| Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. | 
| Autor: | A. Bucher | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 22 | 
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                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
                           								Brüssel 1910.
                        Von Ingenieur A. Bucher,
                           								Tegel bei Berlin.
                        (Fortsetzung von S. 4 d. Bd.)
                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
                           								1910.
                        
                     
                        
                           Von den bekannten Fabriken in Belgien, die den Lokomotivbau aufgenommen haben,
                              									sind mit Ausnahme von Carels frères in Gent ziemlich
                              									alle vertreten. Die Gesamtzahl 16 in diesem kleinen Lande mit rund 7½ Millionen
                              									Einwohnern und 9000 km Gleislänge ist auffallend groß, dabei haben sieben Firmen die
                              									Fabriknummer 1000 schon überschritten, zwei davon wiesen sogar bereits Fabriknummern
                              									weit über 2000 auf. Eine besonders wirkungsvolle Aufstellung von sechs verschiedenen
                              									hintereinander stehenden Lokomotiven, alle mit genau gleichem Anstrich, in durchwegs
                              									schönen Formen und sorgfältiger Ausführung brachte die zweitgrößte belgische
                              									Lokomotivfabrik, die Société anonyme des Ateliers de La
                                 										Meuse in Schessin-Liége, währenddem die Soc. anon.
                                 										de Haine St. Pierre (Direktor L. Goldschmid)
                              									eine kräftige Tenderlokomotive für den Export nach Spanien vorführte.
                           Sämtliche Firmen beteiligen sich in erster Linie an den Lokomotivlieferungen für die
                              									Belgischen Staatsbahnen – als dem regelmäßigsten Kunden und zuverlässigsten Zahler
                              									für sie –, und zwar wurden von den 16 Ausstellern fünf verschiedene Staatsbahntypen
                              									vorgeführt, von denen die neueste und schwerste, die Type 36, ein Verkaufsobjekt von
                              									durchschnittlich 103000 M f. d. Stück darstellt, entsprechend einem Preis von 1,15 M
                              									f. d. kg Fertiggewicht.
                           Von den 20 deutschen Lokomotivfabriken hatten sich neun Firmen an der Weltenschau
                              									beteiligt, wobei von den 12 preußischen Fabriken sieben ausgestellt hatten; die
                              									beiden anderen Aussteller waren J. A. Maffei
                              									in München mit einer
                              									Vierzylinder-Verbund-Heißdampf-Schnellzuglokomotive der von ihm bereits für
                              									verschiedene süddeutsche Hauptbahnen vorzüglich ausgeführten Pacific-Bauart mit Barrenrahmen, in mattem, graugrünem Anstrich, der
                              									zwischen den übrigen dunkelgrün lackierten Lokomotiven eine vorteilhafte
                              									Abwechselung bot; dann die Maschinenfabrik A.-G. vormals R.
                                 										Hartmann in Chemnitz für die Sächsischen Staatseisenbahnen mit einer
                              									Zwillingsheißdampf-Schnellzuglokomotive, in Ausführung und äußerer Formgebung eine
                              									der schönsten Lokomotiven der ganzen Ausstellung.
                           Die sieben preußischen Lokomotivfabriken mit zusammen elf verschiedenen Bauarten
                              									boten unzweifelhaft die vielseitigste Vorführung und ein gutes Bild für ihre
                              									Leistungsfähigkeit und ihre Bestrebungen; namentlich die sieben verschiedenen
                              									Lokomotivtypen für die Preußische Staatsbahn, die verdienstvolle Bahnbrecherin für
                              									Heißdampflokomotiven, gaben eine vollständige Uebersicht über den gegenwärtigen
                              									Stand ihrer Betriebsmittel sowie eine Fülle von Anregungen über den weiteren
                              									erfolgreichen Ausbau der Dampflokomotive. Mit Befriedigung konnte man bei einigen
                              									neueren Typen bemerken, daß der Konstrukteur selbst im Rahmen der preußischen Normen
                              									sich bemüht hatte, in der äußeren Formgebung nicht bloß auf Zweckmäßigkeit, sondern
                              									auch auf Schönheit sein Augenmerk zu richten.
                           
                           Die Ausführung der einzelnen Lokomotiven war durchweg gut, auch die
                              									Instandhaltung war sorgfältig, namentlich bei jenen Firmen, welche die Kosten der
                              									Vertretung und Aufsicht durch einen Ingenieur nicht gescheut hatten.
                           Währenddem nun die deutschen, belgischen und italienischen Lokomotiven ausnahmslos
                              									das Erbauungsjahr 1910 tragen, sind die meisten französischen Lokomotiven schon
                              									längere Zeit im Betrieb gewesen, sie kamen also nicht aus den Montagewerkstätten der
                              									Fabrikanten, sondern von den Eisenbahnverwaltungen zur Ausstellung; insbesondere die
                              									beiden Lokomotiven der französischen Nordbahn haben seit zwei Jahren
                              									Schnellzugsdienst getan und sind für die Ausstellung nur gut gereinigt und frisch
                              									lackiert worden, die eine Maschine mit Wasserrohrfeuerbuchse hat eine Reihe
                              									bemerkenswerter Versuchsfahrten mit Geschwindigkeiten bis zu 120 km/Std. gemacht,
                              									über die hier später berichtet werden soll.
                           Einige der ausgestellten französischen Lokomotiven sind in eigenen Werkstätten der
                              									Bahnen gebaut, die übrigen sieben Typen sind aus den Werkstätten der fünf bekannten
                              									Lokomotivbaufirmen hervorgegangen und zeigen bei guter Ausführung teilweise sehr
                              									schöne Formgebung, namentlich die Maschinen der Belforter Fabrik.
                           Aus Italien sind nur zwei Fabriken vertreten, mit zwei Lokomotiven für den Staat in
                              									guter Ausführung; aus England hat leider nur eine Firma ausgestellt, um so mehr
                              									Lokomotiven haben die englischen Fabriken im vorigen Jahre nach Buenos Aires
                              									entsandt zur Internationalen Verkehrsmittelausstellung, wovon sie sich offenbar
                              									große Erfolge für den Uebersee-Export versprechen.
                           Bezüglich der Auszeichnungen sei bemerkt, daß sämtliche Aussteller für ihre
                              									Lokomotiven den Großen Preis erhielten, also die höchste Auszeichnung; nicht alle
                              									mit gleichem Recht, denn neben sehr guten Ausführungen waren auch einige mangelhaft,
                              									was ohne Zweifel auf eine gewisse Gleichgültigkeit und Ausstellungsmüdigkeit
                              									schließen läßt, insbesondere dort, wo man infolge der großen Anzahl der bisher
                              									erhaltenen höchsten Auszeichnungen ja ohnehin einen Großen Preis erwarten zu können
                              									glaubte.
                           Von den 35 Lokomotiven mit Schlepptender führten nur 29 ihren Tender mit, währenddem
                              									die übrigen sechs aus Frankreich ohne Tender ausgestellt waren, da diese Tender
                              									keine wesentlichen Neuerungen aufweisen.
                           Nach der Dampfwirkung verteilen sich die Maschinen in
                           
                              
                                 44
                                 Lokomotiven
                                 mit
                                 einfacher
                                 Dehnung
                                 
                              
                                 13
                                 „
                                 „
                                 zweifacher
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 zusammen 57 Stück.
                                 
                                 
                              
                           Betrachtet man nur die 39 Maschinen für den Streckendienst, so ergibt diese
                              									Einteilung
                           
                              
                                 26
                                 Lokomotiven
                                 mit
                                 einfacher
                                 Dehnung
                                 
                              
                                 13
                                 „
                                 „
                                 zweifacher
                                 „
                                 
                              
                                 
                                 zusammen 39 Stück.
                                 
                                 
                              
                           Von den 26 Lokomotiven mit einfacher Dehnung waren 12 Zwillingsmaschinen und 14
                              									Vierlingsmaschinen, das heißt mit vier gleichen Zylindern, die bei sieben Maschinen
                              									alle auf eine Treibachse wirkten.
                           Die 13 Verbundlokomotiven waren alle vierzylindrig, davon wirkten bei zwei Maschinen
                              									alle vier Zylinder auf eine Treibachse, zehn Stück
                              									hatten das bekannte Triebwerk „de Glehn“, und
                              									eine Tenderlokomotive repräsentierte das in Europa fast ganz verlassene, neuerdings
                              									aber in Amerika vielfach ausgeführte Mallet-System mit
                              									zwei hintereinander liegenden Triebgestellen, von denen das hintere fest, das
                              									vordere drehbar ist.
                           Die Zweizylinder-Verbundlokomotive, vor zehn Jahren in hoher Blühte stehend, ist
                              									vollständig verschwunden,
                           Tabelle I.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 23
                              Normalspur-Lokomotiven;
                                 										Schmalspur-Lokomotiven; Heißdampflokomotiven; Naßdampflokomotiven; Naßdampf;
                                 										Vierzylinder; Zweizylinder; Verbund; Vierling; Zwilling; Lokomotiven m.
                                 										Schlepptender; Tenderlok.; Heißdampf-Zwillingslokomotive; Zusammen; Spurweite;
                                 										Art; Zahl der Zylinder; Dampfwirkung; Kupplung; Belgien; Deutschland;
                                 										Frankreich; Italien; Im Ganzen
                              
                           
                           Tabelle 2. Hauptabmessungen der Lokomotiven.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 24–25
                              Bauart der Lokomotive; Bezeichnung;
                                 										Maschine; Ordnungszahl; Spurweite; Gattung; Betriebs-Nummer; Fabrik-Nummer;
                                 										Zylinderdurchmesser; Kolbenflächenverhältnis; Kolbenhub; Treibraddurchmesser;
                                 										Laufraddurchmesser; Bahn; Lokomotiven mit Schlepptender; Tender-Lokomotiven;
                                 										Zwillings-Heißdampf; Vierzyl.-Verb.-Naßd.; Vierlings-Heißdampf; Preuß. Staatsb.,
                                 										Breslau; Hannover Dänische Staatsbahn; Französische Nordbahn; Italienische
                                 										Staatsbahn; Sachs. Staatsb.; Preuß. Staatsb., Erfurt; Belgische Staatsbahn; Type
                                 										9, System; Flamme, 6 Stück; Franz, Nordbahn A; Ostbahn S 11; Midibahn; Bayer.
                                 										Staatsb. S 3/6; Paris-Orleans; Französische Staatsb.; Belgische Staatsbahn;
                                 										System Flamme; Belg. Staatsb., Type 32; Preuß. Essen G7; Frankf. G8;
                                 										Paris-Lyon-Mittelmeerb; Preuß. Stb. Saarbr. G 10; Italienische Staatsbahn;
                                 										Paris-Orleans-Bahn; System Flamme; Rio grande do Sul, Brasil.; Katangabahn,
                                 										Congo; Breslau; Hannover; Schwartzkopff, Berlin; Schneider; Creusot; E. Breda,
                                 										Mailand; Hartmann, Chemnitz; Schwartzkopff, Berlin; Thiriau, La Croyere; Soc.
                                 										an. de Gilly; Gilain, Firlemont; Biesme, Bouffioulx; La Meuse, Liége; Energie,
                                 										Marcinelle; Werkst. in Hellemes; Werkst. in Epernay; Elsäss. M. A. G. Belfort;
                                 										J. A. Maffei, München; Cail in Denain; Comp. de Fives-Lille; Cockerill, Seraing;
                                 										Leonard, Liége; Zimmermann, Monceau; Detombay, Marcinelle; F. Schichau, Elbing;
                                 										Vulkan, Stettin; Batignolles b. Paris; Henschel, Cassel; Miani, Silvestri,
                                 										Mailand; Elsäss. M. A. G., Belfort; Soc. Franco-Belge, La Croyère; S. du Hainaut
                                 										in Couillet; Metallurgiques, Tubize; Haine-St. Pierre; A. Borsig, Tegel; St.
                                 										Leonard. Liége; Belg. Staatsb., Type 15; Preuß. Mainz, T. 10; Belgische
                                 										Nordbahn; Franz. Guinea-Bahn; Belg. Nebenbahnen; Langreobahn, Spanien;
                                 										Tessinbahn, Belgien; Deutsche Nebenbahnen; Congobahnen; Belgische Vicinalbahnen;
                                 										Belg. Industriebahnen Deutsche Industrieb.; Engl. Kranlokomotive; Franz.
                                 										Nordbahn; Soc. an. in Boussu; A. Borsig, Tegel; J. Cockerill, Seraing;
                                 										Batignolles b. Paris; La Meuse, Liége; Haine-St. Pierre; Henschel, Cassel; Soc.
                                 										du Hainaut, Couillet; La Meuse. Liége; Metallurgiques, Tubize; Metaalwerken,
                                 										Leuven; Biesme, Bouffioulx; Metallurgiques Tubize; A. Borsig, Tegel; J. A.
                                 										Maffei, München; Hawthorn, England; Buffand et Robatel; Kessel; Gewicht; Tender;
                                 										Vorräte; Gewicht; Standort; Bemerkungen; Knorrbremse; Westinghousebremse;
                                 										Vacuumbremse; Wasserrohrkessel; Westinghousebremse; Dampfbremse; Franz.
                                 										Vacuumbremse; Hardy Vacuumbremse; Dampf- u. Handbremse; Spindel- u. Handbr.;
                                 										Exter- u. Handbremse; Kesseldruck; Rostfläche; Feuerbuchsheizfläche;
                                 										Siederohrheizfläche, innen; Verdampfungsheizfläche, innen;
                                 										Ueberhitzerheizfläche; Gesamtheizfläche, innen; Rohrlänge; Bauart des
                                 										Ueberhitzers; leer; im Dienst; Reibung; Wasser; Kolben; Halle; Gleis;
                                 										Nummer
                              
                           
                           
                           sie ist verdrängt durch die einfache Zwillingsmaschine
                              									mit Ueberhitzer.
                           Von den 39 Maschinen für Streckendienst erschienen nicht weniger als 27 Stück als
                              									Heißdampflokomotiven, wovon acht als Zwillings-, 14 als Vierlings- und fünf als
                              									Vierzylinder-Verbundmaschinen.
                           Unter Zusammenfassung aller Gesichtspunkte ergibt sich die Tab. 1 S. 23, wobei die
                              									englische Kranlokomotive weggelassen ist, da vom Aussteller kein Material erhältlich
                              									war.
                           Für das Kupplungsverhältnis der Achsen ist die neue Bezeichnung des Vereins Deutscher
                              									Eisenbahnverwaltungen gewählt; am Kopfende (Schornstein) der Lokomotive beginnend,
                              									ist die Anzahl der gekuppelten Achsen mit einem Buchstaben, die vor oder dahinter
                              									liegenden Laufachsen mit arabischen Ziffern bezeichnet. Beispielsweise hat die
                              									bisherige 2/4 gek. Schnellzuglokomotive mit vorderem Drehgestelll die neue
                              									Schreibart 2 B; die 2/5 gek. Schnellzuglokomotive wird bezeichnet mit 2 B 1, wodurch
                              									die Stellung der Achsen genau bestimmt ist: 2 Laufachsen vorn, dann 2 (B)
                              									Kuppelachsen und dahinter noch 1 Laufachse.
                           
                              
                                 Die
                                 3/3
                                 gek.
                                 Güterzuglokomotive
                                 hat
                                 die
                                 Bezeichnung
                                 C
                                 
                              
                                 „
                                 4/4
                                 „
                                 „
                                 „
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                                 5/5
                                 „
                                 „
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                                 „
                                 5/6
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 1 E,
                                 
                              
                           während die 2 × 3/3 Mallet-Maschine mit C + C bezeichnet wird.
                           Die Hauptabmessungen sämtlicher Lokomotiven sind in der Tab. 2 S. 24 und 25
                              									zusammengestellt, die letzte Rubrik Nr. 31 weist den Standort der Lokomotiven
                              									nach.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)