| Titel: | Paul Béjeuhr †. | 
| Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 149 | 
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                        Paul Béjeuhr †.
                        Paul Béjeuhr
                        
                     
                        
                           Die Nachricht vom Tode Paul Béjeuhrs, unseres
                              									geschätzten Mitarbeiters auf dem Gebiete der Luftfahrt, die wir unseren Lesern
                              									bereits durch eine kurze Notiz zur Kenntnis brachten, hat in weiten Kreisen
                              									schmerzliches Bedauern geweckt. Gar vielen, namentlich allen, die dem
                              									Interessenkreise der Luftfahrt nahe stehen, war Paul
                                 										Béjeuhr durch Wort und Schrift bekannt, mancher unter ihnen konnte ihn
                              									seinen Freund nennen, alle aber betrauern im Bewußtsein, daß das Schicksal einem
                              									reichen, vielversprechenden Leben ein vorzeitiges Ende gesetzt hat, seinen Hingang
                              									aufrichtig und herzlich. In der Blüte seiner Jahre dahingerafft starb Béjeuhr den ehrenvollen und schönen Tod auf dem
                              									Schlachtfelde der Arbeit. Auch er war ein pflichtbewußter Kämpfer fürs Vaterland,
                              									der, im Kriege hinter der Front, rastlos tätig, fast bis zum letzten Atemzuge
                              									getreulich seinen Mann stand.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 149
                              
                           Paul Béjeuhr wurde am 8. Februar 1882 zu Hamburg als Sohn
                              									eines Kaufmanns geboren. Seine Schulbildung erwarb er sich auf der Stiftungsschule
                              									von 1815, einer Realschule, die er im Jahre 1897 mit dem Zeugnis für den
                              									einjährig-freiwilligen Heeresdienst verließ, um sich dem Ingenieurberuf zu widmen.
                              									Nach zweijähriger praktischer Tätigkeit in der Maschinenfabrik von Gebr. Burgdorf in Altona bezog er das Hamburger
                              									Technikum, das er innerhalb von zwei Jahren mit Auszeichnung absolvierte. Seine
                              									Anfangsstellung fand er im Konstruktionsbureau für Kriegsschiffsmaschinen der
                              									Werft von Blohm & Voß in
                              									Hamburg. Nachdem er zwei Jahre dort tätig gewesen war, trat er im Jahre 1903 bei der
                              									I. Werftdivision ein, um seiner Militärpflicht zu genügen. Das Streben nach
                              									technischer Weiterbildung führte ihn nach Ableistung seines Dienstjahres an die
                              									Technische Hochschule zu Hannover, die er 1906 nach viersemestrigem Studium verließ.
                              									Die nächste Zeit ist durch den raschen nahezu typischen Stellungswechsel des jungen,
                              									vorwärtsstrebenden Ingenieurs gekennzeichnet. Wir sehen Béjeuhr der Reihe nach als Hilfsarbeiter auf der Kaiserlichen Werft in
                              									Wilhelmshaven, dann als Ingenieur im Außendienst bei der Berliner Vertretung einer
                              									süddeutschen Maschinenfabrik und schließlich wieder als Konstrukteur bei Blohm & Voß in Hamburg, wo
                              									er außendienstlich auch als Lehrer in den Abendkursen des dortigen Technikums tätig
                              									war. Eine schwere Erkrankung, die in der Folge das Aufsuchen eines Sanatoriums nötig
                              									machte, führte jedoch bereits wenige Monate nach Antritt seiner Hamburger Stellung
                              									zu einer längeren, nahezu einjährigen Unterbrechung seiner Tätigkeit. Die Rücksicht
                              									auf seine angegriffene Gesundheit veranlaßte Béjeuhr
                              									wohl, sich nach seiner Wiederherstellung um eine Assistentenstelle zu bemühen.
                              									Wenigstens finden wir ihn demnächst als Assistent von Prof. Riehn in Hannover. Seines Bleibens war hier freilich nicht lange, da er bald
                              									darauf einer Aufforderung Prof. Prandtls Folge leistend,
                              									dem er zur Mitwirkung bei konstruktiven und meßtechnischen Arbeiten empfohlen war,
                              									nach Göttingen übersiedelte.
                           Die Beziehungen, welche die Göttinger Tätigkeit Béjeuhrs
                              									zwischen ihm und Prof. Prandtl knüpfte, sollten für
                              									seinen weiteren Entwicklungsgang von entscheidender Bedeutung werden, führten sie
                              									ihn doch dem Arbeitsfelde zu, dem er künftig seine ganze Kraft und sein ganzes
                              									Streben zuwandte, dem Gebiet der Lufttechnik und Luftfahrt. Die Aufgabe, zu der Béjeuhr nach Göttingen berufen war, bestand im
                              									wesentlichen in der Mitarbeit bei dem Bau und der Erprobung eines Prüfwagens für
                              									Luftschrauben nach Angaben Prof. Prandtls, den dieser als Mitglied des
                              									vorbereitenden Ausschusses der Internationalen Luftschiffahrts-Ausstellung zu
                              									Frankfurt a. M., der bekannten „Ila“, für die Durchführung des im Rahmen der
                              									Ausstellung geplanten Luftschraubenwettbewerbes vorgeschlagen hatte. Nach
                              									erfolgreicher Durchführung dieser mit vielen Schwierigkeiten verknüpften neuartigen
                              									Aufgabe trat Béjeuhr, dem die Durchführung der
                              									Schraubenversuche zugedacht war, in den Dienst der Ausstellungsleitung über. Hier
                              									zeichnete er sich durch Geschicklichkeit, Umsicht und Arbeitseifer, Namentlich nach
                              									der organisatorischen Seite hin, bald derartig aus, daß er in Anerkennung seiner
                              									Leistungen zum Geschäftsführer der wissenschaftlichen Abteilung der Ausstellung
                              									gewählt wurde. Mit der ihm in dieser Eigenschaft übertragenen Herausgabe der
                              									Ila-Wochenrundschau, mit der er sich auf literarischem Gebiete seine Sporen
                              									verdiente, führte er sich höchst erfolgreich in die technische Journalistik ein.
                           Der in Aussicht genommene Luftschraubenwettbewerb konnte erst nach Schluß der
                              									Ausstellung stattfinden, da sich die Fertigstellung der Versuchseinrichtungen wider
                              									Erwarten sehr verzögerte. Die Durchführung der mühevollen und aufreibenden Versuche
                              									läßt sich kaum maßgeblicher würdigen als mit den Worten Professor Prandtls, die dieser in seinem Nachrufe mit bezug auf
                              									diese Arbeit seinem früheren Mitarbeiter widmet. „Béjeuhr hat die ganzen Versuche selbst und größtenteils ganz allein
                                 										durchgeführt, und zwar gegen eine solche Menge von widrigen Umständen völlig zu
                                 										Ende geführt, daß ich an diese Leistung immer nur mit Bewunderung denken kann.
                                 										Nicht nur, daß Wind und Wetter die Versuche, die auf einem Eisenbahngleise vor
                                 										sich gingen, beeinträchtigten, und daß zahlreiche Propeller zerbrachen, was
                                 										meist mit einer kleineren oder größeren Zerstörung der Versuchseinrichtungen
                                 										einherging, die dann wieder herzustellen und neu zu eichen waren, die Versuche
                                 										erlitten außerdem durch einen sehr ernsten Unfall (24. Oktober 1909), der durch
                                 										Bruch der Bremse hervorgerufen worden war, eine mehrmonatliche Unterbrechung.
                                 											Béjeuhr trug hierbei einen mehrfachen Rippenbruch
                                 										davon, durch den seine auch früher schon geschwächte Lunge anscheinend mit zu
                                 										Schaden gekommen ist. Sein Pflichteifer und seine bewundernswerte Energie ließen
                                 										ihn jedoch sofort nach seiner Wiederherstellung (März 1910) die Arbeiten
                                 										wieder aufnehmen und im April zu Ende führen.“ Ein eingehender Bericht über
                              									die Versuche und ihre Ergebnisse, über die Béjeuhr auch
                              									mehrfach in der Zeitschrift für Flugtechnik und Motorluftschiffahrt referiert hat,
                              									ist in der Ila-Denkschrift (Band II) niedergelegt. Auch ein von ihm später
                              									herausgegebener kleiner Leitfaden (1912 bei F. B. Auffahrt-Frankfurt a. M.) für den
                              									Bau und die Behandlung von Propellern baut sich im wesentlichen auf den vorerwähnten
                              									Versuchen auf.
                           Das warme Interesse, das Prof. Prandtl seinem Mitarbeiter
                              									entgegenbrachte, der nach Abschluß der Frankfurter Versuche im Herbst 1910 als sein
                              									Assistent nach Göttingen zurückkehrte, ist Béjeuhr auch
                              									auf seinem weiteren Lebenswege förderlich gewesen, und dankbar hat sich dieser stets
                              									dessen erinnert. Prof. Prandtl erkannte bald, daß die
                              									stille wissenschaftliche Tätigkeit im Göttinger Laboratorium, in dem Béjeuhr im wesentlichen mit der Einrichtung und Erprobung
                              									einer kleinen Prüfanlage für Modellschrauben, ferner mit dem Umbau des in dem Besitz
                              									der Universität Göttingen übergegangenen Frankfurter Propellerwagens beschäftigt
                              									war, Arbeiten, die er mit gewohnter Gewissenhaftigkeit, Umsicht und Geschicklichkeit
                              									erledigte, ihn auf die Dauer nicht voll befriedigte. Seine mehr auf organisatorische
                              									Betätigung hindrängende Veranlagung ließ ihn bald wieder fortstreben. Prof. Prandtl bewilligte ihm deswegen gern, um ihm Gelegenheit
                              									zu geben, erneut mit den führenden Kreisen der Lufttechnik in engere Berührung zu
                              									treten, den erbetenen längeren Urlaub zur Mitwirkung bei der Leitung des ersten
                              									Zuverlässigkeitsfluges am Oberrhein. Die Betätigung auf dem eigentlichen Gebiete des
                              									Flugwesens, für dessen Entwicklung die neu ins Leben gerufene Zuverlässigkeitsflüge
                              									von grundlegender Bedeutung wurden, war für Béjeuhr das
                              									Sprungbrett, das ihn rasch förderte. Bereits im Herbst 1911 übersiedelte er von
                              									Göttingen nach Berlin, wo er, als stellvertretender Geschäftsführer in die Leitung
                              									des deutschen Luftfahrer-Verbandes berufen, mit der Leitung der Verbandszeitschrift
                              									betraut wurde. In dieser Stellung entwickelte er eine überaus erfolgreiche und
                              									fruchtbare Tätigkeit, die allmählich bei seiner nimmermüden Arbeitsfreudigkeit immer
                              									weitere Kreise zog. So sehen wir ihn in der Folge bei der Leitung und Organisation
                              									aller bedeutenderen Flugveranstaltungen tätig, so leitet er die Arbeiten für die
                              									wissenschaftliche Abteilung der im Jahre 1912 in Berlin abgehaltenen Allgemeinen
                              									Luftschiffahrts-Ausstellung, der „Ala“, ebenso stellt er als Mitglied des
                              									Arbeitsausschusses des bekannten Kaiserpreiswettbewerbes für deutsche
                              									Flugzeugmotoren (1912/13) seine Arbeitskraft mit zur Verfügung.
                           Eine besonders wertvolle Anerkennung seiner Leistungen und Fähigkeiten konnte Béjeuhr mit Gründung der Wissenschaftlichen Gesellschaft
                              									für Luftfahrt im Frühjahr 1912 in seiner Wahl zum Geschäftsführer dieser
                              									Gesellschaft erblicken. Trotz seiner vielseitigen Inanspruchnahme hat Béjeuhr die Pflichten dieses ehrenvollen Amtes mit ganz
                              									besonderer Liebe und hingebungsvollem Eifer auf sich genommen. Wie erfolgreich sich auch
                              									auf diesem Posten seine Umsicht und Tatkraft betätigte, davon zeugt neben der
                              									mustergültigen Geschäftsleitung seine Mitarbeit in verschiedenen Kommissionen, in
                              									denen er seine eigenen reichen Kenntnisse und Erfahrungen nutzbringend zur Geltung
                              									bringen konnte. In besonderem Maße gilt dies von seiner Mitwirkung in dem
                              									Prüfungsausschuß zur Beurteilung von Erfindungen, der die Aufgabe übernahm, alle
                              									durch die National-Flugspende sowie durch Reichs- und Landesbehörden ihm
                              									überwiesenen Erfindungsgesuche zu prüfen und zu begutachten. Auch für den
                              									literarischen Ausschuß der Gesellschaft hat er durch Herausgabe von Referaten über
                              									die Veröffentlichungen des Jahres 1912 aus den Gebieten der Erforschung der oberen
                              									Luftschichten, der Luftschifffahrt und des Flugwesens (s. Fortschritte der Physik
                              									1912) Wertvolles geleistet. Es konnte nicht ausbleiben, daß Béjeuhr infolge seiner vielseitigen Erfahrungen auf dem Gebiete des
                              									Luftwesens auch häufiger als Gutachter seitens verschiedener Reichs- und
                              									Staatsbehörden, namentlich militärischer Dienststellen, in Anspruch genommen wurde.
                              									Auch als gerichtlicher Sachverständiger war er für sein Arbeitsgebiet in den letzten
                              									Jahren dauernd tätig.
                           Das erfolgreiche literarische Wirken Béjeuhrs, von dem die
                              									Entwicklung der seiner Leitung unterstellten Deutschen Luftfahrer-Zeitschrift
                              									Zeugnis ablegt, machte im Rahmen dieses Fachorgans nicht halt. Bereits seit seiner
                              									Uebersiedelung nach Berlin konnten wir uns an unserer Zeitschrift seiner Mitarbeit
                              									erfreuen. Bis in die letzte Zeit hat er hier über alle wichtigen Entwicklungsphasen
                              									der Luftfahrt und die sie berührenden Fragen fortlaufend berichtet und durch die
                              									Frische und Klarheit seiner Darstellungsweise viel zur Vertiefung der Kenntnis
                              									seines Arbeitsgebietes beigetragen. Durch verschiedene Aufsätze und Schriften, in
                              									denen er dem Interesse weiterer Kreise am Flugwesen entgegen zu kommen suchte, hat
                              									er sich auch auf dem Gebiete populären Schrifttums mit bestem Gelingen betätigt.
                           Der erfolgreiche Ausbau seiner Stellung gab Béjeuhr die
                              									erwünschte Möglichkeit, sich in Berlin einen eigenen Hausstand zu gründen. Am 8.
                              									August 1912 vermählte er sich mit Fräulein Herta Maaß, einer jungen Hamburgerin, an
                              									deren Seite er Jahre schönsten Eheglücks, das durch die kurz vor Kriegsbeginn
                              									erfolgte Geburt eines Töchterchens noch erhöht wurde, verlebte. Wer die Freude
                              									hatte, als lieber Gast in dem gemütlichen Heim des jungen Paares weilen zu
                              									dürfen, der konnte Béjeuhr, den tatkräftigen
                              									Arbeitsmenschen, in seinen vier Wänden alle Arbeitsgedanken fröhlich hinter sich
                              									werfen sehen, um mit seiner heiteren Liebenswürdigkeit, durch die oft genug ein Wort
                              									des Witzes klang, alles um sich her zu erwärmen. Jeder mußte aus seinem Heim das
                              									Empfinden mitnehmen, so viel Frohsinn und innere Wärme kann nur auf dem Boden einer
                              									kräftigen, in sich geschlossenen Persönlichkeit gedeihen, die in Heim und Beruf alle
                              									nötigen Faktoren äußeren und inneren Glücks fest verankert sieht.
                           Der Beginn des Krieges riß auch Béjeuhr aus dem gewohnten
                              									Kreise. Unverzüglich hatte er sich der Kgl. Preuß. Inspektion der Fliegertruppen zur
                              									Verfügung gestellt und wurde auch bald als Leutnant d. R. den Daimler-Werken in Stuttgart-Untertürkheim als Abnahmeingenieur für
                              									Flugmotoren überwiesen. Bereits nach wenigen Monaten rückte er hier mit seiner
                              									Beförderung zum Oberleutnant zum Oberingenieur auf. Die dienstlichen Aufgaben, die
                              										Béjeuhr mit Antritt seines Kommandos übernahm, und
                              									denen er sich in gewohnter Weise mit hingebender Pflichttreue widmete, stellten von
                              									vornherein an seine Leistungsfähigkeit überaus hohe Ansprüche, um so mehr, da sich
                              									seine Tätigkeit als Abnahmeingenieur noch durch die Uebernahme von Ausbildungskursen
                              									für Motorenmonteure erweiterte. Aber die stolze Befriedigung über die Kriegserfolge
                              									unseres Heeresflugwesens wirkte auf ihn als lebhafter Ansporn, selbst bis zum
                              									äußersten alle seine Kräfte in den Dienst seiner Aufgaben zu stellen. Vergebens
                              									waren die Bitten der ihm Nahestehenden, sich mit Rücksicht auf seine wenig
                              									widerstandsfähige Gesundheit etwas zu schonen. In nimmermüdem Eifer hat er,
                              									aufrechterhalten durch seine stark ausgeprägte Willenskraft, auf seinem Posten
                              									ausgeharrt, bis er körperlich völlig zusammenbrach. Eine plötzlich eintretende
                              									Lungenblutung, die scheinbar in ursächlichem Zusammenhange mit dem früher erwähnten
                              									Unfall stand, warf ihn aufs Krankenlager und setzte bereits tags darauf am 11.
                              									Februar d. J. seinem Leben ein Ziel.
                           Mit dem frühen Hingange Paul Béjeuhrs hat die deutsche
                              									Luftfahrt einen Mitarbeiter verloren, von dem sie nach der Meinung aller, die seine
                              									Leistungen und Fähigkeiten zu überblicken in der Lage waren, noch eine reiche
                              									Förderung hätte erwarten dürfen. Wie sie, werden auch wir, die wir dem Wirken Béjeuhrs im Rahmen unserer Zeitschrift viel zu danken
                              									haben, sein Andenken stets in hohen Ehren halten.