| Titel: | Rechts-Schau. | 
| Autor: | Werneburg | 
| Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 304 | 
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                        Rechts-Schau.
                        Rechts-Schau.
                        
                     
                        
                           Vorbenutzungsrecht und Maschinenindustrie. Nach § 5
                              									des Patentgesetzes tritt die Wirkung des Patentes gegen denjenigen nicht ein,
                              									welcher zur Zeit der Anmeldung bereits im Inlande die Erfindung in Benutzung
                              									genommen oder die zur Benutzung erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Wie
                              									ersichtlich, macht diese gesetzliche Bestimmung hinsichtlich der Person des
                              									Vorbenutzers keinen Unterschied, ob diese ein Inländer oder Ausländer ist, sie
                              									verlangt lediglich, daß die Erfindung zur Zeit der Anmeldung bereits im Inlande in
                              									Benutzung genommen worden war. Hatte also z.B. eine österreichische Maschinenfirma
                              									ihr besonders geartetes – aber noch nicht patentiertes – Maschinenfabrikat in
                              									Deutschland in Gebrauch genommen, so kann sie dasselbe auch später noch dann in
                              									Gebrauch behalten, wenn einer deutschen Maschinenfirma auf dieses von ihr ebenfalls
                              									erfundene Maschinenfabrikat auf Grund ihrer Patentanmeldung ein Patent erteilt wird;
                              									es kann also m. a. W. der deutsche Patentinhaber der österreichischen Firma den
                              									Gebrauch des Patentes nicht untersagen, da diese ein Vorbenutzungsrecht an dem
                              									Patent nach dem erwähnten § 5 P. G. erworben hatte. In der Literatur wird nun von
                              										Isay (Patentgesetz S. 315) angenommen, daß ein
                              									Vorbenutzer, der im Ausland wohnt, mit Rücksicht auf den § 12 P. G. zur Ausübung
                              									seines Vor- bzw. Fortbenutzungsrechtes einen Vertreter im Inlande bestellen müsse;
                              									weil jeder nicht im Inlande Wohnende, der ein Recht aus dem Patent geltend mache,
                              									eines Vertreters bedürfe, so begründet Isay seine
                              									Ansicht, so müsse z.B. auch der Vorbenutzer, der auf Feststellung klagen wolle, sich
                              									hierzu eines Vertreters bedienen. Das würde also zur Folge haben, daß die
                              									österreichische Maschinenfirma einen Vertreter in Deutschland bestellen müßte, wenn
                              									sie ihr Recht aus dem Vorbenutzungsrecht dem deutschen Patentinhaber in Deutschland
                              									gegenüber weiterhin ausüben wollte. Dieser Ansicht Isays
                              									ist m. E. zweifellos beizustimmen, wie sich aus der entsprechenden Bestimmung des §
                              									12 P. G. ergibt; denn nach dieser Bestimmung kann ein im Auslande Wohnender den
                              									Anspruch auf Erteilung eines Patentes und die Rechte aus dem Patent nur geltend
                              									machen, wenn er im Inlande einen Vertreter bestellt hat. Wenn also das Gesetz die
                              									Geltendmachung der Rechte aus einem Patent seitens eines im Auslande Wohnenden von
                              									der Bestellung eines Vertreters im Inlande abhängig macht, so muß dieses auch für
                              									die Geltendmachung der Rechte aus einem Vorbenutzungsrecht gelten, da inhaltlich
                              									sich das Recht aus einem Vorbenutzungsrecht von dem aus einem Patent in nichts
                              									unterscheidet, insofern ja beide Rechte solche aus der Erfindung sind.
                           Der maßgebende Zeitpunkt für die Fortdauer des Vorbenutzungsrechtes dem Patentinhaber
                              									gegenüber ist von dem § 5 P. G. auf die Zeit der Anmeldung des Patentes verlegt
                              									worden. Als Anmeldung des Patentes im Sinne dieser Bestimmung ist die Anmeldung der
                              									Erfindung als solcher zur patentrechtlichen Schützung zu verstehen. Wenn daher
                              									eine Eingabe des Anmelders im Erteilungsverfahren nicht als Kundgabe eines neuen
                              									Erfindungsgedankens, sondern nur als Erläuterung der ursprünglichen Anmeldung
                              									anzusehen ist, so kann, wie das Reichsgericht (Bd. 63 S. 163) zutreffend entschieden
                              									hat, der Patentinhaber in vollem Umfange die Priorität der ersten Anmeldung
                              									beanspruchen. Das hat also zur Folge, daß ein Dritter, der vor jener (zweiten)
                              									Eingabe aber nach der ersten Anmeldung die Erfindung in Benutzung genommen hat,
                              									hierauf ein Vorbenutzungsrecht aus § 5 P. G. nicht stützen kann (B. G. E. 22 III
                              									1911 Recht 1911 Nr. 3378). Bezüglich eines Kombinationspatentes, d.h. eines aus
                              									mehreren Patenten zusammengesetzten einheitlichen Patentes, muß derjenige, der ein
                              									Vorbenutzungsrecht an diesem geltend machen will, demnach zur Zeit der Anmeldung die
                              									Verbindung der einzelnen Elemente als solche, die Kombination, bereits in
                              									Vorbenutzung im Sinne des § 5 P. G. genommen haben; denn der § 5 P. G. setzt voraus,
                              									daß die Erfindung als solche zur Zeit der Anmeldung in Benutzung genommen sein muß,
                              									bei der Kombinationserfindung also die Kombination als solche.
                           Für das Vorbenutzungsrecht aus § 5 P. G. ist es aber nicht erforderlich, daß der
                              									Vorbenutzer auch den Erfindungsgedanken Im wissenschaftlichen Sinne geistig erfaßt
                              									hatte, da das Gesetz eine derartige Voraussetzung nicht aufstellt. So heißt es denn
                              									auch in dem Bericht der Reichstagskommission zum, Entwurf eines Patentgesetzes
                              									lediglich, daß es unbillig wäre, das Recht der Benutzung dem zu entziehen, der
                              									Kraft, Zeit und Kapital für die Erfindung aufwandte oder die zur Benutzung
                              									erforderlichen Veranstaltungen getroffen hatte. Es ist also auch hier mehr Gewicht
                              									auf das rein wirtschaftliche, wie auf das rein geistige Moment gelegt worden. Auch
                              									das Reichsgericht teilt offenbar diesen Standpunkt, denn es führt in seinem Urteil
                              									vom 11. II. 1899 in dieser. Hinsicht aus: „Unrichtige Voraussetzungen über die
                                 										Wirkungsart der angewendeten Mittel nehmen dem Benutzenden nicht die
                                 										Qualifikation des Vorbenutzers“. Hat also zum Beispiel der Vorbenutzer durch
                              									versuchsweise Zusammenstellung mehrerer technischer Fabrikate ein Fabrikat mit
                              									besonderer Wirkung hergestellt, so ist es durchaus nicht erforderlich, daß er sich
                              									über diese Wirkung auch im technisch-wissenschaftlichen Sinn klar ist; es steht ihm
                              									daher ein Vorbenutzungsrecht auch gegenüber demjenigen Patentinhaber zu, der später
                              									durch rein wissenschaftliche Untersuchungen dasselbe Fabrikat herstellt und auch den
                              									wissenschaftlichen Gedanken der Erfindung erfaßt hat. Allerdings wird man in solchen
                              									Fällen für den Umfang des Vorbenutzungsrechtes gewisse Schranken zu ziehen haben.
                              									Während nämlich demjenigen späteren Patentinhaber, der den Erfindungsgedanken völlig
                              									erfaßt hat, sämtliche Ausführungsformen seiner Erfindung durch sein Patentrecht
                              									offenstehen, bleibt
                              									der Vorbenutzer, dem die wissenschaftliche Erkenntnis der Erfindung fehlt, auf die
                              									vorbenutzte Ausführungsform der Erfindung beschränkt. Hatte jedoch der Vorbenutzer
                              									gleich dem Patentinhaber auch die wissenschaftliche Erkenntnis des
                              									Erfindungsgedankens, so stehen ihm wie diesem letzteren auch sämtliche
                              									Ausführungsformen der Erfindung offen, es besteht m. a. W. hier keinerlei Schranken
                              									für sein Vorbenutzungsrecht. Praktisch wird allerdings diese Unterscheidung nur
                              									wenig Bedeutung haben; denn gesetzt den Fall, daß der Vorbenutzer eine spätere
                              									weitere Ausführungsform der Erfindung seitens des Patentinhabers gleichfalls
                              									anwendet, so hat der Patentinhaber den Beweis zu führen, daß der Vorbenutzer hierzu
                              									nicht berechtigt, weil letzterer den Erfindungsgedanken nicht geistig erfaßt habe.
                              									Wie soll aber der Patentinhaber prozessual diesen Beweis eines solchen rein internen
                              									Geisteszustandes des Vorbenutzers erbringen, zumal dann, wenn sich der Vorbenutzer
                              									die Erkenntnis des Erfindungsgedankens – mehr kann niemals gefordert werden – selbst
                              									oder von dritter Seite inzwischen verschaft hat, zumal ja auch nach dem erwähnten
                              									Reichsgerichtsurteil unrichtige Voraussetzungen über die Wirkungsart gar nicht
                              									schaden sollen? Es werden hiernach wohl nur Ausnahmefälle in Betracht kommen.
                           Unter Benutzung der Erfindung seitens des Vorbenutzers im Sinn des § 5 P. G. fällt
                              									jedenfalls das „Herstellen“ und „Gebrauchen“ der Erfindung durch
                              									diesen. Zweifelhaft ist, ob auch das „in den Verkehr bringen“ und
                              										„Feilhalten“ eine derartige Benutzung der Erfindung gemäß § 5 P. G.
                              									darstellt. Allfeld (Kommentar zu den Gesetzen über das
                              									gewerbliche Urheberrecht 1904) führt hierzu aus: „Wer, ohne den Gegenstand der
                                 										Erfindung hergestellt zu haben, zur Zeit der Anmeldung ein oder das andere
                                 										Exemplar desselben als Händler feilgehalten oder sonst in den Verkehr gebracht
                                 										hat, nachdem er es von dem – vielleicht im Auslande befindlichen – Fabrikanten
                                 										bezogen hatte, kann unmöglich von dem Gesetz mit der Befugnis ausgestattet sein,
                                 										nicht nur in aller Zukunft den Gegenstand zu beziehen und zu verkaufen, sondern
                                 										ihn auch herzustellen und zu gebrauchen, soweit sich in seinem eigenen Betriebe
                                 										ein Bedürfnis hierfür ergibt.“ Die entgegengesetzte Auffassung wird von dem
                              									Reichsgericht in seiner neuesten Entscheidung vom 24. Juni 1912 (Bd. 80 S. 15 ff.)
                              									vertreten, in dem es in dieser ausdrücklich feststellt, daß nicht nur das
                              									gewerbsmäßige Herstellen und Gebrauchen, sondern auch das gewerbsmäßige
                              									Inverkehrbringen und Feilhalten eine Vorbenutzung im Sinne des § 5 P. G. darstellen
                              									könne. Zum Schluß wird in dieser Entscheidung nämlich ausgeführt: „Hiernach ist
                                 										davon auszugehen, daß auch der Ausländer, der bisher im Ausland produziert und
                                 										seine Produkte in Verkehr gebracht hatte, in der Ausübung dieses
                                 										Gewerbebetriebes durch ein späteres deutsches Patent, das die gleiche Produktion
                                 										zum Gegenstand hat, nicht beeinträchtigt werden darf, sondern sich unter den
                                 										übrigen gesetzlichen Voraussetzungen mit Erfolg auf den Schutz des § 5 P. G.
                                 										berufen kann.“ Meines Erachtens dürfte ersterer Ansicht jedoch der Vorzug zu
                              									geben sein, da der Schutz, den das Reichsgericht dem ausländischen Importeur
                              									gegenüber dem inländischen Produzenten und Patentanmelder zu dessen Nachteil
                              									angedeihen läßt, sich nach den Ereignissen und Erfahrungen des gegenwärtigen Krieges
                              									als durchaus unangebracht, man kann wohl sagen als unhaltbar erwiesen hat.
                           Rechtsanwalt Dr. iur. Werneburg, Cöln
                                 									a. Rh.