| Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. | 
| Autor: | A. Bucher | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 324 | 
| Download: | XML | 
                     
                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
                           								Brüssel 1910.
                        Von Ingenieur A. Bucher,
                           								Tegel bei Berlin.
                        
                           Lokomotiven.
                           
                        (Fortsetzung von S. 308 d. Bd.)
                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
                           								1910.
                        
                     
                        
                           30–33. 1E-Vierlings-Heißdampf-Güterzuglokomotive Type 36 der Belgischen
                              									Staatsbahn, Betriebs-Nr. 4401–4405, Fig. 132–134.
                           Um für die schweren Luxemburger Güterzüge den teueren Vorspann mit ein und zwei
                              									Maschinen der Type 32 (s. Heft 18, Nr. 23) zu vermeiden, hat die Belgische
                              									Staatsbahn nach den Angaben ihres Maschinendirektors J. B.
                                 										Flamme gleichzeitig mit der Schnellzugtype 10 (s. Heft 18 Nr. 20–22)
                              									eine neue Type von Güterzuglokomotiven beschafft, welche mit 104 t Dienstgewicht die
                              									2C1-Pacificmaschine noch um 2 t übertrifft und somit die schwerste europäische
                              									Lokomotive darstellt. Sie war daher in Brüssel von vier verschiedenen Firmen, deren
                              									Namen und Fabrik-Nummer aus Tab. 2, Seite 24 d. B. zu ersehen sind, ausgestellt.
                           Der Kessel gleicht mit 300 qm Gesamtheizfläche in Größe und Bauart
                              									vollkommen demjenigen der Type 10, hat jedoch senkrechte Rückwand und infolge der
                              									Achsenanordnung an der Feuerbuchse etwas geänderte Längenund Breitenabmessungen,
                              									welche für die Kümpelteile neue Gesenke erforderten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 325
                              Fig. 132 bis 134. 1 E-Vierlings-Güterzuglokomotive Type 36 der Belgischen
                                 										Staatsbahn.
                              
                           Auch die Zylinder und Schieber sind nach Größe und Bauart von Type 10 übernommen, so
                              									daß für Deckel, Kolben und Schieber die gleichen Modelle verwendbar waren. Die
                              									Innenzylinder sind stark geneigt und liegen fast auf gleicher Querebene mit den
                              									Außenzylindern. Die Verteilung der Kolbenkräfte auf zwei Achsen, nämlich die zweite
                              									und dritte Kuppelachse, ist wie bei Type 10, doch ist der Kreuzkopf hier einschienig
                              									geführt. Die Bewegung der Kulisse mußte, da das Umgrenzungsprofil die Anbringung
                              									einer Gegenkurbel am Treibzapfen außen nicht mehr ermöglichte, mittels Doppelhebel
                              									von einem auf der zweiten Kuppelachse aufgekeilten Exzenter entnommen werden, was
                              									allerdings eine recht ungünstige Komplikation bedeutet, die sich bei größeren
                              									Geschwindigkeiten nicht gut bewähren wird.
                           Rahmen. Die 30 mm starken Hauptrahmenplatten sind hinter
                              									der ersten Kuppelachse für deren Ausschlag von 1218 auf 1180 mm eingezogen. Der
                              									Kessel ruht vorn mit der Rauchkammer auf dem Zylindersattel, im runden Teil auf zwei
                              									mittleren Kesselträgern aus Stahlguß. Um die Rahmenhöhe hinten nicht übermäßig zu
                              									vergrößern, ist die Kesselrückwand in der Mitte stark nach unten verlängert und
                              									dient, auf der hinteren Rahmenquerverbindung aufliegend, als hinterer
                              									Feuerbuchsträger.
                           Zur leichteren Kurvenbeweglichkeit dieser Maschine mit ihrem Gesamtradstand von
                              									10,115 m sind die beiden End-Kuppelachsen seitlich verschiebbar, die Hinterachse hat
                              									29 mm Seitenspiel, die vordere Kuppelachse ist nach Krauß und Zara mit der Laufachse in einem
                              									besonderen Rahmen vereinigt und ähnlich wie beim zweiachsigen Drehgestell der Typen
                              									9 und 10 um einen Drehzapfen in einer Wiege mit Pendelaufhängung drehbar. Die vier
                              									Pendel, welche die Wiege tragen, sind durch zwei lange Bolzen in einer
                              									Stahlguß-Querverbindung aufgehängt, die von vorn bis hinten durchgeht und dem
                              									Bogierahmen eine große Festigkeit verleiht. Die Kuppelachse hat Querfeder mit
                              									Aufhängung durch je zwei Pendel, die Tragfedern der Laufachse liegen über den
                              									Außenlagern. Um ein Abheben des Drehzapfens aus der Pfanne zu verhindern, ist in
                              									deren Mitte ein langer 50 mm-Bolzen in der Längsrichtung durchgesteckt. Die
                              									Verschiebbarkeit der Kuppelachse beträgt 46 mm nach jeder Seite, während die
                              									Laufachse 136 mm ausschlagen kann, so daß Kurven bis herunter auf 180 m Radius
                              									bequem durchfahren werden können.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 326
                              Fig. 135.Einstellung der 1E-Güterzuglokomotive Type 36 der Belgischen
                                 										Slaatsbahn in einer 180 m-Kurve.
                              
                           Fig. 135 zeigt die Einstellung dieser Lokomotive nach
                              									dem bekannten Verfahren von Roy in einer 180 m-Kurve
                              									für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt, wobei die Spurerweiterung wie üblich mit 20 mm,
                              									das Spiel der Spurkränze in der Geraden mit 2 × 5 = 10 mm, der Gesamtspielraum also
                              									mit 30 mm angenommen ist. Beim Vorwärtsgang schneidet der äußere Spurkranz der
                              									Laufachse und der ersten Kuppelachse die Außenschiene an, die hinterste feste, also
                              									die vierte Kuppelachse die Innenschiene. Die beiden mittleren, festen Achsen laufen
                              									innerhalb des Schienenspielraums, während der Spurkranz der verschiebbaren
                              									Hinterachse die Außenschiene leicht anläuft. Bei Rückwärtsfahrt ist das Seitenspiel
                              									der Hinterachse von 29 mm gerade ausreichend zum Anschneiden des Spurkranzes an der
                              									Außenschiene und zum Anpressen des Spurkranzes der zweiten (festen) Kuppelachse an
                              									der Innenschiene. Das „leichte“ Durchfahren von 100 m Kurven, wie dies in der
                              									belgischen Broschüre von Flamme ausgeführt wird,
                              									erscheint nach dieser Untersuchung sehr fraglich, ist bei Normalspur jedoch auch
                              									nicht nothwendig.
                           Fig. 136 zeigt die E-Güterzuglokomotive Nr. 27 in
                              									einer 180 m-Kurve. Die um 28 mm verschiebbare Vorderachse schneidet die äußere
                              									Schiene an, Achse IV als hinterste feste die
                              									Innenschiene, wodurch der äußere Spurkranz der vorderen festen Achse (II) nicht ganz zum Anlaufen kommt, so daß die
                              									Lokomotive von der ersten und vierten Achse geführt ist.
                           Die Tragfedern der vier hinteren Kuppelachsen sind durch Ausgleichhebel verbunden,
                              									wobei zu bemerken ist, daß die Federn der zweiten Treibachse oben angeordnet sind,
                              									während die übrigen unten liegen.
                           Bremse. Die Druckluftbremse Westinghouse wirkt auf alle Räder derart, daß die Drehgestellräder
                              									unabhängig gebremst werden durch zwei Bremszylinder mit Doppelkolben. Die
                              									verschiebbaren Kuppelachsen haben bewegliche Bremsgehänge.
                           Führerhaus, Ausrüstungen und Tender sind gleich wie bei Type 10.
                           Der Ausstellungszustand aller vier Maschinen war vorzüglich. Die Maschine Nr. 4 405
                              									war noch besonders ausgerüstet mit Rauchverbrennungseinrichtung Langer und mit dem elastischen Pedal, einem
                              									selbsthätigen Signal-Meldeapparat. Es mag auch noch erwähnt werden, daß diese
                              									Lokomotive Betriebs-Nr. 4405, ausgestellt von der Lokomotivfabrik in Haine-St. Pierre, die Fabrik-Nr. 1000 trug, deren
                              									Fertigstellung am 5. August 1910 von der Baufirma festlich gefeiert wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 326
                              Fig. 136.Einstellung der E-Güterzuglokomotive der Preußischen Staatsbahn
                                 										in einer 180 m-Kurve.
                              
                           Leistungen. Bei den im November 1910 auf der schwierigen
                              									Strecke von Pepinster nach Hockai (23 km) vorgenommenen Versuchsfahrten beförderte
                              									diese Maschine ein Zuggewicht von 443 t mit 15 km Geschwindigkeit. Der zweite Teil
                              									der Strecke von Spa bis Hockai (11 km) steigt ununterbrochen an mit 25 v. T. Beim
                              									bisherigen Betriebe mit zwei Maschinen der Dreikupplertype 32 konnten auf dieser
                              									Strecke Züge bis höchstens 400 t geschleppt werden. Weitere Versuchsfahrten mit
                              									einem Zuge von 1090 t wurden auf der fast wagerechten Strecke von Ecaussines nach
                              									Haine-St. Pierre (16 km) am 10. November 1910 vorgenommen. Die hier gewonnenen
                              									Ergebnisse sind in Tab. 15 zusammengestellt.
                           Tabelle 15.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 326
                              Geschwindigkeit V; Mittlere
                                 										Zugkraft Zi am Triebradumfang; Mittlere Zugkraft Ze am Tenderzughaken; Leistung;
                                 										Neigung der Bahn v. T.; Ecaussines; Haine-St. Pierre
                              
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)