| Titel: | Die Entwicklung der technischen Physik in den letzten 20 Jahren. | 
| Autor: | W. Hort | 
| Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 329 | 
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                        Die Entwicklung der technischen Physik in den
                           								letzten 20 Jahren.
                        Von Ingenieur Dr. W. Hort, Berlin-Siemensstadt.
                        (Fortsetzung von S. 283 d. Bd.)
                        HORT: Die Entwicklung der technischen Physik in den letzten 20
                           								Jahren.
                        
                     
                        
                           III. Technische
                                 										Elastizitätslehre.
                           Es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß die Beobachtung der Formänderung und des
                              									Bruches an festen Körpern schon bei den ältesten Versuchen der Bautechnik gemacht
                              									worden ist; es ist auch bekannt, daß die elastische Formänderung absichtliche
                              									Verwendung erfuhr bei den ballistischen Geschützen der Kriegstechnik vor der
                              									Erfindung des Pulvers. Von wissenschaftlichen Aufzeichnungen über diese Fragen ist
                              									jedoch aus den Zeiten vor Galilei nichts erhalten
                              									geblieben.
                           Durch GalileiDiscorsi e Dimostrazioni maternatiche. Leiden. 1638. kam
                              									zunächst die Frage der Balkenbiegung in Fluß, die einschließlich der Knickung schon
                              									zu Eulers ZeitenEuler. Methodus inveniendi lineas curvas etc.
                                    											Add. De curvis elasticis. Lausanne 1744. ziemlich befriedigend
                              									gelöst war. Es scheint auch, daß es zu Eulers Zeiten
                              									gebräuchlich wurde, von Elastizität und elastischen Körpern zu sprechen. CoulombMémoires
                                    											présentés par divers savants. 1776. brachte dann die elementare
                              									Balkentheorie, die noch heute als in erster Annäherung richtige Berechnungsgrundlage
                              									benutzt wird, zum Abschluß, und beschäftigte sich auch schon mit der Verdrehung
                              									runder Metallstäbe. Elastische dynamische Vorgänge (Schwingungen) waren von Euler und D. BernoulliSiehe Eulers oben
                                    											zitierte Arbeit und D. Bernoulli in Comm. Acad.
                                    											Scient. Petrop. 1767. untersucht worden.
                           Die Ausbeute an scharfen wissenschaftlichen Begriffsbildungen war in dieser ersten
                              									Zeit der Entwicklung noch sehr gering, die Forschungen bauten sich auf oft nicht
                              									klar ausgedrückten Annahmen auf und führten nur deshalb zu annähernd brauchbaren
                              									Ergebnissen, weil sie stets Körper behandelten, bei denen eine oder zwei Dimensionen
                              									klein gegen die übrigen waren. Die Bedeutung der physikalischen Konstanten, die
                              									wir heute Elastizitätsmodul und Schubmodul nennen, war Coulomb noch verborgen.
                              									Ueber jenen wurde sich zuerst wohl YoungYoung. A Course of
                                    											Lect. on Nat. Phil. and the Mech. arts. Lond 1807. klar (die
                              									Engländer sprechen heute noch von Youngs Modulus), der
                              									auch zuerst im Schübe eine von der Dehnung verschiedene elastische Formänderung
                              									erblickte, während der entsprechende Modul zum erstenmal bei NavierRésumé des leçons
                                    											sur l'application de la mécanique à l'établissement des constructions et des
                                    											machines. 1826. auftritt. Von der Querkontraktion in ihrer
                              									Beziehung zur Dehnung und von derjenigen Größe, die als Bruchfestigkeit für die
                              									Berechnung von Maschinenteilen von besonderer Wichtigkeit ist, war auch Navier noch nichts bekannt. Immerhin gelang im ersten
                              									Drittel des 19. Jahrhunderts den Bemühungen Naviers,Mém. Acad. Sciences. 1827.
                              									CauchysBull. Soc.
                                    											philomatique. 1828. und PoissonsMém. Acad. Sciences. 1829. die
                              									Aufstellung der Differentialgleichungen der elastischen Formänderung oder auch der
                              									Spannungen eines Körpers von drei Dimensionen, deren Integration für die
                              									verschiedensten technisch und physikalisch wichtigen Fälle, der Gegenstand der
                              									mathematischen Elastizitätslehre, bis in die neueste Zeit durch zahlreiche, zum Teil
                              									berühmte Untersuchungen gefördert worden ist.
                           Das allgemeine Ziel der Elastizitätstheorie ist die Ermittlung
                                 										des Formänderungs- oder Spannungszustandes in
                              									einem gegebenen Körper bei gegebenen äußeren Kräften und Auflagerbedingungen.
                           Aus den allgemeinen Navier-Poissonschen
                              									Differentialgleichungen für die Formänderungen ξ η ζ
                              									nach den drei Achsenrichtungen leitet man in der Mehrzahl der Fälle eine einzige
                              									Differentialgleichung für eine bestimmte Formänderung,In anderen Fällen tritt in der
                                    											Differentialgleichung eine sogenannte Spannungsfunktion als zu bestimmende Größe (abhängige Variable)
                                    											auf, aus der man die Spannungen durch Differentiationen nach den Koordinaten
                                    											ableiten kann. bei einem Rohr zum Beispiel die radiale
                              									Verschiebung, ab, die zu integrieren ist unter Berücksichtigung der äußeren Kräfte
                              									und der Auflagerbedingungen. Diese Kräfte und Auflagerbedingungen haben den
                              									Charakter von Randbedingungen; die Aufgabestellungen der Elastizitätstheorie gehören
                              									also in das Gebiet der Randwertaufgaben.Siehe
                                    											oben Note 11.
                           Schon bei einfachen Körpern und Randbedingungen kommt man auf ziemlich schwierige
                              									mathematische Aufgabestellungen. Es ist erfreulich festzustellen, daß trotzdem die
                              									elastischen Randwertprobleme weit gefördert sind, so daß auch die Technik aus den
                              									theoretischen Ergebnissen Nutzen ziehen konnte. Indessen harren noch manche
                              									technisch wichtigen Aufgaben der strengen Lösung.
                           Im einzelnen handelt es sich bei der Untersuchung der technischwichtigen Beanspruchungsfälle um die Biegung und Torsion von
                              									geraden und krummen Stäben (Balken und Federn), Biegung
                              									von ebenen Platten (Zylinderdeckel, Kesselböden,
                              									Schiffsböden), Beanspruchung von Rohren, Wellen,
                              									zylindrischen Behältern (Walzenkessel, Flammrohre, hohle
                              									Kolbenstangen, Wasserbehälterböden und -Wände, Talsperrenmauern), Beanspruchung von
                              									massiven Kugeln und Rollen in
                              									Lagern, sowie im Anschluß an das Aufkommen der Luftfahrt um die Statik der Membranen
                              									(Ballonhüllen).
                           Die strenge Theorie des prismatischen Balkens, dessen
                              									Querschnittsabmessungen klein sind gegen die Länge (Biegung und Torsion), ist schon
                              									von B. de St. VenantJourn. de math. 1856 S. 89. Mém. prés. par
                                    											Div. sav. 1855. vollständig erledigt worden. Nach ihr bleiben die
                              									Querschnitte eines tordierten Prismas (abgesehen vom Kreiszylinder) nicht eben,
                              									ebensowenig bleiben die Querschnitte eines am Ende eingespannten, am anderen Ende
                              									belasteten Stabes eben und senkrecht zur Stabachse. Wegen dieser verbessernden
                              									Beziehung zur elementaren Balkentheorie und weil sie eine nicht zu schwierige
                              									Einführung in das Wesen der mathematischen Elastizitätslehre gestattet, hat die
                              									Theorie von de St.-Venant in
                              									die neueren LehrbücherFöppl. Vorl. über techn. Mechanik Bd. III und
                                    											V.Lorenz. Technische Physik IV.
                                    										1913. der technischen Mechanik Eingang gefunden.
                           Handelt es sich um Balken, bei denen die Querschnittsabmessungen nicht klein gegen
                              									die Länge sind, so spielen die Schubspannungen eine wichtige Rolle. Dies ist einer
                              									der oben angedeuteten Fälle, in welchen wir uns mit NäherungslösungenFöppl. Vorl. über
                                    											techn. Mechanik III 1910 S. 132. begnügen müssen, wenn wir uns
                              									auf die Berechnung mit Hülfe der Theorie des dünnen Balkens nicht verlassen wollen.
                              									Hierher gehört zum Beispiel die BerechnungEnsslin. Mehrfach gekröpfte Kurbelwellen,
                                    											Dissert. Stuttgart 1901.Duffing. Beitrag
                                    											zur Bestimmung der Formänderung gekröpfter Kurbelwellen. Berlin
                                    										1906. der gekröpften Kurbelwellen.
                           Die Theorie der Torsion findet ihre technische Anwendung bei der Berechnung von Wellen. Sind diese zylindrisch und nicht
                              									gekröpft, so kann das gewöhnliche Untersuchungsverfahren, welches mit dem von de St.-Venant identisch ist, Platz greifen. Sind die
                              									Wellen nicht zylindrisch, sondern Rotationskörper mit mehr oder weniger plötzlichen
                              									Querschnittsänderungen, so können Untersuchungen von Föppl und WillersA. Föppl. Münch.
                                    											Berichte, 1905. Z. d. V. d. I. 1906.F. A. Willers. Z. f. Math. u. Phys. 1907. herangezogen
                              									werden.
                           Die Biegung ursprünglich krummer Stäbe wird, wenn auch für
                              									einige einfache Fälle strenge LösungenPrandtl. S. Föppl,
                                    											Techn. Mech. V. S. 73. Timpe. Z. f. Math. u.
                                    											Phys. 1905. Ebene Biegung eines unendlich dünnen Kreissektors
                              									bekannt sind, in allen technisch wichtigen Fällen nach Näherungsverfahren behandelt.
                              									Und zwar ist es für stark gekrümmte Stäbe ein einfaches Näherungsverfahren von Grashof,Theorie der
                                    											Elastizität und Festigkeit. 1878. welches so gute
                              									Uebereinstimmung mit der Wirklichkeit zeigt, daß es durch neuere VerfahrenMüller- Breslau.
                                    											Neuere Meth. der Festigkeitslehre und Statik der Baukonstruktionen 1913 S.
                                    											237. Pfleiderer Z. d. V. d. I. 1907.
                              									nicht verdrängt werden konnte. Verwendung findet die Grashofsche Theorie bei der Berechnung von Haken und Kettengliedern. Auch
                              									wurde durch Versuche an derartigen Konstruktionsteilen die Brauchbarkeit des Grashofschen Ansatzes mehrfach erwiesen, so unter andern
                              									in dem von uns betrachteten Zeitraum durch Föppl.Mitt. aus dem mech.-techn. Lab. München
                                    											1898.
                           Zur Anwendung der Biegungstheorie schwach gekrümmter
                                 									Stäbe, die schon von Navier entwickelt wurde, bot
                              									sich in neuerer Zeit ausgedehnter Anlaß bei der Untersuchung der Beanspruchungen der
                              									Statorgehäuse und der Rotorkränze großer Dynamomaschinen auf Grund von
                              									Veröffentlichungen von LinsenmanZ. f. Math. und Physik 1906. und
                              										Ch. A. Werner.Z. f. Math. und Physik 1905.
                              									Weiterhin ist eine Untersuchung von WeitbrechtDiss. tech. Hochschule Aachen 1908.
                              									zu verzeichnen, die sich mit der Festigkeit von Radkränzen mit vielen elastischen
                              									Speichen befaßt. Diese Untersuchung führt ältere Forschungen weiter über die
                              									Festigkeit von Radkränzen, die wir WinklerZivilingenieur 1860. und GrashofGrashof. Theorie der Elastizität u. Festigkeit.
                                    											1878. verdanken, wie eine Arbeit von K. ReinhardtZ. d. V. d. I.
                                    											1901. über selbstspannende Kolbenringe eine Frage betrifft, die
                              									bereits ResalAnnales des mines 1874. behandelt hatte.
                           
                           Die Elastizitätstheorie ebener Platten beschäftigt
                              									die Wissenschaft und Technik seit über 100 Jahren. Ziemlich am Anfang der
                              									Entwicklung steht die Experimentaluntersuchung Chladnis
                              									über Plattenschwingungen, dann folgen die anfechtbaren Arbeiten von Sophie Germain über die statische Biegung der dünnen
                              									Platten.
                           Erst LagrangeAnn.
                                    											chim. phys. 1828. stellte 1828 die noch heute allgemein benutzte
                              										DifferentialgleichungFöppl. Technische Mechanik V 1907.Lorenz. Technische Physik IV 1913. für
                              									die Durchbiegung der Plattenmittelebene auf:
                           
                              \frac{\partial^4\zeta}{\partial\,x^4}+2\,\frac{\partial^4\zeta}{\partial\,x^2\,\partial\,y^2}+\frac{\partial^4\zeta}{\partial\,y^4}=\frac{12\cdot(\mu^2-1)}{h^3\mu^2E}\,p,
                              
                           wo bedeuten:
                           
                              x, y die Koordinaten des einzelnen
                                 										Punktes der Plattenmittelebene,
                              p den auf der Platte lastenden
                                 										Flüssigkeitsdruck,
                              h die Plattendicke,
                              E den Elastizitätsmodul,
                              μ die
                                 										Querzusammenziehungszahl.
                              
                           Die Anwendung dieser partiellen Differentialgleichung vierter Ordnung (deren strenge
                              									Lösung nicht besonders verwickelt ist) stößt in praktischen Fällen auf
                              									Schwierigkeiten, weil die zur Lösung nötigen Randbedingungen sich in der
                              									Wirklichkeit kaum ermitteln lassen. Wir erinnern uns der Anm. S. 246 gegebenen
                              									Erläuterung des Begriffs Randwertaufgabe. Die zu bestimmende Größe, hier die
                              									Durchbiegung ζ, soll nicht nur der
                              									Differentialgleichung genügen, sie soll auch am Rande der Platte gewisse Bedingungen
                              									erfüllen. Eine der Bedingungen ergibt sich sofort aus der Bemerkung, daß die Platte
                              									am Rande, an welchem sie aufgelagert ist, offenbar keine Durchbiegung annehmen kann;
                              									es muß also am Rande ζ = 0 sein. Eine weitere Bedingung
                              									liefert nun die nähere Beschaffenheit der Befestigung des Randes. In der Praxis wird
                              									die ebene Platte am Rande fest eingespannt, so daß hier die ursprüngliche Lage der
                              									Plattenmittelebene erhalten bleiben müßte, wenn die Befestigungsschrauben nicht
                              									infolge ihrer Elastizität nachgeben würden. Man kann also über die Wirkung der
                              									Einspannung nichts aussagen, so daß die strenge mathematische Bestimmung von ζ unterbleiben muß.
                           Hierzu kommt, daß die oben angeführte Differentialgleichung nur für dünne Platten
                              									gilt, während in Wirklichkeit die Durchbiegungen mit der Plattendicke
                              									größenordnungsgleich sind. In diesem letzteren Fall werden die mathematischen
                              									Ansätze ungleich verwickelter, während die Schwierigkeit der Festlegung der
                              									Randbedingungen bestehen bleibt. So ist es zu erklären, daß die praktische
                              									Elastizitätstheorie der Platten heute noch auf wesentlich empirischer Grundlage
                              									aufgebaut ist. Diese namentlich von C. BachC. Bach.
                                    											Elastizität und Festigkeit. Berlin 1905. Die Maschinenelemente. Leipzig
                                    											1908. herrührenden Verfahren umgehen die theoretischen
                              									Schwierigkeiten durch Annahmen über die wahrscheinliche Lage der Bruchfuge und
                              									die Verteilung der Einspannungskräfte. Da diese Näherungsverfahren durch Versuche
                              									ausgiebig geprüft worden sind, so leisten sie durchaus nützliche Dienste, wenn man
                              									bei ihrer Anwendung sich über die Zulässigkeit der gemachten Annahmen immer von
                              									neuem Rechenschaft gibt und in Zweifelfällen einen Versuch zu Rate zieht.
                           Ein besonders wichtiges Beanspruchungsproblem stellen die rasch
                                 										rotierenden Scheiben (Schleifsteine, Dampfturbinenräder) dar. Eine ganze
                              									Reihe neuerer Arbeiten widmet sich der Ermittlung der Spannungen in Scheiben
                              									konstanter und veränderlicher Dicke, so insbesondere von StodolaStodola. Die Dampfturbinen 3. A. 1905. – Z. d. V.
                                    											d. I. 1907. und den Engländern PurserIrish Acad. Dublin.
                                    											Trans. 1902. und Chree.Lond. Roy. Soc. Proc. 1895.
                           Die strenge Untersuchung von einfach oder doppelt gekrümmten
                                 										Platten (Rohre oder Wellen) führt naturgemäß auf noch erheblichere
                              									Schwierigkeiten als die der ebenen Platten, so daß man von vereinfachenden Annahmen
                              									ausgehen muß, wenn nicht die Natur der Aufgabestellung einen übersichtlichen Ansatz
                              									zuläßt.
                           Zunächst unterscheidet man auch hier dünnwandige und dickwandige Platten.
                           Sind die Platten einfach gekrümmt und in sich geschlossen, so nennt man sie Rohre. Die Theorie der kreisförmigen dünnwandigen Rohre
                              									unter gleichmäßigem innerem Druck (Dampfkessel) ist längst bekannt, dagegen wurde
                              									neuerdings durch ForchheimerZ. öst. Ing. Arch V. 1904. die
                              									Untersuchung auf große Wasserrohre ausgedehnt, die durch die Schwere des Wassers und
                              									den Auflagerdruck des Erdbodens sowie das Eigengewicht ungleichmäßig belastet und
                              									daher auf Biegung beansprucht werden.
                           Weitere Arbeiten widmen sich der Untersuchung dünnwandiger
                                 										gekrümmter Rohre, insbesondere der Ausgleichsrohre in
                                 										Dampfleitungen. Hier ist zu verzeichnen eine Versuchsarbeit von Bantlin,Z. d. V. d.
                                    											I. 1910. eine theoretische Arbeit von v. KármánZ. d. V. d. I.
                                    											1911. und die Darstellung von H. Lorenz.Technische Physik
                                    											IV.
                           Der letztere hat auch eine Theorie der Röhrenfedern der
                                 										ManometerZ. d. V. d. I.
                                    											1910. mit elliptischem Querschnitt veröffentlicht, nach der man
                              									den Proportionalitätsfaktor der Röhrenaufbiegung aus den Abmessungen der Feder und
                              									den Elastizitätseigenschaften ihres Stoffes berechnen kann. Andere Untersuchungen
                              									befaßten sich mit den achsensymmetrischen Beanspruchungen von
                                 										zylindrischen Rohren. Diese Beanspruchungsformen zeichnen sich dadurch aus,
                              									daß die der Untersuchung unterworfenen Größen nur in der Achsenrichtung veränderlich
                              									sind, so daß man die partiellen Differentialgleichungen auf gewöhnliche mit einer
                              									unabhängigen Veränderlichen zurückführen kann. So untersuchte WestphalZ. d. V. d.
                                    											I. 1897. den Einfluß der Flanschen auf
                              									die Festigkeit von Rohren, R. LorenzZ. d. V. d. I. 1908. die achsiale Knickung von Zylindern sowie die Formänderung
                              									von Rohren, die durch Ringrippen verstärkt sind. Hierbei
                              									ergibt sich, daß das Material des Rohres besser ausgenutzt wird, wenn man es in
                              									Gestalt von Ringrippen über die Rohrlänge verteilt, als wenn man es gänzlich zur
                              									Herstellung einer überall gleichen Wandstärke benutzen würde. Derselbe
                              										VerfasserZ. d. V. d, I.
                                    											1907. beschäftigte sich auch mit den Längsspannungen in den
                              									hohlen Kolbenstangen der Gasmaschinen, unter Annahme
                              									eines gleichmäßigen Wärmeflusses zwischen der heißen Außenwand der Stange und der
                              									wassergekühlten Innenwand. Es finden sich hierbei die von dem Temperaturunterschiede
                              									herrührenden Spannungserhöhungen so beträchtlich, daß sie in bestimmten Fällen für
                              									den Bruch von Kolbenstangen mit Recht verantwortlich gemacht werden.
                           In gleichem Maße technisch wichtig sind die Untersuchungen, die sich auf die
                              									Formänderung der Wände von Wasserbehältern, insbesondere
                              									von Talsperrenmauern unter dem Wasserdruck beziehen. Wir erwähnen hier zwei Arbeiten
                              									von RungeZeitschrift f. Math. und Phys. 1904. und ReißnerBeton und
                                    											Eisen 1908. sowie eine Einzelschrift von Pöschl und TerzaghiBerechnung von Behältern nach neueren
                                    											analytischen und graphischen Methoden. Berlin 1913. mit weiteren
                              									Literaturangaben.
                           Die Frage der Beanspruchung dickwandiger Rohre spielt ihre
                              									Hauptrolle im Geschützbau. Die große Zahl der hier
                              									vorliegenden Untersuchungen liegt größtenteils vor dem Zeitraum, den wir betrachten.
                              									Ihr wesentlicher Inhalt ist kürzlich von H. LorenzZ. d. V. d. I. 1916. in der Z. d.
                              									V. d. I. wiedergegeben worden. Während des Krieges vermutlich entstandene neuere
                              									Arbeiten entziehen sich naturgemäß vorläufig der Veröffentlichung.
                           Massive Kugeln und Rollen haben das Gemeinsame, daß sie
                              									stets nur über kleine Gebiete ihrer Oberfläche auf Druck beansprucht werden. Die
                              									theoretische Ermittlung der so eintretenden Spannungszustände verdanken wir einer
                              									berühmten Untersuchung von H. Hertz.Journal f. Math. 1882. Die
                              									Uebereinstimmung der Rechnungsergebnisse nach Hertz mit der Wirklichkeit hat bei
                              									Stahlkugeln von Kugellagern StribeckZ. d. V. d. I. 1901 und 1907. Mitt. über
                                    											Forschungsarbeiten. 1901. festgestellt.
                           Die Statik der Hüllen für Luftschiffe hat sich mit dem
                              									eigenartigen Ballonstoff zu befassen, für den die Voraussetzung der gewöhnlichen
                              									Elastizität nicht gelten kann, da er aus Geweben und Kautschuk zusammengesetzt ist.
                              									Dieser verwickelten Bauart entsprechend hatte man zunächst die elastischen
                              									Eigenschaften des Stoffes selbst zu ermitteln, ehe man an die erfolgreiche
                              									Untersuchung der Gleichgewichtsverhältnisse der mit Gas gefüllten Hülle selbst
                              									herangehen konnte. Von den Untersuchungen, die über diese Fragen handeln, sei als
                              									besonders wichtig eine Einzelschrift von Haas und DietziusLuftfahrt
                                    											und Wissenschaft IV. Berlin, Springer. 1913. erwähnt.
                           Nach diesem Ueberblick über die hauptsächlichsten Fälle statischer Beanspruchungen
                              									wenden wir uns zu den Fragen der elastischen Stabilität.
                              									Von alters her ist das Eulersche Knickproblem das wichtigste und am meisten untersuchte Beispiel
                              									elastischer Stabilität.
                           Für den untenstehend (Abb. 4) skizzierten
                              									Belastungsfall eines dünnen Stabes mit geführten Enden
                              									lautet bekanntlich die Eulersche Knickformel:
                           
                              P=\frac{\pi^2\,E\,J}{l^2}.
                              
                           Ohne weitere Erklärung kann man mit diesem Ansatz wenig anfangen. Es wäre vielleicht
                              									richtiger, ihn wie folgt zu schreiben
                           
                              P<\frac{\pi^2\,E\,J}{l^2}
                              
                           und ihn in die Worte zu kleiden: Soll die geradlinige Gestalt
                              									des dünnen, an seinen Enden geführten Stabes der Länge l, des Trägheitsmomentes J, des
                              									Elastizitätsmoduls E unter dem Einfluß der Achsialkraft
                              										P
                              									stabil sein, so muß P der
                              									obigen Ungleichung genügen. Die Eulerschen Formeln sind
                              									demnach Kennzeichen der Stabilität eines gegebenen Belastungszustandes. Wird P größer genommen als die Eulerschen Formeln angeben, so ist die geradlinige Gestalt des Stabes
                              									nicht mehr stabil; der Stab wird, sobald P um ein
                              									endliches Maß über die durch die Eulerschen Formeln
                              									festgesetzte Größe hinausgeht, um ein endliches Maß von der geraden Linie abweichen.
                              									Darüber, was bei dieser Abweichung mit dem Stabe sich ereignet, gibt der Eulersche
                              									Ansatz keine Auskunft. Dieser Umstand hat den Anlaß gegeben, nach anderen Formeln zu
                              									suchen, die gestatten, die Spannung zu berechnen, welche im Stabe auftritt, sobald
                              									er infolge endlicher Ueberschreitung der kritischen Last P um einen von Null verschiedenen Betrag ausweicht. Solche Ansätze erlangt
                              									man durch Untersuchung der elastischen Linie des durch eine Achsialkraft
                              									ausgebogenen Stabes. Die hierauf bezüglichen neueren UntersuchungenH. Lorenz. Z. d. V.
                                    											d. I. 1908. liefern in der Tat brauchbare Ansätze, die die
                              									älteren mehr empirischen Formeln entbehrlich machen und einen befriedigenden
                              									Anschluß an die Ergebnisse der zahlreichen vorliegenden Knickversuche geben.
                              									Jedenfalls kann heute die Knicktheorie als auch für praktische Zwecke abgerundet
                              									gelten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 332
                              Abb. 4.
                              
                           Ein in gleicher Weise wichtiges Beispiel elastischer Stabilität liefert die Belastung von Flammrohr durch äußeren Ueberdruck nach
                              										Abb. 5. Die nach dem heutigen Stande der
                              									Wissenschaft abschließende Ermittlung des kritischen Druckes lieferte R. LorenzPhysik.
                                    											Zeitschrift 1911 S. 241. mit
                           
                              p_0<\frac{4}{9}\ \frac{E\,\mu^2}{\mu^2-1}\
                                 										\frac{h^3}{{r_0}^3}.
                              
                           Die vielen entsprechenden empirischen Ansätze sind nachzusehen in Bachs Maschinenelementen.
                           Wir können die Betrachtung statischer elastischer Körperbeanspruchungen nicht
                              									schließen, ohne auch auf die Statik elastischer
                                 										Baukonstruktionen kurz einzugehen. Insbesondere handele es sich um die
                              									statisch bestimmten und unbestimmten Fachwerke. Deren
                              									Theorie ist durch Methoden, die auf den Clapeyron-, Menabrea-, Castigliano-, Maxwellschen Sätzen über die Arbeit der Formänderungen
                              									und die Gegenseitigkeit der Verschiebungen, wie auf dem Prinzip der virtuellen
                              									Verrückungen beruhen, durch zahlreiche Arbeiten vorzugsweise von Müller-Breslau,Müller-Breslau. Die neueren Methoden der
                                    											Festigkeitslehre und der Statik der Baukonstr. 1913.
                              									Mohr,O. Mohr. Abhandlungen aus dem Gebiete der techn.
                                    											Mechanik. Berlin 1905.
                              									GrüningM. Grüning. Beitrag zur kinematischen Berechnung
                                    											räumlicher Fachwerke. Zeitschr. f. Bauwesen 1908. zu einem hohen
                              									Grad der Vollkommenheit gebracht worden, so daß wir heute in der Lage sind, alle
                              									Fragen der Stabkräfte und der Knotenpunktsverschiebungen bei Fachwerken mit gelenkig
                              									gedachten Stabverbindungen entweder auf rechnerischem oder zeichnerischem Wege zu
                              									beantworten.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 333
                              Abb. 5.
                              
                           Die neueste Forschung beschäftigt sich vorzugsweise mit der Untersuchung von Fachwerken mit nicht gelenkigen Stabverbindungen,
                              									einerseits weil die genieteten Knotenpunkte gewöhnlicher statisch bestimmter oder
                              									unbestimmter FachwerkeSchachenmeier im „Eisenbau“ 1911 S.
                                    											429. nur angenähert, als Gelenke betrachtet werden können,
                              									andererseits weil neuerdings Fach werke technische Bedeutung gewonnen haben, die
                              									ohne steife Knotenpunkte überhaupt nicht tragfähig wären. Hierher gehören zum
                              									Beispiel die VierendeelträgerL. Mann. Zeitschr.
                                    											f. Bauwesen 1909 S. 539. nach Abb.
                                 										6.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 333
                              Abb. 6.
                              
                           Weniger vollkommen ist heute noch die Statik der Steinkonstruktionen entwickelt. Es ist klar, daß angesichts der
                              									Zusammensetzung der Steinbauten aus zahlreichen Elementen unter Vermittlung des
                              									Mörtels man in Verlegenheit sein kann, ohne gezwungene und weiter nachzuprüfende
                              									Annahmen zu befriedigenden Ansätzen zu gelangen. So steht auch heute noch die alte
                              									Stützlinien-Gewölbetheorie, wie sie zum Beispiel bei Föppl, Techn. Mechanik Bd. II dargestellt ist, einer
                              										BetrachtungsweiseF. Engesser. Das elastische Tonnengewölbe.
                                    											Zeitschrift für Bauwesen 1909. gegenüber, die die Gewölbe als
                              									homogene Schalen aus elastischem Material auffaßt und somit auf den weiter oben
                              									besprochenen Untersuchungen aufbaut. Es scheint übrigens die Berechtigung dieses
                              									letzteren Standpunktes durch Versuche genügend erwiesen zu sein.
                           Der jüngste, noch am wenigsten entwickelte Zweig der Statik der Steinbauten widmet
                              									sich dem Verbundbau. Hier findet naturgemäß eine Häufung
                              									von Schwierigkeiten mathematischer und physikalischer Natur statt, so daß erst nur
                              									ganz einfache FälleK. Wieghardt. Zeitschr. f. Math. u. Phys.
                                    											1908.A. Leon. Oesterr. Wochenschr. für den
                                    											öffentlichen Baudienst 1909. einer exakten Behandlung erschlossen
                              									worden sind. Im übrigen ist man vorläufig auf halb empirische Ansätze angewiesen,
                              									die durch die ausgedehnte Versuchstätigkeit auf dem Gebiete des Verbundbaues
                              									gestützt werden.
                           Werfen wir nun noch auf den Stand der Lehre vom Erddruck
                              									einen Blick, so kann es sich hier weniger um die zweifellos vorhandene Elastizität
                              									des Erdbodens handeln, als vielmehr um den von der Reibung und dem Gewicht
                              									abhängenden Druck sandförmiger Schichtkörper auf ihre Umgebung. Zur Berechnung
                              									dieses Druckes haben wir die alte Theorie CoulombsHütte 1909 Bd. 3 S. 333. der
                              									gegenüber zwar manche Einwände zu machen sind, ohne daß es bisher möglich war, eine
                              									neue allseitig befriedigende Behandlungsweise aufzustellen. An kritischen und
                              									bessernden Betrachtungen besitzen wir Arbeiten von F. KötterDie Entwicklung der
                                    											Lehre vom Erddruck. Zeitschr. f. Math. u. Phys. Jahresber. der D. Math. Ver.
                                    											1891–92. und Müller- Breslau,Der Erddruck auf Stützmauern. Stuttgart
                                    											1906. von denen die letztere auch über ausgedehnte Versuche auf
                              									dem Gebiete des Erddruckes berichtet.
                           Dynamische elastische Vorgänge sind schon frühzeitig
                              									rechnerisch und durch Versuch verfolgt worden.Siehe Note 78.
                           In der Folgezeit hat die Theorie der elastischen Schwingungen eine erhebliche
                              									Vervollkommnung erfahren, sowohl nach Richtung der Akustik wie auf dem Gebiete der
                              									Technik.
                           Die Schwingung ist von einem sich bewegenden Maschinenteil
                              									unzertrennlich. Jeder elastische Maschinen- oder Bauteil kann in Eigenschwingungen geraten. Periodisch auf ihn einwirkende
                              									Kräfte versetzen ihn in erzwungene Schwingungen, die mit
                              									der Ruhe des Ganges der Maschine oder mit der Aufrechterhaltung des Zusammenhanges
                              									der Bauteile um so unverträglicher sind, je näher die Gefahr der Resonanz zwischen Eigenschwingung und erzwungener
                              									Schwingung liegt.
                           
                           Wir haben die Fragen der elastischen Schwingungen bereits in Teil II unserer
                              									Darlegung gestreift, insbesondere sind die Arbeiten über Torsionsschwingungen von
                              									Wellen bereits genannt worden.
                           Biegungsschwingungen kommen abgesehen von Wellen besonders bei den Schubstangen der
                              									Kolbenmaschinen vor. Mit diesen haben sich bereits ältere Arbeiten von ResalAnn. des
                                    											mines. 1856. und de St.-VenantS. in Clebsch, Theorie de l'élasticité etc.,
                                    											traduct par B. de St. Venant et A Flamant. Paris 1883.
                              									beschäftigt, die das Problem mit großer mathematischer Exaktheit behandeln.
                              									Neuerdings sind die Beanspruchungen in den Schubstangen einer erweiterten
                              									Untersuchung mit allen Hilfsmitteln der höheren Mechanik (Differentialgleichungen
                              									von Lagrange) unterzogen worden durch Hiepe.Hiepe. Die kinetostatischen Schnittreaktionen des
                                    											Kurbelgetriebes. Diss. Jena 1915. In dieser Arbeit werden
                              									übrigens die mathematischen Resultate durch ein durchgerechnetes Beispiel sowie
                              									anschauliche Diagramme auch demjenigen zugänglich gemacht, der für das Studium
                              									verwickelter mathematischer Rechnungen keine Zeit finden kann.
                           Biegungsbeanspruchungen und Formänderungen von Balken durch rasch sich in der
                              									Längsrichtung hin bewegende schwere Körper kommen vor bei
                              									Brücken durch darüber fahrende Eisenbahnzüge und bei den durch das Eigengewicht
                              									gekrümmten Geschützrohren durch das abgefeuerte Geschoß. Zum ersten Problem liegt
                              									eine Arbeit von RadakovicWiener Berichte Bd. 108. vor, zum
                              									zweiten sei ein Aufsatz von H. J. JonesThe Stiffeness of guns. Engineering
                                    										1910. genannt.
                           Gleichfalls maschinentechnisch wichtig ist die elastische Beanspruchung durch Stoß.
                              									Schon Young und Poncelet war
                              									bekannt, daß die Stoßbelastung durch eine gegebene Kraft eine doppelt so große
                              									Formänderung hervorruft als die statische Wirkung derselben Kraft.
                           In allerneuester Zeit sind stoßartige Beanspruchungen infolge von Sprengungen bei
                              									eisernen Brücken untersucht worden durch BarkhausenZ. d. V. d. I. 1916. mit dem
                              									Ergebnis, daß durch eine Sprengung ein Brückenträger so erheblich beansprucht werden
                              									kann, daß seine Wiederbenutzung trotz äußerlicher Unverletztheit nicht ratsam
                              									erscheint.
                           
                              
                                 (Fortsetzung folgt.)