| Titel: | DER LOKOMOTIVBAU AUF DER INTERNATIONALEN INDUSTRIE- UND GEWERBE-AUSSTELLUNG IN TURIN. | 
| Autor: | Schwickart | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 725 | 
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                        DER LOKOMOTIVBAU AUF DER INTERNATIONALEN
                           								INDUSTRIE- UND GEWERBE-AUSSTELLUNG IN TURIN.
                        Von Schwickart, Ingenieur in
                           								Cöln-Kalk.
                        (Fortsetzung von S. 710 d. Bd.)
                        SCHWICKART: Der Lokomotibau auf d. Internat. Industrie- u.
                           								Gewebe-Ausstellung Turin.
                        
                     
                        
                           3. 2–C–0 Vierling-Heißdampf-Schnellzuglokomotive der
                                 										preußisch-hessischen Staatsbahnen (Berliner Maschinenbau-A.-G. vorm. L.
                              									Schwartzkopff, Berlin).
                           Eine ähnliche Lokomotive war von derselben Gesellschaft in Brüssel ausgestellt
                              									und handelt es sich hier lediglich um Verbesserung in konstruktiver Hinsicht wie zur
                              									Erhöhung der Leistungsfähigkeit bezw. zur Verminderung
                           
                           Tabelle 5.
                           
                              
                                 
                                 1894
                                 1909
                                 
                              
                                 Schnellzüge
                                 Eilzüge
                                 Schnellzüge
                                 Eilzüge
                                 
                              
                                 AchskilometerMittlere AchsenzahlGeleistete
                                    											TonnenkilometerMittlere GrundgeschwindigkeitGeleistete
                                    											Pferdestärkenstunden
                                 kmt/kmkm/Std.PS/Std.
                                 4937490002237040000007287700000
                                 Eilzüge wurdenerst nach
                                    											1894eingeführt
                                 112897019030,131477000000081,51
                                    											*)411000000
                                 60357430024,01639000000079,11170700000
                                 
                              
                                 
                                    Zunahme für 1909 gegen 1894
                                    
                                 87700000–
                                 581700000565 v. H.
                                 
                              
                           *) 1909 wurden 17,87 v. H. der Schnellzüge mit einer mittleren Geschwindigkeit von
                              									87,5–100 km/Std. und 26,77 v. H. mit einer solchen von 82,5–85 km/Std. gefahren,
                              									d.h. fast die Hälfte aller Schnellzüge mit über 82,5 km.
                           des Kohlen- und Wasserverbrauchs. Ursprünglich wurde diese
                              									Maschine mit 1750 mm Raddurchmesser und zwei Zylindern von 575 mm  (die
                              									älteren Ausführungen hatten 590 mm ) gebaut. Diese P 8 eignen sich vorzüglich
                              									für Gebirgsstrecken. Für das Flachland und hohe Geschwindigkeiten wurde die hier zu
                              									betrachtende S 10 mit 1980 mm Raddurchmesser und vier Zylindern von je 430 mm
                              									 erbaut. An dieser Stelle ist es von Interesse einige Angaben über die
                              									Erhöhung der Grundgeschwindigkeiten, Länge der ohne Aufenthalt zu durchfahrenden
                              									Strecken und Zunahme des Zuggewichtes einzuschalten (nach Hammer,
                              									Regierungsbaumeister, „Die Entwicklung des Lokomotivparkes der
                                 										preußisch-hessischen Staatseisenbahnen“). Diesem Berichte sind die Tab. 5
                              									und 6 entnommen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 726
                              Fig. 4.
                              
                           Da eine eingehende Beschreibung bei der Abhandlung über die Brüsseler Weltausstellung
                              									zu finden ist, kann sich hier auf die vorgenommenen Aenderungen beschränkt werden.
                              									Der Kessel ist der gleiche, die Rauchkammer ist um 50 mm (2000 mm) verlängert
                              									worden. Sie ist immer noch in der bekannten Weise vorgesetzt und durch einen
                              									Winkelring mit dem Langkessel verbunden, eine Ausführung, die von anderen Staaten
                              									längst verworfen ist und der Maschine ein plumpes Aussehen verleiht. Der Exhauster
                              									hat 140 mm lichte Weite und einen Steg von 13 mm. An Stelle des durchgehenden
                              									Blechrahmens zeigt diese Ausführung (Fig. 4)
                              									hinteren Blechrahmen und vorderen Barrenrahmen, welche beide auf eine Länge von 1500
                              									mm durch 2 W. E. 100, 100, 20 und 30 mm Bolzenschrauben verbunden. Außerdem ist der
                              									Barrenrahmen an der vorderen Bufferbohle gegen die Rauchkammer abgestützt. Die
                              									heruntergezogenen vorderen Enden der unteren Befestigungswinkel von Barren- und
                              									Blechrahmen dienen als Anschlag für das Drehgestell.
                           Tabelle 6.
                           
                              
                                 
                                    
                                    Strecke
                                    
                                 Ent-fernungkm
                                 WirklicheFahrzeitStd.
                                 Mittlere Fahr-geschwindig-keitkm/
                                    											Std.
                                 
                              
                                 Halle–Berlin
                                 161,7
                                   1,50
                                 88,2
                                 
                              
                                 Hamburg–Berlin
                                 286,7
                                   3,20
                                 86,1
                                 
                              
                                 Hannover–Berlin
                                 254,1
                                 3,9
                                 80,7
                                 
                              
                                 Stettin–Berlin
                                 134,7
                                   1,40
                                 81,2
                                 
                              
                                 Breslau–Frankfurt (Berlin)
                                 248,3
                                   2,58
                                 80,5
                                 
                              
                                 Berlin–Liegnitz (Breslau)
                                 264,4
                                   3,23
                                 78,2
                                 
                              
                                 Halle–Erfurt (Frankfurt)
                                 108,6
                                   1,25
                                         77
                                 
                              
                           Die vier Zylinder wirken auf die erste der gekuppelten Achsen, deren gekröpfte Achse
                              									aus Nickelstahl besteht und diejenige Form erhalten hat, bei welcher sie am billigsten herzustellen
                              									ist und bei größter Sicherheit einen der Achsmitte möglichst naheliegenden
                              									Schwerpunkt erhält.
                           Je zwei Zylinder einer Maschinenreihe sind mit ihren zwei Schieberkästen und dem
                              									halben Sattel aus einem Stück gegossen. Beide Hälften sind in der Mitte verschraubt
                              									und tragen in unteren Ansätzen in der Mitte den Drehgestellzapfen. Das Drehgestell
                              									stützt sich auf zwei seitlich angesetzte Stützen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 727
                              Fig. 5.
                              
                           Je ein Dampfrohr führt zu einem Schieberkastenpaar. An diesem ist ein Stutzen
                              									angegossen, auf welchem ein Luftsaugeventil von 130 mm 1. W. sitzt. Gegenüber der
                              									ersten Ausführung ist es zu begrüßen, daß auf die üblichen Auspuffkästen verzichtet
                              									wurde, wodurch die starken Krümmungen in der Auspuffleitung fortfielen, diese
                              									vielmehr einfach, kurz und symmetrisch wurde.
                           An Stelle der Obergethmann sehen Lager sind die normalen getreten.
                           Die hin- und hergehenden Massen werden durch Versetzen der Kurbeln einer
                              									Maschinenreihe um 180° und derjenigen der rechten zur linken Maschinenreihe um 90°
                              									nahezu aufgehoben. Die rotierenden Massen sind ganz ausgeglichen.
                           Die Kolbenschieber (Fig. 5) sind Wolf scher Bauart,
                              									von 220 mm  mit federnden Ringen von 6 mm Breite und 8 mm Höhe und mit in der
                              									ganzen Länge durchbohrten Kolbenstangen. Nachfolgende Steuertabelle 7 (Fig. 5a) zeigt, daß das Voreilen an den
                              									Außenzylindern vorn 4, hinten 6 mm, an den Innenzylindern vorn 3½ , hinten 6½ mm
                              									beträgt. Die Dampfverteilung ist für beide Fahrtrichtungen sehrgleichmäßig. Die
                              									Steuerung hat innere Einströmung und äußere Ausströmung. Die Einströmdeckung beträgt
                              									+ 38 mm, die Ausströmdeckung + 2 mm.
                           Sämtliche Zylinderdeckel sind mit Sicherheitsventilen, die Zylinder mit Ablaßventilen
                              									versehen. Eine Druckausgleichvorrichtung fehlt.
                           Die selbsthätige Luftdruckschnellbremse Knorr mit
                              									zweistufiger Luftpumpe und einem 12'' engl. Bremszylinder bremst alle drei
                              									gekuppelten Achsen beiderseitig ab. Die Bremskraft beträgt etwa 50 v. H. des
                              									Adhäsionsgewichtes.
                           Von den Sonderausrüstungen seien erwähnt: Preßluft-Sandstreuer, System Knorr, der die beiden vorderen gekuppelten Achsen sandet.
                              									An Stelle der üblichen viereckigen Sandkasten ist ein runder mit 300 kg Sand
                              									vorgesehen. Ferner ist die Maschine mit einem thermoelektrischen Pyrometer von Siemens & Halske, einem magnet-elektrischen
                              									Geschwindigkeitsmesser der Deutschen Tachometerwerke und einer vierfachen
                              									Schmierpresse von Michalk mit zwölf Abgabestellen
                              									ausgerüstet.
                           Der Tender ist ebenfalls entsprechend der zu durchlaufenden Strecke vergrößert
                              									worden. Er faßt 30 cbm Wasser und 7 t Kohlen. Der Wasserkasten ist derart versteift,
                              									daß das Rahmengestell verhältnismäßig leicht ausgeführt werden konnte. Der
                              									Kohlenbehälter ist aufgesetzt. Hinter diesem befindet sich ein Werkzeugkasten und
                              									der große Wassereinguß. Der Tender läuft auf amerikanischen Drehgestellen. Sämtliche
                              									Achsen sind einseitig durch eine kombinierte Hand- und Luftdruckbremse gebremst.
                           Die Versuchsergebnisse der erstgelieferten S. 10 Maschinen zeigten ein dauerndes
                              									Halten des Kesseldruckes von 12 at. Ein Dampfmangel trat auch bei 58 bis 60 kg
                              									Dampfentwicklung auf 1 qm Heizfläche nicht ein. Auf dem Rost wurden bis über 550 kg
                              									Kohlen/Std. auf 1 qm Rostfläche verbrannt. Die Ueberhitzertemperatur schwankte
                              									zwischen 335 und 355° C.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 727
                              Fig. 5a.
                              
                           Zu den folgenden Angaben sei vorausgeschickt, daß der Kohlen- und Wasserverbrauch
                              									nicht nur auf 1000 t/km, sondern auch auf die von der Abfahrt bis zur Ankunft i. d.
                              									Std. im Mittel am Tenderzughaken geleistete effektive Pferdestärke bezogen ist.
                              									Hierdurch wird den Streckenverhältnissen wie auch der Witterung Rechnung getragen.
                              									Andererseits aber wird die wirkliche mittlere Leistung in PS größer sein, da die
                              									Zeiten des Anfahrens, des Fahrens
                           
                           Tabelle 7.
                           Steuerung.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 728/729
                              Vorwärts; Auβen-Zylinder;
                                 										Rückwärts; Dampf; Füllung; Voreilen; Gröβte Kanalöffnung für den Dampf;
                                 										Eintritt; Austritt; Gröβter Schieberweg aus Mitte; Kolbenweg vom Totpunkt bei
                                 										Beginn der; Dehnung; Ausströmung; Kompression; Voreinströmung; Gröβter
                                 										Steinausschlag nach oben; Steinbewegung; hinter dem Kolben; vor dem Kolben;
                                 										hinter; vor
                              
                           Tabelle 8.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 728/729
                              Laufende Nr.; Datum der Fahrt;
                                 										Strecke; Grundgeschwindigkeit; Entfernung; Zuggewicht; Achsenzahl; Fahrzeit in
                                 										Minuten; Effekt. Durchschnittsleistung am Tenderzughaken; Kohlenverbrauch in kg;
                                 										im ganzen; auf 1000; auf 1 PSe und Std. am Tenderzughaken
                              
                           
                           Tabelle 9.
                           Leistung.
                           
                              
                                 Geschwindig-keitkm-Std.
                                 Füllungv. H.
                                 Ueberdruck im
                                 MittlererZylinderdruckat
                                 IndizierteZugkraftkg
                                 IndizierteLeistungPSi
                                 a
                                    												inZ=\frac{a\,.\,p\,.\,d^2\,.\,l}{D}
                                 Auf 1 qmHeizflächePSi
                                 
                              
                                 Kesselat
                                 Schieber-kastenat
                                 
                              
                                 Anfahren
                                 55
                                 12
                                 11,5
                                 8,85
                                 10413
                                 –
                                 0,737
                                 –
                                 
                              
                                   46
                                 55
                                 12
                                 10,4
                                 7,15
                                 8407
                                 1432
                                 0,596
                                   9,28
                                 
                              
                                   48
                                 50
                                 12
                                 10,5
                                 7,01
                                 8248
                                 1466
                                 0,584
                                   9,50
                                 
                              
                                   53
                                 40
                                     12,2
                                 10,7
                                 6,48
                                 7625
                                 1500
                                 0,540
                                   9,70
                                 
                              
                                   60
                                 40
                                 12
                                     10
                                 6,21
                                 7209
                                 1602
                                 0,517
                                 10,38
                                 
                              
                                   70
                                 35
                                 12
                                     10
                                 5,3
                                 6233
                                 1616
                                 0,442
                                 10,47
                                 
                              
                                   80
                                 30
                                     12,2
                                 10,5
                                 4,55
                                 5342
                                 1583
                                 0,379
                                 10,26
                                 
                              
                                   90
                                 28
                                 12
                                     10
                                 3,78
                                 4443
                                 1481
                                 0,315
                                 9,6
                                 
                              
                                 102
                                 22
                                 12
                                     10
                                 3,29
                                 3869
                                 1462
                                 0,274
                                   9,47
                                 
                              
                                 110
                                 18
                                     12,2
                                 10,5
                                 2,75
                                 3234
                                 1316
                                 0,229
                                   8,53
                                 
                              
                           im Gefälle ohne Dampf, wie des Auslaufens nicht in Abzug
                              									gebracht werden, der Dampfverbrauch dagegen, je nachdem in der Ebene, im Gefälle
                              									oder auf Steigungen gefahren wird, größer oder geringer sein Die aufgestellten
                              									Dampfkurven können deshalb, um für jede Gattung und Grundgeschwindigkeit bei
                              									verschiedenen Versuchsstrecken aufgestellt, ein Vergleich der Wirthschaftlichkeit
                              									der verschiedenen Lokomotivgattungen auf derselben Basis sein.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 730
                              Fig. 6.
                              
                           Die in Fig. 6 dargestellten Kurven a – a1 und b bis b1 ergaben sich auf der Hügelland- und Bergstrecke
                              									Grunewald-Mansfeld bezw. auf der Flachlandstrecke Wustermark nach Hannover für den
                              									mittleren Dampfverbrauch der erstgebauten S 10 Lokomotiven, während die Kurven A–A1 bezw. B–B1 für die gleichen
                              									Strecken den der ausgestellten S 10 Lokomotiven darstellen.
                           Die Dampfersparnisse von 0,5 kg/PS sind den Verbesserungen zuzuschreiben, die in
                              									Verkleinerung der schädlichen Raume, Erreichung eines glatten Auspuffs und
                              									Verbesserung der Steuerungs-Verhältnisse bestanden.
                           Zu diesen Tafeln sei ergänzend hinzugefügt, daß Kohlenverbrauch und Verdampfung
                              									von dem Heizwerte der gefeuerten Kohle abhängt. Wie Tab. 8 zeigt, hat westfälische
                              									Kohle mit Brikett gemischt den höchsten, die schlesische Kohle den geringsten
                              									Heizwert. Erstere verlangt ein großes Vakuum, weshalb auf den Rückfahrten von
                              									Hannover nach Wustermark ein Blasrohr von nur 135 mm 1. W. bei 13 mm Steg verwendet
                              									wurde.
                           Aus dem Anfahrdiagramm (Tab. 9) geht hervor, daß einer indizierten Zugkraft von 10413
                              									ein Reibungskoeffizient von 1: 4,85 entspricht, der im Flachlande wohl gelten mag.
                              									Auf Steigungen würde ein Anhalten dieses Zuges jedoch verhängnisvoll werden. Die
                              									Maschine eignet sich damit vorzüglich im ebenen Gelände zur Beförderung schwerer
                              									D-Züge mit hoher Geschwindigkeit.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)