| Titel: | Die Hebemaschinen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. | 
| Autor: | K. Drews | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 241 | 
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                        Die Hebemaschinen auf der Weltausstellung in
                           								Brüssel 1910.
                        Von K. Drews, Oberlehrer an der Kgl.
                              									höheren Maschinenbauschule zu Posen.
                        (Fortsetzung von S. 219 d. Bd.)
                        Die Hebemaschinen auf der Weltausstellung in Brüssel
                           								1910.
                        
                     
                        
                           
                              
                              Die Hebemaschinen ausländischer Firmen.
                              
                           Im Jahrgang 1910, S. 627 und 628 dieser Zeitschrift habe ich die in der
                              									internationalen Halle ausgestellt gewesenen Hebemaschinen in einer Liste
                              									zusammengestellt. Aus dieser Liste erkennt man ohne weiteres, daß der ausländische
                              									Hebezeugbau in Brüssel die großen Fortschritte des letzten Jahrzehnts auf diesem
                              									Gebiete wenig zum Ausdruck brachte. Vergleiche zwischen dem ausländischen und
                              									deutschen Hebezeugbau auf der Ausstellung mußten sehr zu ungunsten des ersteren
                              									ausfallen. Das gilt nicht nur bezüglich des Formenreichtums, sondern auch bezüglich
                              									der konstruktiven Ausgestaltung. Man sah dort noch manche Anordnung und Bauart, die
                              									von unseren Hebezeugfirmen schon längst als überwundener Standpunkt abgetan
                              									sind.
                           Als Betriebsmittel wurde auch von den ausländischen Firmen vorwiegend Elektrizität
                              									verwandt. Aber gerade gegen die elektrische Ausrüstung mancher der ausgestellten
                              									Hebezeuge läßt sich vieles einwenden; man merkt, daß die Spezialisierung des Baues
                              									elektrischer Hebezeuge nicht so wie bei uns durchgeführt ist.
                           Im folgenden werde ich nun, soweit mir das Material darüber zugegangen ist, die
                              									bemerkenswertesten der ausgestellten Hebezeuge besprechen.
                           
                        
                           
                              Die Laufkrane in der internationalen Maschinenhalle.
                              
                           Die Laufkrane dienten zur Montage der ausgestellten Maschinen. Die meisten von ihnen
                              									waren aber auch selbst Ausstellungsgegenstände. Die Gerüstkonstruktion war bei allen
                              									dieselbe; vier Längsträger, von denen je zwei durch Horizontalverbände zu einem
                              									Kastenträger von hoher seitlicher Steifigkeit verbunden sind und oben mit Blech
                              									oder auch Bohlen abgedeckt als Laufstege dienen. Der eine dieser Kastenträger nimmt
                              									den Fahrantrieb auf. Für die Hauptträger wurden selbst bei mäßigen Tragkräften und
                              									Spannweiten Fachwerkbalken mit parabolischem Untergurt bevorzugt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 241
                              Elektrisch betriebene Laufkatze der Maschinenfabrik Oerlikon.
                              
                           Während man in Deutschland für die Laufrollen fast immer Stahlformguß verwendet,
                              									besaßen die meisten Laufkrane in der internationalen Halle solche aus Hartguß nach
                              									dem Griffin-Verfahren.
                           
                        
                           
                              Elektrisch betriebener Laufkran der Maschinenfabrik Oerlikon
                                 										in Oerlikon-Zürich.
                              
                           Dieser Kran dient zur Bedienung der schweizerischen und italienischen Stände. Zum
                              									Unterschied von den anderen Laufkranen in dieser Halle ist bei dem Kran von Oerlikon Drehstrom, und zwar solcher von 150 Volt
                              									Spannung und 42 Perioden, verwandt worden.
                           
                           Die Hauptdaten des Kranes sind folgende:
                           
                              
                                 Tragkraft
                                 
                                         25 t
                                 
                              
                                 Spannweite
                                 
                                        19,10 m
                                 
                              
                                 Heben
                                 GeschwindigkeitMotor
                                       1,9 m i. d. Min.18 PS bei n =
                                    											1200
                                 
                              
                                 Katzefahren
                                 GeschwindigkeitMotor
                                      16 m i. d. Min.3,2 PS bei n =
                                    											1180
                                 
                              
                                 Kranfahren
                                 GeschwindigkeitMotor
                                       45 m i. d. Min.13 PS bei n =
                                    											1200
                                 
                              
                           Die Kranbrücke, deren Hauptträger vollwandige Blechträger mit parabolischem Untergurt
                              									waren, bot nichts Bemerkenswertes.
                           Fig. 45–47 zeigen die
                              									Laufkatze; es ist die normale Bauart der Firma. Der Rahmen ist aus ⊏-Eisen zusammengenietet. Als Uebersetzungsmittel sind
                              									bei beiden Triebwerken Schneckengetriebe schon wegen der hohen Umlaufzahlen der
                              									Motoren gewählt worden. Die Maschinenfabrik Oerlikon
                              									hat seit Einführung des elektrischen Antriebes in den 90 er Jahren des vergangenen
                              									Jahrhunderts auf die vollendete konstruktive Ausgestaltung dieses
                              									Uebersetzungsmittels zur Erzielung hoher Wirkungsgrade viel Arbeit verwandt, D. p.
                              									J. 1908, S. 19.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 242
                              Fig. 48.Schneckenkasten mit Backenbremse der Maschinenfabrik
                                 										Oerlikon.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 242
                              Fig. 49.Grundriß des Schneckenkastens.
                              
                           Fig. 48 und 49 zeigen
                              									die neueste normale Bauart. Die Firma führt diese in sechs Größen mit verschiedenen
                              									Uebersetzungen aus. Der Achsialdruck der Schnecke, und zwar nach beiden Richtungen,
                              									wird durch ein Kugellager am Ende der Schneckenwelle aufgenommen. Die Schnecke wird
                              									aus hochwertigem Spezialstahl ausgeführt; sie wird poliert, aber nicht gehärtet. Als
                              									Grund hierfür gibt die Firma an, daß durch das Härten oft Formänderungen auftreten,
                              									die den Wirkungsgrad und die Erwärmung ungünstig beeinflussen. Schnecke und Welle
                              									sind nicht, wie sonst gewöhnlich, aus einem Stück, sondern jene ist auf diese
                              									aufgekeilt. Gegen achsiale Verschiebung sichert sie auf der einen Seite ein Bund,
                              									auf der anderen zwei in eine Eindrehung eingelegte geteilte Ringe, die ihrerseits
                              									durch zwei warm aufgezogene Ringe zusammengehalten werden. Wie Fig. 48 zeigt, ist die Schnecke über dem
                              									Schneckenrade angeordnet; diese Anordnung hat den Vorteil, daß man die
                              									schnellaufenden Teile besser beobachten kann; ferner, daß die Teile, die am ehesten
                              									ausgewechselt werden müssen, leicht zugänglich sind. Als Schmiermaterial
                              									empfiehlt Oerlikon ⅔ säurefreies (ungesalzenes)
                              									Schweinefett und ⅓ dickflüssiges Zylinderöl (Schwarzöl) mit etwas Zugabe von
                              									gewöhnlichem Maschinenöl. Wie Fig. 48 ferner zeigt,
                              									ist das Gehäuse in der Ebene der Schneckenradwelle nicht geteilt sondern das Rad
                              									wird von unten eingesetzt; unten wird das Gehäuse dann durch einen abgedichteten
                              									Deckel geschlossen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 242
                              Fig. 50.Beziehungen zwischen Reibungskoeffizient und Wirkungsgrad für
                                 										verschiedene Steigungswinkel. Reibungskoeffizient.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 242
                              Fig. 51.Beziehungen zwischen Steigungswinkel und Wirkungsgrad für
                                 										verschiedene Reibungskoeffizienten. Steigungswinkel.
                              
                           Fig. 50 und 51 zeigen
                              									zwei Schaubilder, die die Beziehungen zwischen dem Wirkungsgrad in einerseits und dem Steigungswinkel a sowie dem Reibungswinkel φ andererseits darstellen. Bekanntlich ist
                              										\eta=\frac{\mbox{tg}\,\alpha}{\mbox{tg}\,(\alpha+\varphi)}.
                           Fig. 50 zeigt die Veränderlichkeit von η bei Reibungskoeffizienten von 0,01 bis 0,1 für acht
                              									Schnecken mit verschiedenen Steigungswinkeln (α = 45°
                              									bis 5°).
                           
                           Fig. 51 zeigt diese Veränderlichkeit abhängig
                              									vom Steigungswinkel für zehn verschiedene Reibungswinkel (tg
                                 										φ = 0,01 bis 0,1).
                           Die Last hängt an zwölf Seilsträngen; die Seilführung ist aus Fig. 45 und 46 ersichtlich. Die
                              									Unterflasche trägt sechs Seilrollen von 470 mm . Die beiden Seilenden laufen
                              									auf die mit rechts- und linkssteigenden Rillen versehenen Trommeln von 615 mm
                              									 auf. Die festen Leitrollen befinden sich auf der feststehenden Trommelachse
                              									zwischen beiden Trommeln.
                           Die Fig. 46 und 48 lassen die Hubwerksbremse erkennen. Sie ist eine
                              									auf der Motorwelle sitzende gewichts- oder federbelastete Doppelbackenbremse. Für
                              									gewöhnlich ist die Bremse durch eine Feder (Fig. 48)
                              									oder ein Gewicht (Fig.
                                 										46) in der in den Figuren erkennbaren Weise festgezogen. Das Lüften der
                              									Bremse geschah in Brüssel, wie in Fig. 48
                              									dargestellt, durch einen kleinen Bremsmotor, der auf dem ersten Kontakt des
                              									Steuerschalters Strom erhält und dadurch die Scheibe, an der die beiden Backenhebel
                              									angelenkt sind, im Sinne des Lösens gegen die Federkraft dreht. Beim Abstellen des
                              									Hubmotors wird auch der Bremsmotor stromlos gemacht und die Feder zieht die Bremse
                              									wieder fest. Bei Gleichstrom wird ein Bremsmagnet anstatt des Bremsmotors
                              									verwandt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 243
                              Fig. 52.Stellerapparat zum Laufkran der Maschinenfabrik Oerlikon.
                              
                           Auf Wunsch kann die Bremse auch vom Führer mittels eines Fußtrittes betätigt werden.
                              									Es ist dann längs der Katzenfahrbahn ein endloses Seil gespannt, das über zwei
                              									Leitrollen am Katzenrahmen an den Bremshebel geführt ist; die Fig. 46 und 47 lassen diese
                              									Anordnung erkennen. Der Bremsmotor ist in Fig. 47 auch
                              									eingezeichnet; selbstverständlich kommt nur eine von beiden Betätigungen in
                              									Betracht, entweder Bremsmotor oder Steuerseil. Die mechanische Bremse dient nur als
                              									Haltebremse; das Regeln der Lastsenkgeschwindigkeit geschieht durch die Bremswirkung
                              									des unter dem Antrieb der Last auf das Netz arbeitenden Motors. Bei Gleichstrom
                              									arbeitet der Motor, da dann Hauptstrommotoren verwandt werden, auf Widerstände.
                           Die Steuerapparate stehen in dem am Krangerüst hängenden Führerkorb. Diese Apparate,
                              									die Anlaß- und Regulierwiderstände und auch der Hauptausschalter sowie die
                              									Sicherungen befinden sich in einem gemeinsamen eisernen Schutzkasten, wie ihn Fig. 52 ohne Blechverkleidung zeigt. Aus dem Kasten
                              									ragen oben nur die Handkurbeln für die drei Steuerapparate und ein Handhebel links
                              									zur Betätigung des Hauptschalters hervor. Links unten bemerkt man die Anschlüsse für
                              									die Verbindungsleitungen.
                           Die Uebersetzung 1 : 6 im Flaschenzug der Hubwinde ist für eine Last von 25 t eine
                              									ungewöhnlich hohe; der 30 t-Laufkran von Zobel, Neubert
                              									& Co. in der deutschen Kraftmaschinenhalle (D.
                              									p. J. 1910, S. 721 u. f.) besaß demgegenüber im Flaschenzug nur eine Uebersetzung
                              									von 1: 3. Die zwölffache Aufhängung der Last ist wohl aus der hohen Umlaufzahl des
                              									Hubmotors (n = 1200) zu erklären. Um schon im
                              									Schneckengetriebe eine hohe Uebersetzung zu erhalten, hat man eine eingängige
                              									Schnecke gewählt. Die Gesamtübersetzung zwischen 12 Motor- und Trommelwelle beträgt
                              										\frac{1}{41}\,.\,\frac{12}{59} hätte man in den Flaschenzug
                              									nur eine Uebersetzung von 1 : 3 gelegt, so wäre die Uebersetzung im Trommelvorgelege
                              										\frac{12}{118}\,\sim\,\frac{1}{10} also unbequem hoch
                              									geworden. Die großen aufzuwickelnden Seillängen (bei 10 m Lasthub 60 m Seil auf jede
                              									Trommel) wiederum zwang den Konstrukteur, einen größeren Trommeldurchmesser zu
                              									wählen, als das Seil erforderte, da man sonst zu großen Trommellängen kam.
                           Bei dem oben erwähnten Zobelschen Kran beträgt die
                              									Seilbelastung 5000 kg, der Trommeldurchmesser 450 mm, während bei dem Kran von Oerlikon ein Trommeldurchmesser von 610 mm für ein mit
                              									etwa 2000 kg belastetes Seil gewählt worden ist.
                           Dadurch wird aber auch das Lastmoment vergrößert, was wiederum stärkere Abmessungen
                              									der Triebwerkteile zur Folge hat. Infolge der größeren Umfangsgeschwindigkeit der
                              									Trommeln und Zahnräder wachsen gleichfalls die Massenkräfte beim An- und Auslauf;
                              									diese dürften jedoch selbst bei Verdoppelung der Hubgeschwindigkeit gegenüber der
                              									Hubarbeit keine große, die Leistungsfähigkeit des Kranes beeinträchtigende Rolle
                              									spielen. Erst im Verein mit den Massenkräften des schnellaufenden Motorankers dürfte
                              									die Rechnung verhältnismäßig hohe Beträge ergeben.
                           Meines Erachtens wäre man ganz gut mit dreifacher Flaschenzugübersetzung und
                              									kleinerem Trommeldurchmesser ausgekommen, einen Vorteil kann ich in der von Oerlikon gewählten Anordnung nicht erblicken. Die
                              									Herstellungskosten sind gegenüber der Anordnung beim Zobelschen Kran, die ja auch die übliche ist, höhere; das interessiert
                              									indes nur den Fabrikanten. Den Käufer interessieren dagegen der Seilverschleiß, die
                              									Kosten des auszuwechselnden Seiles und der Stromverbrauch; diese werden jedoch durch
                              									die doppelte Seilgeschwindigkeit, Seillänge und Rollenzahl gegenüber der
                              									gebräuchlicheren Anordnung ungünstig beeinflußt. Die teilweise Schonung des Seiles
                              									durch den größeren Aufwicklungsdurchmesser und die Umbiegung nach nur einer Seite
                              									können obige Nachteile nicht ausgleichen.
                           Bei Betrachtung des Grundrisses der Laufkatze fällt die Platzverteilung auf. Der
                              									Rahmen zwischen den Laufrädern nimmt nur die Trommeln und die Trommelvorgelege auf.
                              									Die Motoren und die übrigen Triebwerkteile sind auf seitlichen Ausladungen des
                              									Rahmens montiert. Diese Anordnung ist wohl aus dem Bestreben, die Rahmenkonstruktion
                              									für verschiedene Hubhöhen zu normalisieren, entstanden. Entsprechend der Hubhöhe
                              									braucht dann nur das Maß für die Spurweite verändert werden, während alles übrige
                              									bleibt. Die Raumausnutzung ist dabei nicht besonders günstig, die Baulänge kann aber
                              									kurz gehalten werden, was eine Vergrößerung des nutzbaren Kastenweges zur Folge
                              									haben kann. Die seitlichen Ausladungen, die bei der vorliegenden Konstruktion 700
                              									und 600 mm betragen, bestreichen die Laufstege zu beiden Seiten der Kranträger fast
                              									in voller Breite. Von der so bequemen Anordnung des Kranfahrwerkes auf dem oberen
                              									Horizontalverband eines der Laufstege wird man in den meisten Fällen, wie ja auch in
                              									Brüssel, absehen und die Längswelle mit ihren Lagern unter dem Horizontalverband
                              									anbringen müssen.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)