Titel: | Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und Anwendung. |
Autor: | Dierfeld |
Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 209 |
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Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und
Anwendung.
Von Regierungsbaumeister Dierfeld.
Kugel- und Rollenlager, ihre Konstruktion und
Anwendung.
In den letzten Jahren haben Kugellager eine stetig wachsende Anwendung gefunden.
Während man früher Kugellager nur im Fahrrad- und Automobilbau verwandte, sind sie
jetzt mit Erfolg auch in vielen Zweigen des allgemeinen Maschinenbaues eingeführt
worden. Der geringe Reibungswiderstand der Kugellager, ihre Betriebssicherheit und
geringer Platzbedarf geben bei Neukonstruktionen dem Ingenieur die Möglichkeit,
wirtschaftlicher arbeitende Maschinen zu bauen, die gleichzeitig weniger Wartung
erfordern. Aber auch bei einer bestehenden Anlage liegt es in der Hand des
Betriebsleiters, die laufenden Betriebsunkosten durch allgemeine Anordnung von
Kugellagern herabzusetzen, da dieselben von vielen Firmen passend zum Austausch
gegen Gleitlager und Einbau, in vorhandene Transmissionslagerböcke geliefert werden.
Für viele Zwecke, wo z.B. sehr große Lagerdrücke auftreten, wird sich die Anwendung
von Kugellagern nicht empfehlen, hier greift man zweckmäßig zu Rollenlagern, die
infolge ihrer größeren Auflagerung mehr Sicherheit bieten als Kugellager, dabei
kleiner im Durchmesser sind und auch dem Gleitlager gegenüber bedeutend Kraft
ersparen. In Deutschland und Frankreich steht man noch Rollenlagern abwartend
gegenüber, verwendet sie ziemlich selten und dann nur zu Feldbahnwagen,
landwirtschaftlichen Maschinen, neuerdings auch zu Transmissionen, während in
England und Amerika Rollenlager sehr viel und mit Erfolg angewandt werden, zum Teil
auch (siehe Timkenlager) die Kugellager schon verdrängen. Die nachstehenden
Ausführungen sollen einen Ueberblick geben über neuere Versuchs- und
Betriebsergebnisse mit Kugel- und Rollenlagern, ihre heutige Bauart sowie ihre
Anwendung im gesamten Maschinenbau, wobei naturgemäß auch ausländische
Konstruktionen in weitem Maße zu berücksichtigen waren.
Nachdem Professor Stribeck im Verein mit den Deutschen Waffen- und Munitionsfabriken (abgekürzt D. W. F.) während der Jahre 1898–1901 durch Versuche
festgestellt, welche Form der Kugelbahn, welches Material sowie welche Abmessungen
für verschiedene Belastungen und Tourenzahlen die günstigsten sind, schufen die D. W. F. auch eine systematische Normalisierung der
Kugellager, so daß alle Grundlagen für eine rationelle Fabrikation gegeben waren.
Die erwähnten Versuche ergaben, daß das sogen. Laufringlager mit gerillter Laufbahn
das leistungsfähigste ist, während das bis dahin viel angewandte Konuslager einen
schlechteren Wirkungsgrad hatte; sie erstreckten sich aber nur auf Lager mit voller
Kugelzahl, so daß von neueren Lagern mit Kugelkäfig noch bessere Resultate zu
erwarten sind. Fig. 1 zeigt ein solches
Laufringlager nach Ausführung der Firma Fichtel &
Sachs. Es besteht aus einem äußeren und einem
inneren Laufring r, den Kugeln und dem Käfig. Die
Rillen für die Kugeln in den Laufringen sind nach Halbmessern gekrümmt, die größer
als der Kugelhalbmesser und durch Versuche bestimmt sind. Gewöhnlich ist der Radius
der Rille des Innenringes etwas kleiner als der der Außenrille, weil, wenn man beide
Ringe von der Seite betrachtet, der Außenring sich konkav zur Kugel, der Innenring
sich konvex krümmt, der Außenring in der Seitenansicht also die Kugel mehr
umschließt. Der Käfig führt die Kugeln in der neutralen Zone, wo die
Umfangsgeschwindigkeit am geringsten ist, und hält sie in gehöriger Entfernung
voneinander; er verhindert auch, daß bei hohen Tourenzahlen die Kugeln zwischen
beiden Laufringen vibrieren, wobei sie ein sehr starkes Geräusch verursachen.
Textabbildung Bd. 326, S. 209
Fig. 1.Laufringlager von Fichtel & Sachs.
Ch. Gégauff kommt bei seinen Versuchen mit Lagern ohne
KäfigGénie civil. 20. Mai
05. zu folgendem Schlusse: „Bei sehr großen Geschwindigkeiten
übt die Zentrifugalkraft eine merkliche verstärkte Reibung aus, indem sie die
Kugeln sehr energisch gegen die äußere Laufrille drückt. Es kommt dann selbst
dahin, daß die Kugeln nicht mehr um ihre Achse rotieren können, sondern einfach
herumgleiten, wovon rapide Abnutzung und eine Reibung ähnlich wie bei
Gleitlagern herrührt.“ Der Lauf des Lagers mit Käfig ist bei hohen
Tourenzahlen also geräuschloser, dann aber wird auch der Reibungswiderstand
vermindert.
Textabbildung Bd. 326, S. 209
Fig. 2.
Endlich kann es vorkommen, daß die Welle sich durchbiegt und der innere Laufring sich
schief stellt, dann laufen die Kugeln ineinander, zerkratzen sich gegenseitig unter
starker Erwärmung, bremsen sich auch wohl fest und fressen tiefe Rillen ineinander
(Fig. 2), wie durch Versuche der Maschinenfabrik Rheinland festgestellt wurde. Alle diese Uebelstände
werden bei Anwendung eines Käfigs vermieden, wogegen bei hohen Belastungen, geringen
Tourenzahlen auch das vollkugelige Lager ohne Schaden angewandt werden kann, wenn
Durchbiegungen der Welle nicht zu befürchten sind. Bisher nahm man an, daß Lager
nach Fig. 1 nur für radiale Belastung geeignet
wären, nennenswerte Achsialdrücke ohne Schaden aber nicht aufnehmen könnten. Neuere
VersucheAmerican Machinist 09
I, S. 92–93 E. der Auto-Machinery
Co. Coventry, haben jedoch ergeben, daß diese Radiallager auch ziemlich
starke Achsialdrücke auszuhalten vermögen, wie aus Tab. 1 hervorgeht: (Auswahl aus
einer Reihe von Versuchen.)
Tabelle 1.
Versuchsgegenstand: Normales Radiallager mit Käfig,
50 × 100 × 20 mm, mit 18 Kugeln von 7/16'',
listenmäßig für Last von 630 kg bei 1000 Umdr./Min.
Versuch 1: Reine Achsialbelastung.
Umdrehungen der Welle
1200 i.d.Min.
Maximaler Achsialdruck
745 kg
Maximale Temperatur
62° C
Dauer des Versuches
9½ Stunden.
Versuch 2: Kombinierte Radial- und Achsiallast.
Umdrehungen der Welle
1200 i.d.Min.
Maximale Radiallast
840 kg
Maximale Achsiallast
610 kg
Temperatur
59° C
Dauer des Versuches
7 Stunden.
Versuch 3: Kombinierte Last
(Dauerversuch).
Umdrehungen der Welle
1200 i.d.Min.
Radiallast (listenmäßig)
630 kg
Achsiallast
270 kg
Maximale Temperatur
54° C
Dauer des Versuches
89 Stunden.
Nach den Versuchen waren die Laufringe völlig intakt, am Ende des dritten Versuchs
verursachte das Lager etwas Geräusch und einzelne Kugeln zeigten einige Flecken.
Immerhin wurde die Firma durch diese Ergebnisse veranlaßt, bei ihren Radiallagern
die Aufnahme eines Seitendruckes in Höhe von ⅓ des listenmäßigen Radialdruckes zu
gewährleisten, was in manchen Fällen erwünscht sein kann. Daß durch diese
Achsialbelastung die Reibung des Radiallagers vergrößert wird, ist einleuchtend; in
welchem Maße die Reibung mit zunehmender Belastung wächst, ist aus den Tab. 2–5 von
Heß zu ersehen. Heß
stellte nämlich durch umfangreiche VersucheAmerican Machinist 09 I, S. 344–48. an Kugellagern der D. W. F. mittels besonderer Prüfmaschinen und
Einrichtungen fest, wie sich der Reibungskoeffizient mit steigender Belastung
ändert.
Tabelle 2.
Normales Radiallager unter veränderlicher Radialbelastung.
Lager von 40 × 90 × 23 mit 8 Kugeln im Käfig.
Umdrehungen = 325 i. d. Min.
Listenmäßige Last = 650 kg.
Radialbelastungin kg
Reibungskoeffizientin v. H.
180
0,1633
270
0,1517
360
0,1325
450
0,1302
540
0,1240
630
0,1200
720
0,1195
810
0,1272
900
0,1416
1080
0,1686
1260
0,1830
Bemerkenswert ist, daß die Reibung bei der geringen Last anfangs höher ist als
bei der listenmäßigen Last, wo sie ungefähr den niedrigsten Wert erlangt, um dann
bis zum Schlusse wieder zu steigen. Trotzdem die Last am Schlusse fast bis aufs
Doppelte der listenmäßigen Last gesteigert wurde, war im ganzen doch nur eine
geringe Veränderung des Reibungskoeffizienten zu bemerken. Auch die Oeltemperatur
wurde gemessen und keine erhebliche Erwärmung festgestellt.
Tabelle 3.
Dasselbe Lager unter konst. Radial- und veränderl.
Achsialbelastung
Umdrehungen = 325 i. d. Min.
Konstante Radiallast = 180 kg.
Oeltemperatur wenig geändert.
Achsialbelastungin kg
Reibungskoeffizientin v. H.
90
0,402
180
0,541
270
0,687
360
0,837
450
1,050
540
1,191
630
1,406
Die Reibung steigt ständig, aber nicht in demselben Verhältnis wie die Last.
Tabelle 4.
Dasselbe Lager unter veränderlicher Achsiallast.
Umdrehungen = 325 i. d. Min.
Oeltemperatur wenig geändert.
Achsialbelastungin kg
Reibungskoeffizientin v. H.
90
0,803
180
0,479
270
0,436
360
0,434
450
0,437
540
0,431
610
0,433
Der Reibkoeffizient ist anfangs hoch, fällt aber mit steigender Belastung.
Tabelle 5.
Normales Drucklager unter veränderlicher Achsialbelastung. Drucklager mit 45 mm
Bohrung und 17 Kugeln im Käfig,
berechnet für
2070
700
540
405
350
300
kg
bei
10
150
300
500
1000
1500
Umdr./Min.
Umdrehungen = 495 i. d. Min.
Oeltemperatur wenig geändert.
Achsialbelastungin kg
Reibungskoeffizientin v. H.
180
0,1070
225
0,0945
270
0,0790
315
0,0705
360
0,0690
405
0,0684
450
0,0673
495
0,0700
540
0,0710
585
0,0817
630
0,0791
Der vierte Versuch (Tab. 5) wurde mit einem D. W.
F.-Drucklager nach Fig. 3 vorgenommen. Die
Druckplatten sind
ebenfalls gerillt; der Käfig besteht aus zwei vernieteten Messingplatten.
Die Reibung ist hier sehr niedrig, fällt mit steigender Last und wächst dann
wieder.
Textabbildung Bd. 326, S. 211
Fig. 3.Drucklager der D. W. F.
Textabbildung Bd. 326, S. 211
Fig. 4.Lagerdruck in kg.
Textabbildung Bd. 326, S. 211
Fig. 5.Leichtes Ringlager von Fichtel & Sachs.
Aus diesen Versuchen kann man entnehmen, daß bei Radial- und Drucklagern die Höhe der
Belastung verhältnismäßig wenig Einfluß auf den Reibungswiderstand des Lagers hat,
viel eher sprechen dabei dickes Oel im Lager, eingedrungener Staub usw. mit, wie Heß ebenfalls durch Versuche feststellte. Ein Lager mit
denselben Dimensionen in den Tab. 2–4 wurde unter verschiedenen Verhältnissen
steigenden Belastungen unterworfen und dabei der Reibkoeffizient gemessen. Die
Ergebnisse sind in Kurvenform in Fig. 4 aufgetragen.
Kurve A bedeutet normal geöltes Lager, B Lager trocken und rein, C Lager trocken, etwas rostig, und D Lager
gut geschmiert, aber etwas Sand darin. Man bemerkt die geringe Reibung von B, welche erst bei höheren Belastungen größer ist als
das normal geölte Lager A. Ohne Oel läuft das Lager
also leichter, erwärmt sich aber wahrscheinlich bei größeren Lasten schnell, worauf
die Reibung steigt. Das trockene, etwas rostige Lager C hat anfangs ziemlich hohe Reibung, läuft sich dann aber schnell ein, bis
Erwärmung die Reibungskurve wieder ansteigen läßt.
Welch verderblichen Einfluß eingedrungener Sand und Staub trotz der Schmierung haben,
zeigt Kurve D; es ist deshalb dringend erforderlich,
die Kugellager stets gut einzukapseln und möglichst dünnflüssiges Oel zu
verwenden.
Bei den heutigen Kugellagern kann man unterscheiden
1. Ringlager, die vorwiegend Radialdrücke aufnehmen
sollen,
2. Konuslager zur Aufnahme von Radial- und Achsialdrücken,
und
3. Drucklager zur Aufnahme von reinen Achsialdrücken.
Textabbildung Bd. 326, S. 211
Fig. 6.Wabenring von Fichtel & Sachs.
Textabbildung Bd. 326, S. 211
Fig. 7.Kugelkorb von Fichtel & Sachs.
Ringlager werden in vielerlei Formen gebaut mit einer Reihe Kugeln, mit zwei Reihen
Kugeln und Ringlager für glatte Wellen mit Spannhülsen. Alle Ringlager werden je
nach Belastung mit größeren oder kleineren Kugeln versehen. Die einreihigen
Ringlager sind in der Bauart der Laufringe vollständig gleich, sie unterscheiden
sich nur durch die Konstruktion des Käfigs, durch die Art der Einfüllung der Kugeln
und die damit zusammenhängende Anzahl der Kugeln.
Textabbildung Bd. 326, S. 211
Fig. 8.Kugelkäfig der D. W. F.
Ein guter Käfig muß ein geringes Gewicht haben, um die Kugeln nicht sehr zu belasten;
er muß die Kugeln sicher führen, womöglich in der neutralen Zone, wo
Umfangsgeschwindigkeit und Reibung am geringsten sind, endlich muß der Käfig solide
gebaut und alle sich lösenden Teile dabei sorgfältig vermieden sein. Zum Einbringen
der Kugeln werden Aussparungen im inneren oder äußeren Laufring oder in beiden
vorgesehen, dann kann man die volle Kugelzahl einfüllen; werden die Einfüllöffnungen
fortgelassen, so kann man nur etwas mehr Kugeln, als den halben Ringraum füllen,
einbringen. Da von der Anzahl der Kugeln die zulässige Belastung abhängt, ist dies
von Nachteil; dafür wird geltend gemacht die Haltbarkeit der ungeschwächten
Laufringe und die nicht unterbrochene Laufbahn der Kugeln. In Fig. 5 sehen wir ein Ringlager für hohe Belastungen
der Firma Fichtel & Sachs in Schweinfurt. Der äußere Laufring hat eine Aussparung zum
Einfüllen der Kugeln; der Käfig (Fig. 6) ist
zweiteilig und wird durch in Nuten eingelegte umgebogene Blechklammern
zusammengehalten; er besteht aus Aluminiumlegierung oder Weißmetall, um die Reibung
zwischen Kugeln und Käfig zu vermindern, führt die Kugeln sicher in der
neutralen Zone und gestattet, bis 96 v. H. des Ringraumes mit Kugeln anfüllen zu
können. Wenn nicht viel Wert auf größtmögliche Kugelzahl gelegt wird, wendet die
Firma den aus Messingblech gepreßten, zusammengenieteten Käfig nach Fig. 7 an, der die Kugeln auch gut umschließt und den
Vorzug großer Leichtigkeit hat. Die D. W. F. führt ihre
Lager mit ungeschwächten Laufringen aus;Neben
dieser normalen Ausführung werden auf besonderen Wunsch auch Laufringsysteme
mit Einfüllstelle (d.h. Aussparung im Laufringe) ohne besonderen
Preisaufschlag hergestellt, so daß mehr Kugeln eingebracht werden können und
die Tragfähigkeit erhöht wird. (Anm. d. Verf.) die Einführung der
Kugeln erfolgt in der Weise, daß der innere Laufring gegen den äußeren exzentrisch
verstellt und in den so entstandenen sichelförmigen Raum der größere Teil der Kugeln
eingebracht wird. Um noch mehr Kugeln einzubringen, wird Druck und eine elastische
Deformation der Laufringe zu Hilfe genommen. Der Käfig der D. W. F. besteht (siehe Fig. 8) aus einem
Grundring aus Messingblech, in dessen Falze U-förmige Taschen zur Aufnahme der
Kugeln eingepreßt werden; jede Kugel wird in eine Tasche gebracht und dann werden
die beiden Schenkel der Kappe umgebogen, wie Fig. 8
zeigt, welche nur einen teilweise gefüllten Käfig darstellt. So werden die Kugeln
sicher in der neutralen Zone geführt, in der Laufrichtung haben die Kugeln
Spiel, so daß kein Oel von ihnen abgestreift werden kann; im ganzen ein sehr
leichter und stabiler Käfig. Wo ein Lager schnell auseinandernehmbar sein muß, z.B.
bei den Magnetapparaten der Automobile, empfiehlt sich die Anwendung des sogen.
Magnetlagers der D. W. F. (Fig. 9). Die Laufbahn des Außenrings ist hier zwecks leichter achsialer
Verschiebung des Innenrings nach einer Seite hin offen und konisch ausgebildet, so
daß beide Ringe schnell und leicht getrennt werden können.
Textabbildung Bd. 326, S. 212
Fig. 9.Magnetlager der D. W. F.
(Fortsetzung folgt.)