| Titel: | DER HEUTIGE STAND IM DAMPFTURBINENBAU. | 
| Autor: | Meuth | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 474 | 
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                        DER HEUTIGE STAND IM
                           								DAMPFTURBINENBAU.
                        Von Bauinspektor Dr.-Ing. Meuth, Stuttgart.
                        (Schluß von S. 462 d. Bd.)
                        MEUTH: Der heutige Stand im Dampfturbinenbau.
                        
                     
                        
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 474
                              Fig. 51.Kombinierte Turbine der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg.
                              
                           Ueber die Turbine der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg
                              									ist schon in D. p. J. Bd. 321, S. 628 berichtet. In letzter Zeit ist die Firma dazu
                              									übergegangen, die Rädergruppe des Hochdruckteiles durch ein
                              									Geschwindigkeitsstufenrad zu ersetzen. Fig. 51 zeigt
                              									einen Längsschnitt durch die Turbine neuer Bauart. Während früher bei den
                              									rascherlaufenden Turbinen von 3000 Touren 11, bei den 1500 tourigen 16 Druckstufen
                              									angeordnet wurden, erhält jetzt die Turbine neben dem Curtis-Rad mit zwei Schaufelkränzen, in dem der Dampfdruck von der
                              									Anfangsspannung bis auf etwa 2 at ausgenutzt wird, nur noch 5 Druckstufen. Die
                              									Turbine wird also bedeutend kürzer; die Verluste, welche durch die Radreibung und
                              									durch die Wellendichtung gerade im Hochdruckteil von vielstufigen
                              									Gleichdruckturbinen auftreten, sind hier geringer. Das in der wagerechten
                              									Mittelebene geteilte Gehäuse ist am Hochdruckteil durch einen Deckel
                              									abgeschlossen, der aufgeschraubt ist und die Düsenkammer aufnimmt, das Gehäuse des
                              									Abdampfraumes ist abweichend von der früheren Ausführung mit dem übrigen Gehäuse
                              									zusammengegossen und trägt die Füße zur Befestigung mit dem steifen Fundamentrahmen.
                              									Das Gehäuse wird hier an seinem kältesten Teile festgehalten; die Dehnungen des
                              									Hochdruckteiles kann auch die Welle mitmachen da das vordere Lager in Gleitschienen
                              									verschiebbar ist. Auf diese Weise bleiben die Spielräume zwischen festen und
                              									rotierenden Teilen auch nach eingetretener Dehnung durch die Wärme gleich.
                           Die Turbinenwelle ist mit der Dynamowelle mit einer starren Kupplung verbunden, beide
                              									sind nur in drei Lagern gestützt, von denen dasjenige vor der Turbine als Kammlager
                              									ausgebildet ist.
                           Die Ausführung der Laufradscheiben und der Zwischenwände mit den Leitkanälen ist im
                              									Niederdruckteil im großen und ganzen die gleiche wie früher. Bei den Laufrädern ist
                              									nur der seitliche Deckring am Kranz zur Befestigung der Schaufeln in Wegfall
                              									gekommen. Der Kranz erhält jetzt eine ⊥-förmige Nut und ist außerdem geschlitzt, so
                              									daß die Nut mittels einer Druckschraube etwas aufgeweitet werden kann (Fig. 52). Die Schaufeln aus Nickelstahl und die
                              									Zwischenstücke werden mit ihrem ⊥-förmigen Fuß an einer seitlichen Oeffnung des
                              									Kranzes, die am Schlusse zugemacht wird, eingeführt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 475
                              Fig. 52.Laufschaufelkranz der M. A. N.-Turbine
                              
                           Nach Entfernung der Druckschrauben sind die Schaufeln in der
                              									ringförmigen Nut fest eingeklemmt. Die Laufradkanäle sind bei der neuen Ausführung
                              									außen durch Stahlbandsegmente abgeschlossen. Die Leitapparate haben wie bisher
                              									eingegossene Nickelstahlschaufeln mit Ausnahme bei den ersten Niederdruckstufen, wo
                              									besondere Sorgfalt auf die genaue Lage der Schaufeln verwendet werden muß, weil hier
                              									die Größe und Form der Leitkanäle von besonderem Einfluß auf die Dampf Wirkung
                              									ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 475
                              Fig. 53.Selbsttätige Düsenregulierung der M. A. N.-Turbine.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 475
                              Fig. 54.Oelpumpe und Regulator der M. A. N.-Turbine
                              
                           Die Leitschaufeln werden hier zuerst in einen Ring eingesetzt,
                              									der vorher mit der Teilmaschine mit Schlitzen zur Fixierung der Schaufeln versehen
                              									worden ist und der dann erst mit der Scheibe des Leitapparates verschraubt wird. Für
                              									die Abdichtung der Welle bezw. der Laufradnaben sind in die Bohrung der
                              									Leitradscheiben gußeiserne Buchsen eingesetzt, in welchen eingestemmte
                              									Bronzeringe eine Labyrinthdichtung bilden.
                           Die Regulierung der M. A. N.-Turbine ist eine durch Patent geschützte, vereinigte
                              									Drossel- und Düsenregulierung. Fig. 53 gibt eine
                              									schematische Darstellung davon. Der Frischdampf durchströmt zuerst das Drosselventil
                              										a, dessen Stellung vom Tourenregulator in
                              									Verbindung mit einem Druckölservomotor beeinflußt wird. Die Düsen sind gruppenweise
                              									durch Ventile e1
                              									e2 und e3 abgesperrt, die
                              									durch den Dampfdruck geöffnet und geschlossen werden. Zu diesem Zweck sitzen auf den
                              									Ventilspindeln Differentialkolben f1 bis f3, deren größere Fläche unter dem Druck des Dampfes hinter dem
                              									Drosselventil steht, während die kleinere Ringfläche unter dem Druck p in der Zweigleitung g
                              									steht, die vor dem Drosselventil abzweigt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 476
                              Fig. 55.Wellendichtung der Bergmann-Turbine.
                              
                           Durch eingesetzte Drosselplatten h1 bis h3 ist in dieser Zweigleitung an jeder Drosselstelle
                              									ein verschiedener, aber konstanter Druck vorhanden, der auf die Ringfläche der
                              									Differentialkolben ausgeübt wird. Die obere Fläche der Differentialkolben und der
                              									Teller der Düsenventile sind gleich groß gemacht, und durch die Bohrung ist der
                              									Druck unter dem Ventil und über der oberen Kolbenfläche ausgeglichen, so daß nur
                              									eine Aenderung des Dampfdruckes auf die untere Differentialkolbenfläche für die
                              									Bewegung der Ventile in Betracht kommt. Nimmt z.B. die Belastung und damit der Druck
                              									hinter dem Drosselventil a zu, so hebt sich unter der
                              									Wirkung des Ueberdruckes zunächst das erste Düsenventil e, und bei weiterer Belastungszunahme nacheinander auch die andern
                              									Düsenventile. Ebenso schließen sich die Düsenventile nacheinander bei abnehmender
                              									Belastung. Das Oeffnen und Schließen der Düsenventile tritt erst bei einer gewissen
                              									größeren Aenderung des Dampfdruckes, also bei großen Belastungsänderungen ein,
                              									während die kleineren Belastungsschwankungen durch das Drosselventil allein
                              									reguliert werden. In letzterem Fall ist der Verlust an Arbeitsfähigkeit des Dampfes
                              									nicht nennenswert, bei großen, andauernden Belastungsänderungen werden aber durch
                              									die Düsenregulierung die nicht unbeträchtlichen Energieverluste durch Drosselung
                              									eingeschränkt. Für regelmäßig auftretende große Belastungsänderungen, wie z.B. in
                              									Elektrizitätswerken, wird statt der selbsttätigen Zu- und Abschaltung der
                              									Düsenventile eine solche von Hand angeordnet. Der Maschinist kann hier leicht
                              									an den Manometern erkennen, wann eine Düsengruppe zu- bezw. abgeschaltet werden muß,
                              									um den Drosselverlust zu verringern.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 476
                              Zu Fig. 56.
                              
                           Als Tourenregulator ist ein Achsregulator gewöhnlicher Bauart
                              									verwendet, der, wie Fig. 54 erkennen läßt, auf einer
                              									Vorgelegewelle sitzt, von der aus auch eine zweistufige Zahnradpumpe zur Lieferung
                              									des Drucköls für die Lager und die Regulierung ihren Antrieb erhält.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 476
                              Fig. 57.Niederdruck-Leit- und Laufrad der Bergmann-Turbine.
                              
                           Außer dieser Oelpumpe wird noch eine weitere von einer kleinen
                              									Dampfturbine angetriebene Zentrifugalpumpe vorgesehen, welche im Fundamentrahmen
                              									eingebaut ist und das für die An- und Auslaufperiode nötige Schmieröl liefert. Das
                              									Oel wird in einem Röhrenbündel, das im Fundamentrahmen liegt, gekühlt. Die Anordnung
                              										der Lager und
                              									Wellendichtungen ist aus Fig. 51 ersichtlich.
                              									Letztere haben graphithaltige Kohlenringe, die von Schlauchfedern leicht gegen die
                              									Welle gepreßt werden. Das Eindringen von Luft in die Turbine verhindert der
                              									zugeführte Sperrdampf. Die Turbinen der neuen Bauart weisen sehr günstige Ergebnisse
                              									im Dampfverbrauch auf. So wurde bei einer 2500 KW-Turbine mit 1500 Umdrehungen ein
                              									Dampfverbrauch von 7,06 kg für die KW/Std. erzielt entsprechend einem thermischen
                              									Wirkungsgrad von 69 v. H. (auf die effekt. Turbinenleistung bezogen).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 477
                              Fig. 56.Düsen und Schaufelung des Hochdruckrades der
                                 										Bergmann-Turbine.
                              
                           Die Bergmann-Elektrizitätswerke in Berlin-Rosenthal,
                              									welche wie die Maschinenfabrik Oerlikon früher die Rateau-Turbine ausgeführt haben, sind jetzt zu einer
                              									kombinierten Bauart mit Geschwindigkeitsstufenrad im Hochdruckteil mit vielstufiger
                              									Gleichdruckturbine im Niederdruckteil übergegangen. Die Turbine weist eine sehr
                              									gedrängte Bauart mit starker Welle auf. Fig. 55
                              									zeigt die Wellendichtung. Auf der Welle ist eine Stahlgußbüchse aufgezogen und in
                              									diese eine Reihe von Rillen eingedreht, während in die umschließenden zweiteiligen
                              									Stahlgußschalen des Gehäuses zugespitzte Bronzeringe eingesetzt sind, welche in die
                              									Rillen auf der Welle eingreifen. In den Ringraum, den diese Labyrinthdichtung
                              									unterbricht, gelangt der aus der Hochdruckseite der Turbine tretende Dampf und wird
                              									von dort nach der Niederdruckrichtung durch eine Verbindungsleitung mit dieser
                              									abgesaugt; dieser verhindert dort das Eindringen von Luft; außerdem kann frischer
                              									Absperrdampf zugeführt werden.
                           Fig. 56 zeigt die Anordnung der Düsen, die dicht
                              									nebeneinander sitzen und einen geschlossenen Dampfstrom geben, und die Anordnung der
                              									Schaufelung des Hochdruckrades. Ein Rad der Niederdruckstufe ist in Fig. 57 dargestellt. Die Räder der Niederdruckstufe
                              									sind voll beaufschlagt. Die Radscheibe hat hier keine Verstärkung am Kranz; sie
                              									besitzt dort nur Schlitze parallel zur Wellenachse, in welche die aus
                              									Nickelstahlblech gestanzten Schaufeln hineingesteckt werden. Diese sitzen mit ihren
                              									Ansätzen reiterartig auf dem Radkranz und werden durch Nieten gehalten. Die ganze
                              									Rad- und Schaufelkonstruktion ist sehr leicht und ermöglicht, die normale Tourenzahl
                              									der Welle unter dem kritischen Wert zu halten, der ungefähr bei 4000 liegt. Aus Fig. 57 ist auch die Abdichtung zweier Druckstufen
                              									der Niederdruckturbine ersichtlich; die Nabe der Leitradscheibe ist mit einer
                              									gußeisernen Buchse mit Weißmetallausguß ausgebuchst; der Weißgußring umschließt die
                              									Nabe der Laufräder mit einem Spiel von nur wenigen Zehntel Millimeter. Die Schaufeln
                              									der Leiträder sind in diese eingegossen; bei größeren Durchmessern erhalten die
                              									Leitradscheiben einen besonderen mit der übrigen Scheibe vernieteten Ring, in den
                              									die Schaufeln eingegossen sind.
                           Die Regulierung erfolgt durch Drosselung mit Hilfe eines gewöhnlichen
                              									Druckölservomotors; die Ventile zu den einzelnen Düsengruppen, die eine verschiedene
                              									Anzahl Düsen enthalten, werden von Hand zu- und abgeschaltet und damit ein günstiges
                              									Arbeiten bei verschiedenen, länger anhaltenden Belastungen erreicht. Bei normaler
                              									Belastung erfolgt die Expansion in der Hochdruckstufe vom Anfangsdruck bis auf etwa
                              									2 at herab, während der Dampf in der folgenden Niederdruckstufe (mit etwa sieben
                              									Rädern) bis auf den Kondensatordruck expandiert. Die Dampfgeschwindigkeit beträgt in
                              									der Hochdruckstufe 800 bis 900 m, in der Niederdruckstufe 300 bis 400 m i. d. Sek.
                              									Die Umfangsgeschwindigkeit des zweikränzigen Hochdruckrades wird bis zu 180 m i. d.
                              									Sek. genommen.
                           Als Spezialkonstruktionen führen die Bergmann-Elektrizitätswerke auch Gegendruck-, Anzapf- und Abdampfturbinen
                              									aus, deren Einzelteile im allgemeinen die gleiche Bauart aufweisen wie diejenigen
                              									der normalen Turbine.