| Titel: | Der heutige Stand im Dampfturbinenbau. | 
| Autor: | Meuth | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 385 | 
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                        Der heutige Stand im
                           								Dampfturbinenbau.
                        Von Bauinspektor Dr.-Ing. Meuth,
                           								Stuttgart.
                        (Fortsetzung von S. 381 d. Bd.)
                        Der heutige Stand im Dampfturbinenbau.
                        
                     
                        
                           Die Erste Brünner Maschinenfabrik-Gesellschaft in
                                 										Brunn hat für Oesterreich den Bau von Parsons-Turbinen aufgenommen. Sie hat neuerdings die englische Originalbauart
                              									verlassen und ist zur kombinierten Bauart (System E. B.) mit einem Gleichdruckrad
                              									als Hochdruckrad übergegangen. Gegenüber der früheren reinen Parsons-Bauart zeigt die neuere Ausführung eine wesentlich kürzere
                              									Baulänge der Turbinenspindel, wie aus Fig. 2 S. 340
                              									hervorgeht, welche den Rotor einer 500 PS reinen Parsons-Turbine und einer gleichgroßen Dampfturbine System E. B.
                              									darstellt. Der lange Hochdruckteil der ersten schrumpft durch Anordnung des
                              									zweikränzigen Gleichdruckrades ganz bedeutend zusammen, auch die Abdichtung des
                              									Ausgleichkolbens wird kürzer und einfacher. Nach Angabe der Firma verarbeitet die
                              									Hochdruckstufe ein Druckgefälle von 8 at, die Mitteldruckstufe von 2 at und die
                              									Niederdruckstufe von 0,5 at. Fig. 10 stellt einen
                              									Schnitt durch eine Turbine von 2000 KW dar, aus welcher der gedrängte Aufbau
                              									hervorgeht. Als Dichtungen für die Welle sind auch hier einfache Labyrinthrillen
                              									angewendet; in die Dichtung wird der Abdampf aus dem Steuerzylinder geleitet, der
                              									dort das Eindringen von Luft verhindert. Die Lager größerer und langsamlaufender
                              									Turbinen haben wie bei Brown-Boveri Lagerschalen mit
                              									Weißmetallausguß und Kugelunterstützung; rascherlaufende Wellen erhalten die Parsonsschen Mehrbuchsenlager. Druckölschmierung mit
                              									0,5 bis 0,7 at Oeldruck wird bei allen Lagern angewandt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 385
                              Fig. 10.Dampfturbine der Ersten Brünner Maschinenfabrik-Gesellschaft von
                                 										2000 KW.
                              
                           Die Trommel wird mit der Spindel bei kleineren Turbinen aus Nickelstahl aus dem
                              									Vollen geschmiedet; bei größeren Turbinen findet die Verbindung der
                              									hohlgeschmiedeten Trommel aus Nickelstahl mit den vollen Wellenzapfen in der aus
                              										Fig. 10 ersichtlichen Weise statt.
                           Die Scheibe des Gleichdruckrades ist mit der Trommel verschraubt. Die Schaufeln
                              									aus Spezialbronze sitzen reihenweise in eingedrehten Rillen durch passende
                              									Zwischenstücke auseinandergehalten und durch Verstemmen gesichert; in der Nähe der
                              									Schaufelenden ist ein ringsum laufender Draht durchgezogen, mit welchem die
                              									einzelnen Schaufeln verlötet und so auch außen versteift werden. Am äußeren Ende
                              									sind die Schaufeln scharf zugespitzt und laufen in sehr geringem Abstand vom Gehäuse
                              									im Gegensatz zu den Schaufeln des Gleichdruckrades. Diese sind am äußeren Umfang mit
                              									einem Deckring abgeschlossen und einzeln mit diesem vernietet. Der Kolben zum
                              									Ausgleich des Horizontalschubes der Trommel befindet sich vor dem Gleichdruckrad. Er
                              									steht auf der einen Seite unter dem Druck im Abdampfraum durch Oeffnungen in den
                              									Trommelböden. Eine Labyrinthdichtung am Umfang des Ausgleichkolbens besorgt die
                              									Abdichtung. Außerdem befindet sich am Ende der Welle noch zur Aufnahme des
                              									Achsialschubes ein Kammlager neben dem Schneckenrad zum Antrieb des Regulators und
                              									der Oelpumpe. Am andern Wellenende befindet sich eine Klauenkupplung zur Verbindung
                              									mit der anzutreibenden Welle. Die Kupplung gestattet eine achsiale Bewegung der
                              									Welle; sie ist vollständig eingekapselt und wird von dem Oelstrom aus dem Lager
                              									geschmiert. Der Umfang des Kupplungsflansches besitzt eine Verzahnung, so daß die
                              									Maschine bei Montagen usw. mit Hilfe eines Zahngetriebes mittels Handrades angedreht
                              									werden kann. Beim Anlaufen der Turbine unter Dampf schaltet sich das Zahntriebwerk
                              									von selbst aus.
                           
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 386
                              Fig. 11.
                              
                           Die Regulierung der Turbine bei Belastungsänderungen erfolgt durch Drosselung des
                              									Frischdampfes. Das Einlaßventil wird dabei durch einen mit Dampf bewegten
                              									Steuerkolben mehr oder weniger geöffnet. Den Abfluß des Dampfes unter dem
                              									Steuerkolben und damit den Druck unter diesem Kolben regelt ein kleiner
                              									Steuerschieber unter der Einwirkung des Regulators; bei jeder Druckänderung unter
                              									dem Steuerkolben kommt dieser durch den darauf lastenden Federdruck in Bewegung. Der
                              									zur Uebertragung der Regulatorbewegung dienende doppelarmige Hebel trägt an seinem
                              									einen Ende eine Rolle und greift damit in die Rille der Regulatorhülse ein. Dadurch,
                              									daß diese Rille eine kleine Neigung gegen die Regulatorspindel hat, macht das
                              									Hebelende und damit auch der Steuerschieber bei jeder Umdrehung der Spindel eine
                              									kleine Bewegung, welche sich auf den Steuerkolben überträgt, und verhindert, daß
                              									sich dieser festsetzt. Die Drosselung des Frischdampfes findet aber nicht
                              									durchgehends von Vollast auf Leerlauf, sondern absatzweise zwischen Voll- und
                              									Drei vierteltest, dann wieder zwischen Dreiviertel- und halber Last statt, so daß
                              									die Turbine bei diesen Belastungen immer mit der vollen zur Verfügung stehenden
                              									Dampfspannung arbeitet. Zu diesem Zwecke sind die Düsen zur Beaufschlagung des
                              									Gleichdruckrades in drei Gruppen geteilt und in verschiedenen Kammern untergebracht,
                              									denen bei den einzelnen Belastungsstufen nacheinander Dampf zugeführt wird. In
                              									welcher Weise dies durch die Steuerung ausgeführt wird, geht aus Fig. 11 hervor. Auf der Spindel, welche den
                              									Steuerkolben trägt, sitzt ein Doppelsitzventil und ein Kolbenschieber, der erst dann
                              									Oeffnungen für den Dampfdurchlaß zu der zweiten Düsengruppe freigibt, wenn das
                              									doppelsitzige Ventil schon ganz geöffnet ist. Hierdurch werden die Dampfkammern für
                              									halbe und Dreiviertellast hintereinander geschaltet. Für die Vollbelastung und die
                              									Ueberlastung wird ein besonderes Einlaßventil von Hand geöffnet, das auch in der
                              									Regel geöffnet bleibt, wenn nicht gerade längere Zeit hindurch mit geringerer
                              									Belastung gearbeitet wird.
                           Bei einem Versuch an einer 2000 KW-Dampfturbine des Witkowitzer Eisenwerks im Sommer
                              									1910 wurde bei 11 at abs. Anfangsdruck, 250° Dampftemperatur und bei einem
                              									Gegendruck von 0,07 at abs. ein Dampfverbrauch von 6,27 kg für die an den
                              									Sammelschienen abgegebene KW/Std. gemessen, entsprechend 4,34 kg für die von der
                              									Turbine effektiv abgegebene PS/Std. Das zur Verfügung stehende Wärmegefälle betrug
                              									705 – 512 = 192 Wärmeeinheiten; demnach ergibt sich ein thermischer Wirkungsgrad auf
                              									die elektrische Leistung bezogen
                              										=\frac{632}{0,736\,.\,6,27\,.\,192}=\,\sim\,71,5 v.H., und
                              									auf die effektive Turbinenleistung bezogen
                              										=\frac{632}{4,34\,.\,192}=\,\sim\,75,5 v.H.: die Turbine
                              									ergab demnach eine sehr hohe Wärmeausnutzung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 386
                              Fig. 12.Sulzer Dampfturbine.
                              
                           Von der Ersten Brünner Maschinenfabrikgesellschaft
                              									wurden bis jetzt etwa 100 Parsons-Turbinen reiner und
                              										kombinierter
                              									Bauart mit einer Gesamtleistung von über 400000 PS ausgeführt, und zwar nicht bloß
                              									in der beschriebenen Anordnung, sondern auch als Abdampfturbine, Zweidruck- und
                              									Gegendruckturbine und als Anzapfturbine.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 387
                              Fig. 13.850 KW-Turbogenerator, 1800 Uml/Min.; Dampfdruck 10,5 at eff.
                                 										(200 und 300° C) Vakuum 96 v. H.; Negn. Santa Gertrudis, Pachuca
                                 										(Mexico).
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 387
                              Fig. 14.1000 KW-Turbogenerator, 1260 Uml./Mio.; Dampfdruck 10,5 at eff.
                                 										(270° C) Vakuum 96 v. H.; Elektrizitätswerk Rathausen, Luzern.
                              
                           Gebr. Sulzer in Winterthur und Ludwigshafen a. Rh. haben
                              									zu ihrer weltbekannten hervorragenden Dampfmaschinenfabrikation im Jahre 1903 auch
                              									den Bau von Dampfturbinen aufgenommen, und zwar von Anfang an eine Turbine
                              									gemischter Bauart mit einem Curtis-Rade in der
                              									Hochdruckstufe und einer Parsons-Turbine als
                              									Niederdruckteil. Nach längerer Versuchszeit, in welcher alle Teile der Turbine auf
                              									das gründlichste erprobt worden waren, ist die neuere Bauart, welche durch Fig. 12 dargestellt ist, auf den Markt gekommen. Bei
                              									der Ausbildung des Gehäuses ist auf die Wirkung der Temperatur sehr sorgfältig
                              									Rücksicht genommen; es ist in drei Punkten, also statisch bestimmt unterstützt und
                              									in der Nähe des Abdampfstutzens festgehalten, so daß Dehnungen des Gehäuses auf die
                              									Verbindung mit dem Kondensator ohne Einfluß sind und sich die ganze Längenänderung
                              									nach der Hochdruckseite ausbilden kann. Die Einzelheiten der Lagerung gehen aus der
                              									Abbildung hervor. Die Wellendichtung erfolgt durch eine größere Zahl von
                              									Messinglamellen, die auf den Durchmesser einer über die Welle geschobenen, leicht
                              									auswechselbaren Buchse ausgeschliffen sind. Da die Welle steif ist und gegenseitige
                              									Verschiebungen von Wellen- und Gehäusemittel bei Erwärmung möglichst vermieden sind,
                              									arbeitet die Dichtung reibungsfrei und gewährt eine ungehinderte Beweglichkeit bei
                              									Dehnungen in achsialer Richtung. Drucköl dient auch bei dieser Turbine sowohl zur
                              									Lagerschmierung wie zu allen für die Regulierung dienenden Einrichtungen. Eine
                              									Oelpumpe, von der Regulatorwelle angetrieben, erzeugt einen Oeldruck von etwa 1,5
                              									at; alles Oel läuft in einen Behälter des Fundamentrahmens zurück, wird dort
                              									gereinigt und gekühlt und dann von der Pumpe wieder angesaugt.
                           Die Turbine wird auch als Abdampfturbine in gewöhnlicher Bauart, für die Fälle, wo
                              									der vorhandene Abdampf für die Turbinenleistung nicht ausreicht, mit vorgeschaltetem
                              									weiteren Hochdruckrad ausgeführt. Normal arbeitet dann nur das zweite Rad und der
                              										Parsons-Teil. Nimmt die Abdampfmenge ab, so wird
                              									dem ersten Hochdruckrad Frischdampf zugeführt. Auch die Turbinen, die für die
                              									Entnahme von Heizdampf besimmt sind, erhalten zwei vorgeschaltete Curtis-Räder. Der Heizdampf wird aus dem Raum vor dem
                              									zweiten Curtis-Rad entnommen. Ein
                              									Quecksilberdruckregler hält den Druck an der Anzapfstelle konstant, und zwar
                              									dadurch, daß über der Quecksilbersäule ein Kolben ruht, der bei einer Druckänderung
                              									mit Hilfe eines Gestänges den Dampfzutritt zu den Düsen des zweiten Curtis-Rades zu- und abschaltet. Wird der ganze
                              									Arbeitsdampf der Turbine zu Heizzwecken gebraucht, so erhält die Turbine die
                              									normale Ausführung, nur mit verkürztem Ueberdruckteil; bei höherem Gegendruck fällt
                              									der Ueberdruckteil ganz weg. Fig. 13 und 14 zeigen in graphischer Darstellung die Resultate
                              									einiger Sulzer-Turbinen, die besonders mit Rücksicht
                              									auf die niedrigen Tourenzahlen als sehr günstig bezeichnet werden müssen.
                           Die Gütehoffnungshütte in Oberhausen baut ebenfalls eine
                              									kombinierte Gleichdruck- und Ueberdruckturbine. Die Anordnung einer Hochdruckstufe
                              									mit einem Curtis-Rad und zwei Geschwindigkeitsstufen in
                              									Verbindung mit einer Reaktionsturbine als Niederdruckteil hatte bei Versuchen mit
                              									verschiedenen Kombinationen (drei Druckstufen mit je einer Geschwindigkeitsstufe und
                              									zwei Druckstufen mit je zwei Geschwindigkeitsstufen im Hochdruckteil) das beste
                              									Resultat ergeben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 387
                              Fig. 15.Wellenkupplung
                              
                           Die Trommel des Rotors ist aus Stahl geschmiedet; ihre Böden sind mit den
                              									Wellenstümpfen hydraulisch in die Trommel eingesetzt; nur bei kleineren Turbinen
                              									besteht der Boden und Wellenstumpf mit dem Trommelende aus einem Stück. Das
                              									Hochdruckrad wie die Entlastungsscheibe ist auf das Ende der Trommel aufgeschrumpft.
                              									Die Schaufeln erhalten durch Ausfräsen einen schwalbenschwanzförmigen Fuß und werden
                              									damit in die gleichgeformten Nuten der Trommel abwechselnd mit Zwischenstücken
                              									eingesetzt und verstemmt. Nur die Schaufelkanäle des Gleichdruckrades sind außen
                              									durch ein umgelegtes Band geschlossen. Das Material der Gleichdruckschaufeln ist
                              									Nickelstahl, das der Ueberdruckschaufeln Spezialbronze. Das Gehäuse ist mit den
                              									Lagerböcken aus einem Stück gegossen und in der wagerechten Mittellinie geteilt. Bei
                              									größeren Abdampfturbinen wird der Dampf in der Mitte des Gehäuses zugeführt; auf
                              									diese Weise werden die für die großen Dampfvolumina erforderlichen
                              									Durchgangsquerschnitte für den Dampf gewonnen. In diesem Falle findet gewöhnlich
                              									noch eine senkrechte Teilung in der Mitte des Gehäuses statt. Versuche haben
                              									ergeben, daß der Wirkungsgrad solcher Doppelturbinen demjenigen einfacher Turbinen
                              									nicht nachsteht. Die Kupplung ist in Fig. 15
                              									dargestellt. Die Kupplungsbolzen sind in der einen Kupplungshälfte fest, in der
                              									andern stecken sie mit geringem Spielraum, der mit Oel ausgefüllt ist, in Büchsen.
                              									Dieses Oel sorgt für eine stoßfreie Uebertragung der Umfangskraft. Gehäuse und Lager sitzen
                              									auf einer starken Grundplatte, in welcher der Oelbehälter mit Filter und Kühler samt
                              									allen Leitungen untergebracht ist. Das Drucköl hat eine Pressung von 2–2½ at für die
                              									Steuerung und von 0,2 at für die Lagerschmierung; die Oelpumpe wird meist von der
                              									Turbine getrennt als Duplexpumpe oder als Kapselpumpe ausgeführt; letztere wird
                              									gewöhnlich durch eine kleine Dampfturbine angetrieben. Zur Regulierung von
                              									Abdampfturbinen dient ein gewöhnlicher Schwungkugelfederregulator, der mit Hilfe
                              									eines Druckölservomotors das doppelsitzige Regulierventil verstellt. Der Kolben des
                              									Servomotors steuert mit seinen Kanten den Zufluß des Drucköls und sitzt auf der
                              									gleichen Spindel wie das Regulierventil. Hochdruckturbinen und gemischte Turbinen
                              									erhalten eine Regulierung der Dampfmenge für die einzelnen Düsen des Curtis-Rades.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 388
                              Fig. 16.Dampfverbrauch einer 900 KW-Abdampfturbine der
                                 										Gutehoffnungshütle.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 388
                              Fig. 17.Melms und Pfenninger-Dampfturbine.
                              
                           Der Steuerschieber des Servomotors läßt das Drucköl unter die
                              									Kolben der Ventile für die einzelnen Düsen treten, deren Belastungsfedern so
                              									abgestimmt sind, daß sie sich bei einem bestimmten Druck heben, und zwar öffnet sich
                              									ein Ventil erst, nachdem das Ventil der vorhergehenden Düse voll geöffnet ist. Der
                              									Antrieb des Schwungkugelregulators mit wagerecht liegender Spindel ist unter die
                              									Welle verlegt, wodurch der ganze Steuerapparat im Unterteil der Turbine
                              									untergebracht werden kann. Bei Turbinen für Frischdampf und Abdampf ist für beide
                              									Zuleitungen je ein Regulierventil vorgesehen, das von einem gemeinsamen
                              									Regulator aus je durch einen besonderen Servomotor verstellt wird. Die Spindeln der
                              									beiden Servomotoren greifen an den Enden eines doppelarmigen Hebels, der am
                              									Regulatorschwinghebel aufgehängt ist, derart an, daß erst bei vollgeöffnetem
                              									Niederdruckventil und bei einem bestimmten Druck in der Niederdruckturbine das
                              									Frischdampfventil geöffnet wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 388
                              Fig. 18.Schaufelbefestigung der Melms und Pfenninger-Turbine.
                              
                           Für kleine Leistungen baut die Gutehoffnungshütte auch
                              									reine Gleichdruckturbinen mit Gegendruck. Diese erhalten ein einziges Scheibenrad
                              									mit drei Schaufelkränzen, in welchen die anfängliche Düsengeschwindigkeit in drei
                              									Stufen an das Rad abgegeben wird. Der Regulator sitzt bei diesen Turbinen auf der
                              									verlängerten Turbinenachse. In der Hauptsache betreibt aber die Firma den Bau von
                              									Abdampfturbinen für Hüttenwerke, für welche sie schon eine Reihe von Anlagen
                              									ausgeführt hat, so z.B. eine 900 KW-Abdampfturbine mit Drehstromgenerator gekuppelt
                              									für die Zeche Zollverein. Diese Maschine wurde anfangs 1908 geliefert, sie ist
                              									seitdem in ununterbrochenem Betrieb. Es ergaben sich die in Fig. 16 graphisch dargestellten
                              									Dampfverbrauchsziffern. Die Turbine arbeitete mit dem Abdampf zweier Fördermaschinen
                              									und einer Ventilatormaschine, welcher zunächst in einen Sammelkessel geleitet und
                              									dort entölt wurde. Der Dampf gelangt dann in Wärmespeicher, Bauart Rateau, mit Wasserfüllung und aus diesem mit einem
                              									Druck von etwa 1,2 at in die Turbine. Diese hat eine Tourenzahl von 1500 i. d. Min.
                              									und ist mit einem Oberflächenkondensator von 650 qm Kühlfläche ausgerüstet. Zur
                              									Förderung der Kühlwassermenge von 795 cbm i. d. Std. dient eine elektrisch
                              									angetriebene Zentrifugalpumpe von 485 minutl. Umdr. Die Kühlwasserpumpe erfordert
                              									einen Arbeitsaufwand von 46 PS, die Luftpumpe einen solchen von 26 PS und zwei
                              									Kondensatpumpen von 5 PS.
                           Der von der Abdampfturbine direkt angetriebene Turbogenerator lieferte den Strom zum
                              									Antrieb eines 600 PS-Kompressors, zwei Maschinen zum Betrieb der Wäsche von 140 und
                              									100 PS und für eine Maschine zum Betriebe von der Separation von 50 PS, während vorher mit dem
                              									gleichen Kohlenverbrauch diese Maschinen mit im ganzen nur 600 PS mit Frischdampf
                              									betrieben wurden. Ferner lieferte der Turbogenerator noch den Strom für verschiedene
                              									Maschinen mit einer Gesamtleistung von 300 PS; die Leistung ist also durch die
                              									Abdampfturbine bei dem gleichen Kohlenverbrauch verdoppelt worden. Dem stehen bei
                              									Tag- und Nachtbetrieb an Ausgaben jährlich gegenüber: 700 M für Schmierölverbrauch,
                              									170 M für Mehrverbrauch an Kühlwasser, 500 M für Putzmaterial und 7200 M für Wartung
                              									und Instandhaltung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 389
                              Fig. 19 und 20. Wellendichtung.
                              
                           Eine Dampfturbine gemischter Bauart, ähnlich den bisher beschriebenen, mit einer
                              									Gleichdruckturbine als Hochdruckteil und einer Ueberdruckturbine für den Mittel- und
                              									Niederdruckteil wird von Melms & Pfenninger G. m. b. H. in München-Hirschau ausgeführt;
                              									Lizenznehmer sind die Maffei-Schwarzkopf werke in
                              									Berlin, Breitfeld, Danek & Co. und Kolben Co. in Prag, ferner für
                              									Schiffsturbinen F. Schichau in Elbing. Das Eigenartige
                              									an dieser Turbine ist die Vereinigung des Gleichdruck- und Ueberdruckteiles der
                              									Turbine auf einer Trommel. Die Beaufschlagung des Gleichdruckteiles ist so gewählt,
                              									daß der zugehörige Schaufelkreisdurchmesser dieses Teiles um einen ganz bestimmten
                              									Betrag größer ist als der Schaufelkreisdurchmesser des danebenliegenden
                              									Mitteldruckteiles. Wie aus Fig. 17, welche teilweise
                              									einen Schnitt durch eine Melms-Pfenninger-Dampfturbine
                              									darstellt, hervorgeht, ist die Trommel im Mitteldruckteil abgesetzt. Dadurch
                              									entsteht eine Ringfläche zwischen Hoch- und Mitteldruckteil, auf welche der vor dem
                              									Mitteldruckteil herrschende Dampfdruck wirkt. Infolgedessen wirkt ein Schub nach
                              									links, welcher dem Achsialdruck des Ueberdruckteiles annähernd bei allen Belastungen
                              									das Gleichgewicht hält. Zur Aufnahme des noch übrigen Achsialdruckes dient ein
                              									Kammlager. Besondere Entlastungskolben fallen also bei dieser Turbine weg.
                           Der Hochdruckteil besteht aus einer Reihe partiell beaufschlagter Druckstufen nach
                              									dem Gleichdruckprinzip. Die Schaufeln haben eine verhältnismäßig große Teilung und
                              									sitzen segmentweise durch einen Grundring zusammengefaßt in schwalbenschwanzförmigen
                              									Ringnuten, welche in die Trommel eingedreht sind. Die Befestigung der Segmente in
                              									der Trommel ist in Fig. 18 dargestellt. Es dient
                              									hierzu ein Bronzering und ein Stahlring. Durch Umbördelung des äußeren Stahlringes
                              									wird der Bronzering gesichert. Im Reaktionsteil werden die Schaufeln ebenfalls auf
                              									einem Ringstück segmentweise zusammengefügt und dann in die Ringnuten der Trommel
                              									eingesetzt, in gleicher Weise auch die Leitschaufeln in den Zylinder. Um den
                              									Dampfdurchtritt zwischen festen und rotierenden Teilen zu verringern, ist eine Art
                              									Labyrinthdichtung angeordnet. Der achsiale Spielraum zwischen Leitschaufelende und
                              									Trommel kann mit Hilfe des verstellbaren Kammlagers der Welle genau eingestellt
                              									werden. Es geschieht so, daß die Spielräume im warmen Zustand der Turbine möglichst
                              									klein sind; im kalten Zustand sind sie natürlich größer. Auch die Laufschaufeln
                              									erhalten außen einen eigenartigen in Segmenten zerlegten Abschlußring, der mit
                              									jeder einzelnen Schaufel vernietet ist und als Labyrinthdichtung wirkt.
                           Im Hochdruckteil findet bei normaler Belastung eine Expansion vom Anfangsdruck bis
                              									auf 2 at statt; gewöhnlich werden sieben bis neun Druckstufen angeordnet, so daß
                              									zwischen jeder Stufe nur ein kleines Druckgefälle und ein entsprechend geringer
                              									Dampfverlust vorhanden ist. Ein größerer Dampfverlust findet zweifellos an der
                              									Labyrinthdichtung am Ende des Hochdruckteiles der Trommel statt, wo der
                              									Frischdampfraum gegen den Kondensatorraum abgedichtet werden muß. Der hier
                              									austretende Dampf wird aber, wie aus Fig. 17
                              									ersichtlich ist, durch die Trommel hindurch einer späteren Druckstufe zugeführt und
                              									dort noch ausgenutzt. Die beiden Wellendichtungen haben ebenfalls Labyrinthrillen;
                              									damit keine Luft in den Abdampfraum von außen gelangt, wird Dampf in der Mitte der
                              									Dichtung zugeführt, und zwar der Abdampf der Reguliereinrichtung (Fig. 19 und 20). Die genaue
                              									Einstellung der Dichtung erfolgt auf dieselbe Weise wie bei den
                              									Schaufeldichtungen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 389
                              Fig. 21.Kombinierte Bauart der Melms und Pfenninger-Turbine.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 389
                              Fig. 22.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 389
                              Fig. 23.
                              
                           Die Baulänge der Melms-Pfenninger-Turbine ist gegenüber
                              									der reinen Parsons-Bauart sehr verkürzt, wie aus Fig. 17 hervorgeht; bei der gewählten Form der
                              									Trommel können auch die Wellendichtungen teilweise noch in die Trommel hineingezogen
                              									werden. Um die Baulänge des Hochdruckteiles noch mehr zu verkürzen, namentlich für
                              									die Verwendung auf Schiffen und für hochgespannten und hochüberhitzten Dampf führen
                              										Melms & Pfenninger
                              									neuerdings auch ein Scheibenrad mit Düsen und Geschwindigkeitsstufen, welches auf
                              									der Trommel sitzt, aus, statt der Druckstufen. Fig.
                                 										21 gibt einen Schnitt durch eine solche Turbine wieder. Fig. 22 und 23 zeigen
                              									verschiedene Verbindungen des Scheibenrades mit der Trommel. Auch hier ist die (Melms & Pfenninger
                              									patentamtlich geschützte) Entlastung der Trommel vom Achsialschub durch eine
                              									Ringfläche am Hochdruckteil, auf welche der Dampfdruck vor der Mitteldruckstufe
                              									wirkt, erreicht. Die Ringfläche wird hier gebildet durch die Vergrößerung des
                              									Durchmessers der Labyrinthdichtung am Ende des Hochdruckteiles gegenüber dem
                              									Durchmesser der Trommel im Mitteldruckteil. Die Dampfverluste der Trommelabdichtung
                              									sind hier wegen des geringen Druckunterschiedes der abzudichtenden Raume erheblich
                              									geringer.
                           Zur Regulierung dient ein mit Dampf oder Drucköl arbeitender Steuerapparat. Der
                              									Steuerschieber, welcher die Oeffnungen a und b (Fig. 24) für den
                              									Zufluß des Drucköls über und unter dem Steuer kolben c
                              									öffnen und schließen, steht unter dem Einfluß eines Regulators mit wagerechter
                              									Spindel, dessen Muffenbewegungen direkt auf den Schieber übertragen werden. Die
                              									Rückführung der Steuerung in Mittelstellung nach eingetretener Verstellung des
                              									Regulierventils geschieht dadurch, daß die Bewegung der Muffe durch die Stange d und durch das steile Gewinde e eine Verschiebung der Büchse f hervorruft,
                              									bis die Durchtrittsöffnungen für den Dampf oder das Drucköl vom Steuerschieber
                              									wieder abgeschlossen sind. Die ganze Reguliereinrichtung ist eingekapselt; mit Hilfe
                              									des Handrades rechts in Fig. 24
                              									kann die Tourenzahl verändert wenden, mit einer Abänderung des Antriebs auch
                              									von einem entlegenen Punkt durch Fernschaltung. Wo Dampf als Treibmittel für die
                              									Steuerung benutzt wird, wird dieser nach seinem Austritt den Wellendichtungen
                              									zugeführt. Das vom Regulator betätigte Dampfeinlaßventil ist als entlastetes
                              									doppelsitziges Ventil ausgeführt. Daneben befindet sich noch ein zweites Ventil,
                              									welches Frischdampf auch zur Mitteldruckstufe zu leiten gestattet. Hierdurch kann
                              									die Turbine überlastet und bei Betrieb mit Auspuff auf die volle Leistung gebracht
                              									werden. Das Ventil ist entweder von Hand zu bedienen oder es wirkt automatisch. In
                              									letzterem Falle befindet sich über der Ventilspindel ein federbelasteter Kolben, auf
                              									dessen unterer Fläche der Dampfdruck hinter dem Regulierventil lastet. Steigt
                              									derselbe bei Ueberlastung der Turbine, so öffnet sich das Zusatzventil allmählich im
                              									Verhältnis der Belastungszunahme. Eine Sicherheitseinrichtung, welche beim Versagen
                              									der normalen Regulierung in Tätigkeit tritt, fehlt natürlich auch hier nicht. Sie
                              									besteht wie gewöhnlich aus einem Schwunggewichtsregulator, dessen bei einer
                              									bestimmten höchsten Tourenzahl ausschlagende Gewichte eine Feder über dem
                              									Dampfabsperrventil auslöst und das Ventil plötzlich schließt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 390
                              Fig. 24.
                              
                           Bei größeren Maschinen haben die Wellenlager gewöhnliche mit Weißmetall ausgefütterte
                              									Lagerschalen, die sich in Kugelflächen gegen den Lagerkörper stützen. Das Preßöl für
                              									die Schmierung, das immer wieder gekühlt wird, wird von einer Kapselpumpe auf der
                              									Regulatorwelle geliefert. Beim Anlassen der Turbine wird den Lagern durch eine
                              									besondere Handpumpe Oel zugeführt; eine Kühlung der Lager mit Wasser findet nicht
                              									statt. Kleinere Turbinen erhalten die bekannten Parsonsschen Mehrbüchsenlager.
                           Die Melms-Pfenninger-Dampfturbine wird auch als Gegendruck-,
                              									Abdampf- und Anzapfturbine ausgeführt. Zu den Ueberdruckturbinen gehört auch die Eyermann-Turbine, die von der Maschinenbaugesellschaft
                              										Swidersky in Leipzig gebaut wird.
                           Versuche, welche Prof. Schroeter in München an einer
                              									älteren 500 KW-Turbine und an einer neueren 200 KW-Turbine ausgeführt hat und die in
                              									Anbetracht der Größe dieser Maschinen beachtenswert sind, haben ergeben im
                              									ersten Fall 7,8 kg Dampf von 13,4 at abs, und 320°, im letzteren Fall 9,1 kg Dampf
                              									von 11,5 at abs. und 250° f. d. KW/Std. Das Vakuum betrug in beiden Fällen annähernd
                              									96 v. H.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)