| Titel: | Eugen Jahnke. | 
| Fundstelle: | Band 336, Jahrgang 1921, S. 314 | 
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                        Eugen
                              									Jahnke.
                        Geb. 30. November 1863, gest. 18. Oktober
                           								1921.
                        Eugen Jahnke †.
                        
                     
                        
                           Ein schmerzlicher Verlust hat uns betroffen: Am 18. Oktober starb der Geheime
                              									Bergrat Professor an der Technischen Hochschule Berlin Dr. Eugen Jahnke, seit neun Jahren Herausgeber unserer Zeitschrift.
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 336, S. 313
                              
                           Der Verstorbene war ein Berliner Kind und hat während seines ganzen Lebens seinen
                              									Wohnsitz in Berlin gehabt. Nach dem frühen Tode seines Vaters ermöglichte ihm treue
                              									Mutterliebe in schweren Mühen eine höhere Ausbildung. Er konnte seinem Wunsche
                              									folgen und Mathematik studieren, um dann nach bestandenen Prüfungen in das Schulamt
                              									einzutreten. Neigung und Fähigkeiten wiesen ihn wohl frühzeitig auf die akademische
                              									Laufbahn hin, er mußte aber den Verhältnissen Rechnung tragen und sich bescheiden.
                              									Er wußte sich auch zu bescheiden, denn er empfand den Lehrerberuf an Mittelschulen
                              									nicht als eine unlustig getragene Pflicht, sondern gab sich ihm mit ganzer Liebe
                              									hin. Oft hatte er später die Freude, von früheren Schülern Beweise ihres Dankes für
                              									seinen anregenden Unterricht und für sein verständnisvolles Eingehen auf ihre
                              									jugendliche Art zu erhalten. Befriedigt von seinen Erfolgen, wirkte er so von 1887
                              									bis 1905 als Oberlehrer zuerst an der VIII. Realschule, dann an der Friedrichwerder
                              									Oberrealschule.
                           In seiner Wissenschaft wollte sich Eugen Jahnke aber nicht auf seine nächsten
                              									Pflichten beschränken. In dem Triebe zum eigenen Schaffen führte er die geknüpften
                              									Fäden weiter. Er hatte sich mit Vorliebe der mathematischen Richtung zugewendet, die
                              									bei uns in Hermann Graßmann ihren bekanntesten Urheber sieht, und suchte durch
                              									eigene Arbeiten die Vektorenrechnung zu fördern, namentlich auch ihre Fruchtbarkeit
                              									für die Mechanik und Physik zu zeigen. Mit dem früh verstorbenen Ferdinand Caspary
                              									verbanden ihn gleiche Ziele. Als erster in Deutschland hielt er in den Jahren
                              									1902–05 an der Technischen Hochschule Berlin akademische Vorlesungen über die
                              									Vektorenrechnung, die er 1905 in Buchform herausgab, nachdem er kurz vorher in einem
                              									Beitrage für die Boltzmann-Festschrift eine Anwendung auf die Theorie der
                              									veränderlichen Ströme geliefert hatte. Wenn er so seine Kraft in einer bestimmten
                              									und damals noch wenig geschätzten Richtung einsetzte, so bewahrte er sich doch Sinn
                              									und Verständnis für alle Zweige der reinen und angewandten Mathematik. Sein reger
                              									Verkehr in wissenschaftlichen Kreisen hielt ihn in Fühlung mit den Fortschritten
                              									nach allen Seiten und weckte ihm auch das Bedürfnis, tatkräftig an der Förderung des
                              									Ganzen mitzuwirken. So gehörte er 1901 zu den Begründern der Mathematischen
                              									Gesellschaft in Berlin, an der Verwaltung der Physikalischen Gesellschaft war er
                              									lange Jahre beteiligt, seit 1901 war er Herausgeber des Archives für Mathematik und
                              									Physik, an den Berichten über die Mathematik an den Hochschulen ein eifriger
                              									Mitarbeiter. Wie seine Neigung ihn zur Teilnahme an den allgemeinen Bestrebungen
                              									wissenschaftlicher Kreise trieb, so war auch sein ganzes Wesen dafür geschaffen.
                              									Verbindlich und freimütig, keine Mühe scheuend und ausdauernd in der übernommenen
                              									Aufgabe verstand er ausgezeichnet, vereinzelte Kräfte auf ein gemeinsames Ziel zu
                              									lenken. Seiner Werbekunst, die zum Besten der Sache auch dringlich werden konnte,
                              									war schwer zu widerstehen.
                           So war Eugen Jahnke ein persönlich beliebtes und seiner fachlichen Leistungen wegen
                              									angesehenes Mitglied der Berliner Gelehrtenkreise geworden, und zu seiner herzlichen
                              									Freude, der er gern Ausdruck gab gelangte er durch Berufung als Professor an die
                              									Bergakademie Berlin auch noch auf die Bahn, deren Betreten er sich früher versagen
                              									mußte. Er hatte an der Bergakademie und nach ihrer Vereinigung mit der Technischen
                              									Hochschule an dieser außer Mathematik auch Mechanik vorzutragen, die ihm bis dahin
                              									nur in ihrer mathematischen Formung vertraut war. Mit seinem Pflichteifer und seinem
                              									Sinne für die Wirklichkeit wußte er sich aber schnell in die Aufgaben einzuleben,
                              									deren wissenschaftlicher Behandlung die Technik bedarf. Besonders fesselten ihn die
                              									eigentümlichen Erscheinungen in der Mechanik der Seilförderung in Schächten, die von
                              									sodhoher Bedeutung für die Sicherheit des Bergwerkbetriebes sind. Ihre Ergründung
                              									hat ihn in den letzten Jahren eingehend beschäftigt, und in der Erkenntnis, daß zur
                              									Lösung der Aufgabe vor allem Messungen an den Förderanlagen selbst nötig seien,
                              									bildete er mit Dr.-Ing. Keinath von Siemens & Halske
                              									A.-G. zusammen einen Beschleunigungsmesser aus, der im Förderkorbe selbsttätig die
                              									wechselnden Geschwindigkeitsverhältnisse graphisch darstellt. Auf einer ganzen Reihe
                              									von Schächten stellte er mit dem Geräte bis in die letzte, schon durch sein Leiden
                              									verkümmerte Zeit Untersuchungen an, deren Ergebnisse zum Teile auch in unserer
                              									Zeitschrift bekanntgegeben wurden. Auf dem vorgezeichneten Wege sind noch wichtige
                              									Aufschlüsse für die Fördertechnik zu erwarten. – Auch auf der Hochschule suchte
                              									Professor Jahnke immer persönliche Beziehungen zu seinen Hörern herzustellen, sein
                              									frisches, teilnehmendes Wesen kam besonders auf Studienreisen zum Ausdrucke. Das
                              									Verhältnis des inzwischen zum Geheimen Bergrat Ernannten zum, Lehrkörper der
                              									Technischen Hochschule wurde durch seine Wahl zum Rektor für das Amtsjahr 19/20
                              									gekennzeichnet. Seine Rektoratsrede „Die Mathematik als Grundlage der
                                 										Technik“ zeigt, wie schon eine frühere, an der Bergakademie gehaltene
                              									Festrede „Mathematische Forschung und Technik,“ mit welcher Liebe er eine
                              									gegenseitige Befruchtung der Gebiete anstrebte. Auch seine 1909 mit Fritz Emde
                              									herausgegebenen Funktionstafeln mit Formeln und Kurven bilden ein Zeichen
                              									seines Bemühens, die Ergebnisse der mathematischen Forschung für die Anwendung
                              									anschaulich zu machen.
                           Mit unserer Zeitschrift stand Eugen Jahnke schon lange in persönlicher Beziehung, da
                              									er als naher Freund des Besitzers Dr. Richard Dietze häufig Ratschläge erteilen
                              									konnte. Er übernahm nach mehrfachem Wechsel, den der frühe Tod des Freundes zur
                              									Folge hatte, vom Oktober 1912 ab selbst die Schriftleitung und widmete sich ihr mit
                              									der ernsten Hingabe, die ihm eigen war. Wie er verstand, für Dinglers
                              									polytechnisches Journal Mitarbeiter der verschiedensten Richtungen heranzuziehen, um
                              									ihren Ruf als vielseitige technische Zeitschrift auch unter den Erschwernissen des
                              									Krieges und der Nachkriegszeit aufrecht zu erhalten, zeigt in verdichteter Form die
                              									Festschrift, die er zur Feier des 100jährigen Bestehens des Journales im April 1920
                              									zusammenstellte.
                           Eugen Jahnke war unvermählt geblieben. In innigem Zusammenleben mit seiner Mutter
                              									hatte er die Genugtuung, ihr die Opfer vergelten zu können, die sie seiner
                              									Ausbildung gebracht hatte. Die Freude der Mutter über den Aufstieg des Sohnes war
                              									seine Freude. Die Liebe und Treue, mit denen er die Mutter umgab, haben seine
                              									Freunde immer als das schönste Zeichen seines braven Herzens empfunden. Der Tod der
                              									hochbetagten Mutter vor vier Jahren nahm ihm mehr, als seine äußerliche Fassung
                              									verriet.
                           Schon vor Jahren hatten sich bei Eugen Jahnke Erscheinungen eines Herzleidens
                              									gezeigt, das sich bald steigerte und dem schaffenslustigen Manne durch heftige
                              									Anfälle nach längeren Pausen verhältnismäßigen Wohlergehens viele Pein verursachte.
                              									Nach einem achtwöchentlichen ruhigen Aufenthalte in Thüringen machte er jetzt einen
                              									ausgesprochen widerstandsfähigen Eindruck, der zu der Hoffnung auf vollständige
                              									Behebung des Leidens berechtigte. Zwei schnell sich folgende Anfälle brachten ihm
                              									aber unerwartet den Tod.
                           Mit seinen Freunden betrauert unsere Zeitschrift den Heimgang des klugen,
                              									tatkräftigen und warmherzigen Mannes.
                           Die Schriftleitung.