| Titel: | DER LOKOMOTIVBAU AUF DER INTERNATIONALEN INDUSTRIE- UND GEWERBE-AUSSTELLUNG IN TURIN. | 
| Autor: | Schwickart | 
| Fundstelle: | Band 326, Jahrgang 1911, S. 787 | 
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                        DER LOKOMOTIVBAU AUF DER INTERNATIONALEN
                           								INDUSTRIE- UND GEWERBE-AUSSTELLUNG IN TURIN.
                        Von Schwickart,
                           								Ingenieur in Cöln-Kalk.
                        (Schluß von S. 773 d. Bd.)
                        Schwickart: Der Lokomotivbau auf d. Internat. Industrie- u.
                           								Gewerbe-Ausstellung Turin.
                        
                     
                        
                           Die Lokomotivfabriken Henschel & Sohn in Cassel
                              									und A. Borsig, Berlin-Tegel, haben je eine Tramlokomotive, die in Tab. 18 (S. 771) unter Nr. 18 und
                              									19 angeführt und in Fig. 21 und 22 wiedergegeben sind, ausgestellt. Beide Lokomotiven
                              									sind für die Tramvic Vicentine, Vicenza, ausgeführt.
                              									Erstere Lokomotive ist mit Schmidt schem
                              									Rauchröhrenüberhitzer ausgerüstet. Es ist mir leider unmöglich, z. Z. schon
                              									Leistungsangaben zu machen, ich hoffe aber, solche am Ende des Artikels zu bringen.
                              									Sie sind für die Praxis sehr wertvoll, da nach den heutigen Erfahrungen eine
                              									Ueberhitzug von 300–350° C erst auf etwa 2 km erreicht wird, die in den Stationen
                              									auf 250° C sinkt, womit der Vorteil des Heißdampfes erschöpft ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 787
                              Fig. 21.0–C–0 Tramlokomotive von Henschel & Sohn. (Lokomotive Nr.
                                 										18.)
                              
                           Die Figuren zeigen die charakteristische vollständige Überdachung mit
                              									ringsumreichender Galerie sowie die Verblendung des ganzen Triebwerks. Die Kessel
                              									sind normaler Bauart, mit der Abweichung, daß das Feuerloch seitlich (links)
                              									angebracht ist. Der Stand des Personals ist bei diesen Lokomotiven nicht hinter
                              									dem Kessel, sondern seitlich desselben, eine nicht zu unterschätzende Bequemlichkeit
                              									für das Fahrpersonal hier wie im allgemeinen mit Rücksicht auf gute
                              									Streckenübersicht. Ich möchte an dieser Stelle wieder darauf hinweisen, daß die hier
                              									im kleinen geübte Vorsicht bei unseren schweren Vollbahnmaschinen mit großem
                              									Kesseldurchmesser oder, besser gesagt, Rauchkammerdurchmesser im großen noch
                              									vielmehr angebracht wäre. Bei beiden Maschinen wird die letzte Achse angetrieben.
                              									Die Bauart der Zylinder entspricht der üblichen bei Naßdampf- bezw.
                              									Heißdampflokomotiven. Die Umsteuerung erfolgt durch Hand. Das Wasser wird in einer
                              									zwischen die Rahmen, zugleich als deren Versteifung, eingebaute Zysterne mitgeführt.
                              									Außer der normalen Kupplung ist eine Zentralkupplung Bauart Grondona vorgesehen. Die beiden hinteren Achsen der 0–C–0 Lokomotive Nr.
                              									18 sind durch Balanciers verbunden. Beide Maschinen sind mit Westinghouse- und Handbremse ausgerüstet. Es seien ferner bei Lokomotive Nr.
                              									18, die Heißwasserdampfstrahlpumpen Bauart Strube und die
                              										Friedmann sche Schmierpumpe, bei Lokomotive Nr. 19
                              										(Fig. 22) der Ventilregler Bauart Servo erwähnt.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 788
                              Fig. 22.0–B–0 Tramlokomotive von Borsig. (Lokomotive Nr. 19.)
                              
                           Die 0–C–0 Nebenbahn-Tenderlokomotive Nr. 13 und Fig. 23 der Firma A. Borsig, Berlin, für normale Spurweite ist für die Firma Francesko Cinzano & Co., Turin, bestimmt. Um Kurven
                              									von 40 m Radius durchlaufen zu können, ist der Radstand sehr kurz gehalten und sind
                              									die Spurkränze der Räder der mittleren Achse abgedreht. Eine weitere Beschreibung
                              									erübrigt sich, da alles Wesentliche aus der Darstellung ersichtlich ist. Die
                              									Maschine hat Dampfbremse und Lüftungsaufsatz Patent Reiß.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 788
                              Fig. 23.0–C–0 Nebenbahn-Tenderlokomotive von Borsig. (Lokomotive Nr.
                                 										13.)
                              
                           Die Maschine soll im betriebsfähigen Zustand 100 t ohne Eigengewicht auf Steigung 35
                              									v. T. mit 8 km befördern. Nach den anfangs erwähnten Formeln würde sich eine
                              									Zugkraft von
                           W1 = 30(4,2 + 0,07 • 8 +
                              									0,001 • 64 + 0 + 35) = ∾ 1200 kg,
                           Ww = 100 (2,6 + 0,01 • 8 +
                              									0,0005 • 64 + 0+35) = 3770 kg,
                           W = 4970 kg ergeben.
                           Die Leistung beträgt
                           \frac{4970\,.\,8}{270}\,\sim\,146 PS oder
                              									2,225
                           PS f. d. qm feuerbereitetste Heizfläche. Diese Leistungsziffer
                              									ist sehr niedrig und könnten 3,5 PS mit Sicherheit angenommen werden. Die Leistung
                              									aus den Zylindern gestattet aber ebenfalls nur eine Zugkraft von
                           
                           
                              
                              \frac{0,6\,.\,12\,.\,36^2}{92}=5000\mbox{ kg,}
                              
                           womit auch der Reibungskoeffizient 1 : 6 als normal erreicht
                              									ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 789
                              Fig. 24.Normalspurige 0–B–0 Lokomotive von Krauß & Cie. (Lokomotive Nr. 14.)
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 789
                              Fig. 25.0–B–0 40 PS-Tenderlokomotive für 600 mm Spur von Maffei.
                                 										(Lokomotive Nr. 21.)
                              
                           Krauß & Cie., Aktiengesellschaft, München, hat die in
                              										Fig. 24 wiedergegebene, normalspurige 0–B–0
                              									Lokomotive Nr. 14 ausgestellt, die als bekannt vorausgesetzt werden kann. Das
                              									Speisewasser ist in beiden durch den Rahmen gebildeten Kästen untergebracht, die
                              									Kohlenkästen liegen an beiden Seiten der Feuerbüchse. Die Kreuzköpfe werden in je
                              									zwei Gleitbahnen, die oberhalb der Zylindermitte liegen, geführt. Die äußere
                              									Steuerung nach Heusinger zeigt die seit 1883 durch die
                              									Firma eingeführte Anordnung mit geradliniger Kulisse. Die Maschine kann mit
                              									einer Höchstgeschwindigkeit von
                              										\frac{\pi\,.\,0,83\,.\,220\,.\,60}{1000}=34 km/Std. fahren.
                              									Vergleichshalber sei die gleiche Geschwindigkeit = 8 km/Std. und Steigung = 35 v. T.
                              									angenommen. Die aus den Zylindern errechnete Zugkraft beträgt
                              										Z=0,6\,.\,\frac{12\,.\,32^2\,.\,40}{83}=3550 kg, woraus sich
                              									ein Adhäsionsverhältnis von 1 : 5,05 ergeben würde. Bei 1 : 6 würde die Zugkraft
                              									3000 kg betragen, entsprechend einer Leistung von
                              										\frac{3000\,.\,8}{270}=89 PS oder 2,4 PS f. d. qm Heizfläche.
                              									Es würde dieser Geschwindigkeit eine Umdrehungszahl von 0,85 Sek. entsprechen und
                              									damit n = 1,6 + 0,4 • 0,85 + 0,03 • 38 ∾ 3 PS/qm Heizfläche betragen. Die geförderte
                              									Bruttolast ohne Eigengewicht ist in diesem Fall.
                           
                              G_w=\frac{W-39,8\,.\,G_1}{37,7}=\frac{3000-716}{37,7}\,\sim\,61\mbox{
                                 										t.}
                              
                           Im wesentlichen die gleiche Bauweise zeigt die 100 PS normalspurige 0–B–0
                              									Tender-Lokomotive der Hannoverschen Maschinenbau-Aktiengesellschaft, vorm. Egestorff, Hannover-Linden (Nr. 16), so daß auf eine Beschreibung
                              									verzichtet werden kann.
                           Die Maschine soll folgende Bruttolasten ohne Eigengewicht befördern (Tab. 21):
                           Tabelle 21.
                           
                              
                                 Auf
                                 Steigung
                                 50 
                                 v. T.
                                 Zuggewicht
                                 30
                                 
                              
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                                 257
                                 
                              
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                                 „
                                 „
                                 375
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                   0
                                 „
                                 „
                                 525
                                 
                              
                           
                           Die aus den Zylindern errechnete Zugkraft von
                              										Z=\frac{0,6\,.\,28,5^2\,.\,44\,.\,12}{88}=2900 kg entspricht
                              									der geforderten Zugkraft für 55 t auf 33 v. T. ziemlich genau, wobei der
                              									Reibungskoeffizient 1 : 6 beträgt.
                           An Schmalspurlokomotiven sind außer der bereits erwähnten 0–D–0 Tenderlokomotive Nr.
                              									20 drei 0–B–0 Baulokomotiven für 600 mm Spurweite zu finden (Nr. 21, 22, 23).
                           Eine Beschreibung lohnt sich nicht, da die Ausführungen bekannt sein dürften, und
                              									kann alles Wissenswerte an Hand der Figuren erkannt werden.
                           Die in Fig. 25 dargestellte 40 PS-Lokomotive Nr. 21 ist von J. A.
                                 										Maffei, München, erbaut und dient zur Beförderung von Erdmassen, Lehm
                              									usw.
                           Die in Fig. 26 dargestellte 30 PS-Lokomotive Nr. 22 führt uns A.
                                 										Borsig, Berlin, vor einem aus verschiedenen Arten von Transportwagen ihres
                              									Fabrikats bestehenden Zuge vor.
                           Die kleinste Lokomotive ist die 20 PS (Fig. 27) der
                              										Hannoverschen Maschinenbau-Aktiengesellschaft, Nr.
                              									23. Sie befördert Züge von 16, 20, 40, 60, 90, 120 t auf Steigungen 25, 20, 10, 5,
                              									2, 0 v. T.
                           Für besondere Verwendungszwecke werden uns zwei Lokomotivabarten gezeigt, eine
                              									feuerlose Lokomotive und eine Preßluftlokomotive.
                           24. Die in Fig. 28 wiedergegebene 0–B–0 feuerlose Lokomotive von J. A. Maffei, München, hat
                              									folgende Abmessungen (Tab. 22):
                           Tabelle 22.
                           
                              
                                 Dampfspannung
                                 12
                                 at
                                 
                              
                                 Zylinderdurchmesser
                                 460
                                 mm
                                 
                              
                                 Kolbenhub
                                 450
                                 „
                                 
                              
                                 Treibraddurchmesser
                                 910
                                 „
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 16,8
                                 t
                                 
                              
                                 Dienst- und Adhäsionsgewicht
                                 24,8
                                 „
                                 
                              
                                 Fester Radstand
                                 2500
                                 mm
                                 
                              
                                 Ganzer „
                                 2500
                                 „
                                 
                              
                                 Größte Länge der Lokomotive mit Buffer
                                 6816
                                 „
                                 
                              
                                      „    Breite    „           „
                                 2680
                                 „
                                 
                              
                                      „    Höhe     „           „
                                 3700
                                 „
                                 
                              
                                 Wasservorrat im Kessel
                                 8000
                                 l
                                 
                              
                                 Dampfraum     „      „
                                 1800
                                 „
                                 
                              
                                 Spurweite
                                 1435
                                 mm
                                 
                              
                                 Kleinster Kurvenradius
                                 80
                                 m.
                                 
                              
                           Die Maschine ruht auf zwei gekuppelten Achsen, die von den außenliegenden Zylindern
                              									mittels Heusinger-Steuerung angetrieben werden. Die
                              									Zylinder liegen wie üblich unter dem Führerhaus. Zwecks guter Ausnutzung des
                              									Dampfes ist der Kessel vierfach, die Zylinder sind dreifach isoliert. Ebenso ist das
                              									Einströmrohr durch das Wasser gelegt, wodurch der Dampf nachgetrocknet wird. Der
                              									größte Druckabfall reicht von 12–0,5 at. Letztere Spannung genügt zur Fortbewegung
                              									der Lokomotive allein.
                           Bei einem Druckunterschied von 12 – 2 = 10 at beträgt der mittlere Druck
                              										\frac{12+2}{2}=7 at Ueberdruck oder 8 at abs. Diesem
                              									entspricht eine Verdampfungswärme von 486,6 WE = r.
                           Die verbrauchte Wassermenge Q = Q1
                              									– Q2 errechnet sich
                              									aus
                           
                              Q_2=Q_1\,.\,\frac{t_1-r}{t_2-r}=8000\,.\,\frac{190,6-486,7}{132,8-486,7}.
                              
                           Q2 = 8000 • 0,84 = 6700 l.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 790
                              Fig. 26.0–B–0 30 PS-Lokomotive Nr. 22 von Borsig.
                              
                           Es werden verdampft Q = 8000 – 6700 = 1300 l Wasser.
                              									Diese Dampfmenge von 12 at muß dem Kessel bei jeder Ladung zugeführt werden. Der von
                              									J. Kempf theoretisch ermittelte Dampf verbrauch beträgt 23 kg/PS-Stunden. Es ergibt
                              									sich eine Gesamtleistung von
                           
                              L=\frac{1300}{23}=56,5\mbox{ PS/Std.}
                              
                           order
                           
                              L=\frac{Q_1}{23}\,.\,\left(1-\frac{t_1-r}{t_2-r}\right)
                              
                           
                              \begin{array}{rcl}L&=&\frac{8000}{23}\,.\,(1-0,84)\\
                                 										&=&56\mbox{ PS/Std.}\end{array}
                              
                           25. Aehnlich wie feuerlose Lokomotiven werden die Preßluftlokomotiven an
                              									feuergefährlichen Stellen verwendet, besonders bei Betrieben unter Tage und bei
                              									Tunnelbauten.
                           Die von der Firma Borsig, Berlin-Tegel, ausgestellte und
                              									in Fig. 29 wiedergegebene 0–C–0 Preßluftlokomotive hat folgende Abmessungen:
                           
                           
                              
                                 Spurweite
                                 1000
                                 mm
                                 
                              
                                 Höchste Geschwindigkeit
                                 15
                                 km/Std.
                                 
                              
                                 Raddurchmesser
                                 600
                                 mm
                                 
                              
                                 Radstand
                                 1500
                                 „
                                 
                              
                                 Luftdruck im Behälter
                                 135
                                 at
                                 
                              
                                 Leergewicht
                                 9100
                                 kg
                                 
                              
                                 Dienstgewicht = Adhäsionsgewicht
                                 9500
                                 „
                                 
                              
                                 Größte Breite
                                 1400
                                 mm
                                 
                              
                                      „        „     über den Bufferbohlen
                                 1600
                                 „
                                 
                              
                                      „     Höhe    „
                                 1700
                                 „
                                 
                              
                                 Länge über den Buffern
                                 5500
                                 „
                                 
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 791
                              Fig. 27.0–B–0 20 PS-Tenderlokomotive für 600 mm Spur der Hannoverschen
                                 										Maschinenbau-A.-G
                              
                           Die geringen Höhen und Breitenabmessungen sind durch das Profil bedingt. Aus diesem
                              									Grunde liegen die Differential-Verbundzylinder, bei denen dichtende Stopfbüchsen
                              									in Fortfall gekommen sind, innen. Der Luftzutritt wird durch Kolbenschieber
                              									geregelt. Angetrieben wird die erste Achse. Die Kuppelstangen liegen außen.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 791
                              Fig. 28.0–B–0 feuerlose Lokomotive für Normalspur von Maffei. (Lokomotive
                                 										Nr. 24.)
                              
                           Der Rahmen besteht aus Blechplatten, während von anderer Seite geschmiedete Rahmen in
                              									Anwendung kommen. Die Abfederung der zwei ersten Achsen erfolgt durch zwei seitliche
                              									Federn, die der hinteren Achse durch je eine seitliche Feder.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 326, S. 791
                              Fig. 29.0–C–0 Preßluftlokomotive von Borsig.
                              
                           Die sechs Flaschen, in denen die Luft von 135 at mitgeführt wird, sind in einem
                              									Flaschenkasten gelagert. Durch ein Reduzierventil wird die Luft auf den
                              									Betriebsdruck gebracht. Die Maschine wird durch eine Exter-Wurfhebelbremse, die auf
                              									alle Räder wirkt, abgebremst; sie kann außer ihrem Eigengewicht eine Zuglast von
                              									etwa 55 t auf Steigung 13 v. T. befördern.