| Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. | 
| Autor: | A. Bucher | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 305 | 
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                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
                           								Brüssel 1910.
                        Von Ingenieur A. Bucher,
                           								Tegel bei Berlin.
                        
                           Lokomotiven.
                           
                        (Fortsetzung von S. 293 d. Bd.)
                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
                           								1910.
                        
                     
                        
                           27. E-Heißdampf-Güterzuglokomotive G 10 der Preußischen Staatsbahn K. E. D.
                              									Saarbrücken, Betriebs-Nr. 5101, gebaut 1910 von Henschel & Sohn in Kassel, Fabrik-Nr.
                              									9735 (Fig. 128.)
                           Diese kräftige Güterzuglokomotive ist im wesentlichen eine Nachbildung der bereits
                              									seit 1905 von Schwartzkopff gebauten und 1906 in
                              									Mailand ausgestellt gewesenen E-Heißdampf-Tenderlokomotive. Alle früheren Bauarten
                              									kurvenbeweglicher Lokomotiven nach Maltet, A Meyer,
                                 										Hagans und Köchy sind in neuerer Zeit
                              									verdrängt worden durch die bedeutend einfachere Lokomotive mit seitlich
                              									verschiebbaren Achsen. Auf den Untersuchungen von Helmholtz über die Einstellung der Lokomotiven in Gleiskurven beruhend,
                              									wurden die ersten Fünfkuppler-Güterzugmaschinen mit verschiebbaren Achsen nach den
                              									Angaben von Gölsdorf gebaut im Jahre 1900 von der Floridsdorfer Lokomotivfabrik für die Oesterreichischen
                              									Staatsbahnen. Seitdem hat diese äußerst einfache Achsenanordnung bei allen
                              									europäischen Bahnen Eingang gefunden mit Seitenspiel bis zu 30 mm, wobei das aus
                              									Amerika stammende Weglassen der Bandagenspurkränze vermieden werden kann.
                           Zwischen dem europäischen und amerikanischen Lokomotivbau hat sich in den letzten
                              									Jahren eine auffällige Wechselwirkung vollzogen: Für unsere Schnellzuglokomotiven
                              									kommen die amerikanischen Achsenanordnungen 2B1-Atlantic und 2C1-Pacific zur
                              									Verwendung und neuerdings auch der Barrenrahmen. Für die Güterzuglokomotiven der
                              									großen amerikanischen Ueberlandbahnen kommt mehr und mehr die europäische
                              									Triebwerksanordnung, System Maltet, bis zu den
                              									gewaltigsten Abmessungen zur Anwendung, wobei außerdem an Stelle der inneren Stephenson-Steuerung die äußere Steuerung nach Heusinger-Walschaert tritt.
                           Das Verwendungsgebiet der von der Baufirma in Brüssel ausgestellten E-Lokomotive
                              									liegt hauptsächlich in den Eisenbahnbezirken mit stark wechselnden
                              									Neigungsverhältnissen. Sie eignet sich sowohl zur Beförderung von Güterzügen als
                              									auch von Personenzügen infolge des verhältnismäßig großen Raddurchmessers von 1400
                              									mm. Die Hauptabmessungen der beiden E-Maschinen sind in Tab. 13 einander
                              									gegenübergestellt, wobei die eingeklammerten Zahlen die Abmessungen des fast genau I
                              									gleichen Kessels der Schnellzuglokomotive S 10 (S. 199 I d. Bd.) wiedergeben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 305
                              Fig. 128.
                              
                           Infolge des großen Raddurchmessers von 1400 mm konnten die Zylinder trotz ihrem
                              									großen Durchmesser von 630 mm wagerecht gelegt werden. Der Kolben wirkt mit
                              									einschienig geführtem Kreuzkopf auf die dritte feste Achse, deren Lagerhälse gleich
                              									lang sind wie bei den um je 28 mm verschiebbaren Endachsen, nämlich 260 mm, ebenso
                              									wie das Lager, während die Schenkel der zweiten und vierten festen Achse und ihre
                              									Lager nur 204 mm lang sind. Alle Achslager sind dreiteilig nach der Bauart von Obergethmann, die unten montierten Tragfedern
                           Tabelle 13.
                           
                              
                                 
                                 E-H. G. L.Gattung G 10
                                 H. G. T. L.Gattung T 14
                                 
                              
                                 Rostfläche
                                 qm
                                 2,62
                                 2,25
                                 
                              
                                 Feuerbuchs-Heizfläche, innen
                                 „
                                 17,38 (13,6)
                                 11,15
                                 
                              
                                 Siederohr-Heizfläche, innen
                                 „
                                 136,77 (140)
                                 123,76
                                 
                              
                                 Verdampfungs-Heizfläche, innen
                                 „
                                 154,15 (154)
                                 134,91
                                 
                              
                                 Ueberhitzer-Heizfläche
                                 „
                                 52,72 (52,9)
                                 42,51
                                 
                              
                                 Gesamte Heizfläche
                                 „
                                 206,87 (207)
                                 177,42
                                 
                              
                                 Dampfdruck
                                 at
                                 12
                                 12
                                 
                              
                                 Zylinder-Durchmesser mm
                                 mm
                                 630
                                 610
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 „
                                 660
                                 660
                                 
                              
                                 Treibrad-Durchmesser
                                 „
                                 1400
                                 1350
                                 
                              
                                 Fester Radstand
                                 „
                                 3000
                                 2900
                                 
                              
                                 Gesamter Radstand
                                 „
                                 6000
                                 5800
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 t
                                 62,605
                                 58,95
                                 
                              
                                 Dienstgewicht
                                 „
                                 69,525
                                 73,5
                                 
                              
                                 Zugkraft
                                    											0,7\,.\,p\,.\,\frac{d^2\,.\,s}{D}
                                 kg
                                 15800
                                 15200
                                 
                              
                                 Garbesche Charakteristik
                                    												\frac{d^2\,s}{D\,.\,Q_a}
                                 26,6
                                 21,8
                                 
                              
                                 Reibungskoeffizient
                                 4,4
                                 4,8
                                 
                              
                           
                           der ersten und zweiten sowie der vierten und fünften
                              									Achse sind durch Ausgleichhebel verbunden, so daß das abgefederte Lokomotivgewicht
                              									in drei Punkten getragen wird, nämlich auf der vorderen und der hinteren
                              									Balancier-Lagermitte und auf der Mittelachse. Der Treibzapfen aus
                              									Mannesmann-Verbundstahl mit 165 mm  hat zwischen den beiden Stangenlagern
                              									einen 50 mm langen Bund von 185 mm  wie in der Nabe, die maximale
                              									Biegungsbeanspruchung beträgt
                           k_b=\frac{P\,.\,l}{W}=\frac{10\,.\,\frac{\pi}{4}\,.\,63^2\,.\,12\,.\,23}{16,5^3}=1900
                              									kg/qcm.
                           Der Rahmen besteht aus 30 mm-Blechplatten, die obere
                              									Horizontalversteifung ist sehr zweckmäßig von der vierten Achse bis zur Bufferbohle
                              									durchgeführt, könnte aber, statt am mittleren Kesselträger getrennt zu werden, aus
                              										einem Blech durchgehen. Bei den Rahmenwinkeln
                              									sollte darauf geachtet werden, daß die Nietlöcher in den beiden Schenkeln
                              									gegeneinander versetzt sind, außerdem sollten Niet- und Schraubenlöcher in den Ecken
                              									der Winkelrahmen, also an den Schweißstellen, vermieden werden. Bei der Vorderachse,
                              									deren Bandagen nach Abzug des Seitenspieles nur 35 – 28 = 7 mm vom Rahmen abstehen,
                              									sollten die Schraubenköpfe der oberen Horizontalversteifung genau wie bei den
                              									Achsbacken außen glatt versenkt sein.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 306
                              Fig. 129.
                              
                           Bremse. Die Maschine ist wie die beiden Vierkuppler Nr.
                              									23 und 24 mit Dampfbremse ausgerüstet, und zwar werden nur die drei festen Achsen
                              									gebremst. Die Bremsklötze sind am Treibrad beidseitig, an den Kuppelrädern vorn
                              									bezw. hinten einseitig und tiefliegend angebracht, sie erhalten ihren Bremsdruck
                              									durch ein entsprechendes Gestänge mit wagerechten Ausgleichhebeln aus einem rechts
                              									unter dem Führerhaus außen am Rahmen befestigten Dampfbremszylinder derart, daß der
                              									Gesamtdruck auf die acht Klötze 56000 kg oder 80 v. H. des Reibungsgewichtes
                              									beträgt.
                           Das Fahrerhaus mit sehr stark gewölbtem Dach füllt das
                              									Umgrenzungsprofil vollkommen aus und entspricht im übrigen den bereits beschriebenen
                              									preußischen Ausführungen. Die Plattform ist auf 1575 mm Höhe schön geradlinig
                              									durchgeführt, der vordere Abschluß könnte jedoch besser ausgebildet werden.
                           Mit Ausnahme des Tachometers sind alle bei den preußischen Lokomotiven sonst üblichen
                              									Sonderausrüstungen vorhanden.
                           Der dreiachsige Tender mit 12 cbm Wasserfassung
                              									entspricht den Normalien der Preußischen Staatsbahn.
                           Leistungen. Bei den im Februar 1910 auf der steigungs-
                              									und kurvenreichen Strecke Wannsee-Nedlitz hat diese Lokomotive mit 12 km/Std. einen
                              									Zug von 1403 t befördert, entsprechend einer im Dynamometerwagen gemessenen
                              									effektiven Zugkraft von 18000 kg. Die auf den verschiedenen Steigungen erreichten
                              									Zuglasten ausschl. Lokomotive und Tender sind in Tab. 14 zusammengestellt.
                           Tabelle 14.
                           
                              
                                 Geschwin-digkeiti. d.
                                    											Std.
                                 Um-drehungeni. d. Min.
                                 Bruttolast in t, gezogen a.
                                    											Tenderzug-haken auf gerader Steigung von
                                 
                              
                                 30 v. T.1: 33
                                 20 v. T.1: 50
                                 10 v. T.1: 100
                                 5 v. T.1: 200
                                 2,5 v. T.1: 400
                                 + 0 v. T.1: ∞
                                 
                              
                                 10
                                   38
                                 459
                                 715
                                 1430
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 15
                                   57
                                 414
                                 635
                                 1215
                                 
                                 
                                 
                                 
                              
                                 20
                                   76
                                 368
                                 570
                                 1005
                                 1855
                                 
                                 
                                 
                              
                                 25
                                   95
                                 321
                                 500
                                   955
                                 1615
                                 
                                 
                                 
                              
                                 30
                                 114
                                 280
                                 441
                                   845
                                 1415
                                 
                                 
                                 
                              
                                 35
                                 133
                                 239
                                 380
                                   730
                                 1225
                                 1740
                                 
                                 
                              
                                 40
                                 152
                                 201
                                 325
                                   630
                                 1025
                                 1455
                                 
                                 
                              
                                 45
                                 171
                                 172
                                 281
                                   540
                                   870
                                 1225
                                 
                                 
                              
                                 50
                                 190
                                 148
                                 247
                                   476
                                   765
                                 1055
                                 1645
                                 
                              
                                 55
                                 209
                                 129
                                 217
                                   418
                                   665
                                   905
                                 1365
                                 
                              
                                 60
                                 228
                                 108
                                 176
                                   361
                                   568
                                   765
                                 1115
                                 
                              
                           Die Baufirma hat bereits mehrere Serien dieser neuen Lokomotivtype an die Preußische
                              									Staatsbahn-Verwaltung abgeliefert, eine dieser Maschinen trägt die Fabrik-Nummer
                              									10000. Gleichzeitig mit deren Ablieferung beging die Firma Henschel & Sohn, die größte europäische Lokomotivfabrik, die Feier
                              									ihres 75 jährigen Fabrik-Jubiläums.
                           28. E-Vierzylinder-Verbund-Güterzuglokomotive Gruppe 470 der Italienischen
                              									Staatsbahn, Betriebs-Nr. 47143, gebaut 1910 von der „Officine Meccaniche“ (gia Miani
                                 										Silvestri & Cie.) Mailand. Fabrik-Nr. 286 und Kessel-Nr. 681 (Fig. 129)
                           Die Verwaltung der Italienischen Staatsbahnen hat zur Beförderung der Güterzüge in
                              									den letzten Jahren eine große Zahl von 1D- und E-Lokomotiven beschafft, von welch
                              									letzteren von der Baufirma eine Maschine in Brüssel ausgestellt war und infolge
                              									ihrer eigenartigen Bauart besonderes Interesse erweckte.
                           Der Kassel hat breite, über den Rahmen gestellte
                              									Feuerbuchse mit stark geneigter Rückwand. An Stelle des gewöhnlichen Rostes ist der
                              									Polygon-Rost von C. Carloni in Mailand verwendet, wobei
                              									die mittlere der drei Lagen als Kipprost ausgebildet ist. Zur Unterbringung der
                              									beträchtlichen Rohrheizfläche von 224 qm mußte der Langkessel, aus drei Schüssen
                              									bestehend, ziemlich lang bemessen werden. Die Rohrlänge beträgt demnach 5150 mm, die
                              									Zahl der Siederohre von 47/52 mm  ist 273. Die Blechstärke des Rundkessels
                              									von nur 1580 mm mittl.  ist zur Vermehrung des Gewichts mit 18½ mm sehr
                              									reichlich gewählt.
                           
                           Die Zylinder, alle vier in einer Ebene liegend,
                              									wirken auf die dritte Achse, welche im mittleren Teile den bekannten rechteckigen
                              									Kropfarm hat. Entgegen den sonstigen Anordnungen bilden hier die zwei
                              									Hochdruckzylinder in einem Gußstück die linke Maschinenseite, die zwei
                              									Niederdruckzylinder, ebenfalls in einem Gußstück, die rechte Maschinenseite. Je zwei
                              									Zylinder einer Stufe bezw. einer Maschinenseite haben nur einen Kolbenschieber, der
                              									Hochdruckschieber nach Fig. 130 mit zwei, der
                              									Niederdruckschieber nach Fig. 131 mit vier
                              									hintereinander liegenden Schiebertrommeln und je zwei federnden Ringen. Die inneren
                              									Zylinder sind um 8° geneigt, um die Höhenlage der senkrecht über den um 1° geneigten
                              									Außenzylindern befindlichen Schieberkasten zu erreichen. Durch diese
                              									Zylinderanordnungkommt das innere Steuerungsgestänge vollständig in Wegfall, es ist
                              									also für jede Maschinenseite nur eine einfache Außensteuerung nach Heusinger-Walschaert nothwendig. Immerhin mußte dieser
                              									Vorteil erkauft werden durch zwei sehr schwierige Zylindergußstücke, deren
                              									Auswechselung umständlich und teuer ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 307
                              Fig. 130.Hochdruckzylinder.
                              
                           Die Kurbeln einer Maschinenseite sind gegeneinander um
                              									180° versetzt, während die rechte Kurbel der linken um 90° voreilt. Um mit der
                              									inneren Treibstange über die zweite Kuppelachse hinwegzukommen, mußte diese
                              									ebenfalls gekröpft und mit Rechteck-Querschnitt ausgeführt werden.
                           Die stark nach oben durchgebogenen Tragfedern liegen unter den Zara-Achsbuchsen und sind eigenthümlicherweise sämtlich
                              									durch Ausgleichhebel miteinander verbunden. Während die Treibachse Achsschenkel von
                              									230 × 230 mm hat, sind diejenigen der Kuppelachsen nur 190 mm stark und 290 mm lang.
                              									Radstände und Achsenanordnung sind genau gleich wie bei Nr. 27, jedoch mit dem
                              									Unterschiede, daß die beiden Endachsen nach Gölsdorf-Helmholtz nur je 20 mm Seitenspiel haben und daher bei der
                              									Treibachse der Spurkranz ganz weggelassen ist. Abweichend von der üblichen
                              									Ausführung mit Verlängerung sind hier die Kuppelzapfen der beweglichen Endachsen
                              									kugelig gedreht. Bei den Seitenverschiebungen der Achse geht also der
                              									Kuppelstangenkopf mit, d.h. die Stange dreht sich an ihrem anderen Ende samt Gabel
                              									und Bolzen um eine Gelenkbuchse, die mit Kugelflächen im Kopf der zweiten
                              									Kuppelstange gelagert ist.
                           Steuerung. Da das Schiebermittel genau senkrecht
                              									über der Zylindermitte liegt, so mußten Voreilhebel und Mitnehmer doppelt ausgeführt
                              									werden. Auffallend ist auch der große Durchmesser des Exzenterkreises von 420 mm
                              									infolge des 520 mm langen Bewegungsarmes der Kulisse. Zur Erzielung ungleicher,
                              									zusammen passender Füllungen sind die Längen der Voreilhebel für beide Maschinen|
                              									seiten verschieden, außerdem ist die Umsteuerung mit i zwei Spindeln derart
                              									eingerichtet, daß beide Steuerzugstangen entweder unabhängig voneinander oder auch
                              									beide gleichzeitig ausgelegt werden könneu.
                           Der Rahmen ist 30 mm stark. Die Verbindung des Kessels
                              									mit dem Rahmen erfolgt vorn durch den Zylindersattel, sowie durch zwei mittlere
                              									Kesselträger aus 8 mm Blech, welche dem Kessel bei der Ausdehnung folgen. Die
                              									Feuerbuchse ist vorn und hinten getragen durch zwei an den Rahmenquerverbindungen
                              									befestigte Schlingerstücke. Wie bei Nr. 5 (S. 183 d. Bd.) ist der Aschkastenboden
                              									als Rahmenquerverbindung ausgeführt. Da das Führerhaus wie bei den Tenderlokomotiven
                              									geschlossen ist und der Tender als Anhängewagen mitgeführt wird, so sind die
                              									Bufferbohlen vorn und hinten gleich ausgerüstet mit Zughaken und Buffern.
                           Bremse. Die Luftdruckbremse Westinghouse-Henry wirkt einseitig auf alle fünf Kuppelräder, außerdem ist
                              									eine Handbremse mit Spindel vorgesehen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 307
                              Fig. 131.Niederdruckzylinder.
                              
                           Führerhaus. Da im Tenderanhängewagen nur das Wasser
                              									mitgeführt Wird, so mußte die Kohlenladung von 4 t in einem auf der Heizerseite
                              									links eingebauten Kasten, neben dem Kessel untergebracht werden, was natürlich der
                              									ganzen Lokomotive ein eigenthümliches Aussehen gibt. Das Führerhaus ist, trotzdem es
                              									nach Art der Tendermaschinen durch eine Rückwand geschlossen, genügend groß und
                              									geräumig, jedoch scheint die Schaufelöffnung zwischen Kessel und Seitenwand am
                              									Bodenblech mit nur 380 mm etwas eng bemessen zu sein für das Beschicken der großen
                              									Rostfläche von 3,5 qm. An der unten abgeschrägten Hinterwand befindet sich auf jeder
                              									Seite ein Werkzeugkasten, dessen Deckel als Sitz dient. In der Mitte der Hinterwand
                              									ist eine große, durch Rollvorhang verschließbare Oeffnung 1500 × 700, daneben sind
                              									zwei feste vergitterte Fenster. Oben befindet sich in der Mitte vor einer durch
                              									Blechscheibe verschließbaren, kreisrunden Oeffnung eine Signallaterne.
                           Zwischen Kessel und Rahmen sind vier große Sandkasten eingebaut, die zwei vorderen
                              									für die beiden Vorderachsen, die zwei hinteren für die dritte und vierte Achse. Das
                              									Sandstreuen erfolgt durch gemeinsamen Zug entweder von Hand oder durch den Leach-Sandstreuer mit Druckluft.
                           Sonderausrüstungen. Die Maschine war ausgerüstet mit
                              									zwei tiefliegenden Fridmann-Injektoren Nr. 10, einer
                              										Friedmann-Schmierpumpe rechts, mit sechs Oelabgaben
                              									und Antrieb vom inneren Kulissentragzapfen, ferner mit einem Geschwindigkeitsmesser
                              									von Hasler, Bern, und einer Dampfheizung, System Haag mit auffallend stark isolierten
                              									Hauptleitungsrohren.
                           Der Tender ist zweiachsig und ohne die sonst übliche
                              									steife Tenderkupplung als Anhängewagen ausgeführt. Im vorderen Te le befindet sich
                              									die Zysterne mit 13 cbm Wasserfassung, über der Hinterachse ist ein Wagenkasten
                              									aufbau, der als Zugführerabteil und Gepäckraum dient.
                           Form, Anstrich. Die in schönen Formen (abgesehen von dem
                              									linken Kohlenkastenaufbau) gut und sauber ausgeführte Maschine hatte oben schwarzen,
                              									schmucklosen Anstrich, lackiert, Rahmen und Räder waren rot gestrichen, Bandagen
                              									weiß, Triebwerk blank.
                           Leistungen. Auf der kurzen Strecke Pistoia -Pracchia mit vielen Kurven und Steigungen bis
                              									26 v. T. wurde eine dieser Maschinen im April 1907 eingehenden Versuchsfahrten
                              									unterworfen. Mit einem Zuggewicht von 272 t erreichte sie auf 13 v. T. Steigung eine
                              									Geschwindigkeit von 48 km/Std., was bei einer Zugkraft von 4640 kg einer
                              									Maschinenleistung von 1296 PSi entspricht. Auf der
                              									Steigung von 25 v. T. entwickelte die Maschine mit demselben Zuge eine Zugkraft von
                              									7600 kg mit 24 km Geschwindigkeit.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)