| Titel: | NEUE MATERIALIEN FÜR DEN LUFTSCHIFFBAU. | 
| Autor: | A. Sander | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 517 | 
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                        NEUE MATERIALIEN FÜR DEN
                           								LUFTSCHIFFBAU.
                        Von Dr.-Ing. A. Sander,
                           								Charlottenburg.
                        SANDER: Neue Materialien für den Luftschiffbau.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Die neuen Materialien, die im Laufe der letzten zwei Jahre beim
                              									Bau von Luftschiffen und Flugapparaten Anwendung fanden, werden besprochen, und zwar
                              									die leichten Legierungen und die Ballonstoffe, ihre Herstellung und
                              									Eigenschaften.
                           –––––
                           Schon gelegentlich der I. Internationalen Luftschiffahrts-Ausstellung in Frankfurt a.
                                 									M. im Jahre 1909 wurde an dieser StelleD. p.
                                    											j. 1910, S. 39 ff. ausführlich über die Materialien berichtet,
                              									die für den Bau von Luftschiffen und Flugapparaten von Bedeutung sind. Die großen
                              									Erfolge, die die Luftschiffahrt seit jener Zeit errungen hat, haben der
                              									Erfindertätigkeit auch auf diesem Gebiete mannigfache Anregung gegeben und so sind
                              									in bezug auf die Erschließung neuer Baustoffe zahlreiche Fortschritte zu
                              									verzeichnen.
                           Die Spezialstähle, besonders der Chromnickel- und der
                              									nicht rostende Nickelstahl, haben sich weiterhin als Konstruktionsmaterial für
                              									hochbeanspruchte Teile vortrefflich bewährt; sie sind wegen ihrer hohen
                              									Festigkeitswerte durch kein anderes Material ersetzbar. Ebenso haben sich die leichten Metallegierungen überall da, wo es auf geringes
                              									Gewicht ankommt, ihren Platz gesichert. Natürlich ist man auch hier bestrebt,
                              									möglichst hohe Werte der Festigkeit und Dehnung zu erzielen. In der Tat besitzen wir
                              									heute bereits eine Reihe von Legierungen, die bei wesentlich niedrigerem
                              									spezifischem Gewicht gegenüber Aluminium doch erheblich höhere Materialwertziffern
                              									aufweisen.
                           In dieser Hinsicht verhalten sich bekanntlich diejenigen Legierungen am günstigsten,
                              									die neben Aluminium noch mehr oder weniger Magnesium enthalten. Der bekannteste
                              									Vertreter dieser Gruppe, das Elektronmetall der Chemischen
                                 										Fabrik Griesheim-Elektron in Griesheim a. M., das bei einem spezifischen
                              									Gewicht von nur 1,8 eine Zerreißfestigkeit bis zu 3500 kg/qcm besitzt, ist schon
                              									früher näher beschrieben worden. Das deutsche Patent ist noch nicht erteilt, dagegen
                              									ist aus der amerikanischen PatentschriftU. S.
                                    											A. Patent Nr. 965485 vom 26. Juli 1910. zu entnehmen, daß die
                              									Legierung aus 80–99,5 v. H. Magnesium und 0,5–20 v. H. Aluminium und anderen fremden
                              									Metallen besteht. Eine Reihe weiterer Patentanmeldungen derselben Fabrik begehen
                              									sich auf das Reinigen, Schmelzen und Gießen von Magnesium und seinen Legierungen.
                              									Das Verfahren zur Reinigung der Legierungen von eingeschlossenen Salzen besteht
                              									im Zusammenschmelzen mit einem Alkalichlorid oder einem Alkalichloridgemisch, dessen
                              									Schmelzpunkt aber wesentlich höher liegen muß als derjenige der zu reinigenden
                              									Legierung. Beim Abkühlen erstarrt dann zunächst das Chlorid und das flüssige Metall
                              									kann abgezogen werden. Man erhält das Metall längere Zeit in flüssigem Zustand, und
                              									zwar vorteilhaft unter Luftabschluß, oder aber man leitet ein inertes Gas, z.B.
                              									Wasserstoff, durch die geschmolzene Masse, wobei sich die letzten Reste des Chlorids
                              									verflüchtigen.
                           Ein ähnliches VerfahrenD. R. P. Nr. 228962
                                    											(Kl. 31c) vom 1. Oktober 1909 ab. dient dazu, die recht
                              									unerwünschte Porosität der Gußstücke aus Magnesium zu beseitigen und dichte Güsse zu
                              									erzielen. Man fand, daß das geschmolzene Metall bei etwa 700° Wasserstoff aufnimmt
                              									und das Gas erst unmittelbar vor dem Erstarren wieder abgibt. Der Wasserstoff rührt
                              									entweder von den oben erwähnten Einschlüssen hygroskopischer Salze her oder aus dem
                              									Wasserdampf der Verbrennungsgase. Der Wasserdampf wird nämlich von geschmolzenem
                              									Magnesium in der folgenden Weise zersetzt: Mg + H2O
                              									= MgO + H2. Zur vollkommenen Entfernung des Gases
                              									aus dem geschmolzenen Metall erhält man dieses einige Zeit auf derjenigen
                              									Temperatur, bei welcher der Wasserstoff entbunden wird und die nur wenige Grade über
                              									dem Erstarrungspunkt des Magnesiums liegt. Dies kann entweder vor dem Vergießen im
                              									Tiegel oder auch in der Gußform selbst geschehen. Aus der Schmelze entweicht dann
                              									der Wasserstoff in Blasen, und man erhält einen vollkommen dichten Guß.
                           Das Elektron-Metall hat jedoch in letzter Zeit mehrere Konkurrenten erhalten. So
                              									wurde von Walter Rubel ein Leichtmetall zum Patent
                              									angemeldet, das nach der französischen PatentschriftFranzösisches Patent Nr. 407814, Zusatzpatent
                                    											Nr. 11905. folgende Zusammensetzung hat. Die Grundsubstanz ist
                              									auch hier das Magnesium, das bekanntlich in reinem Zustande gegen chemische wie
                              									physikalische Einflüsse so wenig widerstandsfähig ist, daß es bisher keinerlei
                              									metallurgische Verwendung finden konnte. Diese Eigenschaften werden jedoch schon
                              									durch die Anwesenheit geringer Mengen fremder Metalle vollständig beseitigt. Als
                              									solche kommen hier Zink, Kupfer und Zink oder Kupfer und Aluminium in Betracht. Man
                              										erhält so
                              									Legierungen mit einem spezifischen Gewicht von ungefähr 1,8 und erheblicher
                              									Festigkeit. Eine gegossene Legierung aus 96 v. H. Magnesium und 4 v. H. Zink hat
                              									z.B. eine Festigkeit von 1500–2000 kg/qcm. In gewalztem Zustand hat dieselbe
                              									Legierung eine Festigkeit von 2500–3500 kg/qcm bei 8–12 v. H. Dehnung. Man kann mit
                              									dem Zusatz des Zinks bis auf 10 v. H. hinaufgehen, ohne diese Eigenschaften zu
                              									verschlechtern, oder man kann statt dessen auch 6 v. H. Kupfer und 4 v. H. Zink oder
                              									9 v. H. Kupfer und 1 v. H. Aluminium dem Magnesium zusetzen. Jedenfalls soll die
                              									Menge des Magnesiums nicht weniger als 90 v. H. und nicht mehr als 96 v. H.
                              									betragen. Die Herstellung geschieht zweckmäßig in einem schmiedeeisernen
                              									Schmelztiegel, der durch einen Deckel gut verschließbar ist, auf einem gewöhnlichen
                              									Kohlenfeuer. Sobald das Magnesium schmilzt, gibt man das Zink hinzu, das sich sofort
                              									mit dem Magnesium legiert. Die Legierung zeigt nach dem Guß eine ganz glatte
                              									Oberfläche, sie ist homogen, feinkörnig und hat bläuliche Farbe. Während des Gießens
                              									findet nur eine geringe Oxydation statt. Will man außer Zink etwa noch Kupfer
                              									zugeben, so setzt man die beiden Metalle gleichzeitig in Stücken zu; sie schmelzen
                              									beide sofort in dem Magnesium trotz des hohen Schmelzpunktes, den das Kupfer
                              									besitzt. Natürlich kann man auch, statt die Metalle einzeln zuzusetzen, eine
                              									Legierung aus Kupfer und Zink, die in dem entsprechenden Verhältnis zusammengesetzt
                              									ist, mit dem Magnesium verschmelzen. Alle aus diesen Legierungen hergestellten
                              									Körper können geschmiedet und gewalzt werden; sie sind beständig gegen die Einflüsse
                              									von Luft und Wasser und können wie Messing oder Rotguß auf der Drehbank bearbeitet
                              									werden.
                           Eine ähnliche leichte Legierung bringt die Firma Basse &
                                 										Selve in Altena (Westfalen) auf den Markt. Diese hat folgende
                              									Eigenschaften:
                           
                              
                                 Leichtmetall
                                 gegossen
                                 gezogen
                                 
                              
                                 spez. Gewicht.
                                 etwa 2
                                 1,772–1,780
                                 
                              
                                 Festigkeit an der    Bruchgrenze
                                 1200–1500
                                 2700–3000 kg/qcm
                                 
                              
                                 Dehnung
                                 etwa 3 v. H.
                                       5–10 v. H.
                                 
                              
                           Eine Legierung, die in England unter dem Namen Korkmetall für die Zwecke des
                              									Luftschiffbaues im Handel ist, besteht aus Magnesium mit nur 0,5 v. H. Zink und soll
                              									bei einem spez. Gewicht von 1,762 ebenfalls recht hohe Festigkeit haben.
                           Diese Legierungen ermöglichen besonders bei dem Bau von starren Luftschiffen große
                              									Gewichtsersparnisse zu erzielen, da sie gegenüber dem Aluminium oder dem bei den Zeppelin-Luftschiffen viel verwendeten Montanium (spez.
                              									Gewicht 2,8) ein wesentlich geringeres spezifisches Gewicht haben.
                           Schließlich seien noch zwei Aluminium-Legierungen von ähnlicher Zusammensetzung hier
                              									genannt, die erst in allerletzter Zeit in Frankreich auf den Markt gekommen sind.
                              									Die eine von diesen, welche der bekannten Firma Esnault-Pelterie in Billancourt (Seine) geschützt wurdeD. R. P. 230095.; besteht aus 80–85
                              									v. H. Aluminium, 5–10 v. H. Silber oder einem anderen Edelmetall und 5–15 v. H.
                              									eines Metalles aus der Eisengruppe, wie etwa Kobalt, Chrom, Nickel oder Mangan. Der
                              									Zusatz des Edelmetalles hat den Zweck, das Auskrystallisieren des Eisens oder eines
                              									der anderen genannten Metalle in der Legierung zu verhindern und damit die
                              									Dehnbarkeit und Widerstandsfähigkeit der Legierung zu erhöhen. Hierzu genügt schon
                              									eine geringe Menge Silber. Man erhält auf diesem Wege eine sehr harte und zähe
                              									Legierung, die dazu ein sehr niedriges spezifisches Gewicht besitzt und deshalb
                              									überall da angewandt werden kann, wo Leichtigkeit und Festigkeit zugleich gefordert
                              									werden. Dies ist insbesondere der Fall bei Kolben, Rahmen und Lagern für Automobil-
                              									und Flugmotoren. Auch als Antifriktionsmaterial soll die Legierung verwendbar sein,
                              									da sie einen sehr geringen Reibungskoeffizienten hat. Zu ihrer Darstellung schmilzt
                              									man zunächst das Silber und das Metall der Eisengruppe getrennt ein, mischt die
                              									beiden in dem gewünschten Verhältnis, und setzt dann das Gemisch dem geschmolzenen
                              									Aluminium zu.
                           Die andere Legierung wurde der Gesellschaft „Le
                                    											Ferro-Nickel“ in Paris patentiert.D. R. P. 231060. Sie besteht aus
                              									94–98 v. H. Aluminium, 1,5–4 v. H. Kupfer, 0,25–1,25 v. H. Mangan und 0,25–1,25 v.
                              									H. Silber. Die Gesamtmenge der drei Zusatzmetalle soll mindestens 2, aber höchstens
                              									6 v. H. betragen. Am besten haben sich folgende Mischungen bewährt:
                           
                              
                                 
                                 Legierung I
                                 Legierung II
                                 
                              
                                 Zusammensetzung
                                 96,5 v. H. Alum.3,5 v. H. Zusätze
                                 95,5 v. H. Alum.4,5 v. H. Zusätze
                                 
                              
                                 Zerreißfestigkeit
                                 2000 kg/qcm
                                 2800 kg/qcm
                                 
                              
                                 Elastizitätsgrenze
                                 1000    „
                                 1400     „
                                 
                              
                                 Dehnung
                                     18 v. H.
                                     16 v. H.
                                 
                              
                           Die Zerreißversuche wurden mit gewalzten, ausgeglühten Streifen von 1 mm Dicke
                              									ausgeführt. Gewalzte harte Streifen zeigten dagegen bei
                           
                              
                                 
                                 I.
                                 II.
                                 
                              
                                 Zerreißwiderstand
                                 2900 kg/qcm
                                 3700 kg/qcm
                                 
                              
                                 Dehnung
                                 1–2 v. H.
                                 1–2 v. H.
                                 
                              
                           Abgesehen von diesen vorzüglichen mechanischen Eigenschaften sollen die Legierungen
                              									auch dauerhafter als reines Aluminium sein. Sie sind dehnbar, hämmerbar und können
                              									kalt und warm geschmiedet und gewalzt werden. Sie lassen sich treiben, prägen und zu
                              									Draht ausziehen wie Messing, und sind auch ebenso leicht wie dieses zu bearbeiten.
                              									Sie können daher in vielen Fällen Messing und Kupfer, unter Umständen sogar Eisen
                              									und Stahl ersetzen.
                           Ein zweiter wichtiger Baustoff für Luftfahrzeuge sind die Ballonstoffe, an deren Vervollkommnung ebenfalls in der letzten Zeit
                              									eifrig gearbeitet wird. Als Material hierfür kommen hauptsächlich Baumwollstoffe
                              									(Perkal), als Aeroplanstoff neuerdings auch Leinen in Betracht. Die in England
                              									gebräuchlichen teuren Goldschlägerhäutchen (Darmhaut) und die Seidenhüllen, die
                              									besonders in Frankreich in Gebrauch sind, verlieren den Baumwollhüllen gegenüber mehr und
                              									mehr an Bedeutung.
                           Auch an dieses Material werden hohe Anforderungen gestellt. Ebenso wie bei den
                              									metallischen Baustoffen wird hier große Festigkeit gegen atmosphärische, mechanische
                              									und chemische Einflüsse sowie möglichst geringes Gewicht verlangt und weiterhin auch
                              									eine hohe Gasundurchlässigkeit.
                           Die Dichtung der Stoffe kann durch Gummieren oder imprägnieren mit Leinölfirnis
                              									erfolgen. Gefirnißte Stoffe sind besonders in Frankreich gebräuchlich; sie sind zwar
                              									etwas leichter als die gummierten Stoffe und meist auch billiger, aber lange nicht
                              									so haltbar. Gefirnißte Ballonhüllen bedürfen einer sehr sorgsamen Behandlung, da der
                              									Firnis in der Sonne oft weich und klebrig wird, so daß die Hüllen nur im Schatten
                              									oder nach längerer Abkühlung verpackt werden dürfen. Da der Stoff auch gegen
                              									mechanische Verletzungen (durch die Fingernägel) sehr empfindlich ist, müssen die
                              									Bedienungsmannschaften beim Verpacken stets Handschuhe tragen. Natürlich bedarf eine
                              									solche Hülle trotz sorgsamster Behandlung eher einer Ausbesserung als eine
                              									gummierte, so daß der billigere Anschaffungspreis hierdurch wieder ausgeglichen
                              									wird. Auch im regulären Betriebe ist nach einer gewissen Zeit eine gewisse
                              									Imprägnierung mit Firnis erforderlich, um die Hülle dicht zu erhalten, und nach
                              									20–30 Fahrten ist sie überhaupt nicht mehr brauchbar. Alle diese Unannehmlichkeiten
                              									fallen bei Verwendung von gummierten Stoffen weg. Deutschland, das diese Stoffe von
                              									Anfang an verwendete, hat in ihrer Herstellung vor anderen Ländern einen erheblichen
                              									Vorsprung und steht heute in dieser Fabrikation entschieden an erster Stelle. Nicht
                              									nur die deutschen, sondern auch die ausländischen Konstrukteure von Luftschiffen und
                              									Flugapparaten verwenden in letzter Zeit die deutschen gummierten Ballon- und
                              									Aeroplanstoffe, wie Blériot, Voisin, Lebaudy und andere.
                              									Ein Beispiel für die Güte dieser Stoffe ist auch der Ballon „Ziegler“ des Frankfurter Vereins für Luftschiffahrt, der schon weit
                              									über 100 Fahrten mit derselben Hülle gemacht hat.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)