| Titel: | Die Maschine Mensch, ihr Wirtschaftswert und ihre Leistungsfähigkeit. | 
| Autor: | W. Speiser | 
| Fundstelle: | Band 331, Jahrgang 1916, S. 364 | 
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                        Die Maschine Mensch, ihr Wirtschaftswert und ihre
                           								Leistungsfähigkeit.
                        Von Dipl.-Ing. W. Speiser.
                        SPEISER: Die Maschine Mensch, ihr Wirtschaftswert und ihre
                           								Leistungsfähigkeit.
                        
                     
                        
                           Inhaltsübersicht.
                           I. Der Wirtschaftswert der Maschine Mensch. 1. Bewertung auf Grund
                              									der Gestehungskosten. 2. Bewertung auf Grund der Erwerbsfähigkeit. 3.
                              										„Kaufmännischer Wirkungsgrad“.
                           II. Die Leistungsfähigkeit der Maschine Mensch. 1. Mechanische
                              									Arbeit. 2. Wirkungsgrad. 3. Mechanische Bewertung geistiger Arbeit.
                           III. Steigerung des Wirtschaftswertes. 1. Auswahl der Geeigneten.
                              									2. Erziehung und Ausbildung. 3. Rationelle Arbeitsmethoden.
                           IV. Bewertung der „Nebenprodukte“. 1. Sächliches. 2.
                              									Geistiges.
                           ––––––––––
                           
                        
                           I. Der Wirtschaftswert der Maschine
                                 										Mensch.
                           Der leibeigene Mensch des Altertums und des Mittelalters war für seinen Besitzer eine
                              									Ware, die ihm einen gewissen Wert darstellte. Gleichwie ein Arbeitstier gehalten
                              									wurde, um es Arbeit für den Besitzer leisten zu lassen, so arbeitete der Sklave, der
                              									Leibeigene für seinen Herrn; sein Tod bedeutete nichts weiter als einen
                              									wirtschaftlichen Verlust für den Besitzer.
                           Verhältnismäßig neu ist die Ueberlegung, daß auch der heutige freie Mensch einen
                              									Wirtschaftswert darstellt, wertvoll nun nicht mehr für einen einzelnen Eigentümer,
                              									sondern für die Gesamtheit, das Staatswesen. Das bekannte Scherzwort Lists
                              									„Wer Schweine aufzieht, ist also produktiv, wer Menschen erzieht,
                                 										unproduktiv“, beleuchtet die Art der Auffassung der älteren berufsmäßigen
                              									Nationalökonomie. Sinngemäß liegt ja in der Lehre von den drei Produktionsfaktoren
                              									Natur, Kapital und Arbeit bereits begründet, daß dem
                              									Erzeuger der wertschaffenden Arbeit ein bestimmter und bestimmbarer Wirtschaftswert
                              									innewohnen muß. Klar ausgesprochen ist diese Tatsache nur selten,Erst nachdem die vorliegende Arbeit nahezu
                                    											abgeschlossen war, sind mir die Arbeiten von Rud.
                                       												Goldscheid-Wien bekannt geworden („Entwicklungswerttheorie,
                                       												Entwicklungsökonomie, Menschenökonomie, eine Programmschrift“,
                                    											Leipzig 1908, ferner „Höherentwicklung und Menschenökonomie, Grundlegung
                                       												der Sozialbiologie“, Leipzig 1911; in diesem ausführlichen Werk
                                    											hauptsächlich Abschn. IX, Das Reproduktionsproblem und Abschn. X, Ausblick
                                    											auf die Menschenökonomie). G. wendet sich in kraftvollen Worten gegen die
                                    											Verschwendung des kostbaren Wirtschaftsgutes Mensch, dessen Wert er nicht
                                    											nur vom Standpunkt der kapitalistischen Bewertung, sondern von der höheren
                                    											Warte der Vorwärtsentwicklung der Menschheit betrachtet.„Dieses
                                       												Buch ist ein Protest gegen die unerhörte Menschenvergeudung, die auch in
                                       												unseren Tagen noch betrieben wird. Es ist eine Anklageschrift gegen alle
                                       												diejenigen, die den Wahnglauben vertreten und verbreiten, daß der Mensch
                                       												ein im Ueberfluß vorhandenes Gut ist, mit dem sparsam umzugehen niemand
                                       												verhalten zu werden braucht“ – so beginnt die Einleitung der
                                    											erstgenannten Schrift. „Man nimmt die Menschen“, heißt es dann in den
                                    											weiteren Ausführungen u.a., „und wandelt sie in sehr komplizierten
                                       												Prozessen zu den nichtigsten Gütern um, und wenn diese Umwandlung bei
                                       												der gerade bestehenden Struktur der Kaufkraft nur Profit abwirft, so
                                       												hält man sich schon zu der Annahme befugt, man habe Mehrwert
                                       												geschaffen.“Entsprechend dem mehr allgemein entwicklungs- und
                                    											bevölkerungstheoretischen Inhalt seiner auch ohne dies dringend
                                    											einleuchtenden Gedankenkreise verzichtet Goldscheid naturgemäß auf eine zahlenmäßige Festlegung des
                                    											menschlichen Wirtschaftswertes. Versuche zu einer quantitativen
                              									Bestimmung dieses Wertes noch seltener.
                           Zahlenangaben wie die des amerikanischen Arztes W. Farr,„Dokumente des
                                       												Fortschritts“, 1914 S. 479. der den Wert amerikanischer
                              									Arbeiter mit 25 Doll. für das neugeborene Kind bzw. 50 Doll. für den Zehnjährigen
                              									beginnen, auf 800 Doll. für den Halberwachsenen und bis zum Höchstwert von 1200
                              									Doll. für den 22-jährigen steigen, dann wieder auf 600 Doll. für den 50-jährigen und
                              									5 Doll. für den 70-jährigen fallen läßt, müssen natürlich durchaus unbefriedigt
                              									lassen, so lange über ihre Grundlagen nichts bekannt ist.
                           Zwei grundsätzlich verschiedene Wege sind eingeschlagen worden, ein Urteil über den
                              									Wirtschaftswert des Menschenlebens zu gewinnen.
                           1. Bewertung auf Grund der Gestehungskosten. Der
                              									Gedankengang des einen ist folgender:
                           Von seiner Geburt an, ja schon vor seiner Geburt verursacht der Mensch denen, die ihn
                              									aufziehen, und der Allgemeinheit Kosten, und zwar so lange, bis seine Erziehung so
                              									weit beendet ist, daß er selbst anfangen kann zu verdienen. Dieser Aufwand kann für
                              									jeden Zeitpunkt in
                              									der Entwicklung des Einzelnen zahlenmäßig bestimmt werden, die jeweilige Summe
                              									ergibt die „Gestehungskosten“ für den menschlichen Arbeiter. Es wird
                              									gewissermaßen ein Kapital aufgespeichert, vermöge dessen seinem Träger eine
                              									potentielle wirtschaftliche Energie innewohnt. Aus den Aufwendungen, die für die
                              									Jugendaufzucht und Erziehung gemacht werden, berechnete Potthoff 1908 den Wirtschaftswert der deutschen Jugend auf 1000 Milliarden
                              										Mark.Umschau 1908, S 281
                                    											bis 284. Der wirtschaftliche Wert des Menschenlebens. Diesem
                              									Gedankengang haftet jedoch ein grundsätzlicher Fehler an: die genannten Aufwendungen
                              									können nämlich noch keinen Aufschluß geben über den tatsächlichen Wert, sondern sie
                              									bedeuten im kaufmännischen Sinne eben die Gestehungskosten. Es ist der alte Unterschied zwischen Preis und Wert:
                              									jener „eine konkrete Tatsache“, dieser „nur ein Idol, eine
                                 										Hoffnung“.Warschauer, Vorlesung an der Techn. Hochschule
                                    											Berlin-Charlottenburg. Allgemeine Volkswirtschaftslehre 1904/05.
                              									Schon die Ueberlegung, daß ungeheure Summen an Erziehungs- und Ausbildungskosten
                              									ganz vergeblich aufgewandt werden, wenn infolge von Veranlagung, Krankheit oder
                              									anderweitiger Nichteignung schließlich der Einzelne nicht imstande ist, das
                              									angelegte Kapital werbend zu verzinsen,Siehe
                                    											z.B. Ludw. Jens, Umschau 1913 S. 103. Was kosten
                                    											die schlechten Rassenelemente den Staat und die Gesellschaft?
                              									zeigt, daß auf diesem Wege ein absoluter Wertmesser nicht zu erreichen ist. Weniger
                              									kompliziert der natürliche Abgang durch Tod die Frage, die hier aufgewendeten Kosten
                              									wären, da der Rest des Wirtschaftswertes Null wird, ohne weiteres auf den Aufwand
                              									für die Ueberlebenden zu verteilen. Doch kann natürlich auch dieser Ausgleich
                              									höchstens zur Ermittlung von Durchschnittswerten in Frage kommen.
                           2. Bewertung auf Grund der Erwerbsfähigkeit. Infolgedessen
                              									scheint viel mehr Aussicht auf Erfolg der andere Weg zu haben, der nicht von den
                              									Gestehungskosten vorwärts, sondern von der Verzinsung rückwärts schließt. Wenn
                              									irgend eine (Kapital-) Anlage einen gewissen Geldwert im Jahre einbringt, so kann
                              									aus diesem auf den Kapitalwert der Anlage geschlossen werden. Zur klareren
                              									Darstellung sei ein Vergleich mit einer industriellen Anlage durchgeführt.
                           Wenn die Industrie eine Maschine aufstellt, so erwartet sie davon einen Nutzen, der
                              									sich in einer angemessenen Verzinsung des festgelegten Kapitals ausdrückt. Das, was
                              									die Maschine im Laufe eines gewissen Zeitabschnittes, zum Beispiel eines Jahres
                              									verdient, soll mindestens gleich dem sein, was sie im gleichen Zeitabschnitt kostet.
                              									Diese Kosten setzen sich nun kaufmännisch zusammen aus:
                           
                              1. der Verzinsung des jeweiligen Wertes, der, ursprünglich
                                 										gleich dem Anschaffungswert (den Gestehungskosten), sich jährlich um den Betrag
                                 										der Abschreibungen vermindert,
                              2. den Abschreibungen, d.h. einem jährlichen Geldbetrag,
                                 										welcher der Wertminderung der Maschine durch Abnutzung entsprechen soll und so
                                 										bemessen wird, daß nach der wahrscheinlichen Lebensdauer der Maschine ihr Wert
                                 										bis auf Null „abgeschrieben“ ist,
                              3. den Betriebstoffkosten, zum Beispiel Feuerung,
                              4. den Bedienungs-, Instandhaltungs- und
                                 										Instandsetzungskosten,
                              5. den Kosten für Grund und Boden, für Raummiete usw.,
                              6. den Kosten für Feuerversicherung, andere Versicherungen
                                 										usw.
                              
                           Der von der Maschine erarbeitete Geldwert dient also zur Deckung verschiedenartigen
                              									Aufwandes. Was für die Maschinenanlage gilt, gilt sinngemäß ähnlich – und in
                              									verblüffend einfacher Parallele – auch für die menschliche Wirtschaftsanlage.
                           Man braucht sich nicht zu scheuen, diesen Vergleich bis in kleinste Einzelheiten zu
                              									verfolgen und kühl und sachlich kaufmännisch die Lebens- und Arbeitsbedingungen des
                              									Menschen nachzurechnen, um so weniger als heute der größte Teil der Menschheit
                              									gezwungen ist, seine körperliche und geistige Arbeit in möglichst ausgibiger Weise
                              									wirtschaftlich zu verwerten und alles. daran zu setzen, für diese Arbeit ein
                              									möglichst günstiges wirtschaftliches Aequivalent zu erzielen. Die Würde des Menschen
                              									braucht darunter bei ernsthafter Betrachtung nicht zu leiden – immer werden noch
                              									genüg immaterielle Werte zurückbleiben, die sich der kaufmännischen Rechnung
                              									entziehen und die doch gerade den besten Teil des Menschenwertes ausmachen.
                           Neben dem, was am augenfälligsten, am leichtesten greifbar ist, den Kosten für die
                              									eigentlichen „Betriebstoffe“, die Nahrungsmittel,
                              									sehen wir ohne weiteres eine zweite Gruppe von Ausgaben, die mit dem Begriff Kosten für die Lebenshaltung gekennzeichnet werden
                              									können. Wir werden sinngemäß hierher nicht nur die Kosten für Wohnung, Kleidung und
                              									diejenigen körperlichen und geistigen Genußmittel setzen müssen, die über das Maß
                              									des unbedingt Notwendigen (Nahrungsmittel) hinausgehen, sondern zum Beispiel auch
                              									den Aufwand für den Unterhalt der Familie, kurz alles das, was nun einmal zur
                              										„Aufrechterhaltung des Betriebes“ der menschlichen Maschine außer der
                              									bloßen Nahrungsaufnahme noch gehört. Auch diese Beträge werden wie der
                              									Nahrungsbedarf beim Einzelnen je nach Veranlagung, Lebenslage und Gewohnheit sehr
                              									verschieden sein.
                           Abschreibungen müssen ihrer Natur nach auf Schätzungen beruhen, die höchstens durch
                              									Erfahrungen gekräftigt sein können. Wie in der Industrie nur bei gewissenhafter
                              									Handhabung der Abschreibung von einer Gesundheit eines Unternehmens gesprochen
                              									werden kann, so ist auch im Wirtschaftshaushalt des Einzelmenschen wie für den
                              									sozialen Wirtschaftskörper des Staates von ungemeiner Wichtigkeit das, was hier den
                              									industriellen Abschreibungen sinngemäß entspricht. Ist es doch nicht zu leugnen, daß auch
                              									die menschliche Maschine sich im Laufe der Jahre abnutzt, weniger leistungsfähig
                              									wird und schließlich auf einer Stufe des Verschleißes anlangt, in der eine
                              									Nutzarbeitsleistung nicht mehr möglich ist. Füglich sollte darauf während des
                              										„Betriebes“ Rücksicht genommen und durch zeitliche regelmäßige
                              										„Abschreibungen“ dafür gesorgt werden, daß, wenn sich der Wert der
                              									Maschine der Null nähert, jeweils dem verminderten Wert entsprechend ein
                              									Geldäquivalent festgelegt wird. Eine Verwirklichung dieses Gedankens oder doch eine
                              									starke Annäherung daran finden wir in der mit dem Alter, d.h. mit wachsendem
                              									Verbrauch steigenden Pensionsberechtigung der Beamten sowie in der
                              									Fürsorgegesetzgebung für Arbeiter und Angestellte, mehr noch und deutlicher
                              									ausgeprägt in den privaten Lebens- und Sparversicherungen, bei denen die jährlich
                              									gezahlte Prämie unmittelbar der Abschreibungsquote vergleichbar ist.
                           Zu einer durchaus folgerichtigen Durchführung einer solchen „Amortisation“
                              									müßte natürlich sinngemäß wiederum zunächst festgestellt werden können, wie groß der
                              									absolute Geld- oder Wirtschaftswert der menschlichen Maschine zu jeder Zeit ist,
                              									ferner auf eine wie große Dauer der „Betriebsfähigkeit“ mit gleichem oder
                              									vermindertem Wirkungsgrad gerechnet werden kann.
                           Betrachten wir zunächst die Kosten für die Erzeugung menschlicher Arbeit unabhängig
                              									von der Frage, ob nur körperliche oder nur geistige Arbeit erzeugt werden soll oder
                              									beides. Die Umwertung mechanischer Arbeitsäquivalente in geistige Arbeitsleistung
                              									erscheint naturgemäß auf den ersten Blick äußerst schwierig; weiter unten soll
                              									gezeigt werden, daß sie doch keineswegs außer dem Bereich der Möglichkeit liegt.
                              									Grundsätzlich schwieriger ist die Frage, wieviel von der erzeugten geistigen Arbeit
                              									als Nutzarbeit in Betracht gezogen werden kann und welcher Anteil davon übrig
                              									gelassen werden muß als einfaches nicht unmittelbar nutzbar verwertetes Erzeugnis
                              										(„Nebenprodukt“) des Menschen als nun doch einmal lebenden und denkenden Wesens. Selbstverständlich können wir diesen
                              									Gesichtspunkt niemals aus der Betrachtung ausschalten, sobald wir mehr als nur
                              									körperliche Arbeit beweiten wollen, es sei denn, daß es gelinge, einen absoluten
                              									Wertmesser für geistige Arbeit zu finden. Aber auch hier gibt uns die Umrechnung auf
                              									Geldwert wenigstens für gewisse Fälle einen Fingerzeig. Man wird annehmen können,
                              									daß in annähernd gleichen Verhältnissen, gleichen Berufen, gleichen
                              									Arbeitsbedingungen, im allgemeinen der im heutigen, scharfen Wettbewerb besser
                              									Bezahlte auch die der Menge oder Qualität nach wertvollere geistige Arbeit als
                              									Nutzarbeit verwerten wird. Läßt dies auch (neben aller Unsicherheit in bezug auf die
                              									absolute Richtigkeit im einzelnen Falle) noch keinen Schluß zu auf die Summe der
                              									überhaupt erzeugten geistigen Arbeit, so bleibt eben in der Betrachtung als
                              									Restglied, daß der Mensch als denkendes Wesen gerade in
                              									bezug auf seine Denktätigkeit einen eigenen Willen ausüben kann und damit seinen
                              									Wirkungsgrad bewußt oder unbewußt beeinflussen. Besondere Fähigkeiten oder
                              									Unfähigkeiten, wie Konzentration, Unaufmerksamkeit usw. könnten vielleicht
                              									gelegentlich das Gesamtergebnis so sehr beeinflussen, daß sie auch äußerlich bei der
                              									Bestimmung des Wirkungsgrades erkennbar werden. Ueberdies wird natürlich der
                              									Wirkungsgrad jedes Menschen für jede Tätigkeit nicht nur individuell verschieden
                              									sein, und zwar für verschiedene Arbeiten bei den gleichen Personen ganz verschiedene
                              									Werte haben, sondern auch beim gleichen Individuum je nach Körperzustand, Stimmung,
                              									Umgebung starken Schwankungen unterliegen.
                           Einen sehr beachtenswerten Beitrag zu dieser Frage liefert eine Arbeit von Weißhuhn,Tarifverträge und gerechte Entlohnung im Maschinenbau, Berlin 1913; s.
                                    											auch meine Besprechung in D. p. J. 1914 S. 271. Leider hat uns auch diesen
                                    											hoffnungsreichen Arbeiter der Krieg entrissen; Weißhuhn ist am 21. Mai 1915 als Leutnant der Reserve
                                    											gefallen. der aus der tatsächlichen Bewertung von
                              									Arbeitsleistungen (und zwar nicht nur mechanischer reiner Körperarbeit, sondern zum
                              									Teil sogar hochwertiger „gelernter“ Handwerkerarbeit) zunächst
                              									Vergleichszahlen für den Wirtschaftswert des menschlichen Arbeiters zu gewinnen
                              									sucht und dabei die Möglichkeit, auch absolute Zahlen zu finden, deutlich vor Augen
                              									führt.
                           Selbstverständlich sind alle Einzelheiten des Vergleichs des Menschen als
                              									Wirtschaftswert mit einer wirtschaftlich zu verzinsenden industriellen Anlage cum
                              									grano salis zu betrachten. Ueber die zunächst vielleicht etwas komisch anmutenden,
                              									freilich wohl ohne weiteres auch in diesem Zusammenhang verständlichen Begriffe
                              									Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten soll noch weiter unten gesprochen werden;
                              									hier zunächst noch Einiges über Verzinsung. Die Verzinsung eines Geldbetrages oder
                              									Geldwertes ist einfach zu übersehen, wenn die Zinsen wieder als Geldwert in
                              									Erscheinung treten. Bei der Verzinsung einer Maschine in einem Industrieunternehmen
                              									erscheint der Zinsbetrag für ihren Wert unmittelbar nur in den Büchern. Ein
                              									bestimmter Teil des werbenden Kapitals, das in dem Unternehmen tätig ist und Ertrag
                              									bringen soll, ist in der Maschine festgelegt; so lange die Maschine nicht „auf
                                 										Null abgeschrieben“ ist, muß ein ihrem Wert entsprechender Betrag als
                              									Verzinsung dieses Kapitalanteils in die Unkostenrechnung eingestellt werden. Er
                              									vermindert also die Summe des Reinertrages. Ist die Abschreibung auf Null erfolgt,
                              									so erhöht sich der Reingewinn um eben diese Summe, sofern die Maschine brauchbar
                              									bleibt. Die für die Aufzucht und Erziehung eines Menschen aufgewendeten Geldbeträge
                              									sind meistens nicht in solcher kaufmännischen Form festgelegt, sie sind von den
                              									Beteiligten meistens à fonds perdu, d.h. in gewissem Sinne sofort auf Null
                              									abgeschrieben (sofern sie nicht zum Beispiel als deutlich greifbare
                              									Kapitalschuldsumme deutlich ihre rein geldmäßige Verzinsung heischen). Von einer
                              									eigentlichen Verzinsung dieses Aufwandes braucht deshalb nicht immer die Rede zu
                              									sein; wenn aber, so ist sie zu suchen in dem Ueberschuß über den Aufwand für
                              									Nahrungsmittel, sonstige Lebenshaltung und die oben gekennzeichneten Abschreibungen. Das können
                              									sachliche und geistige Güter sein, Spargut, Aufwendungen für Kinderaufzucht,
                              									vielleicht auch für Genußmittel im weitesten Sinne.
                           Wenn es sich nunmehr also darum handelt, aus dem Arbeitsverdienst den Wert des
                              									Arbeiters zu ermitteln, so werden alle diese Umstände in Betracht zu ziehen sein.
                              									Wenn die einzelnen bestimmenden Bestandteile der Bilanzrechnung ihrem Wesen nach
                              									hinreichend bekannt und durchsichtig genug sind, so ist eine durchaus kaufmännisch
                              									genaue Wertbestimmung möglich. Der Weg scheint schwierig, aber nicht ungangbar.
                           3. Kaufmännischer Wirkungsgrad. Wir sahen auf der einen
                              									Seite einen Weg zur Bestimmung der Gestehungskosten, auf
                              									der anderen eine Möglichkeit zur Feststellung des Wertes
                              									(Wirtschafts- oder Handelswertes) für den Menschen als Arbeiter. Vergleichen wir die
                              									beiden gefundenen Ergebnisse, so zeigt sich, ob der Aufwand dem Erfolge entspricht,
                              									der Kaufmann würde sagen ob das Geschäft gelohnt hat, ob die Bilanz mit einem Saldo
                              									auf der Habenseite abschließt. Man kann also hier gewissermaßen von einem
                              										„kaufmännischen Wirkungsgrad“ sprechen, der seinen
                              									mathematisch-technischen Ausdruck finden würde als
                           
                              \eta_k=\frac{\mbox{Nutzwert}}{\mbox{Gestehungskosten}}.
                              
                           Er hat gegenüber dem sonst in der Technik üblichen Wirkungsgrad die Eigentümlichkeit,
                              									größer als 1 werden zu können, ja, zur Erhaltung einer Wirtschaftlichkeit größer als
                              									1 sein zu müssen. Während also der gewohnte technische Wirkungsgrad die Annäherung
                              									an einen theoretisch möglichen Höchstwert erkennen läßt, gibt der kaufmännische
                              									Wirkungsgrad den – positiven oder negativen – Abstand von einem Mindestwert an,
                              									dessen Erreichung erst die Daseinsberechtigung des ganzen Vorganges bedeutet.
                           
                        
                           II. Die Leistungsfähigkeit der Maschine
                                 										Mensch,
                           1. Mechanische Arbeit. Mit der Feststellung der
                              									eigentlichen Leistungsfähigkeit der Maschine Mensch, d.h. der rein körperlichen
                              									Leistungsfähigkeit des Arbeiters, hat sich als einer der ersten Daniel Bernoulli (1738) beschäftigt. Die Coulombsche Darstellung seiner Anschauung,„Expériences sur la force des hommes“
                                    											in „Théorie des machines simples“, Paris 1821. wonach die
                              									Ermüdung des Menschen immer ohne weiteres proportional der geleisteten Arbeit sei,
                              									so daß man ohne Ueberschreitung der natürlichen Kräfte die drei Elemente
                              									Geschwindigkeit, Kraft und Zeit beliebig ändern könne und bei gleichem Produkt (v•k•t) stets die gleiche Ermüdung erhalte, während die
                              									Art der (mechanischen) Betätigung gleichgültig sei, weist AmarLe moteur humain,
                                    											Paris 1914, S. 235. als irrtümlich nach.
                           Bernoulli bewertet die Tagesarbeit des Menschen unter
                              									günstigen Bedingungen auf 247700 mkg (bezogen auf den ganzen Tag also 0,028 kW
                              									= 0,038 PS; bezogen auf 8 Std. Arbeitszeit 0,084 kW = 0,114 PS).
                           Coulomb sucht der Frage nach der absoluten Tagesleistung
                              									und ihrem Höchstwert durch Versuche näher zu kommen. Seine Arbeiten sind bis in die
                              									neuere Zeit fast die einzigen auf diesem Gebiet geblieben. Er weist ausdrücklich
                              									darauf hin, von welchem wesentlichen Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des Menschen
                              									die Art der mechanischen Arbeit ist. Er ermittelt aus den Leistungen beim
                              									Treppensteigen mit und ohne Last, aus dem Bericht von Reisenden über eine Besteigung
                              									des Pic von Teneriffa, aus Beobachtungen beim Holztragen eine Tagesarbeit von 109000
                              									bis 235000 mkg. Auch spürt er bereits dem Optimum der Leistung nach, das durch das
                              									Verhältnis der Einzellast zur Zahl der Beförderungswege gegeben wird und beobachtet
                              									den Einfluß der Ruhepausen. „Taylorismus“ reinster Art vor 100 Jahren!
                           Wie Coulomb bereits betont, liegt eine Hauptschwierigkeit
                              									in der Feststellung der Ermüdung, und zwar in einer genauen Begriffsbestimmung eines
                              									bestimmten Grades körperlicher Ermüdung. Die Grenze der körperlichen
                              									Leistungsfähigkeit ist gegeben durch das Eintreten eines gewissen Grades von
                              									Ermüdung. Für die Beurteilung im Sinne der Arbeit einer Maschine – die nicht ermüdet
                              									– kann daher stets nur eine Leistung bis zu einem solchen Grade von Ermüdung in
                              									Betracht gezogen werden, der durch normale Ruhepausen wieder beseitigt wird.
                           Entsprechend dem von Ranke, Pettenkofer und Voit nachgewiesenen „physiologischen Gesetze der
                                 										24-stündigen Statik des Stoffwechsels“ ist zu unterscheiden zwischen dem
                              										„täglichen mittleren mechanischen Aequivalent menschlicher Ermüdung“ bzw. mittlerer Sekundenleistung, im Gegensatz zu besonderen Sekundenleistungen
                              									(Lebensgefahr, Sport), die Erschöpfung bringen.von Rziha,
                                    											Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1894 S. 642. Die mittlere Leistung eines
                                    											Arbeiters. Physiologisch drückt sich der Unterschied zwischen
                              									Ermüdung und Erschöpfung so aus, daß bei Ermüdung sich im Körper Giftstoffe,
                              									Ermüdungsstoffe („Stoffwechselschlacken“) bilden, die bei Ruhe mittels
                              									Durchspülung mit frischem Blut unter Umständen in wenigen Minuten wieder beseitigt
                              									werden können, während Erschöpfung auf einen Verbrauch von Stoffen zurückzuführen
                              									ist, die der Körper für die Arbeitsleistung benötigt und für die erst in längerer
                              									Zeit Ersatz beschafft werden kann.Max Weber, Zur Psychophysik der industriellen
                                    											Arbeit. Arch. f. Sozialw. u. Sozialpol. 1909 Bd. 28.
                           Als mechanische Tagesleistung eines Arbeiters ermittelt Rziha im Durchschnitt einer Zusammenstellung von 30 Werten verschiedener
                              									Arbeiten nach verschiedenen Quellen 127415 mkg, d.h. rund 300 WE. Wenn aus dieser
                              									Leistung ein auf 24 Stunden bezogener Tagesdurchschnitt errechnet wird, so ergibt
                              									sich 1,48 mkg/sec. entsprechend 0,014 kW = 0,020 PS; wird dagegen nur die reine
                              									Arbeitsdauer in Betracht gezogen, so ist zu berücksichtigen, daß die eigentliche
                              										„Tätigkeitszeit“ nur einen mehr oder minder geringen Bruchteil der
                              									Arbeitszeit oder Schichtdauer ausmacht, der nach Rziha
                              									mit 65 v. H. einzusetzen ist. Unter dieser Voraussetzung ermittelt er aus der obigen
                              									Zahl als mittlere Sekundenleistung eines Arbeiters 6,3
                              									mkg. Das entspricht einer Leistung von 0,062 kW = 0,084
                              									PS (rund
                              									1/12 PS).
                           Es handelt sich hierbei, wie gesagt, um Mittelwerte für schwere Körperarbeit. Amar kommt „unter günstigen Umständen“ bei 8
                              									Stunden Tätigkeit auf 300000 mkg/Tag, entsprechend 10,4 mkg/sec = 0,10 kW = 0,14 PS
                              									(rund 1/7 PS). Für
                              									leichtere handwerksmäßige Arbeit nennt BoruttauH. Boruttau, Die
                                    											Arbeitsleistungen des Menschen, Berlin-Leipzig 1916, Teubner (Aus Natur und
                                    											Geisteswelt). als Beispiele die aus dem Sauerstoffverbrauch in
                              									einer Stunde errechnete Arbeitsleistung in 10 Stunden, bei einer Näherin 14000 mkg,
                              									einem Schreiber 18000 mkg, einem Schuhmacher 30000 mkg.
                           Als höchste überhaupt gemessene mechanische Leistung eines Menschen gibt Amar eine Leistung von 41,16 mkg/sec (0,40 kW = 0,55 PS)
                              									an, diese Leistung wurde indessen nur 34 sec lang ausgeübt und führte zur völligen
                              									Erschöpfung der Versuchsperson (hors d'haleine). Zweistündiges Bergsteigen hat nach
                              									dem gleichen Verfasser in einem Einzelfalle eine Durchschnittsleistung von 0,33 kW =
                              									0,45 PS ergeben. Boruttau führt nach Blix eine Höchstleistung beim Treppensteigen ohne Last
                              									von 101,2 mkg/sec, mit Last von 95,4 mkg/sec an, jeweils auf die Zeit von 4 sec.
                              									Damit wäre also für diese kurze Zeit eine Leistung von fast 1 kW erreicht worden,
                              									eine Ausnahmeleistung, die natürlich für die Praxis keinerlei Bedeutung hat.
                           Es entsteht nun die ungemein schwierige Aufgabe, jenes Maß der Ermüdung, das durch
                              									normale Ruhepausen wieder beseitigt werden kann, unabhängig vom subjektiven
                              									Empfinden der Versuchsperson festzustellen.
                           Im Weberschen Aesthesiometer, einem im wesentlichen aus
                              									zwei Zirkelspitzen bestehenden Instrument, mit dem die
                              									Raumunterschiedsempfindlichkeit der Haut gemessen wird, dann im Mossoschen Ergographen, der die Kontraktionsfähigkeit
                              									bestimmter Muskeln gegenüber einem Widerstand aufzeichnet, glaubte man die
                              									Möglichkeit einer objektiven Messung nicht nur des Eintritts, sondern auch des
                              									Grades der Ermüdung gefunden zu haben; jedoch soll ihr Wert nicht überschätzt
                              										werden.Max Weber, Zur Psychophysik der industriellen
                                    											Arbeit. Arch. f. Sozialw. u. Sozialpol. 1909, Bd. 28, S. 221. In
                              									neuerer Zeit hat Prof. Ernst Weber (Leiter der
                              									physikal.-psycholog. Abteilung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Arbeitsphysiologie)
                              									ein überraschend einfaches und wichtiges Kennzeichen für den Eintritt der Ermüdung
                              										gefunden.Arch. f. Anatomie
                                    											und Physiologie, Physiolog. Abt. 1914, S. 290, 305, 330, 385; danach Albrecht in „Concordia“, Z. d. Zentr. f.
                                    											Volkswohlfahrt 1915, S. 31. S. auch Technik und Wirtschaft 1915, S.
                                    										287. Nach seinen Feststellungen strömt bei anstrengender Muskelarbeit
                              									das Blut im menschlichen Körper in den Rumpf und die Glieder. Die Blutgefäße
                              									erweitern sich hier und ziehen sich in den Bauchorganen zusammen. Bei Eintritt von
                              									Ermüdung kehrt sich diese Blutverschiebung um, die Blutgefäße der Bauchorgane
                              									erweitern, die vom Rumpf und Gliedern verengen sich. Auf die Art der Feststellung
                              									dieser Blutverschiebung mit Hilfe des Plethysmographen, einer Vorrichtung zur
                              									Messung der Volumenzunahme von Körperteilen, kann hier nicht näher eingegangen
                              									werden; man sehe die genannten Arbeiten Webers. Der
                              									physiologische Zweck dieser Blutverschiebung ist die möglichst reichliche
                              									Blutversorgung der arbeitenden Körperteile zwecks Ernährung und namentlich zwecks
                              									Fortspülung der entstehenden Ermüdungsstoffe im Beginn der Arbeitsleistung, dann
                              									aber eine Art „Selbststeuerung“, die bei Ueberanstrengung der benutzten
                              									Gliedmaßen durch Anhäufenlassen der Ermüdungsstoffe das Müdigkeitsgefühl anwachsen
                              									läßt und den Organismus zum Aufgeben der schädlich werdenden Anstrengung veranlaßt.
                              									Die Tatsache, daß bei der Leistung geistiger Arbeit und der, dadurch eintretenden
                              									Ermüdung die Blutverschiebung im umgekehrten Sinne stattfindet, gibt wertvolle
                              									Fingerzeige für die Nutzbarmachung der Wechselwirkung zwischen körperlicher und
                              									geistiger Arbeit.
                           Die heutige Wissenschaft verwendet natürlich sehr viel feinere Untersuchungsverfahren
                              									für die Feststellung der menschlichen Leistung, als es zur Zeit Coulombs möglich war. So ist es zunächst ein
                              									grundlegender Unterschied, daß wir heute infolge unserer Kenntnis vom Gesetz der
                              									Erhaltung der Energie die vom Menschen erzeugte Wärme bei der Berechnung der
                              									Leistung nicht außer acht lassen dürfen. Für uns läßt sich die Aufgabe am
                              									einfachsten auf der Grundlage einer Untersuchung des Wärmeumsatzes durchführen. Wir
                              									müssen außer der unmittelbaren mechanischen Arbeit, die am bequemsten mittels
                              									besonderer Vorrichtungen, wie Fahrräder oder anderer Kurbelmechanismen, erzeugt und
                              									mechanisch oder elektrisch abgebremst wird, auch die entwickelte und an die Umgebung
                              									abgegebene Wärme genau messen. Ferner darf nicht unberücksichtigt bleiben der
                              									Wärmewert der ausgeschiedenen Stoffwechselprodukte, nämlich der ausgeatmeten Luft,
                              									des Kotes und des Harnes.
                           Zu diesem Zweck hat man Versuchspersonen in vollständig als Kalorimeter
                              									eingerichteten Zellen untergebracht (Atwatersches Zimmer) und dort ihre
                              									Wärmeentwicklung im Ruhezustand und bei der Verrichtung von Muskelarbeit gemessen.
                              									Die Einrichtungen und Meßverfahren sind naturgemäß recht schwierig. Der Versuchsraum
                              									muß groß genug sein, um dem Versuchsmenschen eine wenn auch beschränkte, so doch
                              									immerhin so weitgehende Bewegungsfreiheit zu belassen, daß er tagelang darin hausen,
                              									schlafen und arbeiten kann unter nicht gar zu sehr vom Gewohnten abweichenden
                              									Lebensbedingungen. Der ganze Raum ist von Wasser umgeben, dessen Temperatur auf
                              									Hundertel Grade genau bestimmt werden kann, die mittels Ventilatoren ein- und
                              									abgeführte Luft wird aufs genaueste auf ihre Zusammensetzung und ihren Wärmewert
                              									untersucht. So wird es möglich, auch die entwickelte Wärmearbeit mit großer Genauigkeit zu
                              									bestimmen.
                           Natürlich muß bei der Bewertung der menschlichen wie bei der jeder anderen
                              									Kraftmaschine in Betracht gezogen werden, in wie weit die erzeugte Wärmearbeit für
                              									die Erfüllung des Zweckes neben der mechanischen Arbeit von Nutzen oder Schaden ist,
                              									ob sie nicht, wie bei den meisten anderen Kraftmaschinen zum großen Teil
                              										„verloren geht“, d.h. erzeugt werden muß, ohne
                              									daß sie ausgenutzt werden kann. Diese Frage wird von Wichtigkeit für die
                              									Feststellung des Wirkungsgrades, von dem weiter unten gesprochen werden soll.
                           Die Ermittlung der Gesamterzeugung an mechanischer und Wärmearbeit ist aber unter
                              									Anwendung des Gesetzes von der Erhaltung der Energie auch möglich aus der
                              									Feststellung der vom Körper aufgenommenen Stoffe. Wenigstens gilt das für den
                              									erwachsenen, gesunden Menschen, denn bei ihm muß alle zugeführte Energie wieder in
                              									irgend einer Form abgegeben werden, weil sie zum Aufbau des eigenen Körpers nicht
                              									verwendet wird. Dies, der Aufbau des eigenen Körpers, kommt dagegen ziemlich
                              									erheblich in Betracht bei Kindern und in gewissem Maße bei den durch Krankheit
                              									bedingten Veränderungen, wie Fettleibigkeit, Rekonvaleszenz usw. Freilich werden bei
                              									der verhältnismäßigen Langsamkeit solcher körperlichen Entwicklungsvorgänge die
                              									gebotenen Abzüge von der zu erwartenden Energieabgabe so gering sein, daß sie
                              									innerhalb der natürlichen Beobachtungsfehlergrenzen liegen.
                           Im Gegensatz zur mechanischen Maschine ist aber, worauf unter andern C. OppenheimerMonatsbl. d. Berliner Bez.-Vereins deutscher Ingenieure 1915 S.
                                    										20. mit besonderem Nachdruck hinweist, die menschliche Maschine in
                              									ihrer Leistung in sehr weiten Grenzen unabhängig von der unmittelbaren Betriebsmittelzufuhr. Durch Kraftspeicher im Körper (zum
                              									Beispiel Fette und andere Stoffe) ist es dem lebenden Organismus ermöglicht, lange
                              									Zeit die gewohnte Leistung fast unvermindert herzugeben, selbst wenn die
                              									Nährstoffheranführung stark eingeschränkt oder überhaupt unterbrochen wird. Die
                              									Feststellung der Leistung aus den zugeführten Nährmitteln kann daher nur dann
                              									brauchbare Werte liefern, wenn sie auf sehr lange Zeit ausgedehnt wird. Man hat sich
                              									für Versuche damit geholfen, daß man bei durchaus gleichmäßiger Lebens- und
                              									Arbeitsweise den Versuchspersonen so viel Nahrung zugeführt hat, wie zur Erhaltung
                              									eines genau gleichen Körpergewichts erforderlich ist, und den Versuch erst dann
                              									begonnen hat, wenn dieses Maß an Nahrung und der Gleichgewichtszustand des Körpers
                              									festgestellt war. Wenn dieses Verfahren auch naturgemäß nicht den Anspruch auf
                              									Genauigkeit machen kann, wie das vorher geschilderte zur Ermittlung der Leistung, so
                              									ergibt es doch, namentlich in Verbindung mit diesem, Werte, die einen recht sicheren
                              									Vergleich der für verschiedene Arbeitsleistungen benötigten Energiemengen zulassen
                              									und damit auch die interessante Frage des Wirkungsgrades der Maschine Mensch
                              									der Klärung näher bringen.
                           Da die Veränderungen, welche die dem Körper zugeführten Stoffe erleiden, lediglich
                              									auf Oxydationsvorgängen beruhen, bietet sich eine weitere Vereinfachung in der
                              									Bestimmung der vom Körper aufgenommenen Energiewerte, wenn man den Verbrauch des
                              									Körpers an Sauerstoff feststellt durch Ermittlung der Verminderung des
                              									Sauerstoffgehaltes in der durch die Lungen bewegten Atemluft. Wenn die chemische
                              									Zusammensetzung der Nahrung bekannt ist, kann die Zahl der durch die Oxydation
                              									erzeugten Wärmeeinheiten ohne weiteres rechnerisch genau aus den chemischen
                              									Beziehungen ermittelt werden; für eine in üblicher Weise gemischte Nahrung ergibt
                              									sich ein Wert von 4,90 WE auf 1 l verbrauchten Sauerstoff.Amar, Le moteur
                                    											humain et les bases du travail professionnel, Paris 1914, S. 193 ff. Auf
                                    											dieses ungemein reichhaltige und wertvolle Werk sei besonders
                                    											hingewiesen. Ein Vergleich der durch Rechnung aus den Wärmewerten
                              									der zugeführten Nahrung ermittelten Werte mit den aus der Aufnahme von Sauerstoff
                              									errechneten ergab Fehler von weniger als 1 v. H.
                           Dieses Verfahren der Feststellung des Energieumsatzes durch Sauerstoffbestimmung
                              									erweist sich in der Praxis als das bei weitem bequemste. Die Aufnahme der
                              									ausgeatmeten Luft ist mittels eines einfachen Atemventils (Chaveau-Ventil), ihre
                              									Messung mittels gewöhnlicher Gasmesser, ihre Analyse durch bequeme Verfahren leicht
                              									auszuführen (die übrigens auch dem Maschineningenieur von Rauchgasanalysen her
                              									vertraut sind). Die einfache und wenig Zeit beanspruchende Anwendung ermöglicht
                              									ferner einen Vergleich über den Energieaufwand bei verschiedenen Arbeiten, zumal
                              									durch Versuche festgestellt ist, daß der Sauerstoffverbrauch unmittelbar mit dem
                              									Energieaufwand steigt und fällt. So ist es zum Beispiel mit diesem Verfahren
                              									möglich, den geringen Unterschied an Energieaufwand festzustellen, der durch die
                              									Muskelanstrengung beim Aufrechterhalten des menschlichen Körpers in verschiedenen
                              									Stellungen erfordert wird. Nennt man den Sauerstoffverbrauch eines ruhend sitzenden Erwachsenen 100, so ist der Verbrauch beim
                              									bequemen Stehen mit geschlossenen Füßen 106, in der militärischen Stellung
                              										„Stillgestanden“ 125, in der Stellung „Rührt Euch“ (mit
                              									vorgesetztem Fuß) 103.Amar, a. a. O. S. 445.
                           Der Sauerstoffverbrauch eines ruhenden Erwachsenen beträgt rund 20 l/Std.
                              									(umgerechnet auf 0° und 760 mm BS), was mit dem obengenannten Wert von 4,90 WE einem
                              									Energieverbrauch von 98 WE/Std. oder etwa 2350 WE/Tag entspricht. Der Verbrauch
                              									nimmt, wie es von vornherein wahrscheinlich ist, mit dem Körpergewicht zu und
                              									beträgt für den Ruhezustand (Umhergehen im Zimmer, Essen, Trinken, Lesen, Schreiben)
                              									32,56 WE/Tag für das kg Körpergewicht; bei einem Menschen von 70 kg also rund 2300
                              									WE/Tag. In der Zeit des tiefsten Schlafes geht der Energieverbrauch bis auf 70 v. H.
                              									des mittleren Tageswertes hinunter. Für mittlere Arbeit gibt RothPrometheus Nr. 1372
                                    											vom 12. Februar 1916. 40 bis 45 WE/Tag für das kg Körpergewicht
                              									an, doch ist klar, daß diese Werte um so mehr von dem Betrage der Arbeit abhängen,
                              									als die eigentliche mechanische Arbeit das Uebergewicht erhält über den nur zur
                              									Erhaltung der Körpertätigkeit erforderlichen Aufwand des Ruhezustandes. Für einen
                              									24-Stundenversuch, bei dem während 8 Stunden durch den Versuchsmenschen eine
                              									mechanische Arbeit von 604 WE (= 260000 mkg, entsprechend durchschnittlich 0,088 kW
                              									= 0,12 PS) geleistet wurde, also eine ungewöhnlich hohe Tagesleistung, wurden von
                              									dem 76 kg wiegenden Versuchsmenschen insgesamt 5177 WE verbraucht, also 68 WE/Tag
                              									für das kg Körpergewicht. Zieht man die dem Ruheverbrauch eines Menschen von 76 kg
                              									entsprechenden 32,56 × 76 = 2450 WE/Tag von dem Gesamtverbrauch von 5177 WE/Tag ab,
                              									so findet sich, daß für die Leistung der 604 WE Arbeit ein Mehraufwand von 2727 WE
                              									erforderlich war, daß also nur \frac{604}{2727}=22,1 v. H. des
                              									Mehraufwandes nutzbar gemacht worden ist.
                           2. Wirkungsgrad. Die letzte Ueberlegung leitet bereits
                              									über zu der wichtigen und viel umstrittenen Frage des Wirkungsgrades. Hier liegen
                              									Physiologen und Techniker in schwerer Fehde, da dem einen die Begriffsbestimmung des
                              									anderen nicht einleuchten will. Der Physiologe nennt
                              									Wirkungsgrad das Verhältnis der Nutzarbeit zu dem Mehrbedarf gegenüber dem Ruhestand
                              									und beruft sich darauf, daß ja eben für die Nutzarbeit selbst nur jener Mehraufwand
                              									in Frage kommt, während der Aufwand des Ruhezustandes auch ohne Leistung äußerer
                              									Arbeit verbraucht würde. Der wiederholt angestellte Vergleich dieses Ruhezustandes
                              									des Menschen mit dem Leerlauf einer Maschine ist von C. OppenheimerDer Mensch als
                                    											Kraftmaschine, Monatsblätter des Berl. Bez.-Ver. d. Ing. 1915 S.
                                    										23. und anderen als undurchführbar widerlegt worden. Es ergibt sich
                              									grundsätzlich der Gegensatz, daß die technische Maschine sich bis zum völligen
                              									Verschleiß abnutzt, während die Maschine Mensch dauernd für die eigene
                              									Instandhaltung einen gewissen Betrag ihrer Arbeit verwendet, der eben nicht erst als
                              									äußere Arbeit erscheint. Der Techniker nennt Wirkungsgrad
                              									das Verhältnis der Nutzarbeit zur überhaupt aufgewendeten Arbeit, wie er es von der
                              									technischen Maschine gewohnt ist. Ihm widerstrebt es, einen Arbeitsbetrag, der doch
                              									auch in der menschlichen Maschine erzeugt wird, nur auf Grund seiner besonderen
                              									Verwendung von dem Gesamtbetrage der erzeugten Arbeit abzuziehen und somit bei der
                              									Berechnung des Wirkungsgrades auszuschließen. Auf die Unzweckmäßigkeit der
                              									physiologischen Begriffsbestimmung und die aus ihr folgenden Widersprüche hat Schreber ausführlich und überzeugend hingewiesen.Pflügers Arch. f.
                                    											d. ges. Physiologie Bd. 159, S. 276. Der Wirkungsgrad der Muskelmaschine.
                                    											Auch als Sonderdruck erschienen bei Martin Hager, Bonn 1914
                           Dieser Zwiespalt in der Begriffsbestimmung des Wirkungsgrades kann vielleicht
                              									einer Klärung näher geführt werden, wenn man versucht, beide Begriffe, den
                              										„physiologischen“ und den „technischen“ Wirkungsgrad durch
                              									Umrechnung auf eine neue neutrale Maßeinheit auszudrücken. Eine Möglichkeit für
                              									diese Vornahme bietet die Benutzung des auch sonst zur abstrakten Darstellung von
                              									Werten gebräuchlichen Maßes, des Geldwertes. Natürlich kann man auch hier zunächst
                              									nicht erwarten, damit sogleich auf absolute Werte zu kommen, eine gewisse Klärung
                              									scheint aber mit diesem Gedankengang sehr wohl möglich.
                           Wir kommen damit zu einer Nutzbarmachung des bereits weiter oben entwickelten
                              									Begriffs des „kaufmännischen Wirkungsgrades“. Hält man an der
                              									Begriffsbestimmung fest;
                              										\mbox{Wirkungsgrad}=\frac{\mbox{Erfolg}}{\mbox{Aufwand}}, so
                              									ergeben sich folgende Beziehungen:
                           1. für das kaufmännische Geschäft:
                           Aufwand: Einkaufspreis + Unkosten.
                           Erfolg: Verkaufspreis.
                           2. für die Maschine:
                           Aufwand: Kosten der Betriebsstoffe + Unkosten,
                           Erfolg: Wert der Nutzarbeit.
                           3. für den Menschen:
                           Aufwand: Kosten der Nahrungsstoffe + Unkosten.
                           Erfolg: Wert der Nutzarbeit + Erhaltung.
                           Hierbei ist natürlich zu beachten, daß der Posten „Erhaltung“ bei 1. und 2.
                              									eigentlich unter „Unkosten“ einbegriffen ist und somit vergleichsweise bei 3.
                              									auch als Abzug unter den Unkosten eingesetzt werden könnte. Auf der Vernachlässigung
                              									dieses Postens beruht offenbar viel Unklarheit. Die aufgestellten Beziehungen
                              									zwischen Aufwand und Erfolg sind keine Gleichungen, vielmehr ist eben im
                              									kaufmännischen Sinne der Bruch Erfolg durch Aufwand als Wirkungsgrad zu bezeichnen.
                              									In diesem Sinne ist daher weder der technische Wirkungsgrad noch der physiologische
                              									einwandfrei.
                           Auf alle Fälle aber muß man sich der Mehrdeutigkeit des Begriffs stets bewußt bleiben
                              									und sich hüten, Werte nach der einen Begriffsbestimmung mit solchen nach der anderen
                              									zu vergleichen, wie es in der Literatur leider bisweilen geschehen ist.
                           Zahlenmäßig wurde der Wirkungsgrad im physiologischen Sinne für einen Sonderfall
                              									bereits am Schluß des vorigen Abschnitts ermittelt, nämlich zu rund 22 v. H. aus dem
                              									Verhältnis
                           
                              \frac{\mbox{Nutzarbeit}}{\mbox{Gesamtverbrauch}-\mbox{Ruheverbr}.}=\frac{604\
                                 										\mbox{WE}}{5177\ \mbox{WE}-2450\ \mbox{WE}}=0,221.
                              
                           Im technischen Sinne würde für den gleichen Fall sich ein Wirkungsgrad von rund 12 v.
                              									H. ergeben aus dem Verhältnis
                           
                              \frac{\mbox{Nutzarbeit}}{\mbox{Gesamtverbrauch}}=\frac{604\
                                 										\mbox{WE}}{5177\ \mbox{WE}}=0,117.
                              
                           3. Mechanische Bewertung geistiger Arbeit. Es ist
                              									außerordentlich merkwürdig, daß nach den bisherigen Versuchen Atwaters und anderer es bislang nicht gelungen ist, den doch offenbar
                              									vorhandenen Energieverbrauch für die Leistung geistiger Arbeit durch Messung
                              									festzustellen. Sofern sich – was man eigentlich ohne weiteres annehmen sollte – bei
                              									der Leistung geistiger Arbeit ein Mehrbedarf an Nährstoffen gegenüber dem
                              									Ruhezustand ergibt, müßte der Umsatz dieser Nährstoffe im Körper, der nur als
                              									Verbrennung in die Erscheinung treten kann, eine Erhöhung der Zahl der erzeugten
                              									Wärmeeinheiten ergeben. Das ist aber nach den bisher vorliegenden
                              									Versuchsbeobachtungen nur in so geringem Maße (um etwa 4/1000) der Fall, daß darin keine
                              									Erklärung gesehen werden kann. Diese Zunahme des Sauerstoffverbrauchs ist sehr
                              									wahrscheinlich nicht auf einen Umsatz in der Nervensubstanz zurückzuführen, sondern
                              									auf eine allgemeine Anregung, die der gesamte Stoffwechsel durch die Gehirnarbeit
                              									erfährt.
                           Das ganze Gebiet ist noch stark in Dunkel gehüllt. Da aber geistige Arbeit offenbar
                              									mit einem sehr erheblichen Energieverbrauch verbunden ist, was durch die auftretende
                              									und im Verlauf zunehmende nicht nur geistige, sondern auch körperliche Ermüdung als
                              									erwiesen zu betrachten ist, darf man annehmen, daß es früher oder später gelingen
                              									wird, auch ein Maß für diesen Energieverbrauch zu finden. Wie das zu geschehen hat,
                              									ferner die Erklärung für das Ausbleiben einer Zunahme der allgemeinen Wärmeerzeugung
                              									im Atwaterschen Zimmer, muß man füglich den Physiologen
                              									überlassen; uns anderen bleibt nach den bisherigen Erfolgen ihrer Wissenschaft auf
                              									den benachbarten Gebieten das Vertrauen, daß sie uns auch hier die erwünschte
                              									Aufklärung bringen werden.
                           Jedenfalls bietet der Boden der heutigen, experimentellen Untersuchung mehr Gewähr
                              									für eine der Wirklichkeit entsprechende Klarstellung als ältere Versuche, den
                              									Zusammenhang zwischen körperlicher (mechanischer) und geistiger Arbeit spekulativ
                              									durch theoretisch-mathematische Ueberlegungen zu finden. Zu den bedeutendsten dieser
                              									älteren Versuche gehören die Arbeiten G. Th. Fechners zur
                              									Begründung seiner Psychophysik.Fechner, Elemente der Psychophysik, 1860, 2 Bde.,
                                    											ferner Lipps, Grundriß der Psychophysik, 2. Aufl.
                                    											Leipzig 1909.
                           Entsprechend dem rein philosophischen Gedankengang, auf dem Fechner vor das Problem tritt, faßt er es nicht unmittelbar von der Seite
                              									der Energetik, d.h. er spricht nicht unmittelbar von körperlicher und geistiger
                              									Arbeit, sondern er sucht allgemein das Verhältnis von „Leib“ und
                              										„Seele“, von „Reiz“ und „Empfindung“ zu ermitteln. Ihren
                              									Zusammenhang und die gegenseitige Abhängigkeit sieht er als durchaus
                              									selbstverständlich und keiner Erklärung bedürftig an, wenn er auch eingesteht,
                              										„nicht der Reiz erweckt unmittelbar Empfindung, sondern zwischen ihn und die
                                 										Empfindung schiebt sich noch eine innere körperliche Tätigkeit, wir nannten sie
                                 										kurz die psychophysische, ein, die vom Reize erweckt wird und die nun erst
                                 										unmittelbar Empfindung mitführt oder nachzieht“. Trotz dieser Einsicht setzt
                              										Fechner mit der gleichen Selbstverständlichkeit
                              									voraus, daß diese Beziehung zwischen Leib und Seele durch eine einfache
                              									mathematische Funktion darstellbar sein müsse. Das Webersche Gesetz (von Fechner so genannt, von E. H.
                              										Weber 1851 ermittelt), wonach „gleiche relative
                                 										Reizzuwüchse gleichen Empfindungszuwüchsen entsprechen“, gilt ihm als
                              										„fundamental für die psychische Maßlehre“, wenn auch „seine Giltigkeit
                                 										Schranken hat“. Es gibt ihm die „psychophysische
                                 									Fundamentalformel“
                           
                              d\gamma=\frac{k\cdot d\,\beta}{\beta},
                              
                           worin β den Reiz, γ die Empfindung, k eine
                              									Konstante bedeutet, die von dem für β und γ zu wählenden Einheiten abhängig ist.
                           Durch Integration der Gleichung erhält man γ = k • lg
                              										β. Das logarithmische Wesen des Gesetzes erläutert
                              										Fechner selbst sehr augenfällig durch den Hinweis
                              									darauf, daß auch die Zunahmen der Logarithmen gleich groß sind, wenn die relativen Zunahmen der Zahlen gleich sind:
                           
                              
                                 log   10 = 1,000;
                                 log   11 = 1,0414;
                                 
                              
                                 log 100 = 2,0000;
                                 log 110 = 2,0414.
                                 
                              
                           Genauer wird die Formel, wenn gesetzt wird
                           γ = k •
                              									(lg β – lg b),
                           wo k außer von den gewählten
                              									Einheiten noch vom logarithmischen System abhängig ist und b eine weitere Konstante, den Schwellenwert von β bezeichnet, wo γ beginnt.Der von Fechner
                                    											eingeführte Begriff „Schwelle“ für den Augenblick des Bewußtwerdens
                                    											einer Empfindung darf heute als bekannt vorausgesetzt werden.
                              									Diese Formel wird von Fechner als die eigentliche „Maßformel“ bezeichnet.
                           In weiterer mathematischer Entwicklung findet Fechner
                              									dann, daß „zu gleichen Unterschieden der geistigen Energie gleiche
                                 										Verhältniswerte der zugehörigen körperlichen lebendigen Kraft gehören und zu
                                 										hinreichend kleinen Unterschieden der geistigen Energie gleiche relative
                                 										Unterschiede der zugehörigen körperlichen lebendigen Kraft“.
                           Obwohl Fechner mit einem fein durchdachten System von
                              									experimentellen Untersuchungen und Maßmethoden seine Anschauungen zu stützen und
                              									ihre allgemeine Giltigkeit nachzuweisen versucht hat, konnten seine interessanten
                              									und ernsthaften Forschungen zu einwandfreien Ergebnissen nicht führen, weil ihre
                              									Grundlagen auf fehlerhaften Annahmen ruhen. Zunächst ist bereits der von Fechner zugestandene „psychophysische Vorgang“,
                              									der sich zwischen Reiz und Empfindung schiebt, viel zu verwickelt, als das man
                              									erwarten könnte, jeweils durch die gleiche Summe von Reiz-Energie die gleiche
                              									Empfindungsgröße zu erhalten. Der Wirkungsgrad des psychophysischen Vorganges wird
                              									je nach der Art des Reizes und der erzeugten Empfindung erheblich schwanken; es ist
                              									daher von vornhinein ganz unwahrscheinlich, eine einfache, für alle Fälle
                              									zutreffende mathematische Beziehung aufstellen zu können.
                           Dieses Scheitern der Fechnerschen Versuche, eine allgemein
                              									giltige Abhängigkeit zwischen Reiz und Empfindung zu finden, schließt aber natürlich
                              									nicht aus, daß
                              									ähnliche Versuche auf enger begrenzten Gebieten des Empfindungslebens befriedigende
                              									Erfolge zeitigen können, sofern man einstweilen die Ansprüche an die zu erwartenden
                              									absoluten Werte nicht zu hoch stellt, sondern sich vorläufig mit der Feststellung
                              									der allgemeinen Form der Beziehungen begnügt und ferner sich bewußt bleibt, daß wir
                              									in diesen überaus schwer zugänglichen Gebieten auf ein Vorwärtstasten angewiesen
                              									sind, der Wert unserer Ergebnisse mithin durch den Wert der zugrunde gelegten
                              									Hypothesen bedingt wird. Ein Beispiel mag der Vergleich der Ostwaldschen „Theorie des Glücks“ mit älteren Vorstellungen
                              										geben.W. Ostwald, Die Forderung des Tages. 2. Auflage
                                    											1911, S. 218 ff. Recht lesenswerte Erläuterungen und Beispiele dazu gibt H.
                                    												Michelis in „Der Monismus“ Nr. 65,
                                    											Nov. 1911, S. 500 ff.
                              									Daniel Bernoulli und LaplaceBernoulli in Comment. acad. scient. imp.
                                    											Petropolit. T. V. 1738 unter dem Titel Specimen theoriae novae de mensura
                                    											sortis; Laplace in Théorie analytique des
                                    											probabilités (angef. nach Fechner).
                              									machten den Begriff des Glücks („eine Summe wertvoller Empfindungen, fortune
                                 										morale“) abhängig von den physischen Gütern, die wir besitzen (fortune
                              									physique, Besitz), und finden, „um einen gleichen Zuwachs zur fortune morale zu
                                 										gewähren, muß der Zuwachs zu der fortune physique im Verhältnis der fortune
                                 										physique stehen“. In der Ausdrucksweise Fechners
                              									ergibt sich die Formel:
                           y = k •
                              									log x + log h,
                           wenn y der dem Besitz x entsprechende Glückswert und h eine Konstante ist, die aus zwei zusammengehörigen, bekannten Werten für
                              										x und y bestimmt
                              									werden soll.
                           Ostwald geht bei der Bestimmung des Glückswertes von der
                              									Anschauung aus, daß das Glücksempfinden bei jedem Geschehen abhängig ist von der
                              									Größe des Energieumsatzes und von dem Maße, in dem das Geschehen unserem Willen
                              									entspricht. (Die Frage nach dem Wertverhältnis mechanischer und geistiger Energie
                              									bleibt hierbei zunächst offen.) Er findet durch Gegenüberstellung der unter
                              									Lustempfindung (willensgemäß) betätigten Energiemenge E
                              									und der unter Unlustempfindung (widerwillig) betätigten Energiemenge W den Ausdruck für das Glücksempfinden
                           G = (E +
                              										W) (E – W)
                           oder rein mathematisch umgeformt
                           G = E2 – W2.
                           Die Erörterung dieser Formel gibt mannigfache, zum Teil überraschende Aufschlüsse
                              									über das Wesen der menschlichen Glücksempfindung, sie macht es wahrscheinlich, daß
                              									der gefundene Ausdruck sich mit den tatsächlichen Verhältnissen gut deckt, und macht
                              									vor allem, wenn nicht absolute Größenwerte, so doch Vergleichswerte bestimmbar.
                              									Immerhin wird man gerade bei der Bestimmung von Vergleichswerten nicht umhin können,
                              									einen sehr bedeutenden Individualkoeffizienten einzusetzen. Außerdem aber ist es
                              									durchaus nicht ausgeschlossen, daß man einmal auf Grund einer anderen Voraussetzung
                              									auf eine andere Begriffsbestimmung des „Glücksempfindens“ kommt und damit
                              									dann auch andere Unterlagen für die Aufstellung mathematischer Beziehungen erhält.
                              									Denn eben die Grundlage dieser Begriffsbestimmung ist es ja, die eine gewisse
                              									Willkür enthält; wie jede andere Hypothese kann auch sie durch die Beobachtung
                              									zutreffender und übereinstimmender Ergebnisse zwar immer wahrscheinlicher gemacht,
                              									aber weder als restlos richtig, noch als allein möglich erwiesen werden.
                           Immerhin ist die Möglichkeit dargetan, auch geistige, seelische Vorgänge energetisch
                              									zu erfassen. Zergliederung in die Elementarbestandteile und Untersuchung der
                              									Wesenheit dieser ist, wie so häufig, auch hier der Weg der wissenschaftlichen
                              									Arbeit.
                           Es mag in diesem Zusammenhange hier noch hingewiesen werden, auf eine geistreiche
                              									Studie von Stern
                              									„Zur Psychologie der Gefahr“, die sehr sinnfällig den Begriff der Gefahr und
                              									des Gefahrempfindens zergliedert und damit der Untersuchung näher zugänglich
                              										macht.Technische
                                    											Monatshefte 1914 S. 201 ff. Ein weiteres Eingehen darauf würde
                              									hier zu weit führen.
                           
                              
                                 (Schluß folgt.)