| Titel: | Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage. | 
| Autor: | Bruno Simmersbach | 
| Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 131 | 
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                        Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
                        Von Bruno Simmersbach, Hütteningenieur,
                           									Wiesbaden.
                        SIMMERSBACH, Neuere Arbeiten zur Abwässerfrage.
                        
                     
                        
                           III. Teil.
                           Behandlung des Schlammes.
                           Die Klärrückstände bieten hinsichtlich ihrer weiteren Behandlung, Beseitigung und
                              									etwaigen Verwertung noch mancherlei Probleme; insbesondere ist die Frage der
                              									Schlammbehandlung und Schlammbeseitigung oftmals schwieriger zu lösen als die Frage
                              									der Abwässerreinigung selbst. Deshalb hat man dieser Sonderfrage schon vor der
                              									Errichtung der Abwasserreinigungsanlagen die sorgfältigste Aufmerksamkeit zu widmen.
                              									Zwar ist der bei der Abwasserreinigung gewonnene Schlamm unbedingt als ein
                              									wertvolles Bodenmeliorationsmittel anzusehen, zumal er auch noch gewisse Mengen
                              									recht wichtiger Pflanzennährstoffe enthält, aber diese Art restloser Beseitigung des
                              									nicht weiter verarbeiteten Schlammes kommt eigentlich nur für Rieselfelder in
                              									Betracht. Unter gewissen Umständen kann er auch für biologische Anlagen mit
                              									Faulräumen in Betracht kommen, denn in den meisten anderen Fällen stehen einer
                              									derartigen Beseitigung des Abwasserschlammes vielfach örtliche und auch
                              									wirtschaftliche Hindernisse im Wege. Wo der frische Schlamm also nicht auf
                              									weitausgedehnten Rieselfeldern beseitigt werden kann, muß man sich auf andere Weise
                              									zu helfen suchen.
                           So hat man vorgeschlagen, den Schlamm zu pressen, doch ist dies vielfach nicht ohne
                              									Zusatz von Kalk möglich, der aber dann wiederum die nachherige Verbrennung desselben
                              									auf starke Schwierigkeiten stoßen läßt. – Vor einigen Jahren ist es nun
                              									Schafer-ter-Meer gelungen, den Schlamm durch Ausschleudern soweit zu entwässern, daß
                              									sein Wassergehalt bis auf 72,5 % herabgedrückt wurde. Solcher Schlamm läßt sich dann
                              									verfeuern und zu Harburg a. d. Elbe befindet sich eine derartige
                              									Verwertungseinrichtung des Systems Schafer-ter-Meer im Betriebe. Auch der
                              									entwässerte Schlamm wird am zweckmäßigsten als Düngemittel benutzt, doch erhält man
                              									wohl kaum eine Bezahlung dafür. Am günstigsten gestaltet sich die Beseitigung des
                              									Klärschlammes jedenfalls, wenn er nach dem Absetzen und Trocknen an der Luft ohne
                              									jede weitere Behandlung als Dünger verkauft oder auch kostenlos abgegeben werden
                              									kann. Ist nun diese Art der Verwertung nicht möglich, so kommt in erster Linie die
                              									künstliche Trocknung des Schlammes bei gleichzeitiger Verfeuerung des
                              									Trockengutes in Frage und in zweiter Linie die Trocknung des Schlammes und dessen
                              									Verkauf als Dungstoff. Die Vergasung des getrockneten Schlammes dagegen gewährt
                              									keinerlei wirtschaftliche Vorteile, wie Trautmann in der Zeitschrift des V. d. Ing.
                              									(Bd. 64, 107) dies ausführt, da auch der Ertrag aus dem nebenbei gewinnbaren
                              									Ammoniak zu geringfügig ist. Unter allen Umständen ist daher die einwandfreie
                              									Beseitigung des Klärschlammes stets mit Kosten verbunden. So ist dem Sewage
                              									Syndicate Ltd ein Verfahren zum Entwässern von Kanalisationsschlamm patentiert (D.
                              									R. P. 320567), welches ohne Zusatz von Fällungsmitteln arbeitet, durch ein dem
                              									Naßverkohlen von Torf ähnliches Erhitzen auf eine oberhalb des Siedepunktes der
                              									wässrigen Flüssigkeit gelegene Temperatur. Dann wird der erhitzte Schlamm auf eine
                              									verhältnismäßig niedrige Temperatur, etwa auf 30° Cels., abgekühlt, worauf man ihn
                              									absitzen läßt, und die Entwässerung durch darauffolgendes Pressen erleichtert und
                              									beschleunigt. Ob dieses Verfahren in der Praxis nicht zu hohe Kosten verursachen
                              									würde, erscheint uns zweifelhaft, jedenfalls kann es nicht rentabel sein. – Zur
                              									Behandlung von Abwässern jeglicher Art empfiehlt Rohland sein
                              									Kolloidreinigungsverfahren, das er mit den biologischen Reinigungsverfahren auf eine
                              									Stufe stellt, und „bei dem die Rentabilität gesichert“ sein soll (Zeitschr.
                              									f. öffentl. Chemie 20,1). – Ueber die Nutzbarmachung der Fäulniserscheinungen bei
                              									der Behandlung des Abwasserschlammes schrieb F. R. O'Shaughnessy (im Journal of the
                              									Society of Chemical Industry, London 33,3). Der Berichterstatter bemerkt zunächst
                              									einleitend, daß auf großen Kläranlagen bekanntlich die Behandlung und Beseitigung
                              									des anfallenden Schlammes nicht geringere Schwierigkeiten macht als die des
                              									Abwassers selbst. Ein anschauliches Beispiel hierfür bietet Birmingham, worüber
                              									O'Shaughnessy nun ausführlich berichtet: Im Jahre 1900 wurde das Abwasser
                              									Birminghams mit Kalk behandelt und der ausgefällte Schlamm auf Sandflächen
                              									untergebracht. Es entwickelten sich hieraus aber unhaltbare Zustände, besonders eine
                              									unerträgliche Geruchsbelästigung, die auch durch das „Beerdigen“ des
                              									Schlammes nicht gänzlich behoben werden konnte. Im Jahre 1901 ging man deshalb zur
                              									Faulkammerbehandlung über, die besonders wegen der damit verbundenen
                              									Schlammzersetzung anfangs allgemein Anklang fand. Doch auch hier stellte sich bald
                              									heraus, daß die „Schlammverzehrung“ ihre Grenzen hat, sie schwankte nach
                              									Messungen auf englischen Kläranlagen zwischen 10 und 30 %. Des ferneren ergab sich
                              									noch als Nachteil weiter eine starke Geruchsbelästigung durch die den biologischen
                              									Körpern zugeführten Faulkammerzuflüsse und ihr hoher Gehalt an ungelösten
                              									Bestandteilen. Nachdem man deshalb schon im Jahre 1909 mit Versuchen begonnen hatte,
                              									den Schlamm von Abwasser getrennt der Ausfaulung zu unterwerfen, schritt man,
                              									besonders infolge der ganz außerordentlichen Unzuträglichkeiten während des heißen
                              									Sommers 1911, in Birmingham zu folgendem neuen Verfahren. Nachdem das Wasser in
                              									Absitzbecken mit etwa 4–5 stündiger Durchflußzeit von der Hauptmenge der ungelösten
                              									Stoffe befreit ist, gelangt es in einem zweiten Absitzraum und von hier auf die
                              									biologischen Körper. Aus den erstgenannten Becken wird der Schlamm, nachdem das
                              									überstehende Wasser abgelassen ist, in Zeitabständen von zwei bis drei Wochen in
                              									kleinere Zersetzungsräume gepumpt. In diese kleineren Becken wird gleichzeitig
                              									bereits durchgefaulter Schlamm überführt, um so eine möglichst schnelle Reifung
                              									herbeizuführen. Als günstigstes Mischungsverhältnis hat sich ein Teil durchgefaulter
                              									auf vier Teile frischen Schlamm ergeben. Nach zwei Wochen wird der Schlamm dann
                              									weiter in sekundäre Zersetzungsräume übergepumpt. Durch die hierdurch herbeigeführte
                              									gründliche Bewegung und Durchmischung läßt sich die Reifungszeit ganz wesentlich
                              									abkürzen. Man kann auf diese Weise eine „Schlammverzehrung“ bis zu etwa 30 %
                              									schon in 6–8 Wochen erreichen. Der Schlamm ist aber dann immer noch von kolloidaler
                              									Beschaffenheit und nur schwer drainierbar, weshalb man die Faulzeit doch besser auf
                              									drei Monate ausdehnt. Mit dem „Waschen“ des Schlammes, wodurch eine schnelle
                              
                              									Beseitigung der Zersetzungsprodukte bewirkt werden soll, hat man zu Birmingham
                              									sowohl im Laboratorium wie auch draußen auf der Anlage Versuche ausgeführt, die zwar
                              									ergaben, daß hierdurch eine beschleunigte Zersetzung herbeigeführt wird, daß dieser
                              									Vorteil aber die Nachteile der Methode, die Entstehung stark fauliger Abflüsse und
                              									die Verdünnung des Schlammes nicht aufwiegt. So erhält man denn in Birmingham nach
                              									dem schließlich dort geübten Verfahren einen Schlamm von etwa 87 % Wassergehalt, der
                              									je nach dem Wetter in drei Wochen bis mehreren Monaten trocknet und dann eine
                              									inoffensive, feste Masse bildet, die sich bequem abfahren läßt. Andere Versuche
                              									ergaben, daß auch die Verbrennung des Schlammes bei guter Zugluft im Ofen wohl
                              									möglich ist, wegen des hohen Wasser- und Aschegehaltes des Schlamms aber nicht
                              									zweckmäßig war. Der in den sekundären Absitzbecken, die alle 2–3 Monate gereinigt
                              									werden, anfallende Schlamm, bildet ebenfalls eine inoffensive, dabei teerartig
                              									riechende Masse, die einen Wassergehalt von 89,7 % zeigt.
                           Ein Verfahren zur raschen Zersetzung von Abwasserschlamm, das in Faulbecken
                              									angesammelt und dabei wasserarm ist, wurde von O. Stock ausgearbeitet (D. R. P.
                              									301076). Nach diesem Verfahren wird dem in dem Faulbecken abgelagerten wasserarmen
                              									und angefaulten Schlamm durch Einpressen von Luft Sauerstoff zugeführt, so daß der
                              									im Faulbecken abgelagerte, zum Teil ausgefaulte Schlamm aufgelockert und mit dem
                              									darüber liegenden Frischschlamm zwecks rascherer Durchfaulung vermengt wird, ohne
                              									daß dem in dem Faulbecken abgelagerten Schlamm Wasser, Frischschlamm oder
                              									andere Zusätze von außen her zugeführt und dadurch die zu verarbeitende Schlammmenge
                              									vermehrt wird. Bei der Ausführung einer solchen Anlage nach dem System O. Stock ist
                              									das Absitzbecken räumlich getrennt von dem Faulbecken. In dieses letztere sind
                              									Röhren in beliebiger Anzahl eingeführt, die bis in den im Faulraum angesammelten
                              									Schlamm hineinreichen. Von Zeit zu Zeit wird durch diese Röhren Luft eingeblasen,
                              									welche dem Schlamm den zur raschen Zersetzung erforderlichen Sauerstoff zuführt.
                              									Dabei wird der Schlamm gleichzeitig aufgelockert und durch Anhaften der Luftbläschen
                              									an den einzelnen Schlammteilchen wird schon rein mechanisch bewirkt, daß der Schlamm
                              									hochsteigt, wodurch dann wiederum eine innige Durchmischung des angefaulten
                              									Schlammes mit dem bereits abgesetzten oder im Sinken begriffenen Frischschlamm
                              									bewirkt wird. Diese Durchmischung schafft dann ebenfalls die günstigsten
                              									Lebensbedingungen für die im Frischschlamm enthaltenen und zur Verzehrung der
                              									Faulstoffe erforderlichen Lebewesen. Der Schlamm in den vom Faulbecken getrennten
                              									Absitzbecken wird in bestimmten Zwischenräumen in das Faulbecken abgezogen und hier
                              									der oben angegebenen Weiterbehandlung mit Luft unterzogen. Das Faulbecken legt man
                              									darum vorteilhaft zentral, also gibt ihm rechts und links ein Absitzbecken zur
                              									Seite. Ist der Faulprozeß beendet, so wird der Schlamm entfernt und getrocknet. Ein
                              									anderes Verfahren zur Behandlung von Abwasserklärschlamm wurde im Jahre 1919 G.
                              									Förster patentiert (D. R. P. 306601). Getrennt von der Absetzanlage, hat Förster die
                              									Schlammbehandlungsanlage gebaut, welch letztere in Unterräume eingeteilt ist, von
                              									denen jeder Einzelraum Schlamm verschiedenen Alters enthält. 'Man arbeitet beim
                              									Försterschen Verfahren nun derart, daß in einem derjenigen Unterräume, deren Schlamm
                              									die dazu geeignetste Beschaffenheit aufweist, der Frischschlamm mit dem bereits in
                              									dem Raum befindlichen, sich zersetzendem Schlamm gemengt und mit dem Gemenge die
                              									älteren und neueren Schlamm enthaltenden Räume aufgefüllt werden, sowie auch ferner
                              									neu in Betrieb genommene Räume beschickt werden. Ein Verfahren G. Försterscher
                              									Ausführung zur Bekeimung von Frischschlamm durch Vermischung mit älterem Schlamm
                              									verläuft derart, daß in den mit dem älteren Schlamm gefüllten Raum der Frischschlamm
                              									von unten eingeleitet und das Gemenge von älterem mit frischem Schlamm von oben
                              									entnommen wird. Eine andere Ausführungsform ist folgende: Das Schlammgemenge tritt
                              									aus dem Mischraum in die, älteren und jüngeren Schlamm enthaltenden Räume und hier
                              									von einem in den anderen dieser Räume durch abschließbare Oeffnungen über. Diese
                              									Oeffnungen, welche sich schließen lassen, haben in ihrer Unterkante dieselbe Höhe,
                              									bis zu welcher die Schlammräume mit Sinkschlamm gefüllt werden sollen. Noch eine
                              									weitere Ausführungsform gibt Förster bekannt, daß nämlich in sämtlichen
                              									Schlammbehandlungsunterräumen feste Leitungen eingebaut sind, die in deren unteren
                              									Teil ausmünden und zur Einbringung von Frischschlamm dienen. Nach dem Zusatz
                              									(Förster: D. R. P. 309612) ist ein Verfahren zur Behandlung von Abwässerklärschlamm
                              									nach dem ersten D. R. P. 306601, wobei der Frischschlamm in einem mit älterem
                              									Schlamm gefülltem Raum von unten eingeleitet und dann das Schlammgemenge von oben
                              									entnommen wird, noch besonders dadurch gekennzeichnet, daß zur Bekeimung des
                              									Schlammes ständig ein und derselbe Raum als Keimraum benutzt wird. Ein solches
                              
                              									Verfahren zur Behandlung von Abwässerklärschlamm, wobei zur Bekeimung des
                              									Frischschlammes ständig ein und derselbe Unterraum benutzt wird, oder aber
                              									Unterräume, deren Schlamm hierzu besonders geeignet ist, abwechselnd benutzt werden,
                              									erfolgt nach Förster derart, daß zur Einbringung des Frischschlammes in den
                              									Mischraum oder in die Mischräume diejenige Leitung mitbenutzt wird oder die
                              
                              
                              									Leitungen mitbenutzt werden, welche zur Ableitung des Schlammes aus den
                              									Schlammräumen zu den Schlammtrockenbeeten dient, bzw. dienen. Weiter noch werden bei
                              									diesem Verfahren für die Zuführung von Abwasser dieselben Leitungen verwandt, die
                              									auch zur Zuführung von Frischschlamm dienen. Eine andere Anlage nach dem Prinzip
                              									Förster (ad D. R. P. 309612) arbeitet derart, daß die Ableitungen, durch die der
                              									Schlamm aus den Schlammräumen zu den Schlammtrockenbeeten geleitet wird, in an sich
                              									bekannter Weise durch eine Abschlußvorrichtung derart mit der Schlammzuleitung
                              									verbunden sind, daß sowohl die Schlammzuleitung wie auch die Ableitungen – eine oder
                              									beide – jede für sich oder alle zusammen abgeschlossen werden können. – H. Döring
                              									hat neuerdings ein Verfahren beschrieben (D. R. P. 332052) zum Aufwühlen des
                              									Schlammes von Abwässern in Sammelbehältern. Es wird von Döring vorgeschlagen, den
                              									Flüssigkeitsstand in den einzelnen nebeneinander liegenden Kammern umschichtig zu
                              									erhöhen und von der oder den Kammern mit jeweilig erhöhtem Spiegel ein
                              									Unterspülstrom mit vielen Strahlen in die Kammern mit niedrigem Spiegel gespritzt.
                              									Um die Wirkung des Aufwühlens des Schlammes noch weiter zu erhöhen, erhalten die
                              									Strahlen des Unterspülstromes eine Drehung um ihre Achse. – Um den Schwimmschlamm
                              									aus Abwasserreinigungsanlagen zu entfernen, hat W. Nax vorgeschlagen (D. R. P.
                              									342041), daß die in der Höhe der Schwimmschlammschicht mündenden Saugstutzen der
                              									Absaugleitung in oben offene Gerinne eintauchen. Diese Gerinne sind entsprechend der
                              									Höhe der Schwimmdecke einstellbar, so daß beim Absaugen der Schwimmschlamm über den
                              									Oberrand des Gerinnes zufließen muß.
                           Wo eine Unterbringung des gepreßten Klärschlammes für Düngezwecke nicht zu erreichen
                              									ist, kommen manchmal Verbrennung oder Entgasung in Betracht. Der Gehalt an
                              									Trockenmasse sollte dabei für Verbrennungszwecke etwa 40 % betragen, was jedoch
                              									durch das Pressen selbst nicht immer zu erreichen ist. Man muß deshalb noch eine
                              									Nachtrocknung des gepreßten Schlammes vornehmen, und zwar entweder an der Luft oder
                              									aber in besonderen Trockenanlagen. Am leichtesten läßt sich natürlich der beim
                              									Kohlebreiverfahren gewonnene Klärschlamm verbrennen. Neuerdings versucht man auch,
                              									den Schlamm zu entgasen, obwohl dieses Verfahren nur in den seltensten Fällen sich
                              									als rentabel erweisen wird, da, wie oben von Trautmann nachgewiesen ist, der
                              									Ammoniakgehalt des erzeugten Gases meist so niedrig ist, daß er kaum die Extraktion
                              									lohnt. Immerhin hat man in Brunn guten Erfolg mit der Verbrennung und Entgasung
                              									erzielt. Dort wird der Schlamm zunächst durch Preßluft bis auf einen Trockengehalt
                              									von etwa 29 % entwässert; hierauf unter Verwendung der Abhitze von Retortenöfen bis
                              									auf 90–95 % Trockengehalt getrocknet. Dieses derart stark vorgetrocknete
                              									Schlammaterial wird dann genau so wie Steinkohlen in Retorten bei 600 bis 700°
                              									trocken destilliert, wobei man zu Brunn im Verlauf von 2 ½ Stunden aus 100 kg
                              									Schlamm 23,8 cbm Gas erhalten soll. Die Zusammensetzung und auch der Heizwert dieses
                              									Gases sind nahezu dieselben wie bei gewöhnlichem Steinkohlengas. Bei diesem
                              									Verfahren gewinnt man in Brunn außerdem noch aus 100 kg Schlamm 0,96 kg Ammoniak –
                              									das wäre allerdings ja drei- bis viermal so viel wie bei Kohle – und 63 kg
                              									kleinstückigen Koks von einem Heizwert zu 2300 W.E. Da nun diese im Koks vorhandene
                              									Wärmemenge zur Trocknung des Schlammes trotzdem nicht völlig ausreicht, so muß man
                              									bei dem genannten Brünner Verfahren auf je 100 kg Schlamm doch immer noch wenigstens
                              									2 kg Kohle zugeben. Wie jedoch Dr. Schwandt seinerzeit berichtete, soll immerhin der
                              									durch Gas und Ammoniak erzielte Gewinn in Brunn so groß sein, daß die dortigen
                              									städtischen Anlagen zur Abwässerreinigung fast völlig amortisiert werden, ganz
                              									abgesehen davon, daß hier die sonst so lästige Frage der Beseitigung des Schlammes
                              									in hygienisch einwandfreier Weise gelöst erscheint. (Dr. Schwandt, Leipzig, im
                              										„Berliner Tageblatt“ Nr. 661. 29. 12. 1912.) Man entgast so in Brunn
                              									täglich etwa 37 t Schlamm und gewinnt daraus 8190 cbm Gas, sowie 277 kg Ammoniak.
                              									Bei der Beurteilung dieses Verfahrens darf man nun nicht außer acht lassen, daß die
                              									Abwasser der Stadt Brunn sehr schlammreich sind, daß ferner dieser Schlamm sehr
                              									stickstoffreich ist und zudem einen außergewöhnlich hohen Gehalt an verbrennlichen
                              									Stoffen aufweist, da ihm sehr große Mengen Abwasser aus industriellen Betrieben,
                              									insbesondere aus Textilfabriken, beigemengt sind. So mag also Verbrennung und
                              									Entgasung des möglichst hoch vorgetrockneten Abwasserklärschlammes in einem solchen
                              									Falle wohl gerechtfertigt, weil wirtschaftlich rentabel, sein; im allgemeinen aber
                              									muß man doch sehr genau prüfen, ob irgendein anderer Abwasserschlamm sich auch auf
                              									derartige Weise würde mit Erfolg verarbeiten lassen. – Schließlich möge hier noch
                              									kurz ein ganz eigenartiges Verfahren zur Klärung von Abwässern erwähnt werden, wofür
                              									Dr. A. Hölken Patentschutz (D. R. P. 277702) erhielt. Dr. A. Hölken verwendet
                              									nämlich die aus dem verbrannten Abwasserschlamm durch Säuren wiedergewonnenen
                              									Fällungsmittel. Zur Alkalisierung des Abwassers wird die aus der Schlammasche vor
                              									ihrer Behandlung mit Säure durch Auslaugung gewonnene Pottasche verwendet, und zwar
                              									wird sie allein, oder mit einer durch Auslaugen fremder Asche gewonnenen Pottasche
                              									dem Abwasser vor Einführung neuer oder der aus dem Abwasserschlamm gewonnenen
                              									Fällmittel zugesetzt. Der große Vorteil dieser Methode Hölken gegenüber anderen
                              									Verfahren liegt darin, daß der Klärschlamm nicht wie früher nur unter Ausnutzung der
                              									darin enthaltenen Kalorien vernichtet wird, sondern durch Gewinnung der ohne
                              									weiteres löslichen Rohpottasche und der durch besondere Behandlung wiedergewinnbaren
                              									Fällungsmittel den überhaupt billigsten Klärbetrieb ermöglicht und zwar unter
                              									Vermeidung jeglichen Kalkzusatzes, wenn genügend Pottasche aus Abfuhrasche usw.
                              									gewonnen werden kann.
                           
                        
                           Biologische Methode.
                           Vom chemischen Gesichtspunkte aus kann man die Abwässer in zwei große Hauptgruppen
                              									einteilen, nämlich in Abwässer mit vorwiegend mineralischen Stoffen und in Abwässer
                              									mit vorwiegend organischen stickstoffhaltigen Substanzen. Zur ersten Gruppe gehören
                              									die Abwässer der Gasanstalten, Steinkohlenzechen, Kokereien, Salinen, Erzbergwerke,
                              									Erzaufbereitungen, Sodafabriken, Kaliwerke, Messingwerke, Arsenhütten,
                              									Schwefelkieswerke und ähnlicher Art. Die Abwässer all dieser Betriebe sind
                              									ungeeignet, um auf Rieselfeldern aufgearbeitet zu werden, denn sie enthalten allesamt Stoffe,
                              									die der Landwirtschaft schädlich sind oder dem Pflanzenwuchse irgendwie Nachteil
                              									bringen. Man trennt diese Abwässer meist auf mechanischem Wege von ihren
                              									Schwebestoffen, und entfernt gelöste Stoffe daraus in der Regel durch chemische
                              									Zusätze, schließlich müssen noch vorhandene freie Säuren neutralisiert werden.
                           Wohl ungleich umfangreicher ist die Klasse der Abwasser mit vorwiegend organischen,
                              									stickstoffhaltigen Substanzen, denn hierher zählen vor allem die städtischen
                              									Kanalwässer, die Abwässer der Brauereien, Hefefabriken, Gerbereien, Brennereien,
                              									Spiritusfabriken, Zucker- und Papierfabriken, Schlachthäuser, Leimkochereien,
                              									Düngerfabriken, Superphosphatwerke, Wollwäschereien, Spinnereien, Molkereien. Alle
                              									diese Fabrikabwässer sind darin gleich, daß sie größere Mengen an Gärungs- oder
                              									Fäulnisprodukten enthalten, oder daß sie infolge ihres Gehaltes an organischen
                              									Stoffen leicht in Fäulnis übergehen. Es finden sich in solchen Abwässern also
                              									Mikroorganismen mancherlei Art und ebenso viele suspendierte Stoffe allermöglicher
                              									Herkunft, andererseits aber auch fäulnisfähige, bereits gelöste Substanzen und
                              									übelriechende Zersetzungsprodukte. Die Abwässer mit organischen Substanzen enthalten
                              									eine ganze Reihe typischer Organismenarten, die unter dem Namen Abwasserorganismen
                              									zusammengefaßt werden. Unter diesen sind hauptsächlich erwähnenswert: Sphaerotilus
                              									natans, Cladothrix dichotoma, Beggiatoa alba, Zoogloea ramigera, Leptomitus lacteus,
                              									Fusarium, Mucorarten, einige Haualgen aus der Gruppe der Oscillatorien, sowie das
                              									Protozoon Carchesia Lachmanni. Besonders die fünf ersten treten häufig und oft auch
                              									sehr reichlich in Abwässern auf. – Zu diesen Mikroorganismen kommen bei zwei der
                              									Reinigungsverfahren, und zwar bei der Berieselung und bei der intermittierenden
                              									Bodenfiltration, noch die zahlreichen in der Erde hausenden Mikroorganismen, in
                              									größerer Menge nitrifizierende Bakterien, die Denitrifikanten, die
                              									Desulfurationsbakterien u.a.m. In der Erde sind ebenso häufig wie im Wasser oft
                              									große Ansammlungen von Mikroorganismen zu treffen, welche France als Edaphon bezeichnet und dem Plankton der Gewässer vergleicht. Zur Reinigung derartiger Abwasser
                              									dienen: 1. die Berieselung, 2. die intermittierende Bodenfiltration, 3. das
                              									Fällverfahren und 4. das Tropfverfahren. H. Zikes hat in großen Zügen diese
                              									Verfahren beschrieben in seinem Aufsatze: „Ueber Abwasserpilze und die
                                 										biologische Abwasserreinigung mit Berücksichtigung ihrer Anwendung in der
                                 										Brauerei“ (Zeitschr. für Bierbrauerei und Malzfabr. Bd. 42, 135, 145, 157).
                              									Die Abwässer der Brauereien sind je nach der vorherrschenden lokalen Benutzung des
                              									Wassers mit organischen Stoffen sehr verschiedenartig beladen. Es ist daher deren
                              									gesondertes Auffangen sehr am Platze. Das reine Kühlwasser und die aus den
                              									Abfüllräumen der Brauereien kommenden Wasser wird man nach Passierung eines
                              									Sandfanges oder eines Sedimentationsbeckens wohl ohne Gefahr gleich in die
                              									Flußgerinne oder in die Vorfluter ablassen dürfen. Die Weichwässer und die
                              									hefehaltigen Abwasser der Brauereien sollten aber in einem Absitzbecken mittels
                              									Eisen oder Tonverbindungen oder mittels Kalk behandelt, oder mittels Huminsubstanzen
                              									oder Kollazit gereinigt werden. Nötigenfalls wären sie auch nach dem Degenerschen
                              									Kohlebrei verfahren einer Fällung zu unterziehen. Von den oxydativen Verfahren wird
                              									sich wohl die Berieselung oder die intermittierende Bodenfiltration für
                              									Brauereiwässer am besten eignen, vorausgesetzt, daß sie kein schädliches, hinderndes
                              									Desinfektionsmittel enthalten. – Wenn gewisse gewerbliche Abwässer seifige
                              									fettige Abfallstoffe enthalten, so bietet ihre Reinigung oft mancherlei Eigenheiten,
                              									je nach dem vorwiegenden Charakter dieser Abwasser. Ein neueres Verfahren zum
                              									Entfernen von Fett und Seifen aus den Abwässern gewerblicher und industrieller
                              									Betriebe, insbesondere von Tuchfabriken wurde unter D. R. P. 278370 dem Dipl.-Ing.
                              									G. Spanner geschützt. Es wird die Flüssigkeit nach bekannter Methode zum Schäumen
                              									gebracht und dann dieser so gebildete Schaum unter Zusatz geeigneter Chemikalien in
                              									eine sich nicht wieder verteilende und sich schwimmend erhaltende Masse überführt.
                              									Mit dieser Schaumschicht werden die im Wasser enthaltenen unverseifbaren Fettstoffe
                              									sowie die Schwebestoffe in Berührung gebracht. Als solche Chemikalien verwendet
                              									Spanner z.B. die Tonerdesilikate. – Einen biologischen Filterkörper mit Oxydation
                              									zur Entfernung von Keimen und sonstigen fäulniserregenden Stoffen aus mechanisch
                              									vorgereinigten städtischen und gewerblichen Abwässern und zur Oxydation von
                              									Flüssigkeiten, z.B. von Säuren und Oelen, hat die Claros, G. m. b. H., konstruiert.
                              									Dieser biologische Filterkörper wird aus einzelnen Körpern, die aus bearbeitetem
                              									natürlichen oder aus künstlich hergestelltem wasserdichtem Material bestehen, in
                              									regelmäßigem Verbände zusammengesetzt (D. R. P. 302642). Diese einzelnen Körper
                              									zeigen in bekannter Weise im Querschnitt die Form eines liegenden Kreuzes, und sind
                              									derart mit vorstehenden viereckigen Auflagerbinden versehen, daß ein zwangsfreier
                              									und ungehinderter Luftdurchzug durch den ganzen Filterkörper nach allen Seiten für
                              									Reinigungs- und Enteisenungszwecke dauernd gesichert ist, und eine tropfenförmige
                              									Durchführung der in Frage kommenden Flüssigkeiten, Oele u.a. gewährleistet wird.
                              									Dieser Claros Filterkörper unterscheidet sich von den bisher gebräuchlichen
                              									biologischen Filtern dadurch, daß er aus geschlossenem Material besteht, welches in
                              									einzelnen Stücken in regelrechtem Verbände versetzt wird. Sein technischer
                              									Fortschritt besteht des Ferneren auch darin, daß dauernd ein ungehinderter
                              									zwangsfreier Luftdurchzug vorhanden ist. Durch einfaches Umsetzen der einzelnen
                              									Stücke kann der Filterkörper erneuert werden und deshalb ist er auch von
                              									unbegrenzter Lebensdauer.
                           Ein Verfahren zur biologischen Reinigung von Abwässern der Zuckerfabriken, bei
                              									welchen die Abwasser unter Benutzung der Abwärme der Gärung unterworfen werden,
                              									erhielt H. Stentzel unter D. R. P. 342040 geschützt. Zunächst wird dabei ein der zur
                              									Verfügung stehenden Abwärme entsprechender Teil bei derjenigen Temperatur der Gärung
                              									unterworfen, welche für die Entwicklung der Gärungsorganismen am günstigsten ist.
                              									Dann leitet Stentzel dieses vergorene Abwasser mit all seinen Organismen in das
                              									übrige kalte Abwasser und läßt dann die ganze Abwassermenge weitervergären. Die
                              									Ausführung dieses Verfahrens kann bei Abwässern von Zuckerfabriken z.B. in folgender
                              									Weise geschehen. Es sind eine Reihe von Gärkästen oder Gärbassins, und von
                              									Absetzkästen oder Absetzbassins oder Teichen vorgesehen. Je nach der zur Verfügung
                              									stehenden Abwärme beschickt man nun die mit Heizschlangen, Schnattern u. dergl.
                              									versehenen Gärkästen oder Bassins mit dem Abwasser und leitet die Abwärme hinzu,
                              									Steht eine große Menge von Abwärme zur Verfügung, so erwärmt man gleich mehrere
                              									Gärkästen und leitet in diese auch größere Mengen von Abwasser, um gleichmäßige
                              									Temperatur zu erzielen. Wenn sehr viel Abwärme zur Verfügung steht – also bei sehr
                              									großen Betrieben –,
                              									kann man auch die Absetzkästen beheizen und auch die nachfolgenden Klärteiche, indem
                              									man die warmen Abgase oder dergl. direkt ins Wasser leitet Die biologischen
                              									Reinigungsverfahren und deren apparative Ausgestaltung überwiegen stark in der
                              									neueren Literatur, besonders in solchen Arbeiten, die sich mit der Reinigung
                              									städtischer Abwässer befassen. Man hat z.B. auf Grund der Erfahrungen mit der
                              									biologischen Reinigung sogenannter Oelwässer feststellen
                              									können, daß gerade die Reinigungsprozesse hier nicht günstig wirken. Die Abwässer,
                              									welche die Abgänge von Mineralölraffinerien enthielten, brachten die Flora und Fauna
                              									der biologischen Reinigungskörper vollständig zum Absterben. – Andere Beobachtungen
                              									über die Wirkung biologischer Verfahren bei anderen Abwässern lauten dagegen
                              									wiederum günstig. So konnten dieselben Verfasser Kammann und Keim
                              									(Gesundheitsingenieur München Bd. 43, 245, 229) in ihrer Abhandlung „über
                                 										Abwasserreinigung in Gewässern, insbesondere im Versuchsteich auf der Kläranlage
                                 										in Bergedorf bei Hamburg“ berichten (S. 229), die mitgeteilten Versuche auf
                              									dieser Kläranlage hätten zweifellos ergeben, daß die biologisch gereinigten Abflüsse
                              									aus Tropfkörpern Organismen und Stoffe enthalten, welche die Entwicklung der
                              									Fischnahrung im Teich günstig beeinflussen. Es können
                              									daher wie in der Bergedorfer Anlage, sowohl Karpfen wie auch Schleien in Teichen mit
                              									Springlerreinwasser mit Erfolg gezüchtet werden. Es wird sogar als möglich
                              									angenommen, daß gut angelegte und gut bewirtschaftete Teichanlagen dieser Art wegen
                              									ihrer Ueberfülle an geeigneten Nährstoffen einen höheren Ertrag bringen als die
                              									Hoferteiche oder auch gleich große Flächen Ackerlandes. Wenn bisher auf diesem
                              									Gebiete noch so wenig geschehen ist, so liegt das wohl in erster Linie an den
                              
                              									mangelnden Erfahrungen, die es nicht zugelassen haben, daß neben den Kosten für die
                              									teueren eigentlichen biologischen Reinigungsanlagen auch noch weitere Aufwendungen
                              									gemacht wurden für Anlagen, deren Rentabilität zwar wohl angenommen, aber doch nicht
                              									mit Sicherheit in Rechnung gestellt werden konnte. Nach den Bergedorfer Versuchen
                              									wird diese Sicherheit nun wohl weitere Grundlagen gefunden haben. Man wird also in
                              									geeigneten Fällen bei biologisch gereinigten Abwässern sicherlich eine rentable
                              									Fischzucht aufrechterhalten können. Natürlich wird man solche Fischzuchtversuche
                              									nicht anstellen dürfen bei den Abwässern von Mineralölraffinerien, da diese, wie wir
                              									oben zeigten, die ganze Flora und Mikrofauna der Reinigungskörper schon bald
                              									zerstören. – Dagegen hat man bei anderen Abwassern wieder sehr gute Ergebnisse
                              									hinsichtlich der Fischzucht erzielt, nämlich bei der biologischen
                              									Abwasserreinigungsanlage für die Eisenbahn-Hauptwerkstätten und Wohnungskolonie zu
                              									Kaiserslautern. D. C. Delkeskamp berichtet darüber folgendes (Gesundheitsingenieur,
                              									Bd. 43, S. 85): Die Kläranlage zu Kaiserslautern zeigt in ihrer Gesamtdisposition
                              									ein den neuesten Fortschritten und Erfahrungen auf dem Gebiete der Klärtechnik
                              									entsprechend durchgebildetes Musterbeispiel. Durch die Nachschaltung des
                              									Fischweihers ist den weitestgehenden Anforderungen Rechnung getragen. Die hier in
                              									Kaiserslautern gemachten Erfahrungen zeigen, daß man bei geschickter Durchbildung
                              									der Anlage auch derart schwierige Abwässer, wie sie von Werkstätten anfallen, soweit
                              									reinigen kann, daß Fischzucht mit Erfolg in einem nachgeschalteten Weiher betrieben
                              									werden kann.