| Titel: | Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage. | 
| Autor: | B. Simmersbach | 
| Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 117 | 
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                        Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
                        Von Ingenieur B. Simmersbach,
                           									Wiesbaden. (Schluß.)
                        SIMMERSBACH, Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
                        
                     
                        
                           Neuere Methoden, die man auf verschiedenen Wegen zur Anwendung bringen konnte,
                              									haben uns die große Bedeutung der Adsorption für die
                              									Technik erkennen lassen. Wenn in technischen Fragen die Adsorption oft zu
                              									berücksichtigen ist, so kommt das besonders daher, daß man es dort so häufig mit
                              									kolloiden Gebilden zu tun hat. So darf es z.B. als sicher gelten, daß beim Färben
                              									und Gerben in weitaus den meisten Fällen die Aufnahme des Färb- oder Gerbstoffes als
                              									eine Adsorption zu bezeichnen ist. Damit soll nun etwa nicht gesagt sein, daß andere
                              									Vorgänge, wie chemische Bindung nicht von Bedeutung wären, aber in den ersten
                              									zeitlichen Stadien liegt meist unbedingt eine Adsorption vor. Bei der Abwässerreinigung handelt es sich bei gewissen Verfahren
                              									oft um die Fällung einer kolloiden Lösung durch Elektrolyse; diese hängt eng mit der Adsorption zusammen. Auch in der
                              									Agrikulturchemie spielt die Adsorption eine wichtige Rolle, da das Zurückhalten
                              									gelöster Stoffe in der Bodenkrume auf ihr beruht. Zur Reinigung von Abwässern durch
                              									Elektrolyse sind seit längerem schon zwei Verfahren bekannt, nämlich das von Webster
                              									und das von Hermite. Das Verfahren der Elektrolyse von Webster hat eine Reinigung
                              									und zugleich auch eine Sterilisation zur Aufgabe. Man läßt dabei das Abwasser,
                              									welches eine hinreichende Menge gelöster Chloride enthalten muß – man setzt ihm
                              									nötigenfalls solche Chloride zu – zwischen zwei eisernen Schienen durchfließen.
                              									Diese Schienen dienen als Elektroden und besitzen hakenförmige Ansätze. Bei
                              									Stromschluß wird das vorhandene Chlorid zersetzt; am positiven Pol bildet sich dann
                              									Chlor, am negativen aber eine Base, Natronhydrat, Kalkhydrat. Die solchergestalt
                              									entstandenen Produkte wirken aufeinander unter Bildung von Hypochlorit, Na OCl,
                              									welches sterilisierende Wirkung besitzt. Das Chlor greift ferner das Eisen der
                              									Elektroden an, es bildet ein lösliches Eisensalz, das mit der am negativen Pol
                              									abgeschiedenen Base einen Niederschlag gibt, der die Schwebestoffe dann mit zu Boden
                              									reißt. Die Kosten des Websterschen Verfahrens sind allerdings recht hohe. Das
                              									Verfahren von Hermite, wonach man das chloridhaltige Wasser unter Anwendung von
                              									Platin- und Zinkplatten als Elektrolyten der Elektrolyse unterwirft, wobei das
                              									entstehende Chlor von der Flüssigkeit absorbiert wird, ist praktisch wohl kaum in
                              									größerem Maßstabe zur Anwendung gelangt. – Sind billige Wasserkräfte zur Verfügung,
                              									so kann, wenn die Aussichten für ein anderes Verfahren sich zwecks Abwässerreinigung
                              									ungünstig erweisen sollte, die Elektrolyse mit gewissen Vorteilen zur Anwendung
                              									kommen. So haben sich im Jahre 1917 G. ter Meer und K. Reubold ein Verfahren
                              									patentieren lassen (D. R. P. 294957), wonach die Reinigung organische Stoffe
                              									enthaltender Abwässer mittels elektrischen Stromes unter Zusatz von fällenden Salzen
                              									als Elektrolyten geschieht. Man setzt nach diesem Verfahren den Abwässern
                              									Aluminiumsulfat als Elektrolyt in einer Menge zu, die etwa ⅓ bis ¼ der zur
                              									Ausfüllung der Kolloide benötigten Menge entspricht. Bei der Reinigung von Abwässern
                              									organischer Herkunft handelt es sich – wie wir oben schon anzeigten – in erster
                              									Linie um die Ausfällung der sie verunreinigenden gelösten Kolloide. Es ist bereits
                              									bekannt, zu diesem Zwecke die Abwässer zwischen geeigneten Elektroden einer
                              									Elektrolyse zu unterziehen und dabei die Ausscheidung der festen Stoffe dadurch zu
                              									bewirken, daß man geringe Mengen von Fällmitteln zusetzt. Werden hierbei Eisen- oder
                              									Aluminiumelektroden verwandt, so entstehen infolge der Elektrolyse neue Kolloide und
                              									Eisenhydroxydul oder Aluminiumhydroxyd, welche jedoch mit entgegengesetzter
                              
                              									elektrischer Ladung als die Kolloide organischer Herkunft behaftet sind. Da nun
                              									Kolloide von entgegengesetzter Ladung sich ausfällen, so tritt infolgedessen eine
                              									Koagulation der Kolloide oder der sog. „Bruch der Sole“ ein. Eingehende
                              									Versuche in dieser Hinsicht haben nun ergeben, daß dieser Vorgang nicht immer glatt
                              									verläuft. Es treten in den Kolloiden organischer Herkunft oft sog. Schutzkolloide
                              									auf, welche die Ausflockung durch Metallhydroxyde dann verhindern. Die Sole läuft
                              
                              									unverändert aus der elektrolytischen Zelle, ohne daß es zu ihrem „Bruch“
                              									kommt. Dieser Zustand kann auch unvermittelt nach längerer einwandfreier
                              									Betriebszeit eintreten. Die Ausflockung reißt plötzlich ab, trotzdem das betreffende
                              									Metall weiter in Lösung geht. Versuche haben nun ergeben, daß der Zusatz von
                              									Elektrolyten, welche an und für sich eine fällende Wirkung ausüben, auch hier versagt, soweit die
                              									Konzentration des betreffenden Elektrolyten unter einem gewissen Schwellenwerte
                              									liegt, dessen Anwendung jedoch die elektrolytische Ausflockung als nicht mehr
                              									lohnend erscheinen läßt. Nur ein Salz, das Aluminiumsulfat, Al4 (SO4)3, macht hiervon eine Ausnahme. Hierauf beruht nun
                              									das genannte Verfahren des D. R. P. 294 957 von G. ter Meer und K. Reubold.
                           Besondere Verfahren zur Abwässerreinigung bedienen sich eines Vorganges, den man als
                              									Koagulieren auffassen kann. Ein solches Verfahren zum Koagulieren von
                              									Kanalisationsschlamm ist unter D. R. P. 275566 der Westcarbonizing Ltd. geschützt
                              									worden. Man erhitzt danach den Klärschlamm, ohne jeden Zusatz von Fallungsmitteln,
                              									nach Art der Gewinnung von naßcarbonisiertem Torf bis auf eine oberhalb des
                              									Siedepunktes der wässerigen Flüssigkeit liegende Mindesttemperatur von 130 Grad
                              									Celsius. Diese Temperatur entspricht etwa einem Ueberdruck von 1,8 Atm, so daß die
                              									Wände der Rohre nicht übermäßig dick zu sein brauchen. Je höher die zur Verwendung
                              									kommende Temperatur innerhalb der Rohre ist, um so vollkommener ist auch die
                              									Zerstörung der schleimigen Substanzen. Die aus dem Erhitzerapparat austretende
                              									Schlammasse kann leicht durch eine Filterpresse filtriert werden, und der der
                              									Dampfspannung entsprechende hohe Druck, mit welchem die Flüssigkeit den Apparat
                              									verläßt, kann dazu benutzt werden, die Masse direkt durch die Filterpresse
                              									hindurchzutreiben. Die Abwässer sind dann völlig geruchlos und können ohne weiteres
                              									abgeleitet werden. Den Schlammrückstand erhält man der Form von Preßkuchen, die man
                              									einmal mit geeigneten Lösungsmitteln auf ihren Fett- und Oelgehalt verarbeitet und
                              									die dann übrig bleibenden stickstoffhaltigen Rückstände als Düngemittel verwenden
                              									kann. – Ein anderes Verfahren zur Reinigung und Geruchlosmachung schmutziger
                              									Abwässer aller Art, insbesondere von Fabrikabwässern, wurde C. Gunkel mit D. R. P.
                              									304040 geschützt, der ein Gemisch hochplastischer Tone mit verwitterten
                              									Mineraltrümmern silikathaltiger Gesteine anwendet. Gunkel behandelt das Abwasser
                              									zunächst mit Chloriden oder löslichen Sulfaten der Erdalkalien oder Erden – also mit
                              									Magnesiumchlorid, Calciumchlorid, Magnesiumsulfat usw. –, dann weiter mit dem
                              									Tongemisch und schließlich mit demselben Tongemisch und Kalk oder Gips gleichzeitig.
                              									Eine Ausführungsform des Verfahrens nimmt z.B. die einleitende Behandlung mit
                              									Kaliendlauge vor. Es werden drei Absetzbecken, ein Vorratsbehälter für die
                              									Salzlösung und zwei Aufrührgefäße für Tonschlamm vorgesehen. Die Absetzbassins oder
                              									Klärbecken erhalten 200 cbm Fassungsraum, also etwa 10 m Durchmesser und 3 m Tiefe.
                              									Sie werden, wenn irgend angängig, terrassenförmig übereinander angeordnet und sind
                              									zweckmäßig je dreifach vorhanden, um ohne jede Unterbrechung arbeiten zu können.
                              									Etwas über der obersten Stufe sind nebeneinander das Salzvorrats- oder
                              									Salzlösungsgefäß und die beiden Aufrührquirle mit etwa 10–12 cbm Fassungsraum
                              									aufgebaut und vor ihnen befinden sich Meßbottiche, in denen die für jeden
                              									Klärvorgang erforderliche Flüssigkeitsmenge abgemessen wird. Der Vorratsbehälter für
                              									Salzlösung enthält Kaliendlauge oder wird, um auch jede andere Salzlösung anwenden
                              									zu können, mit einem Drahteinsatz ausgerüstet, in den das zu lösende Salzquantum
                              									eingetragen wird. Im ersten Quirl werden jeweils 3000 kg Ton in 10 cbm Wasser
                              									aufgelöst. Zum zweiten Quirl gehört noch eine Kalklöschpfanne, in welche z.B. für
                              									eine Kalktonmischung 800 kg frisch gebrannter Kalk mit 2 cbm Wasser gelöscht
                              
                              									werden. In dem Quirl werden 2400 kg Ton in 8 cbm Wasser aufgerührt und der
                              									Kalkschlamm – eventuell noch etwas verdünnt – wird dann hinzugelassen. Man rührt nun
                              									solange, bis ein gleichförmiger Schlicker entstanden ist. Den Reinigungsvorgang läßt
                              									Gunkel nun folgendermaßen verlaufen. In das Klärbassin wird das Abwasser z.B. von
                              									einer Färberei eingelassen. In den Zulauf mündet auch das Ablaßrohr der Salzlösung,
                              									so daß unmittelbar beim Einlauf bereits die Mischung vor sich geht. Auf 200 cbm des
                              									Abwassers werden, je nach dessen Zustand, zwischen 1 und 10 cbm Endlauge oder die
                              									entsprechende Menge Bariumchloridlösung, die – 80 kg Bariumchlorid pro cbm enthält,
                              									zugegeben. Dieses Gemisch bleibt etwa eine halbe Stunde in der Grube stehen und dann
                              									wird der vorgeklärte Teil mittels Stutzen in eine der Gruben abgelassen. Den weiter
                              									überzuziehenden 190–195 cbm mischt man während des Ablaufens 1,5 bis 15 cbm des
                              									Tonschlammes aus dem ersten Quirl zu. Das so behandelte Abwasser überläßt man im
                              									Bassin eine Stunde der Ruhe, wobei sich der Ton zu Boden setzt und schon die
                              									Hauptmenge der Verunreinigungen niedergeschlagen wird. Die überstehende Flüssigkeit
                              									wird nun in ein zweites Bassin der Reihe eingelassen und man mischt ihr aus dem
                              									zweiten Quirl während des Ablaufens nochmal 1,5 bis 15 cbm und zwar Kalk tonschlamm zu. Nach einer weiteren Stunde des
                              									Absitzens kann man dann das blanke, klare, nicht riechende Wasser aus diesem Bassin
                              									ablassen und ohne weiteres in einen Flußlauf überführen. – Der Beschreibung zufolge
                              									könnte das Gunkelsche Verfahren zunächst etwas reichlich kompliziert erscheinen, in
                              									der Praxis ist dem aber nicht so, wenn erst mal die nötigen Einrichtungen für den
                              									Klärvorgang geschaffen sind. Das wirtschaftlich so unangenehme Färbereiabwasser wird
                              									nach dieser Methode jedenfalls gründlich gereinigt. – Für eine große Anzahl von
                              									Betrieben, ebenso auch für städtische Abwässerreinigung, hat sich in der Praxis der
                              									neuen Zeit vollauf bewährt das O.M.S.-Klärverfahren von Otto Mohr (Wiesbaden).
                              									Seiner Wirtschaftlichkeit nimmt das O.M.S.-Klärverfahren unter allen bekannten
                              									mechanischen Kläranlagen heute wohl die erste Stelle ein; man kann der Mohrschen
                              									Methode zugestehen, daß sie am wenigsten Bedienungsmannschaften erfordert und wohl
                              									die wirtschaftlichste Kläranlage darstellt. – Hinsichtlich der Behandlung von
                              									Färbereiabwässern hat M. Strell als Ergebnis langer Beobachtungen und Versuche
                              									mitgeteilt, daß erfahrungsgemäß rein mechanische Klärverfahren sich nicht dazu
                              									eignen, um Färberei-Abwässer in einer für die Praxis genügenden Weise zu reinigen
                              									und vor allem sich nicht entfärben lassen. Auch physikalisch-chemische
                              									Oxydationsmethoden, wie das Ozonverfahren, sind wegen der Unbeständigkeit der
                              									Reduktionsprodukte (Leukobasen) unzureichend. Eine chemische Klärung mit Kalkmilch
                              									wird bezüglich der Entfärbung nur dann den gewünschten Erfolg haben, wenn die
                              									Abwässer von vorneherein geeignete, mit Kalk ausflockende Kolloide wie Seifen,
                              									Gerbsäure u. dergl. enthalten. Von sehr günstigem Einfluß auf die Reinigung und
                              									Entfärbung von Färbereiabwässern ist jedoch nach Strells Bericht der absichtliche
                              									Zusatz von Kolloiden wie Humin oder Torfbrei und deren nachherige Ausfällung,
                              									Ausflockung mittels Tonerde-Eisensulfat. Den weitestgehenden Klär- und
                              									Reinigungseffekt gewährleisten entschieden die beiden folgenden Verfahren, nämlich
                              									die Braunkohlenschlackemethode nach Preibisch und dann das Reinigungsverfahren nach
                              									Dr. Drechsler. Beide Verfahren stellen geschickte Kombinationen
                              									physikalischchemischer und besonders auch biologischer Vorgänge dar, wobei das
                              									Braunkohleschlackeverfahren von Preibisch vor dem Drechslerschen Verfahren insofern
                              									im Vorteil ist, als hierbei die Verwendung von chemischen Zuschlägen entfällt, und
                              									mithin auch die Betriebskosten wesentlich geringere sind. Was jedoch den
                              									Reinigungseffekt anbetrifft, so muß man dem Drechslerschen Verfahren in der Praxis
                              									die erste Stelle einräumen, zumal auch das so gereinigte Abwasser einwandfrei wieder
                              									als Betriebswasser verwendet werden kann. Diese beachtenswerten Ausführungen Strells
                              									sind außer für die betreffenden Industrien auch für diejenigen Städte von Interesse,
                              									in deren Gebiet sich Färbereien für irgendwelche Stoffe, wie Seide, Wolle, Leinwand,
                              									Baumwolle u.a. befinden.
                           In einer groß angelegten umfassenden Darstellung berichtete M. E. Rolants aus dem
                              									Pasteur-Institut im 42. Bande der Schriften der Gesellschaft der Industriellen von
                              									Nordfrankreich über Abwasserreinigung. Einleitend sagt Rolants zunächst, daß die
                              									Fortschritte in der Erkenntnis der Krankheitsursachen und der Fortpflanzung der
                              									ansteckenden Krankheiten zu immer schärfer umrissenen Vorschriften geführt haben,
                              									die dann zur Ausbildung der verschiedensten Verfahren zur Desinfektion der Abwässer
                              									und der Abflüsse von Abwässerreinigungsanlagen beigetragen haben. Die dabei
                              									eingeschlagenen verschiedenen Wege, welche die organische Verunreinigung und die
                              									Entwicklung der schlechten Gerüche zu verhüten bezwecken, ermöglichen es zwar, die
                              									Anzahl der Keime zu verringern, nicht aber, alle Keime auch völlig abzutöten. Nach
                              									Rolants Ansicht könnte man bei Wasser, das nur Mikroben der Eingeweideflora von
                              									gesunden Individuen enthält, von einer Reinigung absehen, ebenfalls dann, wenn die
                              									Ausleerungen direkt am Krankenbette sterilisiert werden. Dagegen müssen jedoch die
                              									Abflüsse von Abwässerreinigungsanlagen als Krankheitskeime tragend angesehen werden
                              									und daher Behandlungen unterworfen werden, die eine möglichst praktische und
                              									wirtschaftliche Zerstörung der Bakterien gestatten. Während die europäischen
                              									Hygieniker die Ansicht vertreten, daß eine Desinfektion nur in ganz bestimmten
                              									Fällen, wie z.B. Choleraepidemien unbedingt notwendig sei, sind die Amerikaner, da
                              									sie für die Wasserversorgung größtenteils auf Flüsse und Seen angewiesen sind, der
                              
                              									Meinung, daß die Desinfektion bis auf einige Ausnahmen stets verwirklicht werden
                              									sollte. Die Umstände, welche eine Desinfektion der Abwässer erheischen, werden von
                              									Kunnicutt, Winslau und Winthrop Pratt näher angegeben. – Wenn man von den Kosten
                              									absieht, so ist die Wärme das geeignetste Mittel zur Vernichtung der Mikroben. Zur
                              									teilweisen Sterilisation genügt eine Temperatur von 05 Grad, bei der das Bacterium
                              									Coli getötet wird; dagegen sind 112 Grad notwendig, um die sporenbildenden Keime
                              									(sporogene) mit Sicherheit zu zerstören. Klein schlug einen Apparat vor, der die
                              									Gewinnung des im Wasser enthaltenen Ammoniaks gestattet. In manchen Spitalen wird
                              									die Sterilisation aller Abgänge flüssiger Art angewandt. Moore und Silcock, sowie
                              									Bréchot haben geeignete Apparate konstruiert. Die gewöhnliche Filtrierung mit Stand
                              									genügt nur für die Abflüsse von Abwässerreinigungsanlagen. Wenn auch die Versuche
                              									von Hendon, de Dorking und de Leeds gute Resultate erbracht haben, so sind diese,
                              									nach Rollants Ansicht, doch nicht befriedigend. Schädigende und giftige Wirkung auf
                              									die Mikroben üben aus: Kalk, Säuren, Kupfersulfat und die Amine; Oxydationsfähigkeit
                              									zeigen neben dem Ozon noch die Permanganats, das Chlor und die
                              									Chlorverbindungen. Zur praktischen Desinfektion müßte Kalk in solchen Mengen
                              									zugesetzt werden, daß die Reaktion alkalisch wirkt. Das so behandelte Wasser ist
                              									jedoch giftig für Fische. Nach Rideal verbürgen kleine Mengen von 0,8 bis 1 g pro
                              									Liter nicht die Sterilisation. Empfindlicher schon sind die Keime gegen die
                              									Einwirkung von Säuren im Abwasser. Nach Stützer reichen 0,05 % Schwefelsäure schon
                              									aus, um Choleravibrionen binnen 15 Minuten zu zerstören, und 0,02 % in zwei Stunden,
                              									Iwanow fand 0,08 % Schwefelsäure genügend zur Zerstörung der Choleraerreger; mit
                              									derselben Zugabe zerstörte CKitasato Typhusbazillen schon innerhalb 15 Minuten. Nach
                              									Dixon sind gewisse industrielle Wässer sauer und wirken bakterientötend auf
                              									Typhusbazillen und Coli; andere Wässer wieder sind mehr oder weniger alkalisch. Ein
                              									Ueberschuß an Säure ist aber stets schädlich für die Fische. Zur Zerstörung der an
                              									der Oberfläche der Gewässer lebenden Algen wird ziemlich allgemein Kupfervitriol
                              									angepriesen. Nach Kellemann, Pratt und Kimberley wirkt dieses Mittel antiseptisch.
                              									Bei Anwendung von 116 g auf 1 cbm widersteht ein großer Teil der Keime, und nach
                              									ähnlichen Versuchen desgleichen selbst noch bei 200 g pro 1 cbm. Trimethylamin, mit
                              									Kalk oder einem anderen Alkali behandelt, gibt eine sehr giftige Verbindung.
                              									Heringslake, einem großen Ueberschuß von Kalk zugesetzt, diente zur Fällung des
                              									Rohwassers. Der Abfluß ist dann klar und fault nicht. – Die Ozonisierung zwecks
                              									Desinfektion ist möglich. Nach den von Dzerchgowsky angestellten Versuchen ist zu
                              									schließen, daß zur Sterilisation die Konzentration der Ozonluft erhöht und das
                              									Wasser stark verteilt der Ozonwirkung ausgesetzt werden muß.
                           Nach Phelps und Charpenter verwendet man in London das Schwefelpermanganat zur
                              									Beseitigung der schlechten Gerüche der Themse. Unzweifelhaft wird man dabei aber
                              									doch nur höchstens eine partielle Desinfektion erzielen. Clark und Gage operierten
                              									mit dem Permanganat der Pottasche. – Chlor und seine ersten Verbindungen zersetzen
                              									das Wasser unter Freigabe von Sauerstoff und wirken antiseptisch. Der Vorschlag,
                              									Chlorgas auf chemischem oder elektrolytischem Wege hergestellt, direkt zu verwenden,
                              									würde wahrscheinlich auf Schwierigkeiten stoßen wegen der Gefahr, die dieses
                              									Verfahren mit sich bringt. Die nach dem Verfahren von Hermite, welches wir oben
                              									bereits anführten, durch Elektrolyse des Meerwassers gewonnenen Hypochlorite und
                              									anderen Oxyde sind unbeständig und zerstören nicht die sporogenen Keime, wohl aber
                              									die Coli, wenn sie unmittelbar nach der Herstellung verwendet werden. Wolf zersetzte
                              									Kochsalz elektrolytisch in Abwasser, 1898 in Havanna angewandt, zur Bekämpfung des
                              									gelben Fiebers. Der Oxychloridprozeß durch elektrolytische Zersetzung einer
                              									Salzlösung oder des Meerwassers hat gute Ergebnisse gezeitigt. Das von Berge
                              									empfohlene Verfahren zur Sterilisation mittels Chlorperoxyd ist von Dzerchgowsky
                              									ausprobiert worden; es stellt sich jedoch sehr teuer. Die Hypochlorite des Schwefels
                              									werden angewandt zur Sterilisation des Trinkwassers, während diejenigen des Kalkes
                              									zur Desinfektion von Abwässern dienen, wegen des dreimal größeren Chlorgehaltes und
                              									des verhältnismäßig billigeren Preises. Beide Reagentien zersetzen sich leicht unter
                              									Freigabe von Sauerstoff und sind nicht schädlich. Proskauer und Eisner bestimmten
                              									bei der Desinfektion der Hamburger Abwässer die Menge Chlor zu 2,7 bis 4 g pro Cl
                              									cbm und stellten das Verschwinden der Coli schon nach zehn Minuten fest. Nach Dunbar
                              									und Zien sind zur
                              									vollständigen Desinfektion dieser Abwässer 25 g Cl. pro cbm erforderlich. Schumacher
                              									untersuchte die Abwässer von Spitälern und fand bei 43 g Cl. zwar eine beträchtliche
                              									Abnahme der Mikroben, aber er konnte doch selbst mit 300 g keine Sterilisation
                              									erzielen. Schwarz, der mit Kulturen anderer Vibrionen experimentierte, fand, daß
                              									Abwasser befriedigend desinfiziert werden kann durch Hypochlorit des Kalkes nach
                              									vorheriger Filtrierung durch Siebe oder Roste mit 1 mm Zwischenraum bzw.
                              									Maschengröße. 60 mg Cl. pro Liter genügten zur Zerstörung der Typhusbazillen und
                              									30–40 mg zur Vernichtung der Choleraerreger. Kranepuhl verlangt jedoch wieder 300 mg
                              									Cl. pro Liter zur vollständigen Tötung der Coli in 4 Stunden. Kurpjeweit untersuchte
                              									die Wirksamkeit der Desinfektionsstoffe in bezug auf das Eindringungsvermögen in
                              									feste, cm Wasser enthaltene Partikelchen, indem er Wasser durch Siebe von 2–10 mm
                              									Maschenweite hindurchtreten ließ. Bei 2 mm Maschenweite genügten 150 mg, bei 10 mm
                              									waren aber schon 300 mg Chlor erforderlich zur vollständigen Zerstörung des Coli.
                              									Versuche in Philadelphia ergaben nach Filtrierung durch Siebe mit 12 mg Cl. nach
                              									zwei Stunden eine genügende Desinfektion. Am Institut Mont Alto waren zur
                              									Colivernichtung in den Abflüssen des durch Sand filtrierten Wassers 2–5 g Cl. pro
                              									cbm erforderlich. Clark und Gage stellten fest, daß bei Behandlung der Abwässer mit
                              									Chlor eine größere Menge Chlor zugesetzt werden müßte, wenn man in der Praxis bei
                              									Zählung der Keime auf der Platte dieselbe Anzahl finden wollte, wie bei der
                              									Laboratoriumstemperatur.
                           Eine ebenfalls recht wichtige Frage betrifft die Ableitung der Abwässer. Da die
                              									Abwässer nur in ganz seltenen Fällen sich völlig aufarbeiten lassen, so kommt für
                              									die Beseitigung derselben nur die schließliche Ableitung in Gewässer in Frage. Durch
                              									die in den Abwässern enthaltenen Stoffe werden natürlich die Beschaffenheit und die
                              									Zusammensetzung der Gewässer je nach der Art dieser Stoffe und je nach ihrem
                              									Verhältnis zur Wassermenge der Flüsse oder Bäche, Seen, Teiche etc., in die sie
                              									eingeleitet werden, mehr oder weniger stark verändert. Um hier nach menschlicher
                              									Möglichkeit vorzubeugen, dient eben einmal die vorherige Reinigung der Abwässer,
                              									dann aber auch sucht man, gezwungenermaßen, die Menge der abzuleitenden Abwässer
                              									einzuschränken. In dem einen, wie auch dem anderen Falle ist aber dennoch eine
                              									gewisse Verunreinigung der Gewässer unvermeidlich. Es ist nämlich durchweg aus
                              									technischen und wirtschaftlichen Gründen bei den zur Anwendung gelangenden
                              									verschiedenen Reinigungsverfahren der Abwässer die Reinigung derselben so weit zu
                              									treiben, daß sie wieder den Reinheitsgrad natürlicher Wasser erlangen. Im
                              									allgemeinen ist dies auch nicht erforderlich, immerhin aber bleibt der biologische
                              									Charakter der Flüsse, Bäche, Teiche usw. durch die in sie eingeleiteten, wenn auch
                              									vorher nach irgendeinem Verfahren gereinigten Abwässer keineswegs unbeeinflußt.
                              									Diesen Punkt wollen wir heute zum Schlusse noch kurz erörtern. – Bedeutsam für den
                              									biologischen Charakter mancher Gewässer ist deren Gehalt an gelöster organischer,
                              									fäulnisfähiger, stickstoffhaltiger Substanz. Die Quellen sind meistens frei davon,
                              									oder sie enthalten nur Spuren. Je weiter nun aber der Bach zu Tal strömt und zum
                              									Flusse sich verbreitert, desto mehr nimmt auch in seinen Fluten die organische
                              									Substanz zu, die den zerfallenden Resten abgestorbener Tiere und Pflanzen des
                              									Gewässers und seiner Umgebung entstammt.
                           Zu diesen natürlichen „Verunreinigungen“ treten in Kulturländern immer mehr
                              									künstliche hinzu in Gestalt von Abwässern aus menschlichen Siedelungen, die neben
                              									der organischen Substanz meist auch reich an Salzen sind. Derartige Abwässer haben,
                              									im Uebermaß eingeführt, den biologischen Charakter mancher Bäche und selbst Flüsse
                              									vielerorts bereits völlig verändert. Während es in strömenden Gewässern, so lange
                              									dieselben sich noch im Naturzustande befinden, und selten oder nur ganz lokal zu
                              									dauernden Anreicherungen fremder faulender, organischer Substanz, kommt, da die
                              									fließende Welle solche Mengen stetig verteilt und sie damit der Selbstvernichtung
                              									durch die Tier- und Pflanzenwelt des fließenden Wassers preisgibt, was man als
                              										„Selbstreinigung“ zu bezeichnen pflegt, so kann in manchen nicht
                              									fließenden, also stagnierenden Gewässern die Zufuhr von Abwässern einen solchen Grad
                              									von „natürlicher Selbstverunreinigung“ erreichen, daß sie der gesamten Flora
                              									und Fauna dieses Wassers ihren Stempel aufdrückt, in kleineren Gewässern
                              									(Dorfteichen usw.) natürlich mehr als in schon größeren Seen und noch weniger in
                              									großen Flüssen mit stärkerem Gefälle, aber gänzlich ist der Einfluß von Abwässern
                              									nicht zu vermeiden. Glücklicherweise aber erscheinen die Ansprüche, welche die
                              									verschiedenen Tiere an den Sauerstoffgehalt ihrer Wohngewässer stellen, im einzelnen
                              									sehr verschieden abgestuft. Auch die mancherlei Lebensgenossenschaften der
                              									Kleinlebewesen, Kleinpflanzen und anderer sind hinsichtlich des Reinheitsgrades des
                              									von ihnen geforderten Wohnwassers recht weitgehend voneinander verschieden. Man
                              									konnte auf Grund neuerer Erfahrungen sogar gewisse Einteilungen vornehmen, indem man
                              									die Lebensgenossenschaften der stärker verunreinigtes Wasser liebenden Organismen
                              									als Saprobien bezeichnet, und sie den an reines Wohnwasser gebundenen Katarrhobien
                              									oder Akeratobien gegenüber stellt, doch sind beide Extreme von Organismen durch
                              									allerhand Uebergänge verbunden.