| Titel: | Zur Erinnerung an die elektrische Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt a. M. | 
| Autor: | G. Soberski | 
| Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 248 | 
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                        Zur Erinnerung an die elektrische
                           								Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt a. M.
                        Von G. Soberski,
                           								Königl. Baurat in Berlin-Wilmersdorf.
                        SOBERSKI: Zur Erinnerung an die elektrische Kraftübertragung
                           								Lauffen-Frankfurt a. M.
                        
                     
                        
                           Dem Ernst der Zeit entsprechend ist in aller Stille ein Tag vorübergegangen, der
                              									einen bedeutsamen Markstein und Wendepunkt fast der gesamten deutschen Industrie,
                              									insbesondere ihres jüngsten Zweiges, der Elektroindustrie, bildet; es ist der
                              									25-jährige Gedenktag der internationalen elektrotechnischen Ausstellung zu Frankfurt
                              									a. M. im Jahre 1891, die nicht nur ein umfassendes Bild von dem bis dahin auf dem
                              									Gebiet der Elektrotechnik Erreichten gab und dadurch das Interesse für dieselbe in
                              									den breitesten Schichten wach rief, sondern vor allem auch die praktische
                              									Anwendung eines neuen Stromsystems, des Drehstroms, in der elektrischen
                              									Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt a. M. der Oeffentlichkeit vorführte und in
                              									geradezu glänzend gelungener Durchführung den Beweis erbrachte, daß dieses System in
                              									Verbindung mit hohen Spannungen bequeme und sicher funktionierende
                              									Kraftübertragungen auf sehr große Entfernungen ermöglicht.
                           Der Verband deutscher Elektrotechniker konnte naturgemäß den wichtigen Gedenktag
                              									nicht völlig unbeachtet vorübergehen lassen; er hielt seine diesjährige Hauptversammlung in Frankfurt
                              									a. M. ab, und Prof. Epstein (Frankfurt a. M.) gab in
                              									einem Rückblick ein anschauliches Bild von dem Umfang und der Bedeutung der
                              									internationalen elektrotechnischen Ausstellung vom Jahre 1891. Auch er bezeichnete
                              									die Kraftübertragung Lauffen-Frankfurt a. M. als das bedeutsamste Objekt der
                              									Ausstellung, und zu dessen voller geschichtlichen Würdigung hat Prof. Ruppel von der Frankfurter elektrotechnischen
                              									Gesellschaft über das Entstehen des ganzen Planes, seine Durchführung und seine
                              									Einwirkung auf die Entwicklung der Elektrotechnik eine Zusammenstellung der
                              									seinerzeit in der elektrotechnischen Zeitschrift erschienenen Sitzungsberichte,
                              									Aeußerungen einzelner Fachleute usw. veröffentlicht, die ein klares Bild liefert für
                              									die außerordentliche Tatkraft und Verstandesschärfe, mit welcher die bei dem
                              									Unternehmen führenden Männer den einmal gefaßten Gedanken verwirklichten, und mit
                              									welchem geradezu prophetischem Blick sie die Bedeutung seines Gelingens für die
                              									weitere Entwicklung der gesamten Elektrotechnik erkannten.
                           Als gegen Ende des Jahres 1889 der bekannte Herausgeber der Frankfurter Zeitung, Leopold Sonnemann, zum ersten Male den Plan einer
                              									elektrotechnischen Ausstellung zu Frankfurt a. M. in einer Sitzung der dortigen
                              									Elektrotechnischen Gesellschaft entwickelte, standen eine große Anzahl von Städten,
                              									darunter auch Frankfurt a. M. selbst, vor der Entscheidung in der wichtigen Frage
                              									der Aufnahme der elektrischen Beleuchtung und ihrer Verbindung mit einer zentralen
                              									Kraftverteilung: gerade für den letzteren Zweck war kurz vorher in der Frankfurt a.
                              									M. benachbarten Stadt Offenbach eine Druckluftanlage nach dem System Popp errichtet und für dessen Anwendung auch in Frankfurt
                              									a. M. agitiert worden. Für das Poppsche System trat
                              									insbesondere Prof. Riedler in Aufsätzen und Vorträgen
                              									ein, während dessen technische Durchbildung und wirtschaftlichen Vorzüge von anderen
                              									Seiten angezweifelt wurden. Neben dem pneumatischen Kraftverteilungssystem hatte
                              									gerade Frankfurt a. M. selbst auch Gelegenheit, in der sogenannten Ferntriebanlage
                              									des neuen Hauptbahnhofs das hydraulische Kraftverteilungssystem von nicht gerade
                              									vorteilhafter Seite kennen zu lernen. Diese Ferntriebanlage, die mittels
                              									Druckwassers von 80 at Aufzüge, Schiebebühnen, Drehscheiben, Spills und auch die
                              									Dynamomaschinen für die elektrische Beleuchtung der gesamten Bahnhofsanlagen
                              									antrieb, führte namentlich bei der letzteren zu so vielen Störungen, daß an den
                              									wichtigsten Stellen für längere Zeit eine weitgehende Notbeleuchtung mit
                              									Petroleumlampen eingerichtet werden mußte, was der ganzen Anlage den Spottnamen der
                              										„elektrischen Petroleumbeleuchtung“ eintrug.
                           Es lag also in mehrfacher Hinsicht Veranlassung vor, gerade auf der geplanten
                              									Frankfurter Ausstellung insbesondere auch die Entwicklung und die Vorzüge der
                              									elektrischen Kraftübertragung allen Interessenten vor Augen zu führen. Der zum
                              									stellvertretenden Vorsitzenden des Ausstellungsvorstandes gewählte frühere Direktor
                              									der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft zu Berlin, Zivilingenieur Oscar von Miller in München (jetzt Reichsrat der Krone
                              									Bayerns und Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Museums in München) griff
                              									diesen Gedanken mit voller Tatkraft auf und gewann für dessen Verwirklichung die
                              									Mithilfe der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin und der
                              									Maschinenfabrik Oerlikon in Oerlikon bei Zürich.
                           Am 4. Juli 1890 gelangte die erste offizielle Mitteilung über den gefaßten Plan an
                              									den Ausstellungsvorstand durch ein Schreiben der Allgemeinen
                              									Elektrizitäts-Gesellschaft, in welchem dieselbe sich bereit erklärte, in
                              									Gemeinschaft mit der Maschinenfabrik Oerlikon eine dem
                              									Portlandzementwerk Lauffen am Neckar (Württemberg) gehörige Wasserkraft von 300 PS
                              									nach dem etwa 175 km entfernten Frankfurt a. M. zu übertragen und in der Ausstellung
                              									für den Betrieb von Werkstätten, für Beleuchtung, zum Laden von Akkumulatoren usw.
                              									zur Verfügung zu halten, wenn die Erstellung der erforderderlichen 350 km
                              									oberirdische Kupferdrahtleitung (Hin- und Rückleitung) seitens der zuständigen
                              									Behörden erfolge und das Risiko für die Kosten der Isolatoren und Drähte auf einen
                              									bestimmten Betrag begrenzt werde. Zur Kraftübertragung sollte ein Wechselstrom
                              									benutzt werden, welcher durch einen Transformator auf eine Spannung von etwa 30000
                              									Volt gebracht und in Frankfurt a. M. wieder auf die Gebrauchsspannung
                              									herabtransformiert bzw. in Gleichstrom umgewandelt werden sollte. Im Hinblick auf
                              									die hohe Uebertragungsspannung erschien die Verwendung von Kabeln ausgeschlossen und
                              									deshalb die Ausführung einer Luftleitung geboten.
                           Schon das Bekanntwerden dieser ersten Grundzüge rief Gegner des Gedankens auf den
                              									Plan; einer derselben führte in einem Briefe an die Elektrotechnische Zeitschrift im
                              									August 1890 aus, daß er durch längere Versuche mit Strömen bis 20000 Volt zu dem
                              									Ergebnis gelangt sei, daß man Ströme von mehr als 15000 Volt Spannung nur mit großen
                              									Verlusten leiten könne, da bei diesen Spannungen nicht nur Stromübergänge von dem
                              									einen Leiter zum anderen durch die Isolatoren und direkte Entladungen durch die Luft
                              									entständen, sondern auch, abgesehen von sonstigen Schwierigkeiten, allein durch den
                              									Widerstand der Leitung ein Verlust von über 4000 Volt bei Anwendung von 15000 Volt,
                              									also mehr als 25 v. H., verursacht werde; im Uebrigen würde wohl keine Regierung
                              									oder Behörde, über deren Grund und Boden die Leitung gehen solle, wegen der hohen
                              									Gefahr und der Einwirkung auf Telefon und Telegraf dem Plane die Genehmigung
                              									erteilen. Im November 1890 erschien des Weiteren in der Elektrotechnischen
                              									Zeitschrift ein Aufsatz vom Ingenieur A. Schneller,
                              									Köln-Ehrenfeld, über die elektrische Darstellung von Ozon und die industrielle
                              									Verwendung desselben, in welchem ebenfalls unter anderem darauf hingewiesen wurde,
                              									daß die seiner Zeit durch Deprez unternommenen Versuche
                              									einer elektrischen Kraftübertragung von Creil nach Paris an der Frage der hohen
                              									Spannung scheiterten, und aus dem Verhältnis der Funkenstrecken zu den Spannungen die
                              									Schlußfolgerung gezogen wurde, daß Dynamomaschinen von über 10000 Volt überhaupt
                              									nicht mehr zu bauen seien.
                           Unbeirrt durch die gegnerischen Auslassungen brachten die eingeleiteten Verhandlungen
                              									doch bereits am 6. Dezember 1890 eine Einigung über die Hauptpunkte des
                              									durchzuführenden Versuches in der Weise, daß das Portlandzementwerk in Lauffen eine
                              									300-pferdige Turbine und die Maschinenfabrik Oerlikon die
                              									erforderliche primäre Dynamomaschine zur Verfügung stellte; die Lieferung der zur
                              									Messung, Kontrolle und Umwandlung des elektrischen Stromes nötigen Transformatoren,
                              									Motoren und Apparate übernahmen die Allgemeine
                                 										Elektrizitäts-Gesellschaft und die Maschinenfabrik Oerlikon gemeinsam, und beide Firmen teilten sich auch in die Kosten der
                              									übrigen maschinellen Anlage und der Isolatoren. Die Maschinenfabrik Oerlikon übernahm ferner auch die Einrichtung einer
                              									Versuchsanlage auf ihrem Grund und Boden, um den zuständigen Behörden Gelegenheit zu
                              									geben, sich ein Urteil über die Zulässigkeit der Verwendung des hochgespannten
                              									Stromes zu bilden.
                           Die Versuche selbst wurden an dieser Anlage in Gegenwart der behördlichen Vertreter
                              									am 24. Januar 1891 unternommen und führten zu durchaus günstigen Ergebnissen, obwohl
                              									sie bis auf 33000 Volt Spannung, also 10 v. H. mehr als anfänglich beabsichtigt
                              									gewesen, ausgedehnt wurden.
                           Das Hauptaugenmerk war bei den Versuchen auf die Konstruktion der Transformatoren und
                              									die Isolation der Luftleitung gerichtet. Bezüglich der Transformatoren war es von
                              									vornherein klar, daß die gewöhnlichen Isolationsmittel bei den beabsichtigten hohen
                              									Spannungen nicht ausreichen würden, da sie die Feuchtigkeit aus der Luft mehr oder
                              									weniger schnell aufsaugen und in ihrer Isolierfähigkeit nachlassen. Man entschloß
                              									sich deshalb zur Anwendung von Oeltransformatoren, für die wohl der bekannte Versuch
                              									von Brooks vorbildlich war, der nachwies, daß eine 3 mm
                              									starke Bespinnung, in gut isolierendes Oel getaucht, erst bei einer Spannung
                              									durchschlägt, welche in freier Luft einen Funken von 5 cm Länge zu bilden vermag.
                              									Für die Hochspannungsleitung gelangten von der Firma H. Schomburg & Söhne in Berlin angefertigte
                              									Isolatoren mit einer oder mehreren Oelrinnen zur Verwendung, nachdem Vorversuche der
                              									Maschinenfabrik Oerlikon erwiesen hatten, daß selbst bei
                              									Spannungen von 30000 Volt und sehr feuchter Luft merkliche Ableitungen zwischen den
                              									etwa 30 cm voneinander entfernten Hin- und Rückleitungsdrähten nicht eintraten und
                              									die Isolationsverhältnisse nur von der Zahl und Güte der Isolatoren abhingen; die
                              									verschiedenen Ausführungen der Isolatoren, für die die Fluid-Isolatoren von Johnson & Philips als
                              									Vorbild dienten, zeigen die nachstehenden Abbildungen.
                           Die Hauptversuche erstreckten sich auf die künstliche Erzeugung von Stromübergängen
                              									und Kurzschlüssen mit vollkommenen Erdverbindungen, auf die Wirkungen einer starken
                              									Benässung von Leitungen, Isolatoren, Masten und Querträgern und endlich auf die
                              									Feststellung des Einflusses der Wechselströme auf benachbarte Telefonleitungen. Die
                              									Ergebnisse aller Versuche waren, wie bereits erwähnt, so befriedigende, daß sie bei
                              									allen Anwesenden ein Gefühl der Beruhigung und Sicherheit hinterließen.
                              									Nichtsdestoweniger verlauteten noch Zweifel an der Durchführbarkeit bzw. praktischen
                              									Verwertung des ganzen Planes und führten zu lebhaften Auseinandersetzungen. Der
                              									bereits genannte Ingenieur Schneller wiederholte, daß
                              									nach seinen Beobachtungen und Messungen selbst bei trockener Witterung in den für
                              									die Strecke Lauffen-Frankfurt a. M. erforderlichen 7000 Isolatoren allein etwa
                              									100000 Watt an Ladungsverlusten entstehen würden und zu diesen noch ein weiterer
                              									Verlust durch die sogenannten dunkelen Entladungen von
                              									0,15 Watt/m Leitung, also etwa 26 000 Watt kämen, so daß unter Berücksichtigung der
                              									sonstigen Nutzeffektverluste in Maschinen, Transformatoren und Leitungen von den in
                              									Lauffen vorhandenen 300 PS in Frankfurt a. M. noch etwa 37 PS zur Verfügung stehen
                              									würden. Dem trat der bekannte amerikanische Elektriker Chas.
                                 										Steinmetz mit dem Hinweis entgegen, daß der Ladungsverlust proportional der
                              									Periodenzahl des Wechselstroms sei, also durch Herabsetzung der letzteren ebenfalls
                              									vermindert werden könne, während dadurch Generatoren und Transformatoren von den
                              									Abmessungen, wie sie bei der geplanten Kraftübertragung in Betracht kämen, in ihrer
                              									Wirtschaftlichkeit nicht beeinträchtigt würden. In betreff der sogenannten dunkelen
                              									Entladungen erwähnte Steinmetz, daß solche durch
                              									Bekleidung der Leitung mit Kautschuk oder Paraffin fast vollständig zum Verschwinden
                              									zu bringen seien, und sprach sich dann zusammenfassend dahin aus, daß er die mit
                              									30000 Volt geplante elektrische Kraftübertragung nicht nur für durchführbar halte,
                              									sondern lediglich für einen weiteren Schritt auf dem Wege, Kraftübertragungen für
                              									weite Eisenbahnstrecken usw. mit Spannungen von Hunderttausenden von Volt zu
                              									betreiben.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 249
                              
                           Diese Hoffnungen bezeichnete wieder Dr. Koepsel, Berlin,
                              									schon im Hinblick auf den erforderlichen Schutz der Leitungen gegen Blitzschlag als
                              									viel zu weitgehend und bestritt auch (wohl mit Recht) die Anwendbarkeit eines
                              									Kautschuk- oder Paraffinüberzuges für längere, den Witterungseinflüssen ausgesetzte
                              									Leitungen zur Beseitigung der dunkelen Entladungen, was wiederum eine Entgegnung von
                              										Steinmetz erfuhr.
                           
                           Lahmeyer erklärte in einer Sitzung der Frankfurter
                              									Elektrotechnischen Gesellschaft am 9. Februar 1891 unter Anerkennung der Bedeutung
                              									der von Oerlikon angestellten Versuche, daß die
                              									elektrische Energie zwar in Form von Wechsel- bzw. Drehstrom über weite Entfernungen
                              									bis zu den Toren der Stadt geleitet werden könne, dann aber der Gleichstrom in
                              									Funktion treten müsse, welcher sich besser wie jeder andere, für die Licht- und
                              									Kraftverteilung in der Stadt selbst eigne. Auch erscheine ihm das von Oerlikon versuchte System nur in wenigen Fällen
                              									anwendbar, nämlich dort, wo es sich darum handele, große Wasserkräfte für entfernte
                              									Gegenden nutzbar zu machen.
                           Demgegenüber wies schon in der gleichen Sitzung Dr. May
                              									darauf hin, daß auch minderwertige Kohle, die keine großen Frachtspesen vertrage,
                              									zweckmäßig auf den Zechen selbst zur Erzeugung von Elektrizität verwendet werde und
                              									diese dann in Form von Drehstrom mit hoher Spannung zu den Gebrauchsorten weiter zu
                              									leiten sei.
                           Die zuständigen Behörden erklärten sich auf Grund der in Oerlikon vorgeführten
                              									Versuche zur Förderung des für die Ausstellung geplanten
                              									Kraftübertragungs-Unternehmens bereit, und als erste Folge dieses Beschlusses
                              									bewilligte Se. Majestät der Kaiser für dasselbe „in Würdigung der an die
                                 										beabsichtigten Versuche sich knüpfenden national-wirtschaftlichen
                                 										Interessen“ eine Beihilfe von 10000 M aus Reichsmitteln. Der Landgraf von
                              									Hessen, die Frankfurter Handelskammer sowie die Frankfurter polytechnische
                              									Gesellschaft und verschiedene Private stellten weitere Geldbeträge zur Deckung des
                              									von der Ausstellung zu übernehmenden Kostenanteils zur Verfügung, die Kaiserliche
                              									Reichspostverwaltung sowie die Generaldirektion der Königlich Württembergischen
                              									Posten und Telegrafen erklärten sich gegen Zurückerstattung der Kosten für Montage
                              									und Demontage zur Erstellung der Hochspannungsleitung für die in ihrem Bereich
                              									liegenden Strecken bereit und die beteiligten preußischen, hessischen, badischen und
                              									württembergischen Landes- bzw. Eisenbahnbehörden erteilten für ihre Bezirke die
                              									Genehmigung zur Verlegung der Leitung.
                           Dabei war man sich durchaus klar darüber, daß bei der Hochspannung in Störungsfällen
                              									für Personen auf der Strecke immerhin so lange eine Gefahr bestehen werde, bis die
                              									Ausschaltapparate (Bleisicherungen, Minimalausschalter) in Wirksamkeit treten, und
                              									Unfälle für Personen trotz aller Belehrungen und Vorsichtsmaßregeln nicht ganz zu
                              									vermeiden sein würden. In diesem Sinne sprach sich auch Geheimrat Grawinkel vom Reichspostamt gelegentlich einer Erörterung
                              									der Oerlikonversuche in der Elektrotechnischen Zeitschrift aus, betonte aber
                              									zugleich, daß dieser Umstand ebensowenig Veranlassung geben könne, von der
                              									Verwendung hochgespannter Ströme abzusehen, wie man den Eisenbahnbetrieb aufgeben
                              									werde, weil bei ungünstigen Beleuchtungs- und Witterungsverhältnissen sowie aus
                              									anderen Veranlassungen Unfälle nicht ausgeschlossen seien.
                           Am 9. Februar 1891 berichtete Direktor Brown
                              									von der Maschinenfabrik Oerlikon in einem Vortrage
                              									in der Elektrotechnischen Gesellschaft zu Frankfurt a. M. über die im Vorstehenden
                              									bereits beschriebenen Einzelheiten der in Oerlikon angestellten Versuche,
                              									insbesondere der angewendeten Oeltransformatoren, Oelisolatoren, Gestänge,
                              									Sicherheitsapparate und Schutzvorrichtungen (Schutznetze) an den Kreuzungen der
                              									Hochspannungsleitung mit Straßen usw. Er erklärte, daß der elektrischen
                              									Kraftübertragung und damit der elektrischen Energie überhaupt nur unter Anwendung
                              									hoher Spannungen zu einem vollen Siege verholfen werden könne, daß man in dieser
                              									Hinsicht auch mit den Oerlikonversuchen bzw. dem Plane für die Kraftübertragung
                              									Lauffen-Frankfurt a. M. noch lange nicht an der äußersten Grenze des Möglichen
                              									stehen dürfte, und für diese Zwecke jedenfalls der Wechselstrom infolge der durch
                              									den ruhenden Transformator gegebenen Möglichkeit einer leichten und wirtschaftlichen
                              									Spannungsänderung dem Gleichstrom überlegen sei, selbst wenn auch von der
                              									Erzeugungstätte bis zum Verbrauchsort eine zweimalige Abwärtstransformierung
                              									stattfinden müsse. Brown schloß seinen damaligen Vortrag
                              									mit folgenden prophetischen Worten, die sich voll bewahrheitet haben und seinem
                              									technischen Scharfblick alle Ehre machen; er sagte:
                           
                              „Die Uebertragung elektrischer Energie mittels Stromspannungen von z.B. 30000
                                 										Volt wird es uns ermöglichen, die Energieverteilung auf ganz große Entfernungen
                                 										auf elektrischem Wege zur Tatsache werden zu lassen, somit zur Ausnutzung so
                                 										mancher, jetzt noch schlummernden Kraftquelle führen und die Wohltaten des
                                 										elektrischen Stromes der gesamten Industrie im ausgedehntesten Maßstabe
                                 										dienstbar machen. Möge auch die elektrotechnische Ausstellung in Frankfurt a. M.
                                 										dazu beitragen, neue Fortschritte auf diesem Gebiete zu erzielen und den Glauben
                                 										noch so manchen Zweiflers an der großartigen Bedeutung und Leistungsfähigkeit
                                 										der Elektrotechnik befestigen.“
                              
                           Die Oerlikonversuche führten auch zu einem besonderen Erfolge hinsichtlich der
                              									elektrischen Stromerzeugungsmaschinen und Motoren, die als Mehrphasenmaschinen unter
                              									dem Namen „Drehstrommaschinen“ von der Allgemeinen
                                 										Elektrizitäts-Gesellschaft nach einem neuen, von ihrem Chefelektriker, von Dolivo-Dobrowolsky erdachten System ausgeführt waren.
                              									Das Problem der Konstruktion von Dynamos bzw. Motoren mit einer größeren Anzahl von
                              									Wechselströmen war seiner Zeit gleichzeitig auch von Bradley,
                                 										Haselwander und Wenström studiert worden,
                              									jedenfalls gebührt aber das Verdienst der praktischen Ausarbeitung und Durchführung
                              									des Drehstromsystems der Allgem. Elektrizitäts-Ges. Die
                              									von von Dolivo-Dobrowolsky konstruierte
                              									Mehrphasenmaschine (Drehstrommaschine) gab im Gegensatz zur gewöhnlichen
                              									Wechselstrommaschine kontinuierlich elektrische Energie ab, wie eine
                              									Gleichstrommaschine, so daß sie auch eine bessere Ausnutzung als die gewöhnliche
                              									Wechselstrommaschine hatte. Als Motor war sie die erste, die mit voller Last anlief
                              									und nicht synchron arbeitete, so daß bei ihrer Ueberlastung ein Stehenbleiben ausgeschlossen
                              									war. Bei der konstruktiven Einfachheit erwies sich die neue Maschine als
                              									außerordentlich betriebssicher und von einer Oekonomie, die die der besten
                              									Gleichstrommaschinen noch übertraf.
                           Nach den günstigen Ergebnissen der Oerlikonversuche und der Erledigung sonstiger
                              									Vorfragen wurden in einer Verhandlung am 25. März 1891 in Berlin die wechselseitigen
                              									Verpflichtungen aller Beteiligten festgestellt; die für die Leitungsanlage
                              									benötigten 3200 Mäste wurden von den Telegrafenverwaltungen und 60000 kg Kupferdraht
                              									von 4 mm ∅ von der Firma F. A. Hesse Söhne in Heddernheim
                              									bei Frankfurt a. M. leihweise überlassen. Die Lieferung der Oelisolatoren, die – wie
                              									bereits erwähnt – die Firma H. Schomburg Söhne in Berlin
                              									übernahm, bedingte längere Zeit, so daß für die Inbetriebsetzung der
                              									Kraftübertragung der 15. August 1891 bestimmt wurde; auch bis zu diesem Zeitpunkte
                              									konnten nur für ein Drittel der Strecke (Lauffen-Eberbach) große Oelisolatoren
                              									geliefert werden, für die restlichen zwei Drittel derselben mußten kleinere
                              									Oelisolatoren Verwendung finden; aus diesem Grunde wurde auch im Interesse der
                              									Betriebssicherheit, obwohl sämtliche Isolatoren vor ihrer Verwendung mit einer
                              									Spannung von über 30000 Volt geprüft wurden, während der Dauer der Ausstellung die
                              									ursprünglich für die Energieübertragung in Aussicht genommene Spannung von 25000
                              									Volt auf 15000 Volt herabgesetzt; nach Schluß der Ausstellung sind jedoch auch
                              									eingehende Versuche mit 25000 Volt Spannung gemacht worden. Der unermüdlichen
                              									Tatkraft der Behörden und Privatfirmen gelang es, die einmal bestimmten Termine fast
                              									auf den Tag einzuhalten, und am Abend des 24. August 1891 wurde zum ersten Male
                              									Strom durch die Leitung geschickt, wobei alles, insbesondere auch die
                              									Sicherheitsvorrichtungen auf der Strecke, tadellos funktionierte. Am 25. Aug. 1891
                              									wurden zum ersten Male elektrische Lampen in der Ausstellung von Lauffen aus
                              									gespeist und vom 12. September 1891 ab waren, von dieser Kraftquelle unterhalten,
                              									auf der Ausstellung 1000 Glühlampen, in einem großen Schilde mit der Aufschrift
                              										„Lauffener Kraftübertragung“ vereinigt, sowie ein durch einen
                              									100-pferdigen Elektromotor mit entsprechender Zentrifugalpumpe betätigter Wasserfall
                              									von 10 m Höhe in täglichem Betrieb.
                           Die Primärstation in Lauffen erzeugte drei Wechselströme (Drehstrom), deren Phasen um
                              									120° gegeneinander verschohen waren; die Spannung eines jeden derselben betrug 50
                              									Volt, die Stromstärke je 1400 Ampere. Zur Spannungserhöhung in Lauffen bzw.
                              									Spannungsherabsetzung in Frankfurt a. M. hatte die Maschinenfabrik Oerlikon je einen, die Allg.
                                 										Elektrizitäts-Ges. je zwei Oeltransformatoren von je 100000 bzw. 200000
                              									Watt Leistungsfähigkeit für die beiden Endstationen geliefert; das
                              									Uebersetzungsverhältnis derselben in Lauffen betrug 1 : 160, derjenigen in Frankfurt
                              									a. M. 123 : 1.
                           Die die Hochspannungsleitung tragenden Mäste von 3,5 und 10 m Höhe standen in
                              									Abständen von etwa 60 m, die Leitungstraze lief von Frankfurt a. M. bis Hanau
                              									entlang der Eisenbahn auf der rechten Mainseite, alsdann über Babenhausen und Erbach
                              									bis Eberbach, den Neckar aufwärts bis Jagstfeld und von da über Heilbronn nach
                              									Lauffen. Die größten Schwierigkeiten in der Leitungsausführung lagen zum Teil in
                              									Frankfurt selbst, wo ein sehr belebter Stadtteil zu durchqueren war, zum Teil auf
                              									der Strecke, wo eine große Anzahl von Bahnhöfen überschritten werden mußte und fünf
                              									lange Tunnels zu umgehen waren. Als Sicherheitsvorrichtungen waren zunächst der
                              									Primärstation in Lauffen in jedem der drei Leitungsdrähte im Freien
                              									Schmelzsicherungen (Kupferdrähte von 0,15 mm ∅ und 2,5 m Länge) eingebaut, die beim
                              									Kurzschließen der Linie sofort schmolzen; zu diesem Zwecke waren in der Ausstellung
                              									und auf allen zwischenliegenden Eisenbahnstationen winkelförmige eiserne
                              									Kurzschließer aufgehängt, die mittels einer Schnur heruntergelassen werden konnten,
                              									um metallische Verbindung zwischen den Leitungsdrähten herzustellen. An den Wegen
                              									und Uebergängen wurden die Leitungsdrähte an doppeltem Stahldraht aufgehängt und bei
                              									Kreuzungen mit Telegrafen- bzw. Telefonleitungen mit isolierenden Hüllen versehen.
                              									Diese Schutzmaßregeln bewährten sich im Verein mit den in der Primärstation
                              									angeordneten Minimalausschaltern sowohl bei besonders angestellten Versuchen wie
                              									auch während der ganzen Dauer des Betriebes der Kraftübertragungsanlage.
                           Angesichts des vollständigen Gelingens und des Erfolges von der ersten
                              									Inbetriebsetzung an wurde dem Kraftübertragungsversuch Lauffen-Frankfurt a. M.
                              									ungeteiltes Lob von allen Seiten gespendet, nur die Pariser Zeitung Petit Journal
                              									fand den Mut, seine Bedeutung in Frage zu stellen, wogegen aber die französischen
                              									Fachzeitschriften mit anerkennenswerter Unparteilichkeit sofort Einspruch erhoben;
                              									so schrieb das Bulletin international de l'électricité: „Wir kennen die Gründe
                                 										nicht, denen dieses voreilige Urteil entspringt; was auch das Petit Journal
                                 										denken möge, die Versuche der elektrischen Kraftübertragung von Lauffen nach
                                 										Frankfurt a. M. beweisen – unsere Unparteilichkeit macht es uns zur Pflicht,
                                 										dies anzuerkennen –, daß man in Deutschland Resultate erhalten hat, die man in
                                 										Frankreich bisher vergebens suchte.“
                           Auch der hervorragende französische Gelehrte Marcel
                                 									Deprez, der zuerst die Notwendigkeit der Anwendung hochgespannter Ströme für
                              									die Uebertragung elektrischer Energie auf sehr große Entfernungen bewiesen hatte,
                              									ohne daß es ihm jedoch gelungen war, praktische Erfolge zu erzielen, da er die hohe
                              									Spannung nicht durch Transformation, sondern in der primären Maschine selbst zu
                              									erzeugen versuchte, äußerte Zweifel über den wirtschaftlichen Wert der jetzt
                              									angewandten mehrfachen Transformation, obwohl schon bei Beginn des Betriebes und
                              									nicht voller Ausnutzung der 300-pferdigen Lauffener Turbine in Frankfurt a. M. 80
                              									bis 100 PS zur Verfügung standen. Diesem Bedenken wurde aber sofort
                              									entgegengehalten, daß auf die Größe des erzielten Nutzeffektes bei einem erstmaligen
                              									Versuch dieser Art gar nicht so hoher Wert zu legen sei, da bei demselben nicht
                              									sofort genau die richtigen Größenmaße und Verhältniszahlen für Uebertragungs- und
                              									Uebersetzungsapparate getroffen werden könnten, und mit vollem Recht sagte der
                              									damalige Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt und Ehrenvorsitzende
                              									der Prüfungskommission der Ausstellung, Exzellenz von
                                 										Helmholtz, der bereits in einem Bericht vom 24. Februar 1891 an den
                              									derzeitigen Staatsminister v. Bötticher unter voller
                              									Würdigung der mit dem Kraftübertragungsversuch verbundenen Bedenken und Gefahren
                              									seine Bedeutung betont und die Gewährung einer staatlichen Beihilfe zu demselben
                              									empfohlen hatte, in seiner Rede bei dem offiziellen Schluß der Ausstellung, daß die
                              									zur Ausführung gekommene elektrische Kraftübertragung im Verein mit der Erfindung
                              									der Drehstrommaschine von außerordentlich großer national-ökonomischer Wichtigkeit
                              									sei; es erscheine nicht mehr zweifelhaft, daß der ausgeführte Versuch
                              									außerordentlich gut gelungen und damit die Möglichkeit gegeben sei, eine ganze Menge
                              									von Wasserkräften, die an abgelegenen Orten wirksam wären, für den Nutzen der
                              									Menschheit zu gewinnen.
                           Abgesehen von den offiziellen Untersuchungen der Prüfungskommission, welche noch
                              									besondere Erörterung erfahren werden, wurden während des regelmäßigen Betriebes der
                              									Kraftübertragungsanlage in Lauffen und Frankfurt a. M. gleichzeitig regelmäßige
                              									Beobachtungen zur Ermittlung des Nutzeffektes angestellt. Ohne Berücksichtigung der
                              									Phasenverschiebung zwischen Stromstärken und Spannungen ergab sich eine mittlere
                              									Leistung von 80500 Watt in Lauffen für den Betrieb von 1060 Glühlampen von 16 NK in
                              									Frankfurt a. M., die zusammen 58000 Watt verbrauchten, was einem Nutzeffekt von 72
                              									v. H. entsprach; in Wirklichkeit war derselbe jedoch um etwa 5 v. H. höher, da die
                              									in Lauffen aufgenommene Energie infolge der Phasenverschiebung weniger als 80500
                              									Watt betrug. Nebliges Wetter blieb ohne Einfluß auf den Betrieb, es war kein
                              									direkter Stromverlust gegen Erde bemerkbar und auch die von mancher Seite
                              									gefürchteten Ladungserscheinungen ergaben nur einen geringen Verlust.
                           Diese Feststellungen während des Betriebes fanden ihre volle Bestätigung durch die
                              									offiziellen Untersuchungen der unter der Leitung von Prof. Dr. Weber-Zürich stehenden Prüfungskommission, die das Ergebnis ihrer Arbeiten
                              									unter zahlenmäßiger Wiedergabe der vorgenommenen Messungen usw. in einem eingehenden
                              									Berichte niederlegte; sie ermittelte den Nutzeffekt bei der kleinsten Leistung der
                              									Lauffener Turbine zu 68,5 v. H. und bei ihrer größten Leistung zu 75,2 v. H.
                              									Gleichzeitig stellte auch sie fest, „daß der Einfluß der Kapazität langer, in der
                                 										Luft geführter nakten Leitungen zur Fortleitung von Wechselströmen für
                                 										Energieübertragung auf den Wirkungsgrad der Uebertragung bei der Verwendung von
                                 										Periodenzahlen 30 bis 40 bis 50 so gering ist, daß derselbe in Planung
                                 										elektrischer Kraftübertragungen als ganz untergeordnete Größe behandelt werden
                                 										darf.“
                           Das praktische Ergebnis der Versuche mit 25000 Volt Spannung, die – wie bereits
                              									erwähnt – nach Schluß der Ausstellung angestellt wurden, kennzeichneten die
                              									Berichterstatter Dr. Kittler und W. H. Lindley nach genauen zahlenmäßigen Einzelangaben über die
                              									vorgenommenen Messungen usw. mit folgenden kurzen Worten:
                           
                              „Die mit einer Hochspannung von 25000 Volt und einer Periodenzahl von 24 in der
                                 										Sekunde betriebene Energieübertragung Lauffen-Frankfurt a. M. hat bei einer
                                 										Nutzleistung von etwa 180 PS einen Wirkungsgrad von ungefähr 75 v. H. ergeben.
                                 										Die zur Isolierung der blanken Leitungen verwendeten kleinen Oelisolatoren haben
                                 										sich hierbei auf das Beste bewährt.“
                              
                           So klang der unter der erwartungsvollen Aufmerksamkeit aller Fachkreise und dem hohen
                              									Interesse der breiten Oeffentlichkeit auf der Frankfurter Ausstellung vorgeführte
                              									Versuch einer Kraftübertragung über eine weite Entfernung mittels hochgespannter
                              									Elektrizität in einem vollen Erfolge aus und zwang auch die bei seiner Einleitung
                              									noch Zweifelnden sowie gänzlich Unbeteiligte zu ungeteilter Anerkennung. Der
                              									bekannte Physiker und Elektriker Silvanus P. Thompson schrieb in den Times: „Nach dem zur
                                 										Ermutigung der Elektriker und Hydrauliker glänzenden Ergebnis des Frankfurter
                                 										Versuches kann man erwarten, daß jetzt viele Pläne zur weiteren Entwicklung auf
                                 										eine sichere Grundlage gesetzt werden. Es wird offenbar nur eine Frage der
                                 										Mittel sein, ob, wie von den Elektrikern in Chicago vorgeschlagen wird, die
                                 										bevorstehende Ausstellung von 1893 eine Kraftübertragung von 1000 PS durch
                                 										Drähte aus den Niagara Fällen aufweisen wird“; und Lahmeyer entwickelte in einem Vortrage im Elektrotechnischen Verein zu
                              									Berlin am 23. Februar 1892 eingehend mit zahlenmäßigen Belegen die Bedeutung
                              									zentraler Krafterzeugung und ihrer Fernleitung auf elektrischem Wege für die
                              									industrielle Entwicklung Deutschlands. Als unbedingte Voraussetzung für die
                              									Nutzbarmachung der elektrischen Kraftübertragung erklärte er jedoch die Anwendung
                              									oberirdischer Leitungen, und da gerade zu dieser Zeit dem Reichstage das
                              									Telegrafengesetz vorlag, so behandelte er auch besonders die Beeinflussung der
                              									Schwachstromleitungen durch den Starkstrom und berichtete über diesbezüglich
                              									angestellte Versuche, die zu dem Ergebnis geführt hätten, daß die nachteiligen
                              									Einflüsse in ausreichendem Maße durch Verdrillung der Starkstromleitungen und
                              									Anordnung einer besonderen Rückleitung für die Schwachstromleitungen zu beheben
                              									seien. Das Telegrafengesetz gehe deshalb zu weit, wenn es – wie beabsichtigt – die
                              									im Interesse eines einwandfreien Schwachstrombetriebes notwendigen Aenderungen
                              									lediglich an den Starkstromanlagen verlange; das würde letzten Endes die Verlegung
                              									von Kabelleitungen bedingen, die durch ihre beträchtlichen Kosten die Ausdehnung der
                              									elektrischen Kraftübertragung behindern würden, während besondere (gemeinsame)
                              									Rückleitungen für die Schwachstromanlagen nur mit geringen Ausgaben herzustellen
                              									wären.
                           Mit anerkennenswerter Offenheit erklärte Lahmeyer: „Das
                                 										glänzende Gelingen des Frankfurter Kraftübertragungsversuches und die allgemeine
                                 										Anerkennung seiner national-ökonomischen Bedeutung widerlegt die von dem
                              									Staatssekretär des Reichspostamts, von Stephan, in den
                              									Kommissionsberatungen zu dem Telegraphengesetz getanen Aeußerungen: „es sei
                                 										utopistisch, zu glauben, daß die Elektrizität im Wege der Verteilung im großen
                                 										Maßstabe dem Kleingewerbe nutzbar zu machen sei, denn dieselbe koste viel Geld
                                 										und lasse sich nicht an die Strippe legen“ sowie „die
                                 										Telegraphenverwaltung stehe nicht als Partei, sondern als die Vertretung des
                                 										öffentlichen Interesses und des Staatswohles da“ und verlangte zum
                              									Schluß seines Vortrages freie Bahn für die Betätigung auf dem Gebiete der
                              									elektrischen Hochspannung.
                           In welchem Maße diese geschaffen und in den späteren Jahren erweitert worden ist,
                              									zeigt der Siegeslauf der Elektrotechnik, den nicht zum Mindesten deutsche Tatkraft
                              									und deutsches Können durch die elektrotechnische Ausstellung zu Frankfurt a. M. im
                              									Jahre 1891 eingeleitet haben.