| Titel: | Analytische Untersuchungen der Biegungsschwingungen einer dreifach gelagerten Welle bei hohen Drehzahlen. | 
| Autor: | W. v. Borowicz | 
| Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 346 | 
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                        Analytische Untersuchungen der
                           								Biegungsschwingungen einer dreifach gelagerten Welle bei hohen Drehzahlen.
                        Von Dr.-Ing. W. v. Borowicz, Marktredwitz.
                        BOROWICZ: Analytische Untersuchungen der Biegungsschwingurigen
                           								usw.
                        
                     
                        
                           Die schnell umlaufenden Maschinen, insbesondere die Dampfturbinen, haben die
                              									Aufmerksamkeit auf eine eigenartige Erscheinung an den Wellen gelenkt. Während man
                              									die Drehzahl einer Welle allmählich steigert, kann man beobachten, daß die Welle bei
                              									bestimmten Drehzahlen Schwingungen ausübt, die bei weiterer Steigerung aufhören.
                              									Diese Drehzahlen, bei denen die Schwingungen der Welle regelmäßig wiederkehren und
                              									durch genaueste Herstellung nicht vollständig beseitigt werden können, werden in der
                              									Technik als kritische Drehzahlen bezeichnet, da bei ihnen die Wellen zum Bruch
                              									kommen können, wenn sie dauernd bei dieser Drehzahl laufen und äußere Stöße
                              									erfahren. Da eine bestimmte Zeit zur Entwicklung der gefährlichen Ausschläge
                              									notwendig ist und diese nur bei einer bestimmten Drehzahl erzwungen werden, so ist
                              									es in einigen Fällen möglich, durch schnelle Steigerung der Drehzahl die kritische
                              									zu überschreiten.
                           Auf das Verhalten der Welle während der kritischen Drehzahl ist auch das
                              									Massenträgheitsmoment der Welle und der Scheiben oder elektrischen Armatur von
                              									Einfluß. Während man bei Versuchen an Modellen mit kleinen Massen ohne Führung oder
                              									andere Sicherungen gegen zu große Ausschläge die kritische Drehzahl nicht
                              									überschreiten kann, können Dampfturbinen bei sorgfältigster Auswuchtung auch dauernd
                              									mit der kritischen Drehzahl laufen.
                           Die Steigerung der Drehzahl der schnell umlaufenden Maschinen läßt eine erhebliche
                              									Erhöhung ihrer Leistung zu; davon hat auch die Technik einen weitgehenden Gebrauch
                              									gemacht, wobei zur Herabsetzung der Herstellungskosten und der Lagerreibungsarbeit
                              									die Wellen beim Koppeln zweier Maschineneinheiten öfters nur dreifach gelagert
                              									werden. Aus konstruktiven Gründen ist man oft gezwungen, Turbodynamos über der
                              									kritischen Drehzahl laufen zu lassen. Da bei dreifach gelagerten Wellen bald nach
                              									Ueberschreitung der ersten kritischen Geschwindigkeit sich eine erneute Unruhe (die
                              									zweite kritische Geschwindigkeit) bemerkbar macht, welche ein bedeutend größeres
                              									Drehzahlgebiet beherrscht, so ist es von großer Wichtigkeit die Eigenschaften der
                              									dreifach gelagerten Welle eingehend zu untersuchen.
                           Es sei die Schwingung der Welle auf einen Augenblick in der angedeuteten Lage (Abb. 1) angehalten. In
                              										Abb. 4 ist die
                              									Projektion der Verbindungslinie der Zapfenmittelpunkte mit O bezeichnet. Die Durchstoßpunkte der Wellenteile AB und BC durch die entsprechenden Räder
                              									seien D1 und D2. OD1 und OD2 sind die
                              									Auslenkungen zur Zeit t. S1 und S2 sind
                              									die Lagen der Schwerpunkte der Rädermassen m1 und m2, wobei die Welle gewichtslos angenommen wird. Es
                              									sei vorausgesetzt, daß vor der Einwirkung der Kräfte P1 und P2 die Schwerpunkte S1 und S2 sich in derselben achsialen Ebene befanden. φ ist die Neigung der Linie D1S1 zur X-Achse, wo bei t
                              									= 0 d.h. zu Anfang der Bewegung φ = 0 sein muß. Wenn
                              									sich die Welle mit konstanter Winkelgeschwindigkeit dreht, ist φ = ωt.
                           Die dynamischen Grundgleichungen sollen für jeden Wellenteil einzeln angeschrieben
                              									werden. Nach dem dynamischen Grundgesetz ist das Produkt aus Beschleunigung des
                              									Schwerpunktes in Richtung einer Koordinatenachse und Masse des Körpers gleich der
                              									Komponente (in bezug auf dieselbe Achse) der Resultierenden aller auf die Masse
                              									einwirkender Kräfte. Es wird angenommen, daß der Wellenteil AB
                              									der Wirkung einer Biegungskraft P1 ausgesetzt ist, die eine Durchbiegung OD1 der Welle
                              									hervorrufen würde, wenn das Wellenende C im Lager nicht
                              									festgehalten wäre. Die Projektion des Biegungspfeiles auf die X-Achse wäre x1 + e1 • cos ωt. Da jedoch das Wellenende im Lager C festgehalten
                              									wird und außerdem noch der Wellenteil BC unter dem
                              									Einflusse einer Kraft P2 steht, so wird der Schwerpunkt S1 sich nicht um x1, sondern nur um x1 durchbiegen. Aus den Abb. 3 und 4 ist zu ersehen, daß
                           x_1=x_I-\lambda\,x_1+\mu\,x_2 . . . . . (1)
                           ist. Das Glied λx1 ist der Biegungspfeil, um den der Schwerpunkt S1 durch das
                              									Herunterdrücken des Wellenendes C gehoben wird. λ ist die Größe der zusätzlichen negativen
                              									Durchbiegung, wenn die resultierende Durchbiegung x1 = 1 ist.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 346
                              
                              
                           μ ist die Größe des
                              									Biegungspfeiles, um den sich der Schwerpunkt S1 senken wird, wenn x2 = 1 die resultierende Durchbiegung des
                              									Wellenteiles BC ist. Daraus folgt:
                           
                              x_I=x_1+\lambda\,x_1-\mu\,x_2=(1+\lambda)\,x_1-\mu\,x_2.
                              
                           Für den Wellenteil BC kann
                              									ebenfalls die Durchbiegung nach denselben Ueberlegungen angeschrieben werden:
                           x_{II}=x_2+\xi\,x_2-\rho\,x_1=(1+\xi)\,x_2-\rho\,x_1 . . .
                              									(2)
                           Die dynamischen Grundgleichungen haben dann die Form:
                           m_1\,\frac{d^2x_1}{d\,t^2}=-\
                                 										c_1\,[(1+\lambda)\,x_1-\mu\,x_2+e_1\,\mbox{cos}\,\omega\,t] (3)
                           m_2\,\frac{d^2x_2}{d\,t^2}=-\
                                 										c_2\,[(1+\xi)\,x_2-\rho\,x_1+e_2\,\mbox{cos}\,\omega\,t] (4)
                           Das Minuszeichen drückt aus, daß die inneren elastischen Kräfte der Welle zum
                              									Ursprung O hin gerichtet sind, entgegengesetzt der
                              									positiven Richtung von x1 bzw. x2.
                              									Die Grundgleichungen nehmen mit den Bezeichnungen
                           
                              
                                 
                                    a=(1+\lambda)\cdot \frac{c_1}{m_1},
                                    
                                 
                                    d=(1+\xi)\cdot \frac{c_2}{m_2},
                                    
                                 
                              
                                 
                                    b=-\ \mu\cdot \frac{c_1}{m_1},
                                    
                                 
                                    e=-\ \rho\cdot \frac{c_2}{m_2},
                                    
                                 
                              
                                 
                                    c=e_1\cdot \frac{c_1}{m_1},
                                    
                                 
                                    f=e_2\cdot \frac{c_2}{m_2},
                                    
                                 
                              
                           folgende Gestalt an:
                           \frac{d^2x_1}{d\,t^2}+a\,x_1+b\,x_2+c\cdot
                                 										\mbox{cos}\,\omega\,t=0 . . (5)
                           \frac{d^2x_2}{d\,t^2}+d\,x_2+e\,x_1+f\cdot
                                 										\mbox{cos}\,\omega\,t=0 . . (6)
                           Wird (5) nach x2 aufgelöst und in (6) eingeführt, so ergibt sich
                              									mit den neuen Bezeichnungen:
                           
                              \beta=(a+d)=(1+\lambda)\,\frac{c_1}{m_1}+(1+\xi)\,\frac{c_2}{m_2},
                              
                           
                              \gamma=ad+bc=\frac{c_1}{m_1}\cdot\frac{c_2}{m_2}\cdot[(1+\lambda)\,(1+\xi)-\mu\,\rho],
                              
                           
                              \delta=c\omega^2-cd+bf=\frac{c_1}{m_1}\cdot\left[e_1\omega^2-e_1\,(1+\xi)\,\frac{c_2}{m_2}-\mu\,e_2\cdot\frac{c_2}{m_2}\right]
                              
                           die lineare Differentialgleichung vierter Ordnung
                           \frac{d^4x_1}{d\,t^4}+\beta\,\frac{d^2x_1}{d\,t^2}+\gamma\,x_1-\delta\cdot
                                 										\mbox{cos}\,\omega\,t=0 . . . (7)
                           mit unveränderlichen Koeffizienten und einer Störungsfunktion.
                              									Das allgemeine Integral hat bekanntlich die Form:
                           
                              x_1=C_1e^{w_1t}+C_2e^{w_2t}+C_3e^{w_3t}+C_4e^{w_4t}+E\,\mbox{cos}\,\omega\,t+E_1\,\mbox{sin}\,\omega\,t.
                              
                           Es sei nun:
                           x_1={x_1}'+{x_1}'' . . . . . (8)
                           für
                           {x_1}'=C_1e^{w_1t}+C_2e^{w_2t}+C_3e^{w_3t}+C_4e^{w_4t} . .
                              									(9)
                           {x_1}''=E\,\mbox{cos}\,\omega\,t+E_1\,\mbox{sin}\,\omega\,t
                              									. . . . . . (10)
                           dann ist x1'' ein partikuläres
                              									Integral von (7); x1' dagegen ist das allgemeine Integral der linearen
                              									Differentialgleichung ohne Störungsfunktion:
                           \frac{d^4{x_1}'}{d\,t^4}+\beta\,\frac{d^2{x_1}'}{d\,t^2}+\gamma\,{x_1}'=0
                              									. . . . . (11)
                           Die Größen w1, w2, w3 und w4 sind Wurzeln der Gleichung w4 + βw2 + γ = 0, woraus
                           
                              w=\pm\sqrt{-\frac{\beta}{2}\pm\sqrt{\frac{\beta^2}{4}-\gamma}.}
                              
                           γ ist eine positive Größe, da
                           
                              (1+\lambda)\,(1+\xi)>\mu\,\rho
                              
                           ist. Daher auch
                           
                              \sqrt{\frac{\beta^2}{4}-\gamma}<\frac{\beta}{2},
                              
                           und alle vier Wurzeln sind rein imaginär. Das Integral x1' läßt sich daher mit
                           w_1=i\,\alpha_1;\ w_2=-\ i\,\alpha_1;\
                                 										w_3=i\,\alpha_2; und w_4=-\ i\,\alpha_2
                           so schreiben:
                           
                              {x_1}'=(C_1+C_2)\,\mbox{cos}\,\alpha_1\,t+(C_1-C_2)\,i\
                                 										\mbox{sin}\,\alpha_1\,t+
                              
                           
                              (C_3+C_4)\,\mbox{cos}\,\alpha_2\,t+(C_3-C_4)\,i\
                                 										\mbox{sin}\,\alpha_2\,t.
                              
                           Damit x1' reell wird, müssen C1 und C2, C3 und C4 je zwei konjugiert komplexe Zahlen darstellen.
                              									Setzt man also:
                           
                              
                                 
                                    A_1=C_1+C_2,
                                    
                                 
                                    A_2=C_3+C_4,
                                    
                                 
                              
                                 
                                    B_1=(C_1-C_2)\cdot i,
                                    
                                 
                                    B_2=(C_3-C_4)\cdot i,
                                    
                                 
                              
                           so wird
                           {x_1}'=A_1\ \mbox{cos}\,\alpha_1\,t+B_1\
                                 										\mbox{sin}\,\alpha_1\,t+A_2\ \mbox{cos}\,\alpha_2\,t+B_2\
                                 										\mbox{sin}\,\alpha_2\,t (12)
                           Es soll nun geprüft werden, ob (12) die Gleichung (11) befriedigt. Das ist der Fall,
                              									wenn
                           {\alpha_1}^4-\beta\,{\alpha_1}^2+\gamma=0,\ \
                                 										{\alpha_2}^4-\beta\,{\alpha_2}^2+\gamma=0  (13)
                           wenn also α1 = α2 ist. Es werde α1
                              									= α2 = α gesetzt, dann ist
                           
                              \alpha^4-\beta\,\alpha^2+\gamma=0
                              
                           oder unter Berücksichtigung der Werte für β und γ:
                           
                           \mu\,\rho=\left(1+\lambda-\frac{m_1}{c_1}\cdot
                                 										\alpha^2\right)\,\left(1+\xi-\frac{m_2}{c_2}\cdot \alpha^2\right)
                              									(14)
                           wofür wir kürzer μρ = k schreiben wollen. Nach Einführung der Bezeichnungen
                              										A1 + A2 = A und B1 + B2 = B in (12) erhält
                              									man:
                           
                              {x_1}'=A\,\mbox{cos}\,\alpha\,t+B\,\mbox{sin}\,\alpha\,t.
                              
                           Jetzt sollen die Ausdrücke E und E1 im partikulären Integral x1'' nach dem Verfahren der unbestimmten Koeffizienten
                              									ermittelt werden. Zu diesem Zweck ist der Ausdruck (10) für x1'' in (7)
                              									einzuführen, dann muß
                           
                              (\omega^4-\beta\,\omega^2+\gamma)\,E\,\mbox{cos}\,\omega\,t+(\omega^4-\beta\,\omega^2+\gamma)\,E_1\,\mbox{sin}\,\omega\,t=\delta\,\mbox{cos}\,\omega\,t
                              
                           sein. Nach dem erwähnten Verfahren müssen die Koeffizienten
                              									bei den entsprechenden trigonometrischen Funktionen auf beiden Seiten der Gleichung
                              									einander gleich sein, d.h.
                           E=\frac{\delta}{\omega^4-\beta\,\omega^2+\gamma}
                              									. . . . . (15)
                           und
                           
                              E_1=0
                              
                           Das partikuläre Integral (10) lautet daher
                           
                              {x_1}''=E\ \mbox{cos}\,\omega\,t.
                              
                           Hiernach findet man:
                           x_1=A\ \mbox{cos}\,\alpha\,t+B\ \mbox{sin}\,\alpha\,t+E\
                                 										\mbox{cos}\,\omega\,t . . . (16)
                           x_2=C\ \mbox{cos}\,\alpha\,t+D\ \mbox{sin}\,\alpha\,t+F\
                                 										\mbox{cos}\,\omega\,t . . . (17)
                           E=\frac{e_1\left(1+\xi-\frac{m_2}{c_2}\,\omega^2\right)+\mu\,e_2}{h}
                              									. . . (18)
                           F=\frac{e_2\left(1+\lambda-\frac{m_1}{c_1}\,\omega^2\right)+\rho\,e_1}{h}
                              									. . . (19)
                           
                              h=\mu\,\rho-\left(1+\lambda-\frac{m_1}{c_1}\,\omega^2\right)\,\left(1+\xi-\frac{m_2}{c_2}\,\omega^2\right).
                              
                           Aus der Betrachtung der Integrale (16) und (17) ist zu ersehen, daß zwischen der
                              									Bewegung einer Welle auf zweiFöppl, Technische Mechanik, IV. Bd. II. Aufl. S.
                                    											238. und drei Lagern eine Analogie herrscht. Die Bewegung läßt
                              									sich in zwei Anteile zerlegen, von denen der erste x1' und x2' vom Anfangszustande der Bewegung abhängt, da er
                              									Integrationskonstanten A, B, C und D enthält, dagegen von der Drehzahl der Welle
                              									unabhängig ist. Der erste Bewegungsanteil ist eine harmonische Schwingung der Welle,
                              									die unabhängig von dem zweiten Bewegungsanteil (auch bei ω = 0) entstehen und, falls genügende Dämpfung vorhanden, mit der Zeit
                              									abklingen kann. Der zweite Bewegungsanteil x1'' und x2'' ist von der Winkelgeschwindigkeit ω abhängig und stellt eine kreisförmige Bewegung der
                              									Schwerpunkte S1 und S2 dar. Die Halbmesser
                              									der Kreise sind für den Wellenteil AB durch Gleichung
                              									(18) und für BC durch Gleichung (19) gegeben. Im Falle
                              									einer Zusammenwirkung beider Bewegungsanteile beschreibt der Schwerpunkt eines jeden
                              									Wellenteiles eine Epizykloide. Die Größe der Ausschläge der Welle in jeder
                              									Spannweite hängt von den Halbmessern E und F ab; die Ausschläge können auch unendlich große Werte
                              									annehmen, wenn der Nenner von (18), (19) oder (15) gleich Null wird, d.h. wenn
                           \mu\,\rho=\left(1+\lambda-\frac{m_1}{c_1}\,\omega^2\right)\,\left(1+\xi-\frac{m_2}{c_2}\,\omega^2\right).
                              									. . (20)
                           oder, was das gleiche ist, wenn
                           \omega^4-\beta\,\omega^2+\gamma=0 . . . .
                              									(21)
                           wird. Aus dem Vergleich von (21) und (13) ist leicht zu
                              									erkennen, daß unendlich große Ausschläge bei den Spannweiten der Welle auftreten
                              									können, wenn die Winkelgeschwindigkeit ω der Rotation
                              									den Winkelgeschwindigkeiten der Wellenschwingungen gleich wird,
                           \omega=\alpha . . . . . . (22)
                           d.h. wenn eine Resonanz zwischen beiden Bewegungsanteilen
                              									auftritt.
                           Es muß untersucht werden, wie viel positive und reelle Wurzeln Gleichung (21)
                              									besitzt, da nur solche für die kritischen Umlaufzeiten in Frage kommen können. Alle
                              									vier Wurzeln
                           \omega=\pm\sqrt{\frac{\beta}{2}\pm\sqrt{\frac{\beta^2}{4}-\gamma}}
                              									. . . . . . (23)
                           sind reell, aber nur zwei positiv. Die dreifach gelagerte
                              									Welle hat also zwei kritische Drehzahlen, die in einem inneren Zusammenhange
                              									miteinander stehen. Für die Untersuchung der kritischen Drehzahlen höherer Ordnung
                              									muß eine neue Schwingungslinie angenommen werden, welche die Verbindungslinie der
                              									Zapfenmittelpunkte zwischen den Lagern in beiden Spannweiten scheidet.
                           Der Nenner in (18) und (19) kann in folgender Form angeschrieben werden:
                           \frac{c_1}{m_1}\cdot\frac{c_2}{m_2}\cdot\mu\,\rho-\left[(1+\lambda)\cdot\frac{c_1}{m_1}-\omega^2\right]\,\left[(1+\xi)\cdot\frac{c_2}{m_2}-\omega^2\right]
                              									(24)
                           Wenn man die Wellenteile AB und
                              										BC getrennt betrachtet (Welle im Mittellager
                              										„geschnitten“), so sind
                           \sqrt{\frac{c_1}{m_1}}=\omega_1 und
                              										\sqrt{\frac{c_2}{m_2}}=\omega_2
                           die kritischen Winkelgeschwindigkeiten dieser beiden
                              									Wellenteile. Werden die minutlichen Drehzahlen statt der Winkelgeschwindigkeiten in
                              									den Ansatz (24) eingeführt:
                           
                              n=\frac{30}{\pi}\cdot\omega,\
                                 										n_1=\frac{30}{\pi}\cdot\omega_1=\frac{30}{\pi}\cdot\sqrt{\frac{c_1}{m_1}},\
                                 										n_2=\frac{30}{\pi}\cdot\omega_2=\frac{30}{\pi}\cdot\sqrt{\frac{c_2}{m_2}},
                              
                           so wird der fragliche Nenner gleich:
                           {n_1}^2\,{n_2}^2\,\mu\,\rho-[(1+\lambda)\,{n_1}^2-n^2]\,[(1+\xi)\,{n_2}^2-n^2]
                              									(25)
                           Hieraus ist zu ersehen, daß bei n =
                                 										n1 oder n =
                                 										n2 der Nenner h nicht verschwindet, d, h. daß die Ausschläge E und F nicht unendlich groß werden. Bei
                              									Drehzahlen gleich den kritischen der einzelnen Wellenteile treten keine kritische
                              									Drehzahlen der dreifach gelagerten Welle auf, abgesehen von dem Fall, wo n = n1 = n2 und
                              										\frac{\mu}{\lambda}=\frac{\xi}{\rho} ist, d.h. wo beide
                              									Wellenteile einander gleich sind.
                           Es sollen nun die Ausschläge der einzelnen Wellenteile nach den Formeln (18) und (19)
                              									als Beispiel für eine dreifach gelagerte Turbodynamowelle berechnet werden. Eine
                              									Flanschkupplung stellte eine starre Verbindung der Turbinenwelle mit der Dynamowelle
                              									her; diese zusammengesetzte Welle ruhte auf drei Lagern. Eine graphische Berechnung, die aus
                              									ähnlichen Betrachtungen, wie eingangs erwähnt, abgeleitet wurde,Siehe Dissertation, München Februar
                                    										1915. ergab:
                           
                              
                                 Kritische
                                 Drehzahl
                                 der
                                 Turbinenwelle
                                 n1 =
                                    											1895
                                 
                              
                                 „
                                 „
                                 „
                                 Dynamowelle
                                 n2 =
                                    											2620
                                 
                              
                           (im Mittellager „geschnitten“).
                           
                              
                                 Erste
                                 kritische
                                 Drehzahl
                                 der
                                 ganzen
                                 Welle
                                 
                                    n
                                    I
                                    
                                 = 2070
                                 
                              
                                 Zweite
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 „
                                 
                                    n
                                    II
                                    
                                 = 2910
                                 
                              
                           Aus derselben graphischen Berechnung wurden die Werte
                              									entnommen:
                           λ = 0,260, μ
                                 										= 0,241, ξ = 0,175, ρ
                                 										= 0,0924.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 348
                              Abb. 5.
                              
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 348
                              Abb. 6.
                              
                           Die Ausschläge sind unter folgenden drei Annahmen berechnet:
                           Fall 1. Die Rotoren der Turbine und Dynamo haben gleich
                              									große Exzentrizitäten (e1 = e2).
                           Fall 2. Der Turbinenrotor ist vollständig ausbalanziert (e1 = 0); der
                              									Dynamorotor hat eine Exzentrizität e2.
                           Fall 3. Der Dynamorotor ist vollständig ausbalanziert (e2 = 0); der
                              									Turbinenrotor besitzt eine Exzentrizität e1.
                           
                           Die Ausschläge der Wellenteile werden in Einheiten der Exzentrizitäten e1 und e2 gemessen. Es sei
                              									ferner angenommen, daß die Ausschläge sich erst dann bemerkbar machen, wenn sie
                              									den vierfachen Wert der Exzentrizitäten erreichen. Dadurch wird es möglich gemacht,
                              									den Bereich der Unruhen der beiden kritischen Drehzahlen zu ermitteln. Das Resultat
                              									der Berechnung ist in Abb. 5 bis 7 eingetragen worden. Um außerdem die Ausschläge der
                              									Wellenteile untereinander vergleichen zu können, sind die Ausschläge der Wellenteile
                              									zusammen aufgetragen (Abb. 8 und 9).
                           Aus Abb. 5 ist zu ersehen, daß auf die erste kritische
                              									Drehzahl (n1 = 2070)
                              									diejenige Welle von Einfluß ist, welche die niedrigere kritische Drehzahl (im
                              									Mittellager „geschnitten“) hat, in diesem Fall die Turbinenwelle mit ihrer
                              									kritischen Drehzahl n1
                              									= 1895. Die Unruhe der Turbinenwelle ist bedeutend größer als die der Dynamowelle.
                              									Das Bild ändert sich dagegen bei der zweiten kritischen Drehzahl (nII = 2910). Hier ist
                              									es die Dynamowelle, welche die Unruhen hervorruft und die Turbinenwelle zum
                              									Mitschwingen zwingt; daher auch die Ausschläge der Dynamowelle bedeutend größer als
                              									die der Turbinenwelle. Die Schwingungen der Wellenteile beim Uebergange durch die
                              									auftretenden kritischen Drehzahlen hören nicht auf, wenn eine von den Wellen auch
                              									vollständig ausgewuchtet wäre, nur werden die Ausschläge bedeutend kleiner.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 348
                              Abb. 7.
                              
                           Die kritischen Drehzahlen der einzelnen Wellenteile (Welle im Mittellager
                              										„geschnitten“) kommen nicht zum Vorschein; die auftretenden kritischen
                              									Drehzahlen der dreifach gelagerten Welle liegen höher als die entsprechenden
                              									kritischen Drehzahlen der einzelnen Wellen.
                           Wenn die kritischen Drehzahlen nahe voneinander liegen, so kommen die Wellenteile
                              									nach der ersten kritischen Drehzahl nicht zur Ruhe, da, bevor die Schwingungen nach
                              									der ersten kritischen aufhören, schon neue von der zweiten hervorgerufen werden
                              									(Schwingungen der Turbinenwelle Abb. 8).
                           Die Größe der Exzentrizität der Turbinenwelle hat bei der zweiten kritischen Drehzahl
                              									nur einen kleinen Einfluß auf die Ausschläge der Dynamowelle, sie sind hauptsächlich
                              									nur von den Exzentrizitäten des eigenen Wellenteiles abhängig (Abb.
                                 										9). Die Größe der Exzentrizität der Dynamowelle dagegen ist von bedeutend
                              									größerem Einfluß auf die Turbinenwelle. Hier ist die Einwirkung der großen Masse der
                              									Dynamo auf die verhältnismäßig kleinen rotierenden Massen der Turbine ersichtlich
                              										(Abb. 8).
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 349
                              Abb. 8.
                              
                           Wenn die Annahme gemacht wird, daß Erschütterungen nur dann bemerkbar werden, wenn
                              									die Ausschläge das Vierfache der Exzentrizitäten erreichen, so kann aus den Kurven
                              										Abb. 5 bis 7
                              									ermittelt werden, bei welcher Drehzahl der unruhige Lauf der Welle beginnt und wie
                              									groß der Bereich der Unruhen bei beiden kritischen Drehgeschwindigkeiten werden
                              									kann. Die Genauigkeit des Auswuchtens ist bei der Turbinenwelle bedeutend höher als
                              									bei der Dynamowelle. Im ersten Fall werden die einzelnen Räder und dann der ganze
                              									Turbinenrotor (Welle mit aufgekeilten Rädern) ausgewuchtet; die Dynamowelle dagegen
                              									wird erst im fertig gewickelten Zustande auf die Balanziervorrichtung gebracht. Es
                              									liegt daher nahe, die Exzentrizität der Turbinenwelle kleiner als der Dynamowelle
                              									anzunehmen; es sei deshalb der Fall 2 (Abb. 6) näher
                              									betrachtet.
                           
                              
                                 
                                 Be-ginn
                                 Maxi-mum
                                 Ende
                                 Be-reich
                                 Anmerkungen
                                 
                              
                                 der Erschütterungen
                                 
                              
                                 nI
                                 TD
                                 20002050
                                 2070
                                 21902100
                                 190  50
                                 Größte Ausschlägebei der Turbinenwelle
                                 
                              
                                 nII
                                 TD
                                 28202600
                                 2910
                                 29703170
                                 150570
                                 Größte Ausschlägebei der Dynamowelle
                                 
                              
                           Die dreifach gelagerte Welle ist ohne Berücksichtigung der Versteifung der Radnaben
                              									und der elektrischen Armatur der Dynamowelle gerechnet worden; es war daher zu
                              									erwarten, daß die beobachteten kritischen Geschwindigkeiten höher als die
                              									gerechneten liegen werden.
                           Beobachtet wurden die größten Ausschläge bei n = 2200 an
                              									der Turbinenwelle; der Bereich der Unruhe war hier 200 Umdrehungen. Bei n = 2900 begann die Welle wieder unruhig zu laufen,
                              									wobei dieses Mal die Erschütterungen an der Dynamowelle auftraten und sich auf
                              									die Turbinenwelle fortpflanzten. Die Ausschläge wuchsen mit der Drehzahl ständig an;
                              									das Maximum konnte nicht ermittelt werden, da aus Festigkeitsrücksichten die
                              									Drehzahl über 3300 nicht gesteigert werden konnte.
                           Die Berücksichtigung der erwähnten Einflüsse führt zu einem Resultat, das mit den
                              									Beobachtungen sehr gut übereinstimmt, wobei bemerkt werden muß, daß der Einfluß der
                              									elektrischen Armatur der Dynamowelle nicht in dem vollen Maße wie im Beispiel von
                              									Prof. StodolaDampfturbinen, IV. Auflage, S. 304. berücksichtigt wurde.
                              									Die Größe des Einflusses ändert sich je nach Konstruktion und kann aus dem Vergleich
                              									der Berechnung mit den Beobachtungen für jeden Fall ermittelt werden.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 331, S. 349
                              Abb. 9.
                              
                           Prof. Stodola hat eine dreifach gelagerte Versuchswelle
                              										beobachtet,Ebenda S.
                                    										309. die sich bei der ersten und zweiten kritischen Drehzahl genau
                              									nach den aus theoretischen Betrachtungen hier gezogenen Schlüssen verhalten hatte.
                              									Eine Nachrechnung dieser WelleDissertation. unter Berücksichtigung der Art des Antriebes
                              									und der Lagerung hat Resultate ergeben, die gut mit den Beobachtungen
                              									übereinstimmen.
                           
                        
                           Zusammenfassung.
                           Es wird das Verhalten einer dreifach gelagerten Welle bei hohen Drehzahlen untersucht
                              									und gefunden, daß neben der ersten auch die zweite kritische Drehzahl beachtet
                              									werden muß; sie besitzt ganz analoge Eigenschaften wie die erste und kann unter
                              									Umständen nahe der ersten kritischen Drehzahl liegen. Es werden Formeln abgeleitet,
                              									aus denen man die Größe der Ausschläge der Wellenteile berechnen kann, was auch für
                              									eine Turbodynamowelle ausgeführt wird und mit den Beobachtungen an dieser Welle
                              									verglichen. Es wird ferner auf die Beobachtungen von Prof. Stodola hingewiesen, der Vorgänge an einer Versuchswelle festgestellt hat,
                              									die mit den hier aus theoretischen Betrachtungen gezogenen Schlüssen
                              									übereinstimmen.