| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 208 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Elektrische Tastvorrichtungen.
                           Die Elektrizität ist für die Maschinentechnik im allgemeinen ein vorzügliches
                              									Arbeitsmittel. Sie ist aber auch ein vorzügliches Tast- oder Wahrnehmungsmittel: Sie
                              										fühlt, ob und wann an einer unzugänglichen oder
                              									entlegenen Stelle ein bestimmter Stand, der nicht überschritten werden soll,
                              									erreicht ist und bringt dann eine Glocke oder sonstige Apparate in Tätigkeit.
                              									Derartige Einrichtungen mit leisen Surrern werden auch für mancherlei
                              									Laboratoriumsmessungen von Vorteil sein, weil ja Hören wesentlich bequemer ist als
                              									Ablesen.
                           Fühlorgan ist der Kontakt. Von seiner Beschaffenheit hängt die Feinfühligkeit ab Ist
                              									es ein Kontakt von Metall auf Metall, so ist die Feinfühligkeit nicht groß; insofern
                              									dabei Elektrizität von niedriger Spannung durchaus
                              									nichts von der Berührung merkt, so lange die Metallstücke nicht kräftig aufeinander
                              									gedrückt werden. Damit hier elektrischer Strom von niedriger Spannung durch die
                              									Berührungsstelle hindurch kann, ist eine starke Pressung erforderlich, wenn die
                              									Metalle oxydiert sind; und ein bemerkenswerter Druck auch sogar dann noch, wenn es
                              									frisch gereinigte Edelmetalle sind, wie Gold, Silber und Platin.
                           Diese Eigentümlichkeit der Metall-Metall-Kontakte hinderte bisher manche Anwendung
                              									der Elektrizität. Beispielsweise verfügen feine Apparate wie gewisse Meßinstrumente,
                              									bei denen ebenfalls elektrische Fühler zur Wahrnehmung bestimmter Stände von Vorteil
                              									sein würden, über zu kleine Kräfte, um den bei Metall-Metall-Kontakten
                              									erforderlichen Druck sicher leisten zu können. In dieser Hinsicht ist auch der
                              									Kohle-Kohle-Kontakt kaum anders.
                           Wesentlich besser ist der Quecksilber-Platin-Kontakt; aber auch er erfordert nach LippmannComptes
                                    											Rendus, 5. Dezember 1910, S. 1015 und 1016. noch einen gewissen
                              									Druck: Elektrischer Strom niedriger Spannung geht bei ihm durch die Berührungsfläche
                              									erst dann hindurch, wenn der Platindraht den Quecksilberspiegel um ein ganz
                              									deutliches Stück eingedrückt hat.
                           Lippmann hat darum nach Kontakten gesucht, die ohne
                              									jeden Druck lediglich durch die Berührung elektrisch wirksam werden. Nach ihm
                              									entspricht dieser Anforderung der Metall-Elektrolyt-Kontakt. Das Metall ist dabei
                              									beliebig zu wählen; auch wohl der Elektrolyt; für ihn eignet sich aber Chlorkalzium
                              										CaCl2 sehr gut. Solch Kontakt läßt sich
                              									folgendermaßen einrichten:
                           Ein Streifen Schreibpapier, der mit der Lösung getränkt ist und zur Stützung an einer
                              									lotrechten Glasplatte klebt, taucht mit seinem einen Ende in ein Näpfchen mit
                              									derselben Lösung, so daß also das Papier wie ein Docht Chlorkalziumlösung nachsaugen
                              									kann. Der Lösung im Näpfchen wird der elektrische Strom zugeführt.
                           Schon die leiseste Berührung zwischen dem feuchten Streifen und einem metallischen
                              									Leiter ist elektrisch wirksam. Davon überzeugte sich Lippmann, indem er als metallischen Leiter einen schmalen Streifen
                              									Blattgold nahm; und dabei ist doch sicherlich das Goldblättchen zu dünn und zu
                              									leicht, um einen Druck ausüben zu können.
                           Statt des Papiers soll man aber nicht etwa auch Gelatinegallerte oder feuchte poröse
                              									Erde gebrauchen können.
                           Zur Trennung der in Berührung gekommenen Kontaktflächen ist wegen der Kapillarkräfte
                              									ein merklicher Kraftaufwand erforderlich. Daher ist der Metall-Elektrolyt-Kontakt
                              									nicht ohne weiteres für alle Zwecke verwendbar. Auch ist er darum m. E., obwohl er
                              									keine äußere Druckkraft beansprucht, kein Kontakt ohne jeden Druck. Denn die Kapillarkräfte werden wohl bereits im ersten
                              									Augenblick der Berührung wirksam werden; eben sobald die Lösung das Metall benetzt
                              									hat. Die Kapillarkräfte aber sind eine die Metallfläche an den Chlorkalziumstreifen
                              									heranziehende innere Kraft, die gewissermaßen die sonst bei Kontakten erforderliche
                              									äußere Druckkraft ersetzt; und auch wenn die Kapillarkräfte zwischen Metall und
                              									Papierstreifen im Augenblick der allerersten Berührung zwischen Metall und
                              									Flüssigkeit diesen Einfluß noch nicht hätten, so würde doch bereits die zweifellos
                              									sofort auftretende Molekularkraft Adhäsion zwischen Metall und benetzender
                              									Chlorkalziumlösung einem beträchtlichen äußeren Druck gleichwertig sein.
                           Dagegen wird bei der nicht benetzenden Flüssigkeit Quecksilber eine
                              									eigentliche Berührung überhaupt erst dann auftreten, wenn, entgegen dem starken
                              									Bestreben des Quecksilbers, die Berührung mit starren Körpern zu vermeiden, was in
                              									der Wirkung sozusagen einer Abstoßung gleichkommt, der Piatindraht so weit in das
                              									Quecksilber eingedrungen ist, daß der dabei entstehende statische Quecksilberdruck
                              									unter der Endfläche des Drahtes gleich der erwähnten Abstoßung geworden ist. Erst
                              									dann hat man eigentliche Berührung zwischen Quecksilber und Draht; erst bei
                              										„Berührung“ aber kann begreiflicherweise Elektrizität niedriger Spannung
                              									von einem Körper zum anderen übergehen. Daß dazu aber bei diesem Kontakt der
                              									eigentliche Berührungsdruck größer sein müßte als Null, ist unwahrscheinlich; trotz
                              									der am Drahte auszuübenden äußeren Druckkraft.
                           Uebrigens dürfte der Metall-Elektrolyt-Kontakt nicht überall bequem anzubringen
                              									sein. Bequemer anwendbar wird im allgemeinen der Kontakt zweier amalgamierter
                              									Silberdrähte sein. Wenn dabei die Silberdrähte so reichlich amalgamiert sind, daß
                              									ihre Oberfläche wie benetzt aussieht, so sollen auch sie ohne jeden Druck schon für
                              									niedrige Spannungen elektrisch wirksam sein. Das bestätigt gewissermaßen in
                              									schönster Weise die von mir im vorhergehenden Absatz entwickelte Theorie, daß der
                              									eigentliche Berührungsdruck zwischen Platin und flüssigem Quecksilber bei und trotz
                              									der zum Uebergange niedriggespannter Elektrizität erforderlichen Eindrückung des
                              									Quecksilberspiegels wahrscheinlich Null sei.
                           
                              Erich Schneckenberg.