| Titel: | Polytechnische Rundschau. | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 415 | 
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                        Polytechnische Rundschau.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Das Wasserkraftwerk Adamello.
                           Von der Società Generale Elettrica dell' Adamello,
                              									welche in der zweiten Hälfte des Jahres 1907 in Mailand gegründet worden ist, werden
                              									die Wasserkräfte der westlichen, in die Provinz Brescia abfließenden Gewässer der
                              									Adamellogruppe für die Versorgung von Mailand mit elektrischem Strom nutzbar
                              									gemacht. Es handelt sich hierbei zunächst um den Poglia-Fluß, der bis zu dem
                              									Dörfchen Isola, 887 m über Meer, einschließlich des durch einen Hangkanal nach Isola
                              									geleiteten Abflusses aus dem Salarno-Tale über ein Einzugsgebiet von 95 qkm und über
                              									eine natürliche Mindestabzugsmenge von fast 2 cbm i. d. Sek. verfügt. Die
                              									Wasserkraft dieses Flusses wird in zwei Stufen ausgenutzt, von denen die obere vom
                              									Lago d'Arno bis Isola vorläufig rd. 910 m besitzt. Der genannte See besitzt
                              									allerdings nur ein Einzugsgebiet von 14 qkm, bietet aber wegen seiner großen Tiefe
                              									die Möglichkeit, den Spiegel um 25 m abzusenken, wodurch ein Stauinhalt von 12000000
                              									cbm nutzbar gemacht werden kann. Damit wird eine während 7–8 Std. täglich verfügbare
                              									Wasserkraft von etwa 19000 PS frei, welche für die Aufnahme der Spitzenbelastungen
                              									des Mailänder Stromnetzes große Vorteile bietet. Durch leicht ausführbare Stauwerke
                              									läßt sich aber dieser See auf einen nutzbaren Stauinhalt von 30000000 cbm
                              									vergrößern, wobei durch Zuleitung eines weiteren Flusses seine Wassermenge erhöht
                              									und gleichzeitig eine dritte Gefällstufe von 200 m oberhalb des Sees ausbaufähig
                              									gemacht werden kann. Die in den drei Gefällstufen von 1600 m Gesamthöhe erzeugbare
                              									Leistung beträgt 70000 PS, was für die Ausnutzung eines und desselben Wasserlaufes
                              									von nur 17 km Länge wohl eine Seltenheit sein dürfte.
                           Die Anlagen für das in Betrieb befindliche Kraftwerk Isola sind wegen der
                              									ungewöhnlich hohen Wasserdrücke bemerkenswert. Das Wasser wird an einer Stelle 25 m
                              									tief unter dem Spiegel des Arno-Sees entnommen, welche gegen den See hin durch eine
                              									schwere Abschlußschütze geschlossen wird, und gelangt durch einen 1500 m langen
                              									Stollen von 1800 mm Lichtweite und kreisrundem Querschnitt zum Wasserschloß. Die
                              									Schütze, welche diesen Stollen nach dem See hin abschließt und einen Wasserdruck
                              									von 115000 kg zu tragen hat, ist ein kastenartiger Gußkörper von 1600 mm Breite
                              									und 1600 mm Höhe, der ähnlich wie die bekannten Rollschützen auf einer beweglichen
                              									Rollenbahn läuft und gegen die Dichtungsflächen des Stollens durch Exzenter
                              									angedrückt wird, welche sich beim Hochziehen selbsttätig lösen und beim Niederlassen
                              									wieder selbsttätig einschalten. Dadurch wird vermieden, daß die Schützentafel und
                              									der Druck auf den Dichtungsflächen gleitet, was, abgesehen, von dem großen
                              									Widerstände, eine Beschädigung ver Dichtungsflächen verursachen könnte. Am Ende des
                              									durchgehend mit Beton ausgekleideten Stollens befindet sich ein Standrohr von etwa
                              									70 m Höhe und 7 m oberem Durchmesser für den Ausgleich von Druckstößen.
                           Die Schwierigkeiten, welche bei der Anlage der Druckleitung zu überwinden waren,
                              									lassen sich wohl am besten daran beurteilen, daß man die Teilung des Gefälles in
                              									zwei Teilen ernstlich in Erwägung gezogen hatte, zumal da in annähernd halber Höhe
                              									eine geeignete Stelle für den Bau eines Kraftwerkes vorhanden war. Man hat aber,
                              									trotzdem die Rohrleitungsanlage viel billiger ausgefallen wäre, wegen der großen
                              									Kosten eines zweiten Kraftwerkes davon Abstand nehmen müssen. Entscheidend hierfür
                              									war auch die vorzügliche Reinheit des Wassers, die erwarten ließ, daß sich starke
                              									Abnutzungen an den Rohr- und Turbinenteilen nicht einstellen würden. Vom
                              									Wasserschloß zum Kraftwerk führen zwei parallele Rohrstränge, welche bei 800 mm
                              									größter und 556 mm kleinster innerer Weite für eine Wassermenge von je 1 cbm i. d.
                              									Sek. bei einer größten Wassergeschwindigkeit von 4 m i. d. Sek. bemessen. Jeder
                              									Strang ist in acht Abschnitte geteilt, deren Länge zwischen 175 und 270 m beträgt
                              									und die an den Enden in schweren Betonklötzen verankert sind. Die Rohre sind im
                              									oberen Teile bei 7 bis 12 mm Wandstärke genietet, im unteren Teile, dessen
                              									Wandstärke bis auf 32 mm zunimmt, mit Wassergas geschweißt und durchweg aus 6 m
                              									langen Stücken an Ort und Stelle zusammengebaut. Die Verbindungen sind teils
                              									genietet, teils mit Flanschen hergestellt. An der Seite des 63 m langen
                              									Maschinenhauses sind die Rohrleitungen bis zur Mitte fortgesetzt und durch einen
                              									Bogenkrümmer verbunden, so daß jede Turbine aus jeder Rohrleitung gespeist werden kann. Beim
                              									späteren Ausbau des Werkes soll ein zweites Paar von Rohrleitungen angelegt
                              									werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 415
                              Fig. 1.
                              
                           Das Maschinenhaus ist für die Aufnahme von sieben Hauptmaschinengruppen von je 6500
                              									PS Leistung, einer Erregergruppe von 500 PS, sowie zweier 500 pferdiger
                              									Erregerumformer bemessen. Die von Escher, Wyß & Cie. in Zürich gebauten Freistrahlturbinen haben 3000
                              									mm Laufraddurchmesser und zeichnen sich durch ihre Schwenkdüsen-Regulierung aus,
                              									welche aus Fig. 1 ersichtlich ist. Der ganze in der
                              									Nadeldüse endigende Einlaufhogen, durch welchen ein zylindrischer Strahl von 80 mm
                              									Dicke mit 135 m Geschwindigkeit austritt, ist um die wagerechte Achse des
                              									Zulaufrohres drehbar angeordnet und durch doppelte Lederstulpen darin so
                              									abgedichtet, daß er mit der Düse in einer senkrechten Ebene gekippt werden kann,
                              									derart, daß in der einen Stellung der Strahl richtig in die Schaufeln trifft,
                              									während er in der anderen Endstellung an den Schaufeln vorbei in den Kanal schießt.
                              									Gegenüber den bekannten Mitteln zum Regulieren von Freistrahlturbinen bei hohem
                              									Druck, z.B. den Nebenauslässen oder den Strahlablenkern bieten die Schwenkdüse,
                              									Bauart Zodel, den großen Vorteil, daß die Regulierteile
                              									der Wirkung des plötzlich auftreffenden Strahles vollständig entzogen sind, sich
                              									also nicht leicht abnutzen können. Neuartig ist ferner die Verbindung des mit
                              									Drucköl von 15 at Spannung arbeitenden selbsttätigen Regulators mit der Schwenkdüse
                              									und der Reguliernadel. Wie aus Fig. 1 ersichtlich,
                              									ist diese Verbindung nicht starr, sondern erfolgt unter Vermittlung eines
                              									Oelkataraktes derart, daß bei kleinen Schwankungen der Belastung die Bewegungen des
                              									Reguliergestänges nur auf die Nadel übertragen werden. Tritt dagegen ein starker
                              									Ausschlag des Regulators ein, so kann das Oel hinter dem Kataraktkolben nicht mehr
                              									schnell genug entweichen und die Folge davon ist, daß das Schwenkgestänge betätigt
                              									wird. Die Anordnung des Gestänges ist dabei derart getroffen, daß die Nadelstellung
                              									durch das Schwenken der Düse nicht beeinflußt wird. Zu erwähnen ist endlich, daß die
                              									Laufräder der Turbinen selbst als Schwungräder ausgebildet sind. Die großen
                              									Schwungmassen sollen ein langsames Regulieren gestatten, wodurch allzuhäufiges, mit
                              									Wasserverlusten verbundenes Düsenschwenken vermieden wird. Bei den Ende 1910
                              									vorgenommenen Proben haben die Turbinen Leistungen bis zu 7000 PS geliefert. Die
                              									Wirkungsgrade haben schon bei 2000 PS-Leistung 80 v. H. und bei 5500 PS 88 v. H.
                              									betragen. Bei der Höchstleistung war der Wirkungsgrad nur unwesentlich geringer. Im
                              									ganzen sind jetzt vier mit Drehstrommaschinen für 12000 Volt gekuppelte
                              									Turbinen in dem Kraftwerk aufgestellt.
                           Von dem Isola-Kraftwerke führt ein 4,5 km langer, teilweise als Hangkanal, teilweise
                              									als Stollen ausgeführter Zuleitungskanal zum Wasserschloß des Kraftwerkes Cedegolo,
                              									an welches sich ein Ausgleichbecken von 20000 cbm Inhalt anschließt. Der Inhalt
                              									dieses an dem steilen Abhang mittels einer hohlen Staumauer aus Eisenbeton von 130 m
                              									Länge hergestellten Beckens genügt, um die Turbinen des Kraftwerkes zwei Stunden
                              									lang mit 3,7 cbm i. d. Sek. zu speisen. Die Staumauer ist in drei Stockwerken in
                              									Zellen eingeteilt, deren Inhalt von etwa 4000 cbm einen Teil des nutzbaren
                              									Wasserinhalts darstellt. Zwei 1000 mm weite Leitungen führen zu dem Maschinensaal
                              									des Kraftwerkes, welcher für fünf Turbinen von je 4000 PS bemessen ist. Das
                              									Kraftwerk enthält auch die von der A. E. G. gebaute
                              									Schalt- und Transformatoranlage, in welcher der Strom auf 60000 Volt für die 120 km
                              									lange Fernübertragung nach Mailand transformiert wird. (Zodel.) [Schweizerische Bauzeitung 1911, S. 1–5, 17–21, 31–35 und
                              									53–55.]
                           H.
                           
                        
                           Das Ozonwasserwerk der Stadt St. Petersburg.
                           Seitdem durch zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen die bakterientötende
                              									Wirkung des Ozons und seine Verwendbarkeit zur Sterilisation des Trinkwassers
                              									einwandfrei festgestellt worden ist, hat sich die Elektrotechnik mit Eifer der
                              									Konstruktion von Ozonapparaten gewidmet, die bei großen Krafteinheiten vollständig
                              									betriebssicher und mit gutem Nutzeffekt arbeiten. Wir besitzen heute Apparate, in
                              									denen durch Hochspannungsentladungen der Sauerstoff der durchgeleiteten Luft in Ozon
                              									von genügend hoher Konzentration umgewandelt wird, um bei inniger Berührung mit
                              									Wasser die Abtötung aller pathogenen Keime (Cholera, Typhus, Ruhr) sowie der anderen
                              									im Wasser vorkommenden Bakterien herbeizuführen. Der vorübergehend gelöste geringe
                              									Ueberschuß des Ozons verschwindet aus dem Wasser nach wenigen Minuten, so daß keine
                              									Veränderung des Wassers eintritt. Das Verfahren ist in Deutschland sowie in einer
                              									Reihe ausländischer Städte schon seit mehreren Jahren mit bestem Erfolge in Betrieb.
                              									Vor etwa zwei Jahren ist nun auch die Stadt St. Petersburg zur Erbauung eines
                              									zentralen Ozonwasserwerkes geschritten, um hierdurch die Cholera und den Typhus
                              									wirksamer bekämpfen zu können. Es ist dies das größte Werk dieser Art; es wurde Ende
                              									vorigen Jahres in Betrieb genommen und weist manche Neuerungen auf.
                           Die neue Anlage ist auf einem Werk errichtet worden, das bisher das Rohwasser aus der
                              									Newa ohne vorhergehende Reinigung in das städtische Netz pumpte. Der betreffende
                              									Stadtteil hat einen täglichen Konsum von 50000 cbm. Das Rohwasser wird direkt mit
                              									Pumpen aus der Newa entnommen und in Absatzbehältern unter Zusatz von
                              									Aluminiumsulfat geklärt. Es sind acht Klärbehälter vorhanden, aus denen das Wasser
                              									in 38 Schnellfilter (System Howatson) gelangt. Die
                              									Filter sind mit präpariertem Silex (Flint) gefüllt, die Filtrationsgeschwindigkeit
                              									beträgt etwa 4,5 cbm Wasser f. d. Quadratmeter und Stunde. Diese Schnellfilter
                              									brauchen im vorliegenden Fall keine Bakterien zurückzuhalten, sondern sie sollen nur
                              									die verunreinigenden Schwebe- und Farbstoffe, deren Menge im Winter bei Eisgang
                              									besonders groß ist, aus dem Rohwasser entfernen. Durch eine Sammelleitung gelangt das
                              									filtrierte Wasser direkt zu den Sterilisationstürmen. Die Ozonbatterie besteht aus
                              									128 Apparaten nach dem bekannten Siemens &
                                 										Halskeschen Röhrensystem, in denen zwischen zylindrischen Polen aus
                              									Aluminium und Glas die Hochspannungsentladungen unter der Erscheinung einer intensiv
                              									blauen Glimmentladung stattfinden. Hierdurch wird ein Teil des durchgehenden
                              									Luftsauerstoffes in Ozon verwandelt, und zwar beträgt die Konzentration 2,5 g Ozon
                              									im Kubikmeter Luft. Die Luft wird vorher durch Kühlung getrocknet und mittels
                              									Emulseuren (System Otto) durch die Ozonbatterie bewegt.
                              									Diese auf den Sterilisationstürmen angebrachten Emulseure sind Injektoren oder
                              									Wasserstrahlpumpen, die die Ozonluft aus der Batterie ansaugen und mit Wasser
                              									gemischt in die Türme bringen. Die Sterilisation des Wassers erfolgt sowohl in ihnen
                              									wie in den Türmen, in denen die Luft von unten in feiner Verteilung durch das Wasser
                              									aufsteigt. Das gereinigte Wasser fließt oben aus den Türmen ab und gelangt über
                              									Entlüftungskaskaden in die Reinwasserbehälter.
                           Die Anlage besitzt eine eigene elektrische Zentrale, in der Drehstrom erzeugt wird.
                              									Da die Ozonapparate einen Wechselstrom von hoher Frequenz erfordern, wird der
                              									Drehstrom in 500 periodischen Wechselstrom und außerdem noch auf die
                              									Betriebsspannung von 7000 Volt transformiert. Die Maschinenanlage besteht aus drei
                              									Dampfmaschinen von je 150 PS mit direkt gekuppelten Drehstromgeneratoren, von denen
                              									eine als Reserve dient. Diese Maschinen treiben außer den Ozonapparaten auch die
                              									Motoren der Rührwerke, der Filterwaschpumpen usw. Der Bau an sich wurde durchweg in
                              									Eisenbeton ausgeführt.
                           Die Betriebskosten stellen sich einschl. Vorklärung und Filtration auf 1,6–1,8 Pf. f.
                              									d. Kubikmeter, wovon auf die Ozonisierung allein nur die Hälfte entfällt. Der
                              									Reinigungseffekt ist sehr gut; das schmutzige Newawasser wird in ein klares,
                              									einwandfreies Trinkwasser verwandelt, das nur noch bis zu drei Keime im
                              									Kubikzentimeter enthält. Die Projektierung und Bauausführung des Werkes lag in den
                              									Händen der Firma Siemens & Halske, der Compagnie de l' Ozone und der Felten-Guilleaume-Lahmeyerwerke. Der Errichtung dieses Werkes folgen in
                              									diesem Jahre zwei ebensogroße Werke von je 45000 cbm für die Stadt Paris. (G. Erlwein) [Zeitschr. für Dampfkessel und
                              									Maschinenbetrieb 1911, S. 103/6.]
                           Dr. S.