| Titel: | Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre 1909. | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 59 | 
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                        Die Tätigkeit des Königlichen
                           								Materialprüfungsamtes der Technischen Hochschule zu Berlin im Betriebsjahre
                           								1909.
                        Die Tätigkeit des Königlichen Materialprüfungsamtes
                           								usw.
                        
                     
                        
                           Der uns vorliegende Bericht zeigt, wie das Amt auch in dem Berichtsjahre 1909
                              									bestrebt gewesen ist, die vorhandenen staatlichen Einrichtungen möglichst
                              									nutzbringend in den Dienst der Technik und zwar sowohl der erzeugenden als auch der
                              									verbrauchenden zu stellen und auszubauen, daß es hierbei nicht in bureaukratischer
                              									Weise seine eigenen Wege geht, sondern gern gewillt ist, den berechtigten Wünschen
                              									der Industrie Rechnung zu tragen und auch den ihm von außen zugehenden Anregungen
                              									Folge zu geben. Als Beispiele für den Erfolg dieser Bestrebung seien angeführt die
                              									bereits im vorjährigen Bericht (s. D. p. J. 1910, Bd. 325, S. 73) erwähnten
                              									Verhandlungen mit den Vereinigten Fabriken für isolierte
                                 										Leitungen über Mittel und Wege, um eine wirksame chemische Kontrolle der
                              									Gummihüllen für isolierte Leitungsdrähte herbeizuführen. Sie kamen in einem Vertrage
                              									mit dem genannten Verein zum Abschluß, wonach vereinbart wurde, daß das Amt die
                              									Kautschukmasse auf ihre Zusammensetzung, insbesondere darauf prüfen soll, ob sie den
                              									von den Fabrikanten aufgestellten Bedingungen entspricht. Die Prüfungsanträge können
                              									von jedem Käufer an das Amt gerichtet werden. Wenn die Leitungen mit den Kennfäden
                              									der Vereinigten Fabriken versehen sind, so zahlt die
                              									Vereinigung ⅓ der Prüfungsgebühren, während der Rest dem Antragsteller zur Last
                              									fällt.
                           Ferner sind zu nennen die Verhandlungen mit dem Deutschen
                                 										Elektrotechniker-Verband, die zur Aufstellung eines großen Planes für
                              									eingehende Versuche mit Isoliermaterialien für Spannungen bis zu 500 Volt geführt
                              									haben. Eine Reihe von Fabriken hat die erheblichen Mittel zur Durchführung der
                              									Versuche bewilligt, die unter anderem auch bezwecken, die Ersatzstoffe für Hartgummi
                              									in ihren Eigenschaften zu erforschen und ihren Gebrauchswert gegenüber den
                              									Kautschukprodukten festzulegen. Demgemäß soll geprüft werden, die
                              									Bearbeitungsfähigkeit in der Werkstatt, die Festigkeit und Sprödigkeit bei Zug-,
                              									Druck- und Biege-Beanspruchung, sowie die Härte, (alles bei verschiedenen
                              									Wärmegraden) sowie die Wetterbeständigkeit und die Widerstandsfähigkeit gegen
                              									chemische Einflüsse.
                           Das elektrische Verhalten, insbesondere die Oberflächen-Isolation in der Abhängigkeit
                              									von den vorgenannten Einflüssen soll festgestellt werden. Diese Aufgabe ist der Physikalisch-technischen Reichsanstalt übertragen.
                           Schließlich mögen erwähnt sein die Bestrebungen, die Prüfung von Luftballonstoffen
                              									auf Widerstand gegen Zerplatzen, Gasdurchlässigkeit, Wärmedurchlässigkeit, Faserart,
                              									Festigkeit, Wetterbeständigkeit und Verhalten gegen Sonnenlicht und Feuchtigkeit auf
                              									einheitliche Grundlage zu stellen.
                           Durch die mit den Luftschifferkreisen lebhaft geführten Verhandlungen wurde der Plan
                              									für eine große Untersuchung von Ballonstofftypen festgelegt, so daß die
                              									Eigenschaften der neuen Stoffe übersichtlich ermittelt werden und es möglich wird,
                              									durch spätere Nachgrüfungen die Eigenschaften des lange Zeit im Betriebe gewesenen
                              									Stoffes, d.h. den Einfluß des Alterns unter der Wirkung von Wetter und mechanischen
                              									Beanspruchungen während der Fahrt und beim Landen, zu erforschen. Es steht zu
                              									hoffen, daß die interessierten Kreise die immerhin bedeutenden Summen für die
                              									genannten Versuche aufbringen werden, um schließlich aus den Ergebnissen dieser
                              									Untersuchungen einen Plan für kurze und zweckmäßige Prüfungen von Ballonstoffen
                              									entwickeln zu können.
                           Die bei Dauerversuchen als Kraftmesser verwendeten Meßdosen haben sich auch weiter
                              									als betriebssicher erwiesen; von 20 Dosen haben jetzt 11 Stück in 3½ jährigem
                              									Betriebe bereits 16–20 Millionen Anstrengungen ertragen.
                           Der Bericht der Abteilung für Metallprüfung zeugt von
                              									der außerordentlichen Vielseitigkeit der Arbeiten dieser Abteilung. Wir müssen es
                              									uns versagen, auf alle diese Arbeiten im einzelnen einzugehen und greifen nur die
                              									wesentlichsten heraus. Zu nennen sind:
                           1. Untersuchungen von im Betriebe gebrochenen Konstruktions- und Bauteilen als:
                              									Achsen, Bolzen, Kurbelwellen, Längsträger von Kraftwagenuntergestellen,
                              									Kesselblechen, gußeisernen Wasserleitungsrohren, Drahtseilen, geschweißten Kochern
                              									aus Flußeisenblechen usw., auf Güte des Materials und Ursache der Brüche. Bei einem
                              									Teil der untersuchten Fälle konnten Mängel am Material, als geringe Festigkeit und
                              									geringer Widerstand gegen stoßweise Beanspruchungen, nachgewiesen werden, im anderen
                              									lag die Ursache des Bruches offensichtlich in Ueberanstrengungen und im Betriebe
                              									entstandenen Schäden. Zu einem Falle, bei dem es sich um ein Hubseil handelt, heißt
                              									es in dem Bericht: „die Schäden bestanden in starken Abnutzungen, durch die viele
                                 										Drähte stellenweise völlig zerstört waren“. Wir führen diesen Fall als
                              									besonders warnendes Beispiel an, welches beweist, daß der Betriebssicherheit von
                              									Drahtseilen noch immer nicht die genügende Aufmerksamkeit zugewendet wird, selbst
                              									wenn bereits starke Schäden äußerlich an dem Seil wahrzunehmen sind.
                           2. Zerreiß-Versuche mit Material aus alten Brücken
                              									ergaben, daß die Festigkeitseigenschaften des Eisens durch den etwa fünfzigjährigen
                              									Betrieb nicht gelitten hatten. Probestäbe, die den Gurtungen und den Querträgern
                              									alter ausgewechselter schweißeiserner Ueberbauten entnommen waren und zwar aus der
                              									Mitte der Oeffnungen und von den Trägerenden, ergaben für die zusammengehörigen
                              									verschieden hoch beansprucht gewesenen Stücke fast genau die gleichen
                              									Bruchspannungen und Dehnungen. Zum Vergleich angestellte Versuche mit ausgeglühten
                              									Stäben lieferten nur geringe Abnahme in der Festigkeit.
                           3. Versuche auf inneren Wasserdruck unterlagen Ton- und
                              									Zementrohre, Schläuche, geschweißte Rohre, Elektrostahlrohre im Vergleich mit
                              									Flußstahlrohren – die ersteren brachen bei 84,5 kg/qmm, die letzteren bei 67,5 kg/qmm Zugspannung
                              									des Materials und 7,3 bezw. 4,4 v. H. Umfangsdehnung –, ferner Wasserleitungsrohre
                              									aus Zink und aus Blei, sowie Leitungsrohre aus Flußstahl mit Flanschen und
                              									Muffendichtungen.
                           4. Zugversuche mit normalen
                                 										Eisenbahn-Schraubenkupplungen aus Elektrostahl ergaben 36–37 t Streckgrenze
                              									und 58–61,5 t Bruchlast.
                           5. Versuche mit Nickelstahl lieferten folgende
                              									Ergebnisse:
                           
                              a) Genietete Säulen von 4 m Länge ergaben bis zu 46 v. H.
                                 										höhere Knickfestigkeiten als Säulen gleicher
                                 										Konstruktion aus Flußeisen.
                              b) die Wärmeausdehnungszahl
                                 										betrug
                              
                           
                              
                                 für
                                 Stahl
                                 mit
                                 25
                                 v. H.
                                 Nickel
                                 0,0000181–0,0000199
                                 
                              
                                 „
                                 „
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                                 34
                                 „
                                 „
                                 0,0000132–0,0000178
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 36
                                 „
                                 „
                                 0,0000127–0,0000178
                                 
                              
                           
                           
                              c) den Einfluß der Wärme auf
                                 										die Festigkeit (σP,
                                 											(σS und σB) in kg/qmm und
                                 										Dehnung (δ 11,3) in v. H. sowie die Querschnittverminderung q in v. H. an der Bruchstelle zeigt nachstehende
                                 										Zusammenstellung:
                              
                           
                              
                                 
                                 
                                    E
                                    
                                 
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                                    B
                                    
                                 
                                    δ
                                    11,3
                                    
                                 
                                    q
                                    
                                 
                              
                                 Zimmer-wärme
                                 25 v. H. 1812034   „     1475036   „     14700
                                 23,839,637,4
                                 37,758,157,6
                                 69,583,078,8
                                 34,322,326,2
                                 685657
                                 
                              
                                 300°C
                                 25   „     1930034   „     1595036   „     16000
                                 11,713,5  9,6
                                 22,325,926,9
                                 63,463,063,0
                                 62,654,755,5
                                 696656
                                 
                              
                                 400°C
                                 25   „     1465034   „     1540036   „     15600
                                 11,511,511,5
                                 22,119,621,5
                                 48,849,650,7
                                 56,351,946,5
                                 726970
                                 
                              
                                 500°C
                                 25   „     1360034   „     1370036   „     12800
                                   7,8  7,8  9,6
                                 15,513,616,3
                                 34,036,137,7
                                 46,149,348,8
                                 625663
                                 
                              
                           6. Weitere umfassende Materialproben betrafen die Untersuchungen von Tiegelstahl,
                              									niedrig- (1–3 v. H.) mittel-, (5–6 v. H.) und hochprozentigem Nickelstahl (25 und
                              									mehr v. H. Nickelgehalt) für sechs Werke zwecks deren Aufnahme in die
                              									Lieferantenliste der deutschen Kriegsmarine, sowie Prüfungen von Kupfer-, Bronze-,
                              									Aluminium- und Zinkdrähten nach den vom Verbände deutscher Elektrotechniker
                              									angenommenen Vorschriften. Die letzteren lieferten folgende Werte:
                           
                              
                                 
                                    
                                    Material
                                    
                                 Zustand
                                 Durchmesserdmm
                                 Spannung kg/qmm
                                 σS/σB . 100
                                 Dehnungauf l
                                       												= 35 d
                                 
                              
                                 StreckgrenzeσS
                                 BruchσB
                                 
                              
                                 Kupfer
                                 halbharthart
                                 1,53–2,131,53–4,25
                                 29,038,3–42,5
                                 31,240,6–45,5
                                 9493–95
                                 2,5–5,21,7–2,1
                                 
                              
                                 Bronze
                                 –
                                 2,15–2,19
                                 34,4–73,1
                                 36,6–81,7
                                 94–89
                                 2,7–4,7
                                 
                              
                                 Aluminium
                                 hart
                                 4,51–5,65
                                 12,7–20,1
                                 14,7–22,5
                                 85–88
                                 5,1–5,3
                                 
                              
                                 Zink
                                 –
                                 5,0
                                 11,5
                                 16,8
                                 74
                                 19,6
                                 
                              
                           7. Zugversuche mit ⅝-Schrauben lieferten
                           bei geschnittenem Gewinde:
                           4600 kg Streckgrenze und 5950 kg Bruchfestigkeit,
                           bei gewalztem Gewinde:
                           6400 kg Streckgrenze und 7445 kg Bruchfestigkeit,
                           entsprechend den Materialspannungen σS = 34,8 und 50,4 kg/qmm und σB = 45,0 und 58,9 kg/qmm.
                           8. Untersuchungen von Schwellenschrauben zum Befestigen von Eisenbahnschienen
                              									auf:
                           
                              a) den beim Einziehen der Schwellenschrauben erreichbaren
                                 										höchsten Auflagerdruck,
                              b) das Verhalten gegen seitliches Verdrücken im Holze
                                 										und
                              c) den Widerstand der Schrauben gegen Ueberdrehen,
                              
                           an neuen und alten kiefernen Bahnschwellen angestellt, ergaben
                              									die Ueberlegenheit der nach dem Verfahren von J.
                                 										Thiollier in Paris eingezogenen Schrauben über gewöhnliche
                              									Schwellenschrauben.
                           9. Prüfungen mit selbsttätigen Feuerlöschbrausen, die
                              									dazu dienen, ein ausgebrochenes Feuer auf seinen engsten Herd zu beschränken und den
                              									Feuerschaden durch schnelles Ablöschen des Feuers auf ein geringes zu vermindern,
                              									ergaben beim Anbringen der Brausen in etwa 2,8 m Höhe über dem Fußboden die Größe
                              									der benetzten Bodenfläche zu etwa 4,2 m im Durchmesser. Nach dem Rande der
                              									Fläche hin nahm die Benetzung ab. Bei 15 at Wasserdruck und bei kurzen Wasserstößen
                              									zwischen 6 und 12 at wurden einige Verschlüsse undicht. Das Abschmelzen der
                              									Verschlüsse trat im Wasserbade bei durchschnittlich 73,9° C, im Luftbade bei
                              									durchschnittlich 112,9° C ein.
                           10. Versuche mit Eisenkonstruktionen im Auftrage des Vereins
                                 										Deutscher Brücken- und Eisenbaufabriken. Sie erstreckten sich auf:
                           
                              a) Die Versuche über den Wert oder Unwert des kleinen
                                 										kegelförmigen Ansatzes unter dem Nietkopf. Ihre Ergebnisses. D. p. J. 1909, Bd. 324, S.
                                       											449. haben dazu geführt, daß der Herr Minister der öffentlichen
                                 										Arbeiten, der Herr Minister für Handel und Gewerbe, der Herr Staatssekretär des
                                 										Reichsmarineamtes und die Baudeputation der freien Hansastadt Lübeck die
                                 										Vorschrift, welche die Verwendung von Nieten mit kegelförmigem Uebergang vom
                                 										Kopf zum Schaft verlangen, aufgehoben haben. Diesem Entschluß sind nicht
                                 										beigetreten die Königliche Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahnen
                                 										und das Baukonstruktionsamt der Königlichen Bayerischen
                                 										Staatseisenbahnen.
                              b) Versuche über den Einfluß des Nietdurchmessers, sowie der
                                 										Verschraubung auf den Gleitbeginn und die Festigkeit der Verbindung bei
                                 										verschiedener Oberflächenbeschaffenheit der Bleche.
                              c) Zugversuche mit durch Nietlöcher geschwächte Flach- und
                                 										Winkeleisen.
                              d) Versuche mit Stabanschlüssen und größeren Nietbildern von
                                 										verschiedener Anordnung.
                              
                           11. Zugversuche mit verschiedenen Riemenarten lieferten
                              									folgende Durchschnittswerte:
                           
                              
                                 Riemenart
                                 Zugfestigkeitkg/qcm
                                 Reißlängem
                                 
                              
                                 Balata
                                 402–488
                                 3920–5070
                                 
                              
                                 Kamelhaar
                                 268–368
                                 2770–3380
                                 
                              
                                 Haarriemen
                                 254
                                 2430
                                 
                              
                                 Dana
                                 301–504
                                 3640–4670
                                 
                              
                                 Baumwolltuch
                                 239–277
                                 2100–2750
                                 
                              
                                 Gummi
                                 293–299
                                 2150–2230
                                 
                              
                           12. Die Untersuchungen mit Eisenbetonsäulen zur Ermittlung der Unterschiede in der
                              									Wirkungsweise der verschiedenartigen Querbewehrungen sind abgeschlossen und ihre
                              									Ergebnisse in einem ausführlichen Bericht niedergelegt, (s. D. p. J. 1910, Bd. 325,
                              									S. 768.)
                           An Eisenbetonkonstruktionen sind außerdem untersucht: Kunstgranitsäulen, die aus
                              									einzelnen zusammenstellbaren Körpern hergestellt waren; ferner Eisenbetonsäulen mit
                              									kreisrundem Querschnitt und umgelegten eisernen Ringen im Vergleich mit Säulen von
                              									quadratischem Querschnitte und verschiedenen Längs- und Querbewährungen; schließlich
                              									Eisenbeton ⊤-Balken mit Rund- und Kahneiseneinlage auf
                              									Biegefestigkeit und Bestimmung der Formänderung durch Feinmessungen.
                           Kurz erwähnt mögen schließlich sein die Prüfung von neun Festigkeitsprobiermaschinen
                              									auf Richtigkeit der Kraftanzeige, die Prüfung und Abgabe von fünf Kontrollstäben zur
                              									Prüfung der Maschinen, Versuche mit Kabelbrunnenabdeckungen auf Tragfähigkeit,
                              									Versuche mit imprägniertem Holz auf Brennbarkeit im Vergleich mit nicht
                              									imprägniertem Holz, Versuche mit Anstrichfarben, sowie Untersuchungen mit drei
                              									Treppen auf Tragfähigkeit.
                           Die Abteilung für Baumaterialprüfung erledigte 20 383
                              									Versuche mit Bindemitteln und 21802 Versuche mit Steinen aller Art und sonstigen
                              									Baustoffen. Unter den Versuchen mit Bindemitteln nahmen diejenigen von Zement einen
                              									besonders großen Umfang an, nachdem durch den Herrn Minister der öffentlichen
                              									Arbeiten die Einführung der neuen „deutschen Normen für einheitliche Lieferung
                                 										und Prüfung von Portlandzement und Eisenportlandzement“ verfügt war. Neu
                              									eingeführt wurden ferner „einheitliche Bestimmungen für die Prüfung von Traß“
                              									(s. Mitteilungen aus dem Königl. Materialprüfungsamt 1910, Heft 2 und 3).
                           Bei denjenigen Baustoffen, für deren Prüfung keine einheitliche Bestimmung bestehen,
                              									gab vielfach der Umstand zu unliebsamen Verzögerungen Veranlassung, daß die
                              									Antragsteller die gewünschte Prüfungsweise nicht gleich bei Einsendung des Materials
                              									mit angaben. Besonders gilt dies von hydraulischen Kalken (Zementkalke, Sackkalke).
                              									Da es unter ihnen solche gibt, die wie Zement behandelt werden, d.h. die unmittelbar
                              									nach dem Anmachen zu Mörtel verarbeitet werden können, und andere, die entweder in
                              									reinem Zustande oder nach dem Mischen mit Sand zunächst in Breiform eingelöscht
                              									(eingesumpft) und vor der Verwendung gelagert werden müssen, so ist es erwünscht, in
                              									den Anträgen von vornherein genaue Anweisung darüber zu geben, wie die Kalke
                              									behandelt werden sollen. Insbesondere ist anzugeben, ob und wie lange der Kalk bezw.
                              									das Kalksandgemisch eingesumpft werden soll, und ob es während des Einsumpfens
                              									umgerührt werden muß und wie oft.
                           Ferner sollten bei Beton die Anträge stets über folgende Fragen Auskunft geben:
                           
                              1. In welchem Verhältnis sollen die Materialien gemischt
                                 										werden?
                              2. Sollen die Betonstoffe nach Raumteilen oder Gewichtsteilen
                                 										gemischt werden?
                              3. Soll der Beton erdfeucht oder weich angemacht werden?
                              4. Bei welchem Alter sollen die Proben (Würfel von 30 cm
                                 										Seitenlänge) geprüft werden? (7, 28 Tage, 3 Monate usw.)
                              5. Wie sollen die Probekörper bis zur Prüfung erhärten? (An der
                                 										Luft, vom zweiten bis einschl. achten Tage täglich angenäßt, oder unter Wasser,
                                 										oder unter feuchtem Sande?).
                              
                           Meist werden auch die Materialmengen für Betonprüfungen zu gering bemessen. Es sei
                              									deshalb im Interesse unserer Leser auch hier darauf aufmerksam gemacht, daß zur
                              									Herstellung von fünf Würfeln von 30 cm Seitenlänge (gleicher Mischung), wie sie
                              									durch die Bestimmungen für die Anfertigung von Probekörpern aus Stampfbeton
                              									vorgeschrieben sind, mindestens 1 Sack Zement und 300 kg Zuschlagmaterial
                              									erforderlich sind.
                           Die Untersuchung der Mörtelmaterialien ging mehrfach über die allgemein üblichen
                              									Prüfungen der Materialeigenschaften heraus. Zu nennen sind hierzu: die Prüfungen von
                              									bereits verarbeitetem Mörtel und Beton auf die mechanische Zusammensetzung, d.h. auf
                              									das Mischungsverhältnis von Bindemittel zum Zuschlagsmaterial, sowie auf die Güte
                              									der verwendeten Materialien zum Nachweis ihres schlechten Verhaltens bei der
                              									Verwendung im Hoch- oder Straßenbau; ferner die Untersuchung von Mörtel und Beton
                              									auf Haftfähigkeit an natürlichem Gestein, sowie die Prüfung der Luftdurchlässigkeit
                              									von Mörteln.
                           Die letztgenannten Versuche sind neu aufgenommen; sie werden in der Weise ausgeführt,
                              									daß nach Fig. 1 aus den Mörteln hergestellte
                              									scheibenförmige Probekörper V von etwa 3 cm Dicke in
                              									den Trichter T, der luftdicht in dem Hals der bis zu
                              									einem bestimmten Teilstrich mit Wasser gefüllten Flasche F befestigt ist, eingelegt und am Rand mit Wachs gedichtet werden. An der
                              									Flasche wird das durch einen Hahn verschließbare Abflußrohr A luftdicht befestigt und die Zeitdauer bestimmt, die zu dem Abfluß von 1
                              									l Wasser erforderlich ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 61
                              Fig. 1.
                              
                           Als Beispiel für die recht erheblichen Unterschiede in der Luftdurchlässigkeit von
                              									Putzmörteln mögen die Ergebnisse von vier Versuchsreihen angeführt sein.
                           Verglichen sind zwei nach besonderem Verfahren hergestellte Putzmörtel (a und b) mit verlängertem
                              									Zementmörtel c (1 Rtl. Zement + 1 Rtl. Kalkteig + 6
                              									Rtl. Normensand) und reinem Zementmörtel d (1 Rtl.
                              									Zement + 3 Rtl. Normensand). Die aus plastischem Mörtel auf absaugender Unterlage
                              									gefertigten Versuchsstücke wurden nach 28 Tagen Luftlagerung der Prüfung unterzogen.
                              									Die Durchflußzeiten für 1 l Wasser waren der Reihe nach 8,8, 4,5, 8,4 und 1,8
                              									Stunden. Hiernach war also der reine Zementmörtel c der
                              									luftdurchlässigste.
                           Eine große Zahl im Bericht mitgeteilter Ergebnisse aus Untersuchungen von Kiesbeton
                              									verschiedener Mischungen zeigt, wie verschieden die Festigkeiten gleicher Mischungen
                              									sein können, d.h. in welchem hohen Grade die Festigkeit durch die Eigenschaften der
                              									verwendeten Stoffe beeinflußt wird.
                           Die Gesteinsuntersuchungen erstreckten sich neben Ermittlung der Druckfestigkeit auf
                              									Beurteilung der Verwendbarkeit zur Verblendung von Bauwerken, der Ursache von
                              									Verwitterungserscheinungen und der Feuerbeständigkeit.
                           Kurz genannt seien ferner die Prüfung von Decken und Betonpfählen auf Tragfähigkeit,
                              									von Wandkonstruktionen auf Widerstandsfähigkeit gegen Erschütterungen, von Türen,
                              									Drahtglas und Glasbausteinen sowie Kaminsteinen auf Feuerbeständigkeit, von mit
                              									sogen. feuersicherem Anstrich behandelten Hölzern und Dekorationsleinwand auf
                              									Entflammbarkeit, sowie von Rohstoffen auf Verwendbarkeit zur Kalk-, Zement- und
                              									Ziegelerzeugung.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)