| Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 508 | 
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                        POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Eine doppeltwirkende Schiffs-Sauggasmaschine von
                              									durchweg neuartiger Konstruktion bringt das Empire Oil-Engine
                                 										Syndicate, London, auf den Markt.
                           Es ist eine Zweitaktmaschine mit drei doppeltwirkenden Zylindern von 210 mm 
                              									und 230 mm Hub, welche bei 200 Umdr. 100 indizierte Pferdestärken leistet. Dieselbe
                              									ist für den Betrieb mit Anthrazit oder Koks eingerichtet.
                           Zuerst wurde die Anlage in einem alten Torpedoboot aufgestellt, um die {Maschine
                              									nach allen Richtungen hin ausprobieren und etwa nothwendig werdende Verbesserungen
                              									vornehmen zu können. Die Zylinder zeigen die wohlbekannte Körtingsche Bauart (Fig. 1). Für den
                              									Kolben war Wasserkühlung vorgesehen, doch hat sich bei den Versuchen gezeigt, daß
                              									dies bei dieser Größe noch nicht nötig ist.
                           
                           Der Auspuff erfolgt durch in Zylindermitte angeordnete Schlitze, das Spülen wird
                              									durch seitlich angeordnete, ungesteuerte Spülventile besorgt (Fig. 2).
                           Das Besondere der Maschine liegt zunächst darin, daß jeder einzelne doppeltwirkende
                              									Arbeitszylinder auch mit einer besonderen doppeltwirkenden Ladepumpe verbunden ist,
                              									und zwar ist jeder Kolbenseite des Arbeitszylinders eine bestimmte Kolbenseite der
                              									Spülpumpe zugeordnet. Die obere Kolbenseite des Arbeitskolbens wird von der unteren
                              									Kolbenseite der Spülpumpe und die untere Arbeitskolbenseite von der oberen
                              									Spülpumpenseite bedient. Das effektive Hubvolumen der Spül- und Ladepumpen ist
                              									gleich dem 1½ fachen Hubvolumen der Arbeitszylinder.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 509
                              Fig. 1.
                              
                           Die Kurbeln der Spülpumpen eilen den Arbeitskurbeln um 90° nach.
                           Die Luft tritt durch die Zubringerrohre A und B in die Receiverrohre C
                              									ein, wobei sie zunächst den den Zylindern benachbarten Teil ausfüllt und das schon
                              									in den Receivern befindliche fertige Gemisch nach den Spülpumpen hin zurückdrängt.
                              									Die Abgrenzung des Gemisches von der Spülluft wird auf diese Weise eine ziemlich
                              									gute, so daß beim Spülen wenig Ladung verloren geht.
                           Wenn der Spülpumpenkolben ungefähr in der Mitte seines Hubes angelangt ist, gibt er
                              									die am Zylinderumfang liegenden Gasschlitze frei, worauf für den Rest des
                              									Pumpenhubes nur Gas angesaugt wird.
                           Nachdem der Arbeitskolben durch Freilegen der Auspuffschlitze den nötigen Druckabfall
                              									im Zylinder bewirkt hat, öffnen unter dem Einfluß des Spülpumpendruckes die
                              									selbsttätigen Saugventile, es tritt zunächst zur Spülung Frischluft und sodann, nach
                              									dem Schluß der Auspuffschlitze bei fortschreitendem Pumpenhub, die neue
                              									Gemischladung in den Zylinder. Ein Nachteil ist hierbei, daß das Gemisch beim
                              									Uebertritt in den Zylinder seine Schichtung behält.
                           Die Zündung ist Niederspannungszündung, deren Strom von einer Batterie geliefert
                              									wird, welche von einer kleinen, durch die Hauptmaschine angetriebenen Dynamo
                              									gespeist wird. Für Rückwärtsfahrt müssen die Rohranschlüsse der
                              									Arbeitszylinderseiten an die Spülpumpenseiten vertauscht werden, da sonst das
                              									Nacheilen der Spülpumpenkurbeln in Voreilen verwandelt würde. Dies geschieht durch
                              									Drehung des Vierweghahns E um einen rechten Winkel. Daß
                              									die Spülpumpen eigens umgesteuert werden müssen, ist entschieden ein Mangel der
                              									Maschine, der sich hätte vermeiden lassen können. Derselbe fällt jedoch nicht so
                              									sehr ins Gewicht, wenn man bedenkt, daß durch die Ausführung der Spülung in der
                              									angegebenen Weise eine ausgezeichnete Spülung bei geringem Gasverlust ermöglicht
                              									wird. Außer den Spülpumpen ist noch eine mittels Schwinge angetriebene
                              									Hochdruckluftpumpe vorhanden, welche die zum Anlassen und Reversieren erforderliche
                              									Preßluft liefert.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 509
                              Fig. 2.
                              
                           Die Anlaß- und Manöverluft wird der Maschine durch ein Rohr und durch Nocken
                              									gesteuerte, entlastete Anlaßventile zugeführt. Die Steuerung dieser Ventile ist aber
                              									keine zwangläufige, da die Nocken nicht direkt, sondern durch Vermittlung je einer
                              									Feder auf die Ventilstössel drücken. Durch diese Konstruktion wird erreicht, daß die
                              									Anlaßventile sofort aufhören zu öffnen, sobald im Zylinder Zündungen auftreten,
                              									wodurch ein sehr sparsamer Verbrauch an Preßluft ermöglicht wird.
                           Man kann auch dank dieser Einrichtung das Gemisch sehr weit herunterdrosseln ohne ein
                              									Stillstehen der Maschine befürchten zu müssen, wenn man mit eingeschalteter
                              									Anlaßsteuerung und eingeschaltetem Anlaßkompressor fährt. Der Kompressor ist
                              									jederzeit imstande ein Sinken des Luftdruckes im Anlaßgefäß hintanzuhalten.
                           
                           Dies ist sehr wichtig, wenn man bei stürmischer See, um ein Durchgehen der
                              									Maschine bei austauchendem Propeller zu verhindern, das Gemisch auf ein Minimum
                              									herunterdrosseln will.
                           Die Geschwindigkeit der Maschine läßt sich bis auf n = 40 Touren i. d. Min.
                              									ermäßigen.
                           Die Umsteuerung erfolgt mittels des in Fig. 1
                              									erkennbaren Hebels K, welcher dort in Nullstellung
                              									gezeichnet ist.
                           Die beiden der Nullstellung benachbarten Lagen sind „Betriebsstellung
                                 										vorwärts“ bezw. „Betriebsstellung rückwärts“, während die äußersten
                              									Lagen die Anlaßstellungen sind.
                           Durch Umlegen des Hebels in eine Anlaßstellung wird jedesmal die Steuerwelle so weit
                              									verschoben, bis der für die gewünschte Drehrichtung geeignete Anlaßnockensatz in
                              									Eingriff kommt. Gleichzeitig wird die Zündung der Zylinder auf „Spätzündung“
                              									umgestellt und die Vierweghähne E zur Vertauschung der
                              									Kolbenseitenpaare verdreht.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 510
                              Fig. 3.
                              
                           Wird der Umsteuerhebel in Betriebslage zurückgelegt, so wird die Steuerwelle abermals
                              									so weit verschoben, daß die Anlaßnocken außer Eingriff kommen. Die zum Umsteuern
                              									nötige Zeit beträgt 3–4 Sekunden. Bei einer Gelegenheit (Fahrt aus dem Dock) wurden
                              									mit der Maschine in 21 Minuten 26 verschiedene Manöver ausgeführt. Infolge der bei
                              									Schiffsmaschinen während des Manövrierens auftretenden großen Belastungsund
                              									Geschwindigkeitsschwankungen bot die Regulierung des Generators die meisten
                              									Schwierigkeiten.
                           Eine Handregulierung des Dampfes und Gases ist nicht zweckmäßig. Die Maschine bekam
                              									daher eine Regulierung höchst eigener Art, welche in Fig.
                                 										4 dargestellt ist.
                           Der dem Generator zuzuführende Dampf tritt aus einer Brause, welche in das obere Ende
                              									des Generatorsaugrohrs hineinragt, in dieses über. Etwas weiter unten befindet sich
                              									in diesem Saugrohr eine mit Methylalkohol gefüllte Rohrschlange, welche durch
                              									ein Rohrstück an eine mit einem schweren Oel gefüllte Kammer angeschlossen ist.
                              									Diese Kammer wird nach oben hin durch ein Diaphragma abgeschlossen, welches mittels
                              									einer Hebelübersetzung auf das entlastete Dampfeinlaßventil wirkt. Wenn nämlich die
                              									Geschwindigkeit der Maschine sinkt und infolgedessen weniger Luft durch das
                              									Generatorsaugrohr strömt, bewirkt der aus der Brause austretende Dampf eine
                              									kräftigere Erwärmung der Rohrschlange. Der Dampfdruck des darin befindlichen
                              									Methylalkohols nimmt infolgedessen zu und das Diaphragma biegt sich nach oben durch,
                              									wobei der Dampfeinlaß gedrosselt wird.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 510
                              Fig. 4.
                              
                           Zum Zwecke der selbsttätigen Gemischregelung ist die aus Fig. 4 ersichtliche Einrichtung getroffen. Das Gasventil V besitzt einen hohlen Schaft, der an seinem oberen
                              									Teile eine Vakuumglocke trägt, die in Quecksilber eintaucht.
                           Ueber dem Gasventil trägt der Schaft einen losegehenden Kolben P für die Steuerung der Zusatzluft. Befindet sich
                              									dieser Kolben in seiner untersten Lage, so ist die Zusatzluft völlig abgesperrt.
                              									Sobald nun die Maschine saugt, entsteht hinter der obenerwähnten Glocke ein
                              									partielles Vakuum, wodurch die Glocke gehoben wird. Dabei gibt der Kolben P die Luftschlitze mehr oder weniger frei, je nach der
                              									Größe der Saugwirkung.
                           Durch einen Handhebel kann der Schaft des Gasventils mit dem Kolben P verdreht und dadurch die Querschnitte für die
                              									Zusatzluft eingestellt werden.
                           Es ist beabsichtigt, eine ähnliche Maschine von 350 bis 400 PS für ein Handelsschiff
                              									zu bauen. [Engineering 1911, S. 719.]
                           
                           Wasserkraft-Elektrizitätswerk der Cobalt Power
                                 										Company. Das vorliegende Werk nutzt die Wasserkraft des Montreal-Flusses,
                              									eines Nebenflusses des Ottawa in der Provinz von Ontario, Kanada, aus und ist dazu
                              									bestimmt, das aufstrebende Bergbaugebiet der Stadt Cobalt mit Strom zu versorgen.
                              									Der Fluß verfügt nach amtlichen Schätzungen sowie nach Schätzungen aus den
                              									Niederschlagsmengen über eine Niedrigwassermenge von 21,2 bis 28,3 cbm i. d. Sek.,
                              									welche aber durch Ausnutzen der Wasservorräte einer Reihe von höhergelegenen Seen
                              									noch gesteigert werden kann. Die Oertlichkeit ist für die Anlage eines
                              									Wasserkraftwerkes besonders gut gewählt. Etwa 430 m oberhalb des Maschinenhauses
                              									fließt der Montreal-River durch eine Verengung, wo er die bei niedrigem Wasserstande
                              									4,88 m hohen Hounds-Fälle bildet. Die Krümmung des Flußbettes an dieser Stelle wird
                              									durch ein früher durchflossenes altes Flußbett abgeschnitten, das sich zum Ausbau
                              									als Oberwasserkanal eignet, da es fast nur den Aushub von angeschwemmtem Erdreich
                              									erforderlich macht. Durch diese Ableitung läßt sich das nutzbare Gefälle auf 5,6 m
                              									steigern. Außerdem ist das Flußbett oberhalb der Fälle sehr tief eingeschnitten, so
                              									daß man den Wasserspiegel um weitere 4,57 m aufstauen kann. Der 61 m lange, 10,36 m
                              									breite und 8,23 m hohe Staudamm ist aus Balkengerüsten mit Steinfüllung hergestellt
                              									und auf dem felsigen Flußbett gegründet. Er gilt nur als vorläufiges Stauwerk und
                              									wird gegenwärtig durch einen Damm aus Stampfbeton ersetzt. Der Einlauf ist durch
                              									eine starke, auf Betonpfeilern gestützte Bohlenwand gegen die Wirkungen der
                              									zahlreichen mitgeschwemmten Holzstämme gesichert und für eine Wassermenge von rund
                              									660 cbm i. d. Sek. bemessen. Er verengt sich vor dem Kraftwerk von 7,43 auf 5,57 qm
                              									Querschnitt und geht sodann in das um 0,3 m tiefere Vorbecken des Maschinenhauses
                              									über, das mit 39,62 m Länge und 9,5 m Breite annähernd parallel zum Flußufer erbaut
                              									ist. Dieses ist für vier Maschinengruppen bemessen, von denen drei bereits eingebaut
                              									sind. Die Hauptturbinen sind als senkrechte, einfache Francisturbinen mit 6,4 m größtem Sauggefälle gebaut und leisten bei 150
                              									Umdr. i. d. Min. und 9,88 m Gefälle je 1335 PS. Ihre Leiträder mit je 16 Schaufeln
                              									werden von Regulatoren von A. Riva & Co. in Mailand
                              									eingestellt. Die Wellen sind mit Halslagern versehen, welche nur das Turbinengewicht
                              									aufzunehmen haben, während das Gewicht der Stromerzeuger von besonderen Kugellagern
                              									getragen wird. An den oberen Enden der Wellen sind die Stromerzeuger vollständig
                              									außerhalb des Hochwasserbereichs angeordnet. Sie liefern Drehstrom von 10000 Volt,
                              									der ohne Umformung auf einer 11,2 km langen Fernleitung nach Cobalt übertragen wird.
                              									Die Anlage ist seit April 1910 in Betrieb. [The Engineering Record 1911, I, S. 245
                              									bis 247.]
                           H.
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                           Verbesserung der Straßenbeleuchtung durch Gasstarklicht.
                              									Die städtische Verwaltung von Stuttgart hat sich seit Jahren mit der Einführung
                              									einer verstärkten Straßenbeleuchtung beschäftigt. Es wurden umfangreiche
                              									Probebeleuchtungen durchgeführt, die sehr gute Resultate ergaben.
                           Drei verschiedene Starklichtsysteme kamen dabei in Frage:
                           1. Das Gas wird auf einen bestimmten Druck gebracht und saugt durch eine besonders
                              									konstruierte Injektordüse die zur Vermischung nothwendige Luft an.
                           2. Gas und Luft werden in einem bestimmten Mischungsverhältnis angesaugt und unter
                              									mäßigem Druck in die Brennerdüse eingeleitet; eine Injektorwirkung ist bei dieser
                              									Konstruktion nicht vorhanden.
                           3. Ein Teil der Verbrennungsluft wird auf einen bestimmten Druck gebracht und saugt
                              									durch eine besonders konstruierte Injektordüse das zur Erwärmung des Glühstrumpfes
                              									nothwendige Gas an.
                           Die Brennstoffökonomie bei Preßluft- und Preßgaslampen ist genau die gleiche. Mit
                              									Rücksicht auf die Furcht von Behörden und Privaten vor gepreßtem Gas wurde dem
                              									Preßluftsystem der Vorzug gegeben.
                           Wegen der getrennten Zuführung von Luft und Gas müssen bei derartigen
                              									Gasstarklichtlampen zwei Leitungen nach Straßenmitte gelegt werden. Dies ist zwar
                              									ein ästhetischer Mangel, doch fällt derselbe nicht allzusehr ins Gewicht, da die
                              									Straßen meist ohnedies von einem Gewirr elektrischer Leitungen und Spanndrähte
                              									durchzogen sind. Dafür wird die Aufhängung der Lampen stabiler, so daß sich bei
                              									stark windigem Wetter keine Beeinträchtigung der Lichtausstrahlung geltend
                              									macht.
                           Es zeigte sich auch, daß diese Lampen mit verhältnismäßig geringer Lichtpunkthöhe
                              									aufgehängt werden können, ohne daß die Gleichmäßigkeit der Beleuchtung gestört oder
                              									ein Blenden der Passanten durch zu große Lichtfülle hervorgerufen wird.
                           Der maximale Ausstrahlungswinkel reicht noch um 10° über die Horizontale nach oben,
                              									so daß eine außerordentlich günstige, schlagschattenfreie Lichtverteilung erzielt
                              									wird. Aus letzterem Grunde dürfte sich die neue Beleuchtungsart namentlich auch für
                              									Rangierbahnhöfe eignen.
                           Einige Schwierigkeiten ergeben sich für die Straßenbeleuchtung an den
                              									Uebergangsstellen zu gewöhnlicher Gasbeleuchtung. Um einen guten und allmählichen
                              									Uebergang der Helligkeit zu erzielen, wird eine sogen. Uebergangsbeleuchtung dadurch
                              									geschaffen, daß man von den 1500 kerzigen Lampen zunächst auf 1000 kerzige, dann
                              									auch 600 kerzige Lampen und zuletzt zu den gewöhnlichen Straßenlaternen übergeht.
                              									Die Stuttgarter Versuchsanlage umfaßt bisher 7 1 Gasstarklichtlampen, dazu sollen
                              									weitere 40, sowie eine Uebergangsbeleuchtung von 24 Stück 1000 kerzigen und 22 Stück
                              									600 kerzigen Niederdruck-Starklichtlampen kommen. [Journal für Gasbeleuchtung und
                              									Wasserversorgung, Jahrg. 1911 Nr. 21.]