| Titel: | Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel 1910. | 
| Autor: | A. Bucher | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 393 | 
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                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in
                           								Brüssel 1910.
                        Von Ingenieur A. Bucher,
                           								Tegel bei Berlin.
                        
                           Triebwagen.
                           
                        (Fortsetzung von S. 372 d. Bd.)
                        Das Eisenbahnwesen auf der Weltausstellung in Brüssel
                           								1910.
                        
                     
                        
                           Bei dem im Vorbericht auf Seite 3 d. B. aufgeführten Rollmaterial befanden sich
                              									außer dem Dampftriebwagen der Französischen Nordbahn 14 elektrische Triebwagen, und
                              									zwar neun normalspurig und 5 meterspurig. Die Hauptdaten dieser Motorwagen sind in
                              									Tab. 18 zusammengestellt.
                           Der Dampftriebwagen für den Vorortverkehr der
                              									Industriezentren im Gebiete der Französischen Nordbahn
                              									besteht aus drei zweiachsigen Abteilwagen mit einem Gesamtdienstgewicht (ohne
                              									Personen) von 46,6 t. Zur Benutzung des Triebwagens für Vorwärts- und Rückwärtsfahrt
                              									sind die beiden Endwagen genau symmetrisch ausgeführt, während auf dem Mittelwagen
                              									eine kleine Lokomotive eingebaut ist.
                           Die Nordbahn besitzt gegenwärtig elf Stück solcher Triebwagen, drei Stück davon
                              									stehen bereits seit 1904 im Betriebe. Beim Bau der acht neueren Wagen wurden im
                              									vorigen Jahre gleichzeitig die Wasserrohrkessel der drei älteren durch
                              									Lokomotivkessel gewöhnlicher Bauart ersetzt. Die Lokomotiveinrichtung ist
                              									geliefert von Robatel, Buffaud & Cie. in Lyon, die
                              									Wagen stammen aus Ivry von der Compagnie française du mat.
                                 										de chemin de fer.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 393
                              Fig. 150.
                              
                           Der mit seiner Mitte um 2515 mm über Schienenoberkante liegende Kessel mit 53 qm
                              									Gesamtheizfläche hat Belpaire-Feuerbuchse und 92 Serve-Rohre von 50 mm 
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 394
                              Tabelle 18. Elektrische Triebwagen;
                                 										Ordnungszahl; Spurweite; Aussteller; Erbauer; Bahn; Betriebs-Nr.; Stromart;
                                 										Kraftquelle; Spannung in Volt; Zahl der Motoren; Totale Leistung in PS; Zahl der
                                 										Achsen; Raddurchmesser; Radstand; Länge über Buffer; Dienstgewicht; Anzahl der
                                 										Plätze; Bremse; Heizung; Licht.
                              
                           äußerem Durchmesser. Die Zylinder mit 250 mm  und 320
                              									mm Hub liegen außen am Rahmen unter dem Führerhaus und wirken mit einschienig
                              									geführtem Kreuzkopf auf die Außenkurbel des innerhalb vom Rahmen liegenden
                              									Treibrades. Die Rahmenplatten aus 20 mm-Blech sind innen an den seitlichen
                              									Längsträgern aus ⊏-Eisen angenietet. Zur Bewegung der Flachschieber dient eine Heusinger-Walschaert-Steuerung mit einseitig
                              									aufgehängter Taschenkulisse.
                           Die Vorräte an Wasser (2,65 cbm) und Kohlen (1,15 t) sind in seitlichen Kasten im
                              									Führerhaus untergebracht. Letzteres ist ziemlich geräumig und für Vor- und
                              									Rückwärtsfahrt mit zwei Führerständen eingerichtet; Umsteuerung, Regulatorhebel,
                              									Pfeifenzug und Bremsventil sind daher in doppelter Ausführung vorhanden. Besonders
                              									erwähnenswert ist die Umsteuerung durch senkrechte Spindel mit Ein- und
                              									Ausschaltvorrichtung mittels beweglicher Rotgußbacken und Bügel mit Klemmschraube.
                              									Zum Auslegen der Steuerung für Vorwärtsfahrt werden die beiden Rotgußbacken mittels
                              									Klemmschraube unten an die mit Halbrundgewinde versehene Vorwärtsfahrt-Spindel
                              									angepreßt, so daß beim Drehen der Kurbel die Spindelmutter und die an deren Zapfen
                              									befestigte Steuerzugstange abwärtsgleitet. Kurbel und Spindel des anderen
                              									Steuerbockes (für Rückwärtsfahrt) sind hierbei durch Klinke festgestellt, die
                              									beiden Backen sind gelöst und mittels ihrer Klemmschraube oben derart festgeklemmt,
                              									daß ihre Innenflächen vom Gewinde der Spindel nicht berührt werden, wodurch die
                              									Spindelmutter die erwähnte Abwärtsbewegung lose mitmacht.
                           Der Triebwagen ist ausgerüstet mit Westinghouse-Bremse,
                              									deren Betriebsdruck in einer linkssitzenden Sevran-Luftpumpe erzeugt wird.
                           Das hintere Abteil des Mittelwagens mit Durchgang über die Plattform zu den Endwagen
                              									dient als Gepäckraum oder bei starker Frequenz als Raum für die Reisenden, weshalb
                              									zwei breite Klappsitze für sechs Personen vorgesehen sind. Der vordere Endwagen hat
                              									8 Sitzplätze erster und 16 Sitzplätze zweiter Klasse, sowie 10 Stehplätze. Im
                              									hinteren Endwagen sind 30 Sitzplätze dritter Klasse und 16 Stehplätze. Um dem
                              									Lokomotivführer, der übrigens die Maschine allein zu bedienen hat, die Aussicht auf
                              									die Strecke nicht zu behindern, ist der vordere Wagenkasten (für die Vorwärtsfahrt)
                              									nach rechts, der hintere Wagenkasten (für die Rückwärtsfahrt) nach links aus der
                              									Mitte verschoben. Ueber der Plattform des hierdurch freiwerdenden Raumes ist an
                              									jedem Endwagen ein langer, niedriger Seitenkasten angebaut, der zur Aufnahme der
                              									Traglasten, wie Marktkörbe, Arbeiterwerkzeuge usw. dient.
                           
                           Die Wagen haben Dampfheizung und Petrollicht, für die Treibachse ist ein
                              									Preßluft-Sandstreuer vorgesehen. Das Gewicht der einzelnen Wagen beträgt:
                           
                              
                                 Mittelwagen mit Maschine
                                 21,2 t leer,
                                 
                              
                                         „           „         „
                                 26,4 t im Dienst (ohne Pers.),
                                 
                              
                                 Wagen erster u. zweiter Kl.
                                 10,2 t leer,
                                 
                              
                                      „     dritter Klasse
                                 10,0 t   „
                                 
                              
                                 
                                 ––––––––
                                 
                              
                                 Ganzer Triebwagen
                                 41,4 t leer,
                                 
                              
                                      „            „
                                 46,6 t im Dienst.
                                 
                              
                                 Maximale Triebachslast
                                 14,6 t  „       „
                                 
                              
                           Der Dampftriebwagen kann Kurven von 160 m Radius leicht durchfahren; seine maximale
                              									Geschwindigkeit beträgt 70 km/Std.
                           Nr. 6. Zweiachsiger Benzol-elektrischer Triebwagen für normalspurige Nebenbahnen,
                              									gebaut von den Bergmann-Elektrizitätswerken A.-G.
                              									Berlin (Fig. 150).
                           In Ergänzung des Berichtes über diesen Triebwagen auf Seite 300 d. B. sei kurz
                              									erwähnt, daß er auf zwei Vereinslenkachsen mit 6,4 m Radstand läuft. Die Achsen
                              									sowie der Wagenkasten mit 8 Sitzplätzen zweiter, 28 Sitzplätzen dritter Klasse, 10
                              									Stehplätzen und doppeltem Führerstand sind geliefert von der Norddeutschen Waggonfabrik A.-G. in Bremen, der Benzolmotor von der Deutzer
                              									Motorenfabrik. Bei einer Gesamtlänge von 11 m über
                              									Buffer beträgt das Dienstgewicht 18,9 t.
                           Nr. 7 und 8. Sechsachsiger Akkumulatoren-Doppelwagen für die Preußisch-Hessischen
                              									Staatsbahnen, ausgeführt von den Feiten & Guilleaume-Lahmeyerwerken A.-G. in Frankfurt a. Main,
                              									der Akkumulatorenfabrik A.-G. Berlin-Hagen i. W. und
                              									der Waggonfabrik Gastell G. m. b. H. in Mainz-Mombach.
                              										(Fig. 151.)
                           Der Umstand, daß bei einer großen Reihe von Ortschaften an Neben- und
                              									Anschlußstrecken nur kleine, in kurzen Zwischenräumen verkehrende Zugeinheiten in
                              									Frage kommen können, veranlaßte die Verwaltung der Preußisch-Hessischen Staatsbahnen
                              									nach mehreren Versuchen zur Beschaffung einer Anzahl von Akkumulatoren-Triebwagen
                              									nach Fig. 151, die sowohl in mechanischer als auch
                              									in ihrer elektrischen Durchbildung von den bisherigen Motorwagenformen
                              									abweichen.
                           Jeder der beiden ähnlich wie bei der Berliner Stadtbahn kurz gekuppelten Einzelwagen
                              									enthält vier getrennte Raume, nämlich an der Stirnseite einen Vorbau zur
                              									Unterbringung der Batterien, einen Führerstand, sowie ein großes und ein kleines
                              									Abteil für Reisende.
                           Akkumulatoren. In jedem Batterievorbau, der mit einem
                              									auf Rollen durch besondere Mechanik beweglichen Deckel versehen ist, befinden sich
                              									84 Kastenplatten-Elemente in 6 Holzkasten zu je 14 Zellen mit einer Kapazität von 368 Amp./Std. und
                              									insgesamt ca. 310 Volt Entladespannung, deren Energie bei einer Ladung für 100 km ausreicht. Die 168 Zellen sind während der
                              									Entladung stets in Reihe geschaltet, können jedoch entweder in einer Reihe oder in
                              									zwei nebeneinander geschalteten Reihen geladen werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 396
                              Fig. 151.
                              
                           Für das Laden der Batterien ist an jeder Seite des Wagens in unmittelbarer Nähe des
                              									Kurzkupplungsendes je eine Ladedose angebracht, die beide hintereinander geschaltet
                              									sind und je vier Hauptkontakte und fünf Nebenkontakte enthalten. Erstere stehen mit
                              									den vier Polen der beiden Batteriehälften in Verbindung, und zwar in der Weise, daß
                              									je eine Batteriehälfte zwischen kreuzweise sich gegenüberstehenden Kontakten liegt,
                              									so daß zwischen diesen die halbe, zwischen den beiden unteren Klemmen die volle
                              									Spannung vorhanden ist. Von den fünf Nebenkontakten stehen zwei mit einem
                              									Sperrmagneten in Verbindung, welcher die Sicherheit gewährt, daß der Stecker beim
                              									Laden nicht herausgenommen werden kann, während die anderen drei Kontakte dazu
                              									dienen, beim Oeffnen der Ladedose einen Beleuchtungswiderstand vor die Lampen zu
                              									schalten, damit sie beim Laden vor Ueberspannung geschützt werden. Je nach Form des
                              									Ladestöpsels ist es möglich, die beiden Batteriehälften in Serie oder parallel
                              									aufzuladen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 396
                              Fig. 152.
                              
                           Mit Rücksicht auf die Schwere der Batterie befinden sich unter dem Vorbau der
                              									Doppelwagen je zwei Laufachsen, die gebremst werden; die Treibachse ist am
                              									Kurzkuppelende jedes Wagens angeordnet.
                           Motoren. Der Antrieb der Treibachsen erfolgt durch zwei
                              									wasserdicht gekapselte Hauptstrommotoren mit Kompensationspolen, welche in der
                              									üblichen Weise nach Fig. 152 auf der einen Seite mit
                              									den Vorgelegelagern auf der Achse aufliegen, während sie auf der anderen Seite
                              									mittels gut abgefederter Gelenkbolzen am Untergestell aufgehängt sind. Die
                              									Aufhängung gewährt dem Motor sowohl in der senkrechten Ebene als auch innerhalb der
                              									durch die Lenkachsenanordnung gegebenen Grenzen in der wagerechten Ebene freie
                              									Beweglichkeit. Da des großen Radstandes von 8,8 m wegen durchweg Lenkachsen zur
                              									Verwendung kommen mußten, war es notwendig, die Motoren so einzubauen, daß bei der
                              									Fahrt durch Kurven die auftretende Fliehkraft im günstigen Sinne auf die radiale
                              									Einstellung der Achsen wirken mußte.
                           Das Gehäuse der Motoren (Fig. 153) ist zweiteilig;
                              									Anker sowohl als auch die Polschuhe sind aus einzelnen, gegeneinander isolierten
                              									Blechlamellen hergestellt. Bei einer normalen Stundenleistung von 85 PS, welche auf
                              									einer Steigung von 22 bis 25 v. T. abgegeben wird, macht jeder Motor etwa 700 Umdr.,
                              									so daß entsprechend einem Uebersetzungsverhältnisse des Zahnradvorgeleges von ca. 1
                              									: 4,32 auf derartigen Steigungen mit einer Geschwindigkeit von 35 km gefahren werden
                              									kann. Die maximale Geschwindigkeit in der Geraden beträgt 60 km/Std. Die großen
                              									Zahnräder bestehen aus einem einteiligen Radstern mit aufgeschraubten zweiteiligen,
                              									auswechselbaren Zahnkränzen.
                           Steuerung und Fahrschalter. Das in Fig. 154 wiedergegebene Schaltungsschema für ein
                              									direktes Steuersystem läßt erkennen, daß in jedem Führerstand wie bei gewöhnlichen
                              									Straßenbahnwagen je ein Hauptstrom-Fahrschalter eingebaut ist, die beide unter sich
                              									mit durchgehendem Starkstromkabel verbunden sind. Der Strom läuft von Batterie über
                              									Automat, Kontroller, Vorschaltwiderstände, Motoren nach Batterie. Tritt an einer der
                              									beiden Batteriehälften ein Defekt ein, so kann dieselbe durch Umlegen eines
                              									einpoligen Umschalters ausgeschaltet und der Wagen mit der anderen Batteriehälfte
                              									betriebsfähig erhalten werden.
                           Die Deckelaufsicht des Fahrschalters (Fig. 155 und
                              										156) zeigt sechs Serienstellungen, vier
                              									Parallelstellungen und außerdem fünf Stellungen für elektrodynamische Bremsung; die
                              									Stellungen 5 und 10 sind Fahrtstellungen, 6 ist eine Shuntstellung. Die
                              									Umschaltwalze ist in bekannter Weise mit der Hauptwalze verriegelt, so daß bei
                              									Fahrtstellung letzterer ein Betätigen der Umschaltwalze und umgekehrt bei
                              									Nullstellung dieser ein Betätigen der Fahrwalze nicht möglich ist. Um bei den hohen
                              									Stromstärken und bei Belastungen bis 800 Amp., wie sie beispielsweise auf den
                              									gebirgigen Strecken Limburg–Westerburg im Westerwald auftreten, ein anstandsloses
                              									Funktionieren der Kontroller zu erzielen, wurden die Kontakte sämtlicher Walzen
                              									reichlich bemessen, ebenso ist für eine kräftig wirkende magnetische Funkenlöschung
                              									Sorge getragen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 397
                              Fig. 153.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 397
                              Fig. 154.
                              
                           Eine sogenannte Druckknopfunterbrechung, durch welche in dem Augenblicke, in
                              									welchem der Führer absichtlich oder infolge eines Unfalles die Kurbel freigibt,
                              									wurde in der Weise erzielt, daß durch Niederdrücken der Kurbel zwei Kontakte, über
                              									die der Stromkreis eines elektromagnetisch betätigten Luftventiles geführt ist, kurz
                              									geschlossen wird. Läßt der Führer die Kurbel los, so wird der Stromkreis dieses in
                              									der Hauptsache aus einem Solenoid bestehenden Ventiles, dessen Kern mit einem
                              									Luftpuffer in Verbindung steht, dadurch unterbrochen, daß dieser Kern, sobald die
                              									Magnetspule spannungslos wird, infolge seines Eigengewichtes herabfällt und in
                              									seiner Endstellung gleichzeitig ein in die Bremsleitung eingebautes Luftventil und
                              									einen Schalter öffnet, über welchen der Stromkreis der Haltespule des
                              									Maximalautomaten geführt ist. Es tritt also nach einer von 0 bis 1 Min. beliebig
                              									regulierbaren Pause Bremsung des Wagens durch die Druckluftbremse ein. Erfolgt das Loslassen der
                              									Kurbel in einer der Fahrtstellungen, so wird gleichzeitig bei Eintritt der
                              									Bremsperiode durch das Bremsventil der Stromkreis der Haltespule des Automaten
                              									unterbrochen, letzterer fällt heraus, der Wagen wird stromlos. Ein Wiedereinlegen
                              									des Automaten ist erst möglich, nachdem die Fahrwalzen wieder in die Nullstellung
                              									zurückgebracht sind.
                           Der Maximalautomat, für Fernschaltung eingerichtet, besitzt außer der Hauptstrom
                              									führenden Spule, die beim Anwachsen des Stromes über einen gewissen Maximalwert
                              									hinaus den Automaten auslöst, zwei weitere Nebenschlußspulen, von denen die
                              									Auslösespule dauernd unter Strom steht und den Ausschalter mittels einer besonderen
                              									Feststellvorrichtung festhält, während die andere zur Fernschaltung des Ausschalters
                              									dient, wozu ein momentanes Unterstromsetzen der Spule durch einen der auf beiden
                              									Führerständen angebrachten Druckknopfschalter vollkommen ausreicht.
                           Wageneinrichtung. Die mit Filzunterlagen auf dem
                              									Untergestell ruhenden Wagenkasten führen zwei Wagenklassen. Der Wagen dritter Klasse
                              									besteht aus einem größeren Abteil mit 38 und einem Frauenabteil mit 8 Sitzplätzen,
                              									im andern Wagen sind 38 Sitzplätze vierter Klasse und 16 Stehplätze. Das Gewicht der
                              									Batterien beträgt 16600 kg, das Gesamt-Dienstgewicht des 26 m langen Doppelwagens
                              									60,5 t.
                           Zur Beschleunigung und zur Verstärkung der Bremswirkung sind unter den Sitzen vier
                              									Sandkasten eingebaut, welche, vom Führerstande aus durch Preßluft in Tätigkeit
                              									gesetzt, den Sand vor den Rädern der Motorachsen auf die Schienen streuen.
                           Die Heizung der Wagen geschieht durch Preßkohlen, zur Entlüftung sind Grove-Luftsauger angeordnet.
                           Sowohl die Außenbeleuchtung durch Signallampen als auch die Beleuchtung des
                              									Wageninnern und der Führerstände erfolgt elektrisch durch Metallfadenglühlampen von
                              									je 25 NK, die Schalter hierzu sind links neben dem Führer in einem besonderen,
                              									versenkt angeordneten Kasten untergebracht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 398
                              Fig. 155.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 398
                              Fig. 156.
                              
                           Bremse. Die Akkumulatoren-Doppelwagen sind ausgerüstet
                              									mit einer Zweikammer-Luftdruckbremse, System Knorr,
                              									deren Druckluft von 4 bis 5 at durch einen am Untergestell eingebauten
                              									Motorkompressor von 130 l/min, erzeugt wird. Das Oeffnen und Schließen des
                              									Kompressorstromkreises erfolgt selbsttätig durch einen im Führerstand vierter Klasse
                              									untergebrachten Druckregler. Jeder Wagen ist außerdem mit einer Handspindelbremse
                              									ausgerüstet. Es werden nur die beiden Laufachsen jedes Wagens gebremst durch
                              									einseitig an den Rädern liegende Bremsklötze.
                           Zur Stromleitung sind mit Asbest umflochtene Gummiaderkabel verwendet, die in
                              									abgedeckten Kanälen unterhalb des Wagenbodens verlegt sind. Die Uebergangskabel sind
                              									am Kurzkuppelende der Wagen unter Verwendung von Steckdosen federnd verbunden.
                           Leistungen. Die auf der Strecke Mainz-Münster a. Stein
                              										(Fig. 157) vorgenommenen Versuchsfahrten ergaben
                              									für die Hinfahrt bei 45 km/Std. Geschwindigkeit einen Aufwand an Energie von 34,100
                              									KW, mithin stellte sich der Energieverbrauch für den Wagen-km auf
                           
                              \frac{34,1}{45}=0,76\mbox{ KW/Std.,}
                              
                           und für den t/km auf ca. 13,6 W/Std.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 399
                              Fig. 157.
                              
                           Die in Fig. 158 eingezeichneten Kurven stellen
                              									Ablesungen der Meßinstrumente in Zeitabständen von 10 Sek. dar, mit den Zeiten als
                              									Abszissen und den Stromstärken als Ordinaten. Die Spannung blieb während der ganzen
                              									Zeit konstant, nämlich ca. 310 Volt; zeitweise wurde ganz ausgeschaltet, um die
                              									mittlere Geschwindigkeit von 40 km/Std. nicht zu überschreiten. Die Summe der von
                              									den einzelnen Kurven eingeschlossenen Flächen ergab durch Planimetrierung den
                              									Gesamtwert von ca. 110 Amp./Std., durch Multiplikation mit der Spannung berechnet
                              									sich demnach der Energieaufwand zu 110 × 310 = 34,100 KW.
                           Betriebskosten. Rechnet man mit einem mittleren
                              									Energieverbrauch von 0,73 KW/Std., einem Wirkungsgrad der Batterie von 75 v. H.,
                              									einem Strompreis von 6 Pf. für die KW/Std. (an den Schienen der Ladeschalttafel), so
                              									ergeben sich bei einem Anlagekapital von von 72000 M. und einer jährlichen
                              									Leistung des Wagens von 40000 km die Selbstkosten des eigentlichen Zugdienstes nach
                              									den Berechnungen der Baufirma für den Wagen/km zu 43 Pf. Zur Deckung derselben ist
                              									bei einer durchschnittlichen Einnahme für einen km und einen Reisenden von 2
                              									Pfennigen eine Platzausnutzung von 20 v. H. erforderlich.
                           Die Preußische Staatsbahn hat von diesen Akkumulatoren-Doppelwagen bereits etwa 100
                              									Stück im Betriebe. Ein neuer Wagen der seit kurzem verbundenen A. E. G. Lahmeyerwerke hat an Stelle der
                              									Hauptstrommotoren zwei Nebenschlußmotoren mit Wendepolen zum Rückgewinnen von Strom
                              									erhalten, wodurch eine Arbeitsersparnis von etwa 20 v. H. erzielt wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 399
                              Fig. 158.
                              
                           9. Sechsachsiger Wechselstrom-Doppeltriebwagen für die Strecke Blankenese–Ohlsdorf
                              									der Preußischen Staatsbahn, gebaut von der Breslauer A.-G.
                                 										für Eisenbahn-Wagenbau und der A. E. G. Berlin
                              										(Fig. 159).
                           Der ausgestellte Triebwagen gleicht hinsichtlich Achsenanordnung, Raumeinteilung und
                              									elektrischer Einrichtung den früheren Ausführungen der in Z. d. V. d. I. 1909
                              									beschriebenen Doppeltriebwagen genannter Strecke. Nur die Bauart des Wagens ist, um
                              									das tote Gewicht nach Möglichkeit zu reduzieren, nach den Entwürfen von Breslau
                              									erheblich geändert worden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 399
                              Fig. 159.
                              
                           Beide Wagenhälften sind genau symmetrisch, unterscheiden sich jedoch durch die
                              									elektrische Ausrüstung voneinander. Der eine Wagen trägt die
                              									Hochspannungsbügelstromabnehmer mit Aufrichtung durch Preßluft von 8 at, sowie zwei
                              									an den Drehgestellachsen aufgehängten Winter-Eichberg-Motoren, während der andere Wagen neben der
                              									Führerstandsausrüstung nur den im Drehgestell gelagerten Luftkompressor mit Zubehör
                              									besitzt.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)