| Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 526 | 
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                        POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Auf Motorschlitten von höchst eigenartiger
                                 										Konstruktion beabsichtigt die deutsche Südpolarexpedition, die am 2. Mai d.
                              									J. unter der Führung von Oberleutnant Dr. Fi lehn er ihre Ausreise von Hamburg aus
                              									antrat, in die fernen Eisregionen der Antarctis vorzudringen. Jeder von den drei
                              									mitgeführten Motorschlitten wird fünf Anhängeschlitten zu schleppen haben, auf denen
                              									die gesamte Ausrüstung der Expedition befördert werden soll.
                           Erbauerin dieser Fahrzeuge ist die bekannte englische Motorenfirma Wolseley Motor Car Company (Vickers Sons) in Birmingham.
                              									Jeder der drei Kraftschlitten erhält einen 20 pferdigen, luftgekühlten
                              									Wolseley-Motor. Von einer Wasserkühlung konnte und mußte abgesehen werden, da
                              									erstens die Temperatur in jenen Breiten, in die die Expedition vorzudringen
                              									beabsichtigt, eine ausreichende Kühlung der Zylinder gewährleistet, und weil
                              									zweitens luftgekühlte Zylinder stets der Gefahr des Zerspringens infolge Einfrierens
                              									des Wassers ausgesetzt sind. Für den Notfall ist zur Unterstützung der Kühlung noch
                              									ein besonderer Ventilator vorgesehen. Besondere Sorgfalt wird auf die Vorwärmung der
                              									Vergaser verwendet, um ein sicheres Funktionieren auch bei großer Kälte zu erzielen.
                              									Die Kraftübertragung erfolgt vom Schwungrad aus durch Lederkonuskupplung und
                              									Kardangelenkwelle, welch letztere mittels Schnecke und Schneckenrad die Kraft auf
                              									die Hinterachse überträgt. Es sind zwei Uebersetzungen für Vorwärtsgang vorgesehen;
                              									Rückwärtsfahrt durch Motorkraft ist überhaupt nicht möglich, doch ist Vorsorge
                              									getroffen, daß der Schlitten von Hand rückwärts bewegt werden kann. Auf Hinter- und
                              									Vorderachse sind Kettenräder mit endlosen Ketten befestigt, welche zur Fortbewegung
                              									der Schlitten dienen. Im vergangenen Winter haben mit diesen Schlitten im
                              									Bayerischen Wald umfangreiche Versuche in außerordentlich schwierigem Gelände
                              									stattgefunden, welche die ausgezeichnete Brauchbarkeit der Fahrzeuge erwiesen.
                              									Einmal hat ein Schlitten mit einer Belastung von 60 Personen eine Steigung von 13 v.
                              									H. überwunden. Die Fahrgeschwindigkeit der Schlitten beträgt maximal 8 km i. d.
                              									Std.
                           [Motorwagen 1911, Heft 14.]
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                           Ueber die Elektrisierung der Vollbahnen hielt am 7. Juni
                              									d. Js. Herr Prof. Dr. Ing. W. Reichel, Direktor der
                              									Siemens- Schuckertwerke, in der Technischen Hochschule zu Charlottenburg einen
                              									interessanten Vortrag vor dem Berliner Bezirksverein des Vereins Deutscher
                              									Ingenieure. Nur um der größeren Annehmlichkeit willen, so führte der
                              									Vortragende aus, wird man die Elektrisierung einer Bahn nicht vornehmen; es müssen
                              									vielmehr unbedingt wirthschaftliche Vortheile damit verknüpft sein.
                           Billige Erzeugung und Uebertragung der Energie sind Grundbedingung (Ausnutzung von
                              									Wasserkräften, billige Kohlen usw). In den letzten Jahren wurde von der
                              									Staatsbahnverwaltung ein System der elektrischen Zugförderung mit einphasigem
                              									Wechselstrom erwogen, welches die Uebertragung sehr großer Leistungen auf große
                              									Entfernungen ermöglicht. Probeanlagen dieses Systems, z.B. die Vorortbahn
                              									Hamburg-Blankenese-Ohlsdorf, ergaben wesentliche Ersparnisse. Auf Grund dieser
                              									Erfahrungen soll die Elektrisierung mehrerer Vollbahnstrecken, wie
                              									Magdeburg–Bitterfeld–Leipzig-Halle, Lauban–Königszelt, Berliner Stadt-, Ring- und
                              									Vorortbahn, durchgeführt werden.
                           Es ist heute möglich, Leistungen von 5000 PS für Lokomotivantrieb auf mehrere Hundert
                              									Kilometer zu übertragen, wobei die Spannung der Speiseleitung 50000 bis 100000 Volt
                              									bei Verwendung von Kabeln oder Freileitungen, und 10000 bis 15000 Volt bei
                              									Uebertragung mittels Fahrdrahtspannungen beträgt.
                           An mehreren bereits ausgeführten oder der Vollendung entgegengehenden Bahnen wies der
                              									Vortragende nach, daß sich mit derartigen Bahnen Ersparnisse an Betriebskosten in
                              									Höhe von 7 bis 12 v. H. erzielen lassen.
                           Für die Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen dürfte der Antrieb durch elektrische
                              									Doppellokomotiven am vortheilhaftesten sein, da in diesem Falle der gesamte
                              									Wagenpark beibehalten werden kann.
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                           Wasserkraftwerk am Miami- und Erie-Schiffahrtskanal. Der
                              									vor etwa 50 Jahren vom Staate Ohio erbaute Miami- und Erie-Schiffahrtskanal, welcher
                              									eine Verbindung zwischen den Flüssen Maumee und Miami darstellt und auf diese Weise
                              									den schiffbaren Wasserweg zwischen dem Erie-See und dem Ohio vollendet, wird infolge
                              									des Wettbewerbes, welchen ihm die Eisenbahnen mit ihrer viel kürzeren
                              									Beförderungszeit bereiten, schon lange nicht mehr benutzt, obgleich er bald nach
                              									seiner Vollendung einen umfangreichen Verkehr aufzuweisen hatte. Kaum daß
                              									alljährlich ein einziges Schiff an den grasbedeckten Böschungen vorbeifährt und die
                              									untätigen Schleusen in Bewegung setzt. Im Hinblick auf die großen Erhaltungskosten
                              									des Kanales hat daher die Regierung des Staates den Gedanken, einen Theil des vorhandenen
                              									Wassers zur Krafterzeugung auszunutzen, um so willkommener heißen können, als
                              									dadurch die Verwendbarkeit des Kanales als Schiffahrtsweg in keiner Weise
                              									beeinträchtigt wird. Für die Ausführung dieses Gedankens eignet sich die annähernd
                              									37 km lange Scheitelstrecke des Kanales, zu welcher der Kanal über eine Reihe von
                              									Schleusen vom Maumee-Fluß bei Toledo aus aufsteigt, um die Stromschnellen oberhalb
                              									der Stadt Toledo zu umgehen, in ganz hervorragender Weise. Sie wird durch ein großes
                              									Stauwehr bei Grand Rapids gespeist, das erst vor zwei Jahren vollendet worden ist,
                              									verfügt also über einen großen Wasservorrat, und außerdem nähert sie sich an einer
                              									12,8 km südwestlich von Toledo gelegenen Stelle bis auf etwa 245 m dem Bette des
                              									Maumee-Flusses, dessen Wasserspiegel hier 19 m unter dem Spiegel der Kanalstrecke
                              									liegt, derart, daß nur ein außerordentlich kurzer Stichkanal anzulegen war, um das
                              									Gefälle in einem am Flußufer zu errichtenden Wasserkraftwerk ausnutzen zu können.
                              									Die Arbeiten zur Errichtung der Anlage sind von der Maumee
                                 										Valley Electric Company schon vor einigen Jahren in Angriff genommen, aber
                              									erst vor kurzer Zeit in vollem Umfange durchgeführt worden. Von dem Staubecken,
                              									welches die Scheitelhaltung des Kanales speist, führt ein an der Wasseroberfläche
                              									28,65 m breiter, im Mittel 4,27 m tiefer Seitenarm von etwa 240 m Länge nach dem
                              									Flußufer hin. Diese Erweiterung des Staubeckens ist an ihrem Ende durch eine
                              									Staumauer aus Beton abgeschlossen, in welcher die durch Handschützen verschließbaren
                              									oberen Enden von drei Druckrohren eingelassen sind. Die je 70 m langen Rohre von je
                              									2286 mm Weite sind aus Kesselblechen von 8 und 12,7 mm Dicke genietet und auf
                              									Betonpfeilern mit etwa 13,4 v. H. Neigung offen verlegt. In dem Maschinenhause sind
                              									an die Rohre drei Turbinen mit wagerechten Wellen angeschlossen. Zwei hiervon sind
                              										Allis-Chalmers-Doppelturbinen mit doppelten Einlauf-
                              									und einfachen Saugrohren, die dritte hat ein einfaches Leffel-Rad mit doppeltem Saugrohr. Alle Turbinen haben Laufräder von 660
                              									mm  und treiben mit 400 Umdr. i. d. Min. Drehstromerzeuger für 2300 Volt an.
                              									Bemerkenswert an der Anlage ist, daß das Sauggefälle der Turbinen 6,4 m bei einem
                              									Gesamtgefälle von 18,3 m beträgt, und daß daher die Bauarbeiten an den aus
                              									Stampfbeton bestehenden Saugrohren, deren Querschnitt vom runden allmählich in einen
                              									rechteckigen übergeht, 3 m unter dem Flußspiegel ausgeführt werden mußten. Das Werk
                              									gibt den erzeugten Strom zum Theil mit 13200 Volt an das Elektrizitätswerk von
                              									Toledo, zum Theil mit 550 Volt an die unmittelbare Nachbarschaft ab. Als Reserve ist
                              									eine 800 pferdige Dampfdynamo vorhanden. [Electrical World 1911, I, S. 531 bis
                              									533.]
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                           Wasserkraft-Elektrizitätswerke im Staate Georgia. Die
                              									Entwicklung der Wasserkraftverwertung im Staate Georgia ist ein Verdienst der Central Georgia Power Company, in deren Händen die
                              									Wasserrechte für mehr als 200000 PS vereinigt sind. Die Gesellschaft betreibt
                              									bereits ein Wasserkraftwerk bei Gainesville am Chattahoochee-Fluß, welches eine
                              									Leistung von 15000 PS besitzt und, abgesehen von den Städten Gainesville, Buford und
                              									Norcross, durch eine 88 km lange 50000 Volt-Fernleitung auch die Stadt Atlanta
                              									speist. Ein anderes, ebenfalls im Betrieb befindliches Wasserkraftwerk von 17000 PS
                              									Leistung ist 27 km nördlich von Atlanta bei Morgan Falls gelegen. Dieses Werk
                              									liefert Strom von 22000 Volt ausschließlich an die Georgia
                                 										Railway and Electric Company, welche etwa 320 km Straßenbahnen und eine 32
                              									km lange Ueberlandbahn betreibt und Lichtstrom abgibt. Im Februar d. Js. ist ferner
                              									das zunächst mit 6000 PS ausgebaute, aber für eine Endleistung von 24000 PS Werk
                              									Jackson am Ocmulgee-Fluß in Betrieb genommen worden, welches zunächst 50000
                              									Volt-Strom nach Macon für Straßenbahn und Lichtzwecke liefert, aber später durch
                              									eine 120 km lange 100000 Volt-Leitung an das Netz von Atlanta angeschlossen werden
                              									soll. Das in Rede stehende Werk ist nun das erste von drei Werken, welche an dem
                              									gleichen Wasserlauf errichtet werden können und in denen sich zusammen 100000 PS
                              									gewinnen lassen. Das größte Kraftwerk des Staates Georgia, wie auch überhaupt das
                              									größte einzelne Wasserkraftwerk südlich vom Niagara-Fall ist an den Tallulah-Fällen
                              									im Entstehen begriffen. Das Werk soll mit Hilfe eines 1,6 km langen
                              									Oberwasserkanales ein Gefälle von 183 m ausnutzen und eine Leistung von 100000 PS
                              									erhalten. Auch diese Anlage soll durch eine Fernleitung von 100000 Volt mit der 144
                              									km entfernten Stadt Atlanta verbunden werden, so daß alle Kraftwerke der
                              									Gesellschaft über das Umformerwerk in Atlanta miteinander verbunden sein werden.
                              									Dadurch wird eine sehr wirthschaftliche Ausnutzung der Wasserkraft und eine
                              									gegenseitige Unterstützung der Werke ermöglicht. (Turner.) [Power 1911, S. 490.]
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                           Aluminium als Material für Vorrichtungen zum Bearbeiten von
                                 										Werkstücken findet in Amerika neuerdings Verwendung. Man ging dabei von der
                              									Erwägung aus, daß die Vorrichtungen meist viel schwerer als die auf ihnen zu
                              									bearbeitenden Maschinentheile sind, und deshalb von den Arbeitern nur mit größter
                              									Mühe herangeholt und gehandhabt werden können. Zu einigen Bedenken gab allerdings
                              									zuerst der Umstand Veranlassung, daß Aluminium eine andere Wärmeausdehnung besitzt
                              									wie die meisten anderen Materialien. Mehrjährige Erfahrungen haben aber gezeigt, daß
                              									sich deswegen keine Verminderung der Arbeitsgenauigkeit ergibt. Vorrichtungen aus
                              									Aluminium können meist von einem einzigen Manne herangebracht und häufig genug ohne
                              									Zuhilfenahme von Hebewerkzeugen auf- und abgebracht werden. [Zeitschrift für
                              									praktischen Maschinenbau, 21. Juni 1911.]
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                           Die Navigation mittels Derivators behandelt ein Aufsatz
                              									von H. Boykow in der „Zeitschrift für Flugtechnik und
                                 										Motorluftschiffahrt“. Der Verfasser beschreibt ein Verfahren, bei dem
                              									durch Aufzeichnung der Massenbewegungen eines Fahrzeugs die Abdrift bestimmt und
                              									durch Verstellung der Steuerung kompensiert werden kann. Der Apparat besteht im
                              									wesentlichen aus einem Pendel. Um den Derivator unempfindlich gegen Neigungen der
                              									Plattform des Fahrzeugs bezw. gegen Schwingungen desselben zu machen, ist eine
                              									besondere Vorkehrung getroffen. Man benutzt statt eines Pendels zur Registrierung
                              									der Massenbewegung deren zwei, und zwar ein solches von unendlicher Länge und
                              									ein in diesem aufgehängtes kleineres. Dann erfolgt bei bloßen Neigungen des
                              									Luftfahrzeuges überhaupt kein Ausschlag. Da sich ein unendlich langes Pendel auf
                              									einem Fahrzeug nicht anbringen läßt, hat man dasselbe durch ein Gyroskop ersetzt,
                              									das sich gegenüber Massenbeschleunigungen ebenfalls indifferent verhält.
                              									[Zeitschrift für Flugtechnik und Motorluftschiffahrt, Jahrgang 1911, Heft 11.]