abstande des Ventilrollenradius, wie in Fig. 3
                              									angedeutet ist.
                           
                        
                           
                              Antriebsänderung.
                              
                           Durch die nunmehr festgelegte Nockenform ist für jede neue Bewegungsart des
                              									Schwinghebels auch die Bewegungsart des Ventiles bestimmt.Um diesen Zusammenhang kinematisch zu verfolgen,
                                    											wird das Nockengetriebe meist durch eine Vierzylinderkette (II MC III in Fig.
                                       												6, wo III im ∞ liegt) ersetzt,
                                    											(vergl. Hartmann, Die Bewegungsverhältnisse von
                                    											Steuergetrieben mit unrunden Scheiben, Z. d. V. d. 1. 1905) von der aber
                                    											Gelenk M, der jeweilige Krümmungsmittelpunkt
                                    											des Nockens, umständlich zu finden und vielfach praktisch unzugänglich ist.
                                    											Deshalb ist im weiteren diese Darstellung nicht verwendet.
                           Dieser Fall tritt bei einer Füllungsänderung der Maschine ein. Es verschiebt dann der
                              									Regler den Exzentermittelpunkt von A1 nach A2 auf der „Scheitelkurve“ der Steuerung, d.h.
                              									der Voreilwinkel ändert sich um δ2 – δ1 , die Exzentrizität um R2
                              									– R1 (Fig. 7).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 19
                              Fig. 6.
                              
                           Die bisher betrachtete Nockenstellung (∢ ß) wird nun
                              									schon um den Kurbeldrehwinkel γ früher eintreten und in
                              									diesem Augenblick hat dann der Schwinghebel II B die
                              									Winkelbeschleunigung ε2
                              									bzw. die Winkelgeschwindigkeit w2, die ebenso wie ε1 und w1 aus w sich bestimmen
                              									(nach Fig. 1).
                           
                        
                           
                              Vereinfachung des Antriebes.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 19
                              Fig. 7.
                              
                           Meist ist die Exzenterstange AB gegenüber R und r sehr lang, so daß
                              									dann die Auslenkungen (x) eines Exzenterpunktes A und des Schwingenendpunktes B aus ihren Mittellagen stets angenähert einander gleich werden. Deshalb
                              									müssen die horizontalen Komponenten von vA
                              									und vB wie auch
                              									von bA und bB einander gleich
                              									werden:
                           vhA = vhB und bhA = bhB.
                           Aus Fig. 8 folgt, daß
                           
                              {v^h}_A=h\,\frac{w\,I\,A}{I\,A}=h\,w
                              
                           
                              {b^h}_A=x\,\frac{w^2\,I\,A}{I\,A}=x\,w^2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 19
                              Fig. 8.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 19
                              Fig. 9.
                              
                           Legt man die Drehpunkte I und II aufeinander, so liegen stets A1, A'2 und B auf derselben
                              									Senkrechten. Es bestimmen sich dann die wagerechten Geschwindigkeitskomponenten für
                              									den neuen Exzentermittelpunkt A'2 aus
                           \frac{{v^h}_{A_1}}{{v^h}_{A_2}}=\frac{A_1\,E}{A'_2\,E}=\frac{h_1}{h_2}
                              										(Fig. 9)
                           und die horizontalen Beschleunigungskomponenten zu
                              										{b^h}_{A_2}={b^h}_{A_1}, da x
                              									für A1 und A'2 das gleiche ist,
                              									ein Zusammenhang, der die spätere zeichnerische Arbeit sehr vereinfacht. Wenn B mit A'2 gekuppelt ist, wird natürlich
                              										{v^h}_B={v^h}_{A_2} und
                              										{b^h}_B={b^h}_{A_2}.
                           Benötigt man nb und tb, so bestimmt man
                              									diese durch Umkehrung der in Fig. 8 angedeuteten
                              									Konstruktion.
                           Um die Zeichenarbeit noch weiter zu vereinfachen, denkt man sich die Bewegung des
                              									Nockens in der Weise erzielt, daß der Schwinghebel II B
                              									mit dem daran befestigten Nocken sich in seiner Mittelstellung in Ruhe befinde und
                              									der Ventilführung eine der früheren Schwinghebelbewegung entgegengesetzte Bewegung
                              									erteilt werde. (– w1, –
                              										ε1 bzw. – w2, – ε2). Dies könnte auch
                              									durch den in Fig. 5 strichpunktiert gezeichneten
                              									Antrieb ([I] [A]) erzielt
                              									werden. Der Vorteil dieser Anordnung liegt darin, daß nunmehr die schwierige
                              									Nockenform sich direkt in der Zeichnung, ohne jedes umständliche und ungenaue
                              									Zurückdrehen, ergibt.
                           
                        
                           
                              Beschleunigungskonstruktion.
                              
                           Ehe die Beschleunigung für den allgemeinen Fall der Fig.
                                 										5 bestimmt wird, wurde die Konstruktion durchgeführt für den Sonderfall, daß II B = ∾,
                              									d.h. für den Fall eines parallel verschobenen Nockens (Fig. 10 u. 11). Solange der Antrieb des
                              									Nockens von A1 ausgeht,
                              									setzt sich die Geschwindikgeit
                              									vF1 der Ventilspitze –
                              									in diesem Falle mit F1
                              									bezeichnet – zusammen aus:
                           
                              v_{F_1}={v^h}_{A_1}+\rightarrow\,\frac{d\,\xi_1}{d\,t}
                              
                           wobei die Ventilgeschwindigkeit
                              										\frac{d\,\xi_1}{d\,t} sich aus der früheren Rechnung (vergl.
                              										Fig. 4) ergeben hat.
                           Beim Antrieb von A'2 aus
                              										(Fig. 11) wird die Ventilgeschwindigkeit v_{F_2}={v^h}_{A'_2}+\rightarrow\,\frac{d\,\xi_2}{d\,t},
                              									die Richtung aller Glieder bleibt dieselbe wie bei vF1, so daß sich die noch unbekannte neue
                              									Ventilgeschwindigkeit \frac{d\,\xi_2}{d\,t} nach Fig. 11 aus
                           
                              \frac{d\,\xi_2}{d\,t}=\frac{d\,\xi_1}{d\,t}\,.\,\frac{{v^h}_{A'_2}}{{v^h}_{A_1}}
                              
                           konstruieren läßt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 20
                              Fig. 10.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 20
                              Fig. 11.
                              
                           Die Beschleunigung bF1
                              										(Fig. 10) setzt sich zusammen aus einer
                              									horizontalen Beschleunigung {b^h}_{F_1}={b^h}_{A_1} und einer
                              									vertikalen Beschleunigung {b^v}_{F_1}=\frac{d^2\,\xi_1}{d\,t^2},
                              									der errechneten Ventilbeschleunigung, wodurch bF1 gefunden ist. Diese Beschleunigung kann aber auch
                              									zerlegt werden in eine Tangentialbeschleunigung tF1 in der Richtung UU'
                              									der Bahnkurve von F1 (∥
                              										vF1) und eine gegen
                              									den augenblicklichen Krümmungsmittelpunkt dieser Bahn gerichtete
                              									Normalbeschleunigung nF1.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 20
                              Fig. 12.
                              
                           Bei der Bestimmung der dem Antrieb von A'2 aus entsprechenden Beschleunigung bf2 bleibt die
                              									Komponente {b^h}_{F_2}={b^h}_{A'_2}={b^h}_{A_1} nach dem Früheren
                              									bestehen; von der neuen Ventilbeschleunigung
                              										\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2} dagegen ist nur ihre Richtung XX' bekannt. Da wir jedoch wissen, daß F2 dieselbe Bahn wie
                              										F1 durchlaufen muß,
                              									wenn auch mit anderen Geschwindigkeiten, so wissen wir auch, daß
                           
                              \frac{n_{F_2}}{n_{F_1}}=\left(\frac{v_{F_2}}{v_{F_1}}\right)^2
                              
                           da stets eine Normalbeschleunigung
                              										n_F=\frac{{v^2}_F}{R}, wo vf die Geschwindigkeit und R den Krümmungsradius der Bahn im Punkte F
                              									vorstellt. Damit können wir nf2 berechnen oder, wie in Fig. 11
                              									geschehen, nach der bereits bei Fig. 1 erörterten
                              									Methode konstruieren. In Fig. 11 stellt jedoch K nicht den wirklichen Krümmungsmittelpunkt der Bahn
                              									von F2 vor, sondern nur
                              									einen aus der Beziehung
                              										\frac{F\,K}{v_{F_2}}=\frac{v_{F_1}}{n_{F_1}} gefundenen
                              									Konstruktionspunkt. Hier hat auch die an Fig. 1
                              									geknüpfte Bemerkung über den Maßstab der Beschleunigungen keine Geltung.
                           Außer nf2 kennen wir von
                              										tf2 die Richtung
                              										(YY' ∥ vnf2), ihr Schnitt mit der Richtung von
                              										\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2}\ (X\,X'\,\bot\,{v^h}_{F_2}),
                              									liefert den Endpunkt von bf2 und damit die gesuchte Ventilbeschleunigung
                              										\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2}.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 20
                              Fig. 13.
                              
                           Umständlicher gestaltet sich die Konstruktion der Ventilbeschleunigung
                              									\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2} für den allgemeinen Fall, wenn ρ und r endlich werden. Die Beschleunigung der Ventilspitze
                              									setzt sich dann aus vier Komponenten zusammen.
                           1. Normalbeschleunigung infolge der Drehung um II
                           
                              =(\rho+\xi)\,{w^2}_2
                              
                           2. Tangentialbeschleunigung bei der Drehung um II
                           = (ρ + ξ)
                              										ε2
                           3. Coriolisbeschleunigung infolge des Gleitens auf II
                                 									C
                           
                              =2\,\frac{d\,\xi_2}{d\,t}\,.\,w_2
                              
                           4. Gleitbeschleunigung auf II C =
                              									Ventilbeschleunigung
                           
                              =\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2}
                              
                                 
                                 Zum Vergleich mit Fig. 10 und 11 sei die direkte Konstruktion von
                                    												b_{C_1} aus obigen vier Komponenten in Fig. 12 und von b_{C_2} in
                                    												Fig. 13 angedeutet, ohne näher darauf
                                    											einzugehen. Der Index 1 bedeutet stets den Antrieb von A1 aus, der
                                    											Index 2 den von A'2 aus. Die Ventilspitze, die auf dem Nocken schleift, sei mit C1 (bezw. C2), der Punkt
                                    											der Nockenkurve, mit dem C1 (C2) gerade zusammenfällt, mit D1 (D2)
                                    											bezeichnet.
                                 Zu Fig. 12: Bestimmung der Geschwindigkeit von v_{C_1}.
                                    											Gegeben v_{A_1}. Daraus {v^h}_{B_1}.
                                    											Richtung von v_{B_1}\,\bot\,II\,B und von
                                    												{v^v}_{B_1} ist gegeben; deren Schnittpunkt liefert
                                    											den Endpunkt von v_{B_1}, wodurch auch w1 = tg ϑ1 gefunden
                                    											ist. Daraus vD1. Tragen wir im Endpunkt von
                                    												v_{D_1}\,\parallel\,II\,B die früher errechnete
                                    											Gleitgeschwindigkeit \frac{d\,\xi_1}{d\,t} von C1 auf II D auf, so erhalten wir den Endpunkt von
                                    												v_{C_1}.
                                 Bestimmung der Beschleunigung
                                    											b_{C_1}. Auf bekannte Weise sei
                                    												b_{A_1} konstruiert und in
                                    												{b^h}_{A_1} und {b^v}_{A_1}
                                    											zerlegt. {b^h}_{A_1}={b^h}_{B_1}. Von
                                    												{b^v}_{B_1} kennen wir die Richtung XX'. Außerdem läßt sich
                                    												n_{B_1}=\frac{{v^2}_{B_1}}{I\,B_1} konstruieren und
                                    											dann die Richtung YY' von
                                    												t_{B_1} angeben. Der Schnitt von XX' und YY'
                                    											liefert den Endpunkt von b_{B_1}. Die Beschleunigung
                                    												b_{D_1} von D1 ist dann
                                    												\parallel\,b_{B_1} und außerdem
                                    												b_{D_1}=b_B\,\frac{I\,D_1}{I\,B_1}.
                                 Die Beschleunigung b_{C_1} der Ventilspitze C1 setzt sich
                                    											aus
                                    												b_{C_1}=b_{D_1}+\rightarrow\,2\,\frac{d\,\xi_1}{d\,t}\,.\,w_1+\rightarrow\,\frac{d^2\,\xi}{d\,t^2}
                                    											zusammen. Dabei stellt das zweite Glied die sogen. Coriolisbeschleunigung
                                    											vor, die stets senkrecht zur Bewegungsrichtung des festen Punktes D1 verläuft,
                                    											und zwar mit dieser, bei einem Gleiten des
                                    											Punktes C1 vom
                                    											Krümmungsmittelpunkt I weg, umgekehrt, bei
                                    											Annäherung an I.
                                    												\frac{d\,\xi_1}{d\,t}\,.\,w läßt sich rechnen oder
                                    											wie in Fig. 12 aus
                                    												\frac{d\,\xi_1}{d\,t} und ϑ = arc tg w1 konstruieren. Das dritte Glied
                                    												\frac{d^2\,\xi_1}{d\,t^2} ist aus unserer früheren
                                    											Rechnung (Fig. 4) bekannt. Das so gefundene
                                    												b_{C_1} läßt sich wieder in ein
                                    												n_{C_1}\,(\bot\,v_{C_1}) und ein
                                    												t_{C_1}\,(\parallel\,v_{C_1}) zerlegen.
                                 Zu Fig. 13: Bestimmung der Geschwindigkeit
                                    											v_{C_2}. Wie v_{D_1} läßt sich auch
                                    												v_{D_2} bestimmen! Die Gleitgeschwindigkeit
                                    												\frac{d\,\xi_2}{d\,t} von C2 ist jedoch nicht mehr bekannt,
                                    											sondern muß aus
                                    												\frac{d\,\xi_2}{d\,t}=\frac{d\,\xi_1}{d\,t}\,.\,\frac{v_{D_2}}{v_{D_1}}
                                    											konstruiert werden.
                                 Bestimmung der Beschleunigungb_{C_2}. Die Bestimmung der Beschleunigung
                                    												b_{D_2} erfolgt analog wie für
                                    												b_{D_1}. Von den drei Komponenten der Beschleunigung
                                    												b_{C_2} ist diesmal nur b_{D_2}
                                    											und die Coriolisbeschleunigung
                                    												2\,v_{D_2}\,\frac{d\,\epsilon_2}{d\,t} nach Größe und
                                    											Richtung bekannt, während wir von
                                    												\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2} nur die Richtung (UU ∥ DI)
                                    											kennen.
                                 Wir wissen jedoch außerdem, daß
                                    												n_{C_2}=n\,{C_1}\,\left(\frac{v_{C_2}}{v_{C_1}}\right)^2
                                    											da ja C2
                                    											dieselbe Bahn durchläuft wie C1, nur mit anderen Geschwindigkeiten.
                                    											Außerdem ist uns die Richtung von
                                    												t_{C_2}\,(Z\,Z'\,\parallel\,v_{C_1}) bekannt. Der
                                    											Schnitt der Richtungen UU' und ZZ' liefert den Endpunkt von
                                    												b_{C_2} und damit auch die gesuchte Komponente
                                    												\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2}.
                                 
                              
                           
                           Gesucht ist nur die 4. Komponente, die Gleitbeschleunigung. Diese kann aber mit
                              									einfacheren zeichnerischen Mitteln gefunden werden, wenn wir den um II drehbaren wirklichen Nocken (Fig. 14) durch einen parallel verschobenen Nocken
                              										(F) der früher besprochenen Art (wie in Fig. 10 u. 11)
                              									ersetzen, der bei gleicher Schwinghebelstellung (B) die
                              									gleiche Ventilerhebung (ξ) wie der wirkliche Nocken
                              									gibt und mit dem wir die in Fig. 10 u. 11 erläuterte Konstruktion von
                              										\frac{d^2\,\xi_2}{d\,t^2} ausführen können. Die praktische
                              									Brauchbarkeit dieses Hilfsnockens ist dabei gleichgültig.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 21
                              Fig. 14.
                              
                           Die Ergebnisse einer solchen Konstruktion für das
                              									Oeffnen des Ventiles sind in den Fig. 15–18 zusammengestellt.
                              									Zugrunde gelegt war das schon früher bei Annahme des Beschleunigungsgesetzes
                              									erwähnte Beispiel einer Lentz-Steuerung, deren Diagramm
                              									(nach Bilgram) Fig. 15
                              									zeigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 21
                              Fig. 15.
                              
                           Es war R = II B = 66 mm, 1 = 600 mm = ∾, und für
                              									eine Füllung von
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 21
                              Fig. 16.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 21
                              
                           
                              
                                 50%
                                 : r1 =
                                 IA1 =
                                    											50
                                 mm, der
                                 Ventilhub ξmax
                                 = 15
                                 mm
                                 
                              
                                 42,5%
                                 : r1 =
                                 IA2 =
                                    											46,5
                                   „
                                 „
                                 =   9
                                   „
                                 
                              
                                 35%
                                 : r3 =
                                 IA3 =
                                    											44
                                   „
                                 „
                                 =   6
                                   „
                                 
                              
                                 20%
                                 : r4 =
                                 IA4 =
                                    											39,5
                                   „
                                 „
                                 =   2
                                   „
                                 
                              
                           
                              
                                 die maximale Ventilbeschleunigung
                                    												\left(\frac{d^2\,\xi}{d\,t^2}\right)_{max}
                                 = 19,7
                                 m/Sek.2
                                 
                              
                                 „
                                 = 15,7
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 = 12
                                 „
                                 
                              
                                 „
                                 =   6,3
                                 „
                                 
                              
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 22
                              Fig. 19.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 22
                              Fig. 20.
                              
                           In Fig. 16 sind die Beschleunigungen (–––––) und die
                              									Geschwindigkeiten (-----------) bezogen auf die Ventilerhebung ξ, in Fig. 17 bezogen auf
                              									die Zeit, bezw. den Drehwinkel der Maschine dargestellt, in Fig. 18 außerdem die
                              									Ventilerhebung, bezogen auf die Zeit.
                           Bisher war eine einfache Ventilanordnung besprochen. Die angegebene kinematische
                              									Konstruktion läßt sich aber in der gleichen Weise auch bei geänderten Antriebsverhältnissen verwenden, wie sie z.B. die Fig. 19 und 20
                              									zeigen.
                           
                        
                           
                              Zusammenfassung.
                              
                           Bei Schwingdaumensteuerungen ändern sich mit der Füllung auch die
                              									Ventilgeschwindigkeits- und Ventilbeschleunigungsverhältnisse. Es wird eine
                              									vereinfachte kinematische Konstruktion der neuen Bewegungsverhältnisse angegeben,
                              									wenn für eine Füllung diese bekannt sind; dafür wird
                              									statt eines sich drehenden Nockens ein parallel verschobener Nocken benutzt.