| Titel: | POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU. | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 666 | 
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                        POLYTECHNISCHE RUNDSCHAU.
                        Polytechnische Rundschau.
                        
                     
                        
                           Ziegeleimaschinen auf der Ostdeutschen Ausstellung
                                 										Posen. Die deutschen Ostprovinzen. Schlesien, Posen, Pommern, Ost- und
                              									Westpreußen, haben schon seit langer Zeit nicht nur in landwirthschaftlicher
                              									Hinsicht, sondern auch durch eine teilweise stark entwickelte Industrie und durch
                              									große Handelsbeziehungen eine weit größere Bedeutung erreicht, als man im übrigen
                              									Deutschland anzunehmen gewohnt ist. Auch die Industrie entwickelte sich in allen
                              									ihren weitverzweigten Teilen. Sie ging in den meisten Bezirken nicht sprungweise,
                              									sondern allmählich, dafür aber stetig dem inneren Erwachen und Erblühen dieser
                              									Provinzen entsprechend vorwärts. Trotz alledem ist die Industrie Ostdeutschlands
                              									bisher bei denjenigen Veranstaltungen, auf denen sich alle Zweige des gewerblichen
                              									und industriellen Lebens zum Wettbewerb vereinigten, nicht genügend hervorgetreten,
                              									vor allen Dingen nicht so, wie es ihrer Größe und ihrem Wert entsprochen hätte. Erst
                              									die Ostdeutsche Ausstellung in Posen zeigt, daß die Industrie Ostdeutschlands
                              									ziemlich hoch entwickelt ist. Charakteristisch ist vor allem das Anwachsen
                              									derjenigen Industrien, die das Material herstellen für das Baugewerbe, in erster
                              									Linie also die Ziegelindustrie. Von der Bedeutung, die diese Industrie in den
                              									Ostprovinzen angenommen hat, liefert die Ostdeutsche Ausstellung ein deutliches
                              									Bild. Außer einer großen Anzahl bedeutender tonindustrieller Werke des Ostens, die
                              									ihre erstklassigen Fabrikate in verschiedenen Aufmachungen zur Schau bringen, sind
                              									auch Erzeugnisse derjenigen Industrie, die am engsten mit der Ziegelindustrie in
                              									Verbindung steht, in besonders reichhaltiger Ausführung vertreten, nämlich der
                              									Ziegeleimaschinen-Industrie. Noch vor einigen Jahrzehnten konnte man von einer
                              									Tonindustrie im Osten als solcher überhaupt nicht sprechen, da das damalige
                              									Ziegelmaterial auf kleinen, primitiv eingerichteten Ziegelhütten mit der Hand in
                              									sehr bescheidenen Mengen hergestellt wurde. Erst die Einführung des Ringofens, die
                              									Erfindung der Ziegelpresse und die rastlose Tätigkeit der Ziegeleimaschinenfabriken
                              									ermöglichten die rationelle Massenherstellung geeigneten Baumaterials und die
                              									Verarbeitung auch solcher Tonlager, die man vorher ohne Maschinen nicht verwenden
                              									konnte.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 666
                              Fig. 1.Maro-Beschickungsapparat.
                              
                           Es ist bekannt, daß es keinen Industriezweig gibt, der mit
                              									gleichnamigen Stoffen von so verschiedenem Ursprung und vielseitiger Beschaffenheit
                              									zu rechnen hat wie die Tonindustrie. Die natürliche Folge ist daher, daß nur
                              									diejenige Maschinenfabrik allen gestellten Anforderungen genügen kann, die ihr
                              									ganzes Können und Wissen auf den einen Punkt konzentriert und nur die Herstellung
                              									von Ziegeleimaschinen beireibt. So befaßt sich beispielsweise die Maschinenfabrik Röscher in Görlitz lediglich mit dem Bau
                              									von Ziegeleimaschinen. Sie nimmt dadurch, daß sie nur Ziegeleimaschinen herstellt
                              									und infolgedessen in der Lage ist, sich mit voller Kraft den stets steigenden
                              									Anforderungen der Ziegeleien und Tonwerke, die Leistungsfähigkeit und Güte der
                              									Arbeitsmaschinen zu erhöhen, eine führende Stellung in der
                              									Ziegeleimaschinen-Industrie ein. Dieser führenden Stellung entsprechend hat die Maschinenfabrik Röscher auf der Ostdeutschen
                              									Industrie-Ausstellung eine außerordentlich reichhaltige Auswahl von Maschinen zur
                              									Schau gestellt, die auf einem 300 qm großen Raum in übersichtlicher Weise angeordnet
                              									sind. Jeder Fachmann hat die Aufstellung der Maschinenfabrik
                                 										Röscher mit besonderem Interesse betrachtet, denn er fand neue, moderne
                              									Ziegelmaschinen ausgestellt, die ihm zum größten Teil bisher noch nicht bekannt
                              									waren. Zunächst fällt eine übereinander angeordnete Gruppe von Ziegelmaschinen
                              									besonders auf durch ihre einfache Aufstellungsweise und durch den geringen Raum, den
                              									sie erfordert. Es ist dies eine Ziegelpresse mit darüberliegendem Feinwalzwerk,
                              									Rostkollergang und Beschicker. Diese Maschinengruppe hat eine fast selbsttätige
                              									Arbeitsweise, denn das Tonmaterial wird hier nicht mehr mit der Hand aufgegeben,
                              									sondern in ganzen Wagen in den Beschikkungsapparat (Fig. 1) eingekippt, wo es in genau eingestellten
                              									Mengen die Maschinengruppe passiert, um zuletzt unten als Strang auszutreten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 667
                              Fig. 2.Maro-Ziegelpresse.
                              
                           Diese Maschinengruppe ist speziell zur Aufschließung und Aufbereitung derjenigen
                              									Materialien bestimmt, die mit Kalk, Sand, Kies oder Steinen starkverunreinigt sind
                              									und ohne eine tadellose Vorbereitung überhaupt keine oder nur einen sehr
                              									mangelhaften Ziegel erzeugen würden. Neben dieser imposanten Maschinengruppe sind
                              									zwei Maschinen aufgestellt, die durch Elektrizität in Bewegung gesetzt werden.
                              									Obwohl der elektrische Strom in vielen Ziegeleien die Maschinen antreibt, so ist
                              									dessen Verwendung immerhin noch in bescheidenen Grenzen geblieben und der Antrieb
                              									erfolgte bisher stets durch Vermittlung von Transmissionen und Riemen, während bei
                              									diesen beiden neuen Maschinen der Maschinenfabrik
                                 									Röscher, Görlitz, der Antrieb direkt, also ohne Riemen erfolgt. Wenn die
                              									Transmission mit ihren vielen Riemen in Zukunft auch nicht ganz entbehrlich sein
                              									wird, so ist doch durch den elektrischen Strom Gelegenheit gegeben, die Anzahl
                              									der Riemen und die Länge der Transmission ganz gewaltig herabzusetzen. Durch die
                              									vielen Ueberlandzentralen, die den elektrischen Strom teils durch Kohle, die sich
                              									billig an Ort und Stelle findet, oder durch natürliche Wasserkräfte herstellen, ist
                              									es möglich geworden, die Elektrizität mehr zu Kraftzwecken zu benutzen, als dies
                              									bisher der Fall war. Aus diesem Grunde ist die Maschinenfabrik
                                 										Röscher, Görlitz, zu dem Bau von Ziegelmaschinen mit direkt gekuppeltem
                              									Elektromotor übergegangen, und sie hat dadurch eine wichtige Neuerung in der
                              									Ziegelmaschinenindustrie geschaffen, die sicherlich in kurzer Zeit viel Nachahmung
                              									finden wird.
                           Die nächste Maschine ist ein „Maro-Kreistransporteur“, der bestimmt ist, die
                              									frisch gepreßten Ziegel aus dem Fabrikationsraum nach den Trockenstellen zu
                              									befördern. In der Ausstellung sehen wir diesen Kreistransporteur sich in auf- und
                              									absteigender Linie und in verschiedenen Winkeln bewegen und er gewährt durch seinen
                              									ruhigen und exakten Gang einen interessanten Anblick.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 667
                              Fig. 3.Maro-Ziegelpresse mit 1 Glatt- und 1 Nockenwalzwerk.
                              
                           Die zweite Maschine mit direkt gekuppeltem Motor ist eine
                              										„Maro-Revolverpresse“, die mit Formen für holländische Dachpfannen für
                              									Kopf- und Seitenfalz ausgerüstet ist. Gerade im Osten Deutschlands finden wir Dächer
                              									mit den verschiedenartigsten Dachziegeln. Am bekanntesten ist dort die holländische
                              									Pfanne, die in früheren Zeiten mittels Hand gestrichen wurde, heute doch zum größten
                              									Teil auf Maschinen hergestellt wird. Eine verbesserte Form dieses Ziegels stellt die
                              									holländische Pfanne mit Kopf- und Seitenfalz dar, die auf der
                              									Maro-Revolverziegelpresse erzeugt werden kann. Dieser Dachziegel tritt heute an
                              									Stelle der alten einfachen holländischen Pfannen, und es sind schon eine Menge
                              									Monumentalbauten mit dieser Bedachung ausgeführt.
                           An die Maro-Revolverpresse schließen sich drei Maro-Ziegelpressen verschiedener Größe
                              									an, die teils mit zwei, teils mit einem Walzwerk versehen sind (Fig. 2 und 3). Die
                              										„Maro-Ziegelpresse“ hat sich infolge ihrer geschmackvollen Bauart, ihrer
                              									tadellosen Konstruktion und Leistungsfähigkeit einen Weltruf erworben und sie ist
                              									heute die begehrteste Ziegelmaschine geworden. Interessant ist an der
                              										„Maro-Ziegelpresse“, daß die Räder vollständig eingekapselt sind, daß sie
                              									im Oel laufen und daher fast kein Geräusch verursachen. Jeder Ziegeleibesitzer kennt
                              									die unangenehmen, ohrenbetäubenden Geräusche, die durch die Pressen älterer
                              									Konstruktion verursacht werden, so daß im Arbeitsraum eine Verständigung zwischen
                              									dem Arbeitspersonal fast zur Unmöglichkeit wurde.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 668
                              Fig. 4.Maro-Feinwalzwerk.
                              
                           Ebenso wie die Ziegelpressen sind die darauf montierten
                              									Walzwerke (Fig. 4) modernster Bauart und
                              									unterscheiden sich von den früheren Ausführungen ganz wesentlich. Bei den Walzwerken
                              									ist ebensowohl wie bei den Ziegelpressen eine Fettkammerschmierung eingebaut, die
                              									für den Ziegeleibetrieb von großer Bedeutung ist. Während früher mit den Walzwerken
                              									und Pressen älterer Konstruktion täglich die Schmierung nachgesehen werden mußte,
                              									ist dies bei der Fettkammerschmierung nicht mehr nothwendig, da sie monatelang, ja
                              									zuweilen eine ganze Kampagne aushält.
                           Nach diesen drei „Maro-Ziegelpressen“ gelangen wir zu einer Exzenterpresse (Fig. 5),
                              									die mit Formen für kombinierte Mönch- und Nonnen-Kloster-Pfannenziegel ausgerüstet
                              									ist. Wie schon vorher erwähnt, sind im Osten Deutschlands interessante Dächer zu
                              									finden, von denen viele aus Klosterpfannenziegel hergestellt sind. Außer der
                              									Exzenterpresse, die für Maschinenbetrieb eingerichtet ist, steht daneben noch eine
                              									Spindelpresse für Handbetrieb, die dem gleichen Zwecke dient, aber Formen für
                              									Nonnenziegel besitzt. Nonne und Mönch bilden ein sehr wirkungsvolles Dach, was man
                              									besonders bei der Marienburg bemerken kann. Aber nicht nur die älteren Bauten des
                              									Ostens, sondern auch neue Gebäude, darunter viele Bahnhöfe, sind mit Mönch- und
                              									Nonnen- resp. Klosterpfannenziegeln gedeckt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 668
                              Fig. 5.Maro-Exzenterpresse.
                              
                           Eine Glasurmühle zum Mahlen von Erdfarben und Glasuren,
                              									eine Kugelmühle zum Mahlen der verschiedenartigsten
                              									Materialien, sowie eine Handschlagnachpresse zur
                              									Herstellung von Chamotte- und Fußbodenplatten bilden den Schluß der ausgestellten
                              									Maschinen. Es würde zu weit führen, auf die nähere Konstruktion dieser Maschinen
                              									noch einzugehen, jedoch möchten wir nicht unterlassen, auf deren gute Konstruktion
                              									besonders hinzuweisen. Außer den Maschinen sind noch eine ganze Menge kleinerer
                              									Apparate ausgestellt, die in der Tonindustrie ebenso wichtig und nützlich sind als
                              									die großen Maschinen. Es sind in der Hauptsache Abschneideapparate und Mundstücke
                              									für die verschiedensten Ziegel, Drehscheiben sowie Transportgeräte; ferner ein
                              									Glasurbottich zum Glasieren und Engobieren von Dachziegeln.