| Titel: | Beitrag zur graphischen Berechnung des Kurbelgetriebes. | 
| Autor: | Moritz Kroll | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 219 | 
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                        Beitrag zur graphischen Berechnung des
                           								Kurbelgetriebes.
                        Von Moritz Kroll,
                           								Pilsen.
                        Beitrag zur graphischen Berechnung des Kurbelgetriebes.
                        
                     
                        
                           Hat die Kurbel von der Totlage aus den Winkel a
                              									durchlaufen, so hat der Kolben, wie bekannt, den Weg:
                              										s=r\,\left[(1-\mbox{cos}\,\alpha)\,\pm\,\frac{\lambda}{2}\,\mbox{sin}^2\,\alpha\right]
                              									zurückgelegt, wo r den Kurbelradius und X das Verhältnis des Kurbelradius zur Schubstangenlänge
                              									bezeichnet. Die Geschwindigkeit des Kolbens ist dann c
                              									= v sin α (1 ± λ cos α), wenn v die gleichbleibende Geschwindigkeit des Kurbelzapfens
                              									angibt, und endlich wirkt am Umfange des Kurbelkreises bei einem Kolbendrucke P die Tangentialkraft T =
                              										P sin α (1 ± X cos α) bezw.
                              										T=P\,\frac{c}{v}. Die Werte s, c
                              									und T lassen sich nun in einfacher Weise zeichnerisch
                              									ermitteln.
                           In Fig. 1 sei K der
                              									Kurbelkreis, A und B die
                              									beiden Totlagen. Zieht man von einem Punkte C im Abstande m vom Mittelpunkte O unter dem beliebigen
                              									Winkel a einen Strahl CD,
                              									fällt das Lot DE, so stellt, wie im folgenden
                              									dargetan wird, AE den Kolbenweg dar, wenn das Stück
                              										m=\frac{\lambda}{2}\,r gemacht wird, ferner das Lot DE, falls m = λr ist, die dem Drehungswinkel a zugehörige Kolbengeschwindigkeit c dar,
                              									wenn die Geschwindigkeit des Kurbelzapfens v durch den
                              									Kurbelradius dargestellt ist, bezw. ist DE die
                              									Tangentialkraft T, wenn der Kurbelradius den momentanen
                              									Kolbendruck P veranschaulicht.
                           Kolbenweg. Zieht man (Fig.
                                 										1) OF parallel zum Strahl CD und von F aus die
                              									Horizontale FH und das Lot FG, so zerlegt letzteres die Strecke AE,
                              									welche dem Kolbenwege gleich sein soll, in zwei Teile AG und GE. Nun ist AG
                                 										= r (1 – cos α) die Strecke GE = FJ mit einer
                              									praktischen Anforderungen voll genügenden Genauigkeit gleich FD sin α; da der Bogen FD bei dem üblichen Längenverhältnisse λ flach verläuft, ferner angenähert FD = FH sin α = m sin α, somit GE = msin2α
                              									oder, da m gemäß vorausgegangenem gleich
                              										\frac{\lambda}{2}\,r zu machen, ist
                              										G\,E=\frac{\lambda}{2}\,r\,\mbox{sin}^2\,\alpha. Man erhält
                              									nunmehr
                           
                              A\,E=r\,\left[(1-\mbox{cos}\,\alpha)+\frac{\lambda}{2}\,\mbox{sin}^2\,\alpha\right]
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 220
                              Fig. 1.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 220
                              Fig. 2.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 220
                              Fig. 3.
                              
                           Für die zweite Hälfte der Kurbeldrehung ergibt sich analogerweise:
                           
                              A\,E=r\,\left[(1-\mbox{cos}\,\alpha)-\frac{\lambda}{2}\,\mbox{sin}^2\,\alpha\right]
                              
                           somit stellt AE, wie behauptet,
                              									den Kolbenweg dar.
                           Diese zeichnerische Ermittlung wurde schon von Brix in
                              									der Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, Jahrgang 1897, in einer
                              									Abhandlung „Das bizentrische polare Exzenterschieberdiagramm“ angegeben,
                              									jedoch in anderer umständlicher Weise begründet. Im vorliegenden müßte dieselbe des
                              									Zusammenhanges wegen mit dem folgenden nochmals begründet werden.
                           Kolbengeschwindigkeit und Tangentialkraft. Die Linie DE, welche die Kolbengeschwindigkeit bezw. die
                              									Tangentialkraft darstellen soll, besteht aus den Abschnitten JE und DJ, von welchen JE = FG = r sin α ist, während DJ
                              									angenähert gleich FD cos α
                              									gesetzt werden kann, und da FD = m sin α ist, so erhält man
                              									mit einer zulässigen Annäherung DJ = m sin α cos α, und wenn man noch
                              									gemäß Voraussetzung m = λr setzt,
                           DE = r sin α (1 + λ cos α),
                           d.h. die Strecke DE stellt die
                              									Kolbengeschwindigkeit dar bezw. die Tangentialkraft, wenn r die Geschwindigkeit des Kurbelzapfens bezw. den dem Drehungswinkel a zugehörigen Kolbendruck veranschaulicht. Für die
                              									zweite Hälfte der Kurbeldrehung ergibt sich
                           DE = r sin α (1 – λ cos α).
                           Kolbendruckdiagramm. Um das Diagramm zu erhalten,
                              									welchem die dem jeweiligen Kolbenwege zugehörige Kolbengeschwindigkeit zu entnehmen
                              									ist, verzeichnet man mit dem Radius r die beiden Kreise
                              										Ks und Kv (s. Fig. 2), deren Mittelpunkte O und P um
                              										\frac{\lambda}{2}\,r voneinander abstehen, und zieht von
                              									einem Punkte C, der ebenfalls um
                              										\frac{\lambda}{2}\,r von O
                              									entfernt ist, unter dem Winkel α den Strahl CD. Ein von D auf die
                              									wagerechte Mittellinie gefälltes Lot stellt dann die dem Winkel α zugehörige Kolbengeschwindigkeit dar, da der
                              									Ausgangspunkt C des Strahles CD vom Mittelpunkte P des Kreises Kv um λr absteht. Anderseits ist die Strecke AE zwischen dem Totpunkte A und dem Fußpunkte des von F gefällten Lotes
                              										FE gleich dem Kolbenwege, da der Mittelpunkt O des Kreises Kv von C um
                              										\frac{\lambda}{2} absteht. Eine von D gezogene Horizontale schneidet von dem letztgenannten Lote eine Strecke
                              										GE ab gleich der dem Kolbenwege AE zugehörigen Kolbengeschwindigkeit, somit ist F ein Punkt der zu verzeichnenden
                              									Geschwindigkeitskurve. In Fig. 2 ist noch ein
                              									zweiter Punkt H der Kurve für einen größeren
                              									Drehungswinkel ermittelt und erhält man auf diesem Wege schließlich die in Fig. 2 verzeichnete kräftig ausgezogene Kurve der
                              									Kolbengeschwindigkeiten.
                           Tangentialdiagramm. In Fig.
                                 										3 sei Fläche ADEB das Diagramm der
                              									resultierenden Kolbendrücke, welches eine Dampfmaschine während eines Hubes bei
                              									Berücksichtigung der „Massenwirkung“ liefert.
                           Verzeichnet man gemäß dem in Fig. 2 angegebenen
                              									Verfahren zur Ermittlung der Kolbengeschwindigkeiten etwa unterhalb der Grundlinie
                              										AB von F aus den
                              									Halbkreis Ks, ferner
                              									von O aus im Abstande
                              										\frac{\lambda}{2}\,r vom Punkte F einen gleichgroßen Halbkreis Ks, zieht endlich von C,
                              									welcher Punkt von F ebenfalls um
                              										\frac{\lambda}{2} entfernt ist, unter dem Winkel a den Strahl CG, so stellt
                              									der Abstand des Punktes G von der Grundlinie die dem
                              									Drehungswinkel a zugehörige Kolbengeschwindigkeit c dar, wenn der Kurbelradius die Geschwindigkeit v veranschaulicht. Die zugehörige Kolbenstellung ist
                              									gemäß Konstruktion Fig. 2 durch den Punkt M gegeben, daher MN der
                              									bei dieser Kolbenstellung wirkende Kolbendruck.
                           Trägt man von einem beliebigen geeigneten Punkte der Grundlinie AB oder ihrer Verlängerung, etwa von B aus, den Radius r = BS
                              									auf und überträgt die der Tangentialkraft proportionale Strecke LM = RB auf BS, zieht NS und durch den Schnittpunkt dieser Strecke mit der
                              									Grundlinie, dem Punkte U, von R aus die Gerade RV, so stellt MV die Tangentialkraft dar, welche der Kolbendruck NM erzeugt; denn aus der Aehnlichkeit der Dreiecke BSU und NUM wie auch BUR und VUM folgt:
                              										\frac{V\,M}{P}=\frac{B\,R}{B\,S}=\frac{c}{v}, also VM gleich der Tangentialkraft T. Auf diese Weise wurde die Kurve der Tangentialkräfte AVWTB ermittelt, derart, daß die jeweiligen
                              									Tangentialdrücke auf den zugehörigen Kolbendrücken zu liegen kommen.
                           Um das Diagramm der Tangentialkraft zu erhalten, verzeichnet man von B aus den halben Umfang des Kurbelkreises BZ = rπ, überträgt die jeweiligen Tangentialkräfte als
                              									Ordinaten über die zugehörigen Punkte des abgerollten Kurbelhalbkreises und erhält
                              									so das über BZ liegende Tangentialdiagramm für die
                              									eine Hälfte der vollen Kurbeldrehung. In gleicher Weise läßt es sich für die zweite
                              									Hälfte der Drehung verzeichnen.
                           Das im vorstehenden entwickelte Verfahren zur Konstruktion des Diagrammes der
                              									Kolbengeschwindigkeiten und der am Umfange eines Kurbelkreises wirkenden
                              									Tangentialkräfte bietet gegenüber dem gebräuchlichen den Vorteil, viel weniger Raum
                              									zu beanspruchen, so daß man in wesentlich größerem Maßstabe also genauer arbeiten
                              									kann, und führt es außerdem, weil einfacher, rascher zum Ziele.