| Titel: | ANLAGE ZWEIER ZUPPINGER NIEDERGEFÄLLERÄDER VON 40 BIS 100 PSe LEISTUNG. | 
| Autor: | W. Müller | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 753 | 
| Download: | XML | 
                     
                        ANLAGE ZWEIER ZUPPINGER NIEDERGEFÄLLERÄDER VON 40
                           								BIS 100 PSe LEISTUNG.
                        Von W. Müller,
                           								Cannstatt.
                        Anlage zweier Zuppinger Niedergefälleräder von 40 bis 100 PSe Leistung.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           Es wird die Konstruktion zweier Niedergefälleräder System Zuppinger für außergewöhnliche Wasser- und
                              									Gefälleverhältnisse beschrieben, wobei die Anlage von Turbinen ausgeschlossen
                              									war.
                           Das Gefälle schwankt im Laufe des Jahres periodisch zwischen 0,3
                              									und 1,40 m und die Wassermenge etwa von 2,5–7,5 cbm/Sek. für ein Rad. Dieser
                              									schroffe Wechsel wird bedingt durch die Veränderung der Wasserspiegel und
                              									Abflußmengen der Havelseen bei Brandenburg a. H.
                           Der Bericht enthält ferner noch die mit der Bremse an der zweiten
                              									Vorgelegewelle gemessene effektive Leistung und den Wirkungsgrad der Anlage, der mit
                              									72 v. H. an der gebremsten Welle und mit 77–78 v. H. für das Wasserrad als das unter
                              									solchen Gefällen höchsterreichbare Güteverhältnis angesehen werden kann.
                           –––––
                           Der Einbau von Wasserrädern im engeren Sinne gegenüber der Anlage von Turbinen
                              									erfolgt heute nicht in so äußerst seltenen Fällen, als es den Berichten in der
                              									Literatur nach zu schließen wäre. Nachstehend soll die Hauptkonstruktion zweier Zuppinger Niedergefälleräder gleicher Stärke näher
                              									beschrieben und das Resultat der Kraftmessung an einem Rad mitgeteilt werden, da die
                              									außergewöhnlichen Verhältnisse der ausgebauten Wasserkraft für Fachkreise einiges
                              									Interesse bieten dürften.
                           Die Havelseen bei der Stadt Brandenburg a. H. sind seit
                              									Jahrhunderten durch einen Damm gestaut, wodurch ein Gefälle gewonnen wurde, das
                              									durch das Niveau der beiden Seespiegel zwischen der Ober- und Unterhavel gebildet
                              									wird. Das gestaute Wasser fließt durch eine Anzahl Wassergassen verschiedenen Werken
                              									zu, wird aber auch gleichzeitig durch Freilasse vom staatlichen Wasserbauamt
                              									reguliert. Ein öffentlicher Normalpegel in einem eigens für diesen Zweck erbauten
                              									massiven Pegelhaus zeigt auf einem großen, bei Nacht beleuchteten Zifferblatt
                              									jederzeit die Wasserstände bezw. das absolute Gefälle (den Stau) zwischen den beiden
                              									Seespiegeln an.
                           Nach dem 20 jährigen wasserbaupolizeilichen Register betragen die mittleren
                              									Durchschnittsgefälle in den einzelnen Monaten (Tab. 1):
                           Tabelle 1.
                           
                              
                                 Monats-Wasserstände20
                                    											jährigerDurchschnitt
                                 Normalpegel
                                 MittlererStaum
                                 
                              
                                 Oberwasserm
                                 Unterwasserm
                                 
                              
                                 Januar
                                 2,19
                                 1,61
                                 0,58
                                 
                              
                                 Februar
                                 2,25
                                 1,75
                                 0,50
                                 
                              
                                 März.
                                 2,31
                                 1,92
                                 0,39
                                 
                              
                                 April
                                 2,34
                                 2,03
                                 0,31
                                 
                              
                                 Mai
                                 2,20
                                 1,85
                                 0,35
                                 
                              
                                 Juni
                                 2,05
                                 1,45
                                 0,60
                                 
                              
                                 Juli
                                 1,99
                                 1,10
                                 0,89
                                 
                              
                                 August
                                 1,94
                                 0,91
                                 1,03
                                 
                              
                                 September
                                 1,92
                                 0,81
                                 1,11
                                 
                              
                                 Oktober
                                 1,98
                                 0,89
                                 1,09
                                 
                              
                                 November
                                 2,12
                                 1,07
                                 1,05
                                 
                              
                                 Dezember
                                 2,17
                                 1,37
                                 0,80
                                 
                              
                                 
                                 Totales Staumittel Hm = 0,724 m.
                                 
                              
                           Dabei zeigt sich der eigenthümliche Umstand, daß die Ober- und Unterwasserspiegel
                              									nicht gleichmäßig steigen und fallen, und daß die kleinsten Wassermengen und die
                              									höchsten Gefälle – wie dies die Regel bildet – nicht zu gleichen Zeiten eintreten,
                              									sondern daß die verschiedenartigsten Variationen stattfinden. So sind z.B. als
                              									entlegenste Werte Gefälle H = 0,12 m bei Normalpegel, O. W. = 2,40 m, desgleichen H
                              									= 1,68 m bei Normalpegel, O. W. = 1,71 m beobachtet worden.
                           Der Anteil der „Burgmühle“ an der ganzen verfügbaren Wassermenge ist durch die
                              									Abmessungen der zwei Einlauffallen: Breite je 4,67 m, Schwellenhöhe = 1,44 m über
                              									Pegelnull, festgelegt, welche bei den verschiedenen Wasserständen von 0,30–1,17 m
                              									über Fallenschwelle es ermöglichen, eine sekundliche Wassermenge von etwa 2–7,5 cbm/Sek. jeder
                              									Gasse zuzuführen. (Fig.
                                 										1 und 2).
                           Wassergeschwindigkeitsmessungen an Ort und Stelle auszuführen, bot sich nicht die
                              									Gelegenheit, weil die Einlaufschützen während der Zeit des Baues nicht geöffnet
                              									werden konnten. Dagegen sind auf rechnerischem Wege unter Berücksichtigung der
                              									Schwellenhöhe und der gemittelten Wasserstände am Ober- und Unterpegel und unter
                              									Zugrundelegung von Wassermessungen mit dem hydrometrischen Flügel an einer
                              									gleichweiten Einlaßöffnung bei der Wasserradanlage in
                                 										Heilbronna. N. die sekundlichen Durchflußmengen bestimmt worden.Zeitschr. d. V. d. I. Bd. 31, S.
                                    										270.
                           In den je nach der nördlichen und südlichen Giebelseite des Mühlgebäudes gelegenen
                              									zwei Wassergassen befanden sich hölzerne, unterschlächtige Schaufelräder, die eine
                              									sehr geringe Nutzleistung ergaben. Im Jahre 1909 wurde die Mühle neu aufgebaut,
                              									wobei verschiedene Entwürfe für Wasserräder- und Turbinenanlagen zwecks besserer
                              									Ausnutzung der Kraft einliefen. Es stellte sich aber nach eingehender Prüfung der
                              									Vorschläge heraus, daß dies mittels Turbinen unmöglich, weil für jede Gasse
                              									mindestens zwei Turbinen nötig geworden wären, was der beschränkten örtlichen
                              									Verhältnisse halber nicht ausführbar war, abgesehen von der Schwierigkeit der
                              									Herstellung der Wasserbauten in beträchtlicher Tiefe unter dem Seespiegel, da das
                              									Mühlgebäude und der Wasserbau auf Pfahlrost ruhen.
                           Als Wassermotoren konnten nur senkrechte Wasserräder, sogen. Zuppinger Niedergefälleräder, in Betracht kommen mit tiefen,
                              									evolventenförmig gekrümmten Schaufeln (Fig. 3).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 754
                              Wasserrad-Anlage mit Getriebe für A. Tiede, Vereinigte Brandenburger
                                 										Mühlenwerke, Brandenburger a. H. 
                              
                           Diese für kleinere und mittlere Gefälle typisch zu nennende Anordnung gibt bei
                              									mäßigen Umfangsgeschwindigkeiten gewöhnlich einen Wirkungsgrad von 70 bis 75 v. H.,
                              									wenn man das Rad so tief tauchen läßt, daß der Wasserstand im untersten Schaufelraum
                              									ungefähr in gleicher Höhe mit dem Unterwasserspiegel ist. Da mit steigendem
                              									Wasserstand gewöhnlich auch die Wassermenge wächst, so läßt sich dieser günstige
                              									Zustand auch bei
                              									starkwechselnden Wasserständen annähernd erhalten.Zeitschr. d. V. d. I. Bd. 32, Nr.
                                    										3. Mittels Turbinen ist ein gleicher Wirkungsgrad bei wechselnden
                              									Wassermengen und Gefällen, wie sie hier vorliegen, mit
                                 										gleichbleibender minutlicher Drehzahl nicht zu erreichen.
                           Verfasser wurde im Sommer 1909 mit Ausarbeitung eines Planes für die Anlage
                              									zweier Wasserräder genannten Systems beauftragt. Das Werk ist seit Anfang 1910 Tag
                              									und Nacht in Betrieb.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)