| Titel: | Die wichtigsten Forschungsarbeiten von W. Nusselt zur Bestimmung des Wärmeüberganges. | 
| Autor: | Schmolke | 
| Fundstelle: | Band 338, Jahrgang 1923, S. 173 | 
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                        Die wichtigsten Forschungsarbeiten von W. Nusselt
                           								zur Bestimmung des Wärmeüberganges.
                        Von Ing. Schmolke,
                           									Berlin.
                        SCHMOLKE, Die wichtigsten Forschungsarbeiten von W.
                           								Nusselts.
                        
                     
                        
                           Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine Aufklärung des Wärmeüberganges von
                              									heißeren an kältere Körper für Kondensatoren, Kühler, Wärmekraftmaschinen,
                              									Heizungsanlagen aller Art usw. von größter Bedeutung ist. Indessen läßt es sich
                              									ebensowenig leugnen, daß die rechnerische Behandlung dieses Problems große
                              									Schwierigkeiten verursacht. Sie wurde von verschiedenster Seite in mannigfacher
                              									Weise versucht, aber noch 1909 konnte Dalby in seiner Abhandlung „Heat
                                 										transmission“ die Ansicht vertreten, daß es unmöglich sei, eine Darstellung
                              									der sich im Dampfkessel abspielenden Vorgänge auf mathematischer Grundlage zu geben.
                              									Dennoch brachte gerade das genannte Jahr einige dem erwähnten Gelehrten noch
                              									unbekannte Veröffentlichungen aus deutscher Feder, die einen bahnbrechenden
                              									Fortschritt darstellten. Es sind dies die als Forschungsarbeiten auf dem Gebiete des
                              									Ingenieurwesens erschienenen Betrachtungen W. Nusselts über die Wärmeleitfähigkeit
                              									von Isolierstoffen sowie den Wärmeübergang in Rohrleitungen. Seit jener Zeit ist der
                              									an letzter Stelle Genannte in München, Dresden und späterhin in Karlsruhe
                              									unermüdlich bestrebt gewesen, zahlreiche mit dem gekennzeichneten Problem im
                              									Zusammenhang stehende Fragen einer Lösung näher zu bringen. Eine Reihe
                              									ausgezeichneter Arbeiten liegt vor, die in maßgebenden Kreisen die gebührende
                              									Anerkennung gefunden haben. Leider aber sind vielen in der Praxis stehenden
                              									Ingenieuren die Grundlagen der Theorie des Wärmeüberganges noch recht wenig bekannt,
                              									wie folgendes Beispiel lehrt:
                           Unter der Wärmeübergangszahl a versteht man die in der Stunde auf einer
                              									Flächeneinheit bei einem Temperaturunterschied von 1° zwischen zwei Körpern
                              									verschiedenen Wärmegrades übergehende Anzahl von Kalorien. Sie ist, sofern es sich
                              									um die Kühlung einer heißen Wand durch eine an ihr entlang strömende Flüssigkeit
                              									handelt, abhängig von deren Geschwindigkeit w, wie Joule schon in den sechziger
                              									Jahren des vergangenen Jahrhunderts feststellte. Seit jener Zeit versuchten
                              									verschiedene Forscher diese Abhängigkeit zahlenmäßig anzugeben. Beispielsweise
                              
                              									sprach Mollier die Beziehung α – 300 + 1800 √w aus für den Fall, daß die in Frage
                              									kommende Flüssigkeit Wasser ist. Ernstlich bestritten wurde der Einfluß von w auf α
                              									fast niemals. Dessenungeachtet versuchte in neuester Zeit Preußler in zwei
                              									während der Jahre 1920 und 1921 erschienenen Veröffentlichungen, diese von
                              									wissenschaftlicher Seite nahezu ausnahmslos anerkannte Auffassung umzustoßen. Er
                              									wurde von Nusselt widerlegt, und dieser beseitigte gleichzeitig noch eine Anzahl
                              									weiterer inzwischen in Praktikerkreisen aufgetretener Unklarheiten. Hierher gehört
                              									die Ansicht, daß man die Heizfläche recht lang machen und dem Gas oder der
                              									Flüssigkeit möglichst viel Zeit lassen müsse für den Wärmeaustausch. Die Form, in
                              									welcher die Berichtigung derartiger, schwer auszurottender Irrtümer erfolgte, ist
                              									als mustergültig zu bezeichnen. Nusselt betrachtet zu diesem Zwecke ein
                              									Röhrenbündel, welches innen von Luft durchströmt, außen von Dampf erhitzt wird und
                              									dessen Temperatur überall to° sei. Es ist nun der
                              									Wasserwert W der stündlich die Röhren durchfließenden Luft proportional der
                              									Strömungsgeschwindigkeit w, so daß er gleich c1w
                              									gesetzt werden kann. Bei BeachtungBeachtnng dieser Voraussetzung ergibt sich aus der Definition des Wertes a sofort
                              										C1wdt – α (t0 –
                              									t) df, und durch Integrieren erhält man – \mbox{ln}\,(t_0-t)=\frac{\alpha\,f}{c_1\,w}+C. Hierbei ist df ein
                              									Flächenelement, an welchem die Lufttemperatur t herrscht. Beim Eintritt in das
                              									Rohrsystem möge t = t1 sein, während f = 0 ist.
                              									Diese Beziehung genügt zur Bestimmung der unbekannten Konstanten. Man kann schreiben
                              									C = – In (t0 – t1).
                              									Führt man diesen Wert in das Resultat der Integration ein, so folgt nach einfacher
                              									Umformung t=t_0-(t_0-t_1)\,e\,\frac{-\alpha\,f}{c_1\,w}. Wird nunmehr die
                              									Lufttemperatur beim Austritt aus dem Röhrenkessel t2
                              									genannt, so ergibt sich entsprechend t_2=t_0-(t_0-t_1)\,e\,\frac{-\alpha\,F}{c_1\,w}, woraus man sofort den Erhitzungsgrad
                              									(t_2-t_1)=(t_0-t_1)\cdot \left(1-e\,\frac{-\alpha\,F}{c_1\,w}\right) sowie die ausgetauschte Wärme Q=c_1\,w\,(t_0-t_1)\cdot \left(1-e\,\frac{-\alpha\,F}{c_1\,w}\right) findet. Nun ist auf
                              									experimentellem Wege ermittelt worden, daß α = c2w0,788 gesetzt werden darf. Benutzt man diese Beziehung, so folgt durch
                              									Differentiation der vorhergehenden Gleichung \frac{d\,Q}{d\,w}=c_1\,(t_0-t_1)\,\left[1-e\,\frac{-c_2\,F}{c_1\,w^{0,214}}\,\left(1+\frac{0,214\,c_2\,F}{c_1\,w^{0,214}}\right)\right].
                           
                           Dieser Ausdruck ist für jeden Wert von w positiv. Er beweist daher, daß unter
                              									allen Umständen der Wärmeaustausch mit steigender Geschwindigkeit wächst. Ferner
                              									sieht man, daß die Ansicht, man müsse der Luft hinreichend Zeit zur Wärmeaufnahme
                              									lassen, falsch ist, denn bei Steigerung von w ist der Aufenthalt des Gases in den
                              									Röhren immer kürzer. Wird der Querschnitt der letzteren verengt ohne Veränderung der
                              									Luftmenge und Heizfläche, indem man der Leitung beispielsweise keine runde, sondern
                              									eine rechteckige Gestalt gibt, so wächst Q sowie (t2
                              									– t1) infolge der Zunahme von w. Man erkennt also,
                              									daß auch die Vorstellungen irrig sind, die bei manchen Praktikern über den Einfluß
                              									der Heizflächenform bestehen. Es läßt sich sogar zeigen, daß bei gleichbleibender
                              									Luftmenge infolge einer Verminderung des Durchmessers der Wärmeübergang wegen der
                              									vermehrten Geschwindigkeit steigt trotz des Kleinerwerdens der Heizfläche.
                           Außer der Zahl α spielen bei der Betrachtung der Wärmeüberganges noch zwei andere
                              									Begriffe eine wichtige Rolle. Es sind dies die Wärmeleitzahl λ sowis die
                              									Wärmedurchgangszahl k. Den Zusammenhang dieser Größen mit α lehrt nachstehende
                              									Betrachtung: Es sei die Temperatur zweier durch eine planparallele Wand getrennter
                              									Räume t1 und tII.
                              									Der Wärmegrad der dem einen Raum zugewendeten Seite der Wand möge t1, der der anderen Seite t2 genannt werden. Demnach ist im Beharrungszustand Q = α1 (tI – t1) Z = α2 (t2 – tII) Z, wenn Z
                              									die Zeit, a1 und a2
                              									die entsprechenden Wärmeübergangszahlen sind. Nennt man jetzt die durch eine Schicht
                              									der Wand vom Querschnitt 1 und der Dicke 1 bei einem Temperaturunterschied von 1 °
                              									hindurchfließende Wärmemenge λ, so kann man schreiben Q=\frac{\lambda}{\delta}\,(t_1-t_2)\,Z, sofern δ die
                              									Stärke der die beiden Räume trennenden Wandung ist. Hieraus ergibt sich durch
                              									Vereinigung mit den vorhergehenden Ausdrücken unter Elimination von t1 und t2 die Formel
                              									Q=\frac{1}{\frac{1}{\alpha_1}+\frac{\delta}{\lambda}+\frac{1}{\alpha_2}}\,(t_{\mbox{I}}-t_{\mbox{II}})\,Z. Der auf der der rechten Seite der Gleichung auftretende Bruch wird als
                              									Wärmedurchgangszahl k bezeichnet. In analoger Weise findet man für ein Rohr von der
                              									Länge l, dem Innenradius r1 und dem äußeren
                              									Halbmesser r2 den Wert k=\frac{1}{\frac{1}{\alpha_1\,r_1}+\frac{1}{\alpha_2\,r_2}+\frac{\mbox{ln}\,\frac{r_2}{r_1}.}{\lambda}}. Ist in dieser
                              									Beziehung λ groß, sowie r2 und r1 wenig verschieden, so kann der dritte Summand des
                              									Nenners vernachlässigt werden, was zur Folge hat, daß der praktisch wichtige
                              									Wärmedurchgang allein von α abhängt. Der Ermittlung dieses Wertes gelten daher vor
                              									allem die Bemühungen Nusselts.
                           Bevor auf dessen Forschungen näher eingegangen wird, sei eine kurze Uebersicht der
                              									älteren Arbeiten gegeben, die dasselbe Stoffgebiet zum Gegenstand haben. Nach Joule
                              									stellte Weiß bereits 1862 durch Versuche an Dampfkesseln fest, daß der
                              									Wärmeaustausch von dem Produkte aus Dichte und Geschwindigkeit der Gase abhängt.
                              									Reynolds fand 1874 bei Rohrleitungen die übergehende Wärme proportional der ersten
                              									Potenz der sekundlichen Gasmenge. Ser kam 1888 zu der Formel k=3604\,\sqrt[3]{w}. Henry und
                              									Carcanagues nahmen in den neunziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts
                              									bemerkenswerte Versuche an Lokomotivkesseln bzw. Messingrohren vor, während einige
                              									Zeit danach Perry wiederum die Angaben von Reynolds bestätigte. Hierauf folgten
                              									theoretische Betrachtungen über den Wärmedurchgang aus der Feder von Boussinesq bzw.
                              									Goldschmidt, denen sich Veröffentlichungen von Jordan und Josse anschlössen.
                              									Letzterer ließ Luft von geringer Spannung durch ein Rohr strömen und fand, daß der
                              									Wärmeübergang bei sinkendem Druck eine Verminderung erfuhr. Etwa gleichzeitig gab
                              									Nusselt einen wertvollen Bericht über die experimentelle Feststellung der
                              									Wärmeleitzahl bei Isolierstoffen bekannt. Seine Untersuchungen bestätigten die
                              									Annahme, daß die in der Sekunde durch die Flächeneinheit hindurchgehende Wärmemenge
                              									dem Temperaturabfall für die Längeneinheit senkrecht zur Fläche verhältnisgleich
                              									ist. Kurz nach dieser als 63./64. Forschungsheft erschienenen Arbeit erfolgte die
                              									Herausgabe der epochemachenden Abhandlung betreffend den Wärmeübergang in
                              									Rohrleitungen. Die darin beschriebenen Untersuchungen wurden an einem von Gas
                              									durchflossenen Messingrohr vorgenommen. Es zeigte sich nach eingetretener Turbulenz
                              									ein starkes Anwachsen des Wärmeaustausches mit der Geschwindigkeit. Ferner wurde die
                              									überraschende Beobachtung gemacht, daß der Wärmeübergang wesentlich mit der
                              									spezifischen Wärme des Gases cp und in geringerem Maße mit dessen Wärmeleitfähigkeit
                              									zunimmt. Der Einfluß der Zähigkeit erwies sich als unbedeutend. Das Ergebnis der im
                              									89. Forschungsheft gebrachten Arbeit ließ sich durch die Formel d=15,9\,\frac{\lambda\,w}{d^{0,214}}\,\left(\frac{w\,cp}{\lambda}\right)^{0,786}
                              									zusammenfassen, in der λw die Wärmeleitfähigkeit des
                              									Gases in unmittelbarer Nähe der Wand und d der Rohrdurchmesser ist. Diese Gleichung
                              									befand sich, wie Leprince-Ringuet später nachwies, im besten Einklang mit den
                              									erwähnten Versuchen von Jordan. Sie wurde ferner auch durch Holmboe und Sonnecken
                              
                              									experimentell bestätigt. Schon das Jahr 1910 brachte eine weitere wertvolle
                              									Feststellung. Nusselt bewies zu jenem Zeitpunkt, daß die Wärmeübergangszahl auch von
                              									der Länge des Rohres abhängt. Sie ist beim Eintritt einer Flüssigkeit in dasselbe am
                              									größten und strebt einem tiefsten Grenzwert zu. Unter Berücksichtigung dieses
                              									Forschungsergebnisses, das sich durchaus mit den damals von Rietschel und Gröber
                              									angestellten Untersuchungen in Einklang bringen ließ, kam Nusselt zu der Beziehung
                              									\alpha=\frac{18,86\,\lambda\,w}{d^{0,16}\,L^{0,054}}\,\left(\frac{w\,\varrho\,cp}{\lambda}\right)^{0,786}, in der L die Länge, ρ die Dichte ist. Er glaubte nunmehr zur
                              									Feststellung eines Grundgesetzes des Wärmeüberganges schreiten zu dürfen. Im Jahre
                              									1915 veröffentlichte er eine allgemein gültige Gleichung für die Abkühlung eines
                              									Körpers in einem zweiatomigen Gas, welche durch Versuche bestätigt wurde und sich
                              									beispielsweise auch in Uebereinstimmung befand mit den kurz zuvor von Nusselt
                              									bekanntgegebenen Resultaten einer Prüfung des Wärmeüberganges in der Gasmaschine. In
                              									unermüdlicher Fortarbeit wurde im folgenden Jahre die Oberflächenkondensation des
                              									Wasserdampfes einer theoretischen Betrachtung unterworfen. Es ergab sich für
                              									lotrecht stehende Rohre die Wärmeübergangszahl \alpha_m=\frac{4}{3}\cdot \sqrt[4]{\frac{r\,\gamma^2\,\lambda^3}{4\,\eta\,H\,(t_d-t_w)}}, sofern r die
                              									Verdampfungswärme, γ das spezifische Gewicht des Kondensates, λ dessen
                              									Wärmeleitzahl, η dessen Zähigkeitszahl, tw und td die Wandbzw, die Dampftemperatur
                              									sowie H die Höhe der dem Austausch der Wärme dienenden Fläche ist. Bei wagerechter
                              									Anordnung gilt \alpha_m=0,8024\,\sqrt[4]{\frac{2\,r\,\gamma^2\,\lambda^3}{3\,\eta\,d\cdot (t_d-t_w)}}, wobei d den Rohrdurchmesser bezeichnet. Eine vollständige
                              									Durchsicht des gesamten vorliegenden Materials, zu dem inzwischen von
                              									Poensgen, Kammerer, Hilliger, Binder, Nicholson u.a. mehr oder weniger brauchbare
                              									Beiträge geliefert wurden, veranlaßte Nusselt 1917 zur Aufstellung eines etwas
                              									abgeänderten Ausdruckes für die mittlere Wärmeübergangszahl in Rohrleitungen. Er
                              									lautet \frac{\alpha_m\,d}{\lambda_m}=0,03622\,\left(\frac{d}{L}\right)^{0,054}\,\left(\frac{d\,w\,\gamma_m\,cp_m}{\lambda_m}\right)^{0,786}. Es würde zu weit führen, näher auf die Entwicklung aller dieser
                              									Formeln einzugehen, indessen sei wenigstens ein charakteristisches Beispiel für die
                              									geistreiche Lösung eines technisch wichtigen, der mathematischen Behandlung schwer
                              									zugänglichen Problems gegeben.
                           Es möge zu diesem Zweck die Bestimmung des Wärmeaustausches im Berieselungskühler
                              									durch Nusselt dienen. Der Gedankengang ist folgender: Ueber eine Kühlfläche von der
                              									Breite 1 strömt in der Zeiteinheit die gleichmäßig verteilte Wassermenge G. Es
                              									bildet sich eine Flüssigkeitshaut, für deren Erhitzung die Geschwindigkeit w des
                              									abwärts rieselnden Wassers von Wichtigkeit ist, da infolge des Fließens ein
                              									Wärmetransport stattfindet. Die rechnerische Bestimmung von w wäre somit die erste
                              									Voraussetzung für die Beantwortung der gestellten Frage. Sobald dieser Wert gefunden
                              									wurde, liegt die Möglichkeit vor, unter Benutzung der Theorien Fouriers den
                              									Temperaturverlauf in der Wasserhaut und schließlich die ausgetauschte Wärme Q bzw.
                              									die Zahl α festzustellen. Die gesuchte Geschwindigkeit ergibt sich folgendermaßen:
                              									Da man annehmen kann, daß an der Kühlfläche die Reibung dem Gewicht der dort
                              									haftenden Flüssigkeit das Gleichgewicht hält, so unterliegt w nur dem Einfluß des
                              									Abstandes y von der Wand. Die Schubspannung τ nimmt, wenn y eine Vergrößerung dy
                              
                              									erfährt, um \frac{d\,\tau\,d\,y}{d\,y} zu. Diese Zunahme muß dem Wassergewicht γdy entsprechen, so daß man
                              									schreiben kann \frac{d\,\tau}{d\,y}+\gamma=0. Andererseits ist \tau=\eta\,\frac{d\,w}{d\,y}\,(1.), wenn η die Zähigkeit
                              									bedeutet. Führt man diesen Wert in die erste Gleichung ein, so erweist sich eine
                              									zweimalige Integration als nötig, um w zu ermitteln. Man erhält w=-\frac{\gamma\,y^2}{\eta\,2}+C_1\,y+C_2\,(2.). Die
                              									unbestimmte Konstante C2 wird gefunden auf Grund der
                              									Forderung, daß für y = 0 auch w verschwindet. Es folgt hieraus C2 = 0. Andererseits muß an der Oberfläche der
                              									Wasserhaut τ = 0 sein, was zur Folge hat, daß \frac{d\,w}{d\,y} ebenfalls gleich Null wird,
                              									wie ein Blick auf Formel 1 lehrt. Das kann aber gemäß Beziehung 2 nur dann der Fall
                              									sein, wenn C_1=\frac{y}{\eta}\,y_0 ist, wobei y0 die Dicke der
                              									Wasserhaut bezeichnet. Beide Festwerte sind somit bestimmt, und man hat einen
                              									Ausdruck für w erhalten, den man zur Ermittlung der herabfließenden Wassermenge
                              									verwerten kann. Für letztere gilt G=\int\limits_0^{y_0}\,\gamma\,w\,d\,y. Führt man hiein w=\frac{\gamma}{\eta}\,\left(y\,y_0-\frac{y^2}{2}\right)\,(3.) ein, so
                              									ergibt sich G=\frac{y^2\,{y_0}^3}{3\,\eta} und y_0=\sqrt{\frac{3\,\eta\,G}{\gamma^2}}\,(4.). Diese Beziehungen finden nachstehend bei der
                              									Feststellung des Temperaturverlaufes Anwendung.
                           Betrachtet man jetzt ein Prisma innerhalb der Wasserhaut von der Grundfläche ab
                              									cd und der Höhe 1, so wird die Temperatur t im Innern desselben eine Funktion des
                              									Abstandes y von der Wand und der Entfernung x von der Oberkante sein. Es treten
                              									daher im Folgenden partielle Differentialgleichungen auf im Sinne der klassischen
                              									Theorie Fouriers. Ihr zufolge ist die durch ein Flächenelement in der Umgebung eines
                              									wärmeabgebenden Körpers strömende Kalorienzahl verhältnisgleich dem
                              									Temperaturverlauf senkrecht zu dessen Wandung. Es wäre somit die in der y-Richtung
                              									durch Fläche ab dem Prisma zugeführte Wärme -\lambda\,\frac{\partial\,t}{\partial\,y}\,d\,x, wenn λ wieder die vom Stoff
                              									abhängige, durch die Temperatur wenig beeinflußte Wärmeleitzahl bezeichnet. Das
                              									negative Vorzeichen deutet an, daß der Wert t mit zunehmendem Abstand von der Wand
                              									sinkt. Aus Fläche c d tritt eine Wärmemenge aus, die sich von der eintretenden durch
                              									den Wert -\lambda\,\frac{\partial^2\,t}{\partial\,y^2}\,d\,y\,d\,x unterscheidet. Weiterhin gelangen infolge der
                              									Abwärtsbewegung des fließenden Wassers, dessen spezifische Wärme c sei, in Richtung
                              									x durch die Fläche ad cwγtdy Kalorien in das betrachtete Volumenteilchen, während
                              									die dasselbe durch Fläche bc verlassende Wärmemenge um c\,w\,\gamma\,\frac{\partial\,t}{\partial\,x}\,d\,x\,d\,y größer ist.
                              									Wenn der Beharrungszustand erreicht wurde, ändert sich die Zahl der im Prisma
                              									enthaltenen Kalorien nicht, das heißt, es muß -\lambda\,\frac{\partial^2\,t}{\partial\,y^2}+c\,w\,\gamma\,\frac{\partial\,t}{\partial\,x}=0 sein. In diesen Ausdruck wird
                              									jetzt w gemäß Formel 3 eingeführt und man erhält die partielle Differentialgleichung
                              									\frac{c\,\gamma^2}{\eta}\,\left(y\,y_0-\frac{y^2}{2}\right)\,\frac{\partial\,t}{\partial\,x}=\lambda\,\frac{\partial^2\,t}{\partial\,y^2}\,(5), deren Lösung die Bestimmung des Temperaturverlaufes gestattet. In
                              									meisterhafter Weise behandelt Nusselt das vorliegende mathematische Problem.
                           Es werden zunächst in den Ausdruck 5 die Werte z=\frac{y}{y_0} sowie s=\frac{\lambda\,\eta\,x}{c\,\gamma^2\,{y_0}^4}
                              									eingeführt. Dadurch erhält man eine Differentialgleichung, bei deren rechnerischer
                              									Verwendung drei Bedingungen zu beachten sind. An der Oberkante der Wand, d.h. für s
                              									= 0, muß t gleich der Temperatur t1 des noch kalten
                              									Wassers sein. Setzt man ferner voraus, daß die Kühlfläche überall den gleichen
                              									Wärmegrad t0 besitze, so wäre t = t0 für z = 0. Wird weiterhin noch der an der
                              									Oberfläche des Wassers stattfindende Austausch von Wärme vernachlässigt, so ergibt
                              									sich für z = 1 die Forderung \frac{\partial\,t}{\partial\,z}=0. Führt man schließlich noch den Wert
                              									\mu=\frac{t_0-t}{t_0-t_1} ein, so nimmt die vorliegende Gleichung die Form \left(z-\frac{z^2}{2}\right)\,\frac{\partial\,\mu}{\partial\,s}=\frac{\partial^2\,\mu}{\partial\,z^2}\,(6) an und es
                              									lauten, wie man leicht erkennt, die Grenzbedingungen s = 0, μ = 1; z = 0, μ = 0; z =
                              									1, \frac{\partial\,\mu}{\partial\,z}=0. Wird Beziehung 6 in Differenzform geschrieben, so folgt durch eine
                              									Umwandlung einfachster Art \Delta\,\mu=\frac{1}{z-\frac{z^2}{2}}\,\frac{\Delta^2\,\mu}{\Delta\,z^2}\,\Delta\,s. Dieser Ausdruck bietet, wenn man eine Kurve s
                              									= s1 in einem μz-Diagramm kennt, die Möglickkeit, eine
                              									weitere s-Linie für s = sx + Δs einzutragen. Ohne
                              									Mühe läßt sich nämlich der Wert \frac{\Delta^2\,\mu}{\Delta\,z^2}=\frac{\Delta\,\left(\frac{\Delta\,\mu}{\Delta\,z}\right)}{\Delta\,z} finden. Man geht zu diesem Zweck auf der
                              									gegebenen s-Kurve um Δz nach rechts und links, wobei sich μ um Δ1 μ und Δ2 μ ändern
                              									möge. Durch dies Verfahren ergibt sich, wie man leicht erkennt, als der gesuchte
                              									Quotient \frac{\Delta_2\,\mu-\Delta_1\,\mu}{\Delta\,z^2}. Nusselt berechnet nun μ in Abhängigkeit von z sowie s und
                              									vereinigt die gefundenen Werte in einer Zahlentafel. Diese leistet wichtige Dienste
                              									bei der Bestimmung von α.
                           Zur Feststellung dieser Zahl sucht man zunächst eine Gleichung für die vom Wasser
                              									aufgenommene Wärme. Es ergibt sich sofort Q=\int\limits_0^{y_0}\,c\,w\,\gamma\,(t-t_1)\,d\,y. Führt man in diesen Ausdruck
                              									die Werte μ, z sowie w und y0 gemäß den Formeln 3
                              									und 4 ein, so folgt Q=G\,c\,(t_0-t_1)\,3\,\int\limits_0^1\,\left(z-\frac{z^2}{2}\right)\,(1-\mu)\,d\,z. Andererseits gilt Q = Gc (to – t1) φ, sofern
                              									\varphi=\frac{t_2-t_1}{t_0-t_1}=3\,\int\limits_0^1\,\left(z-\frac{z^2}{2}\right)\,(1-\mu)\,d\,z ist. Endlich besteht die oben abgeleitete Beziehung Q=G\,c\,(t_0-t_1)\,\left(1-e\,\frac{-\alpha\,H}{G\,c}\right).
                              									Es wäre also \varphi=1-e\,\frac{\alpha\,H}{G\,c}, und man fände \alpha=\frac{G\,c}{H}\,\mbox{ln}\,\frac{1}{1-\varphi}. Zur Berechnung von φ dient die erwähnte
                              									Zahlentafel der μ = Werte. Der letzte, durchaus nicht sehr verwickelte Ausdruck gibt
                              									die Lösung der gestellten Aufgabe.
                           Die Vornahme auf den ersten Blick recht einfach erscheinender praktischer Versuche
                              									zur Bestimmung von α macht oft den Aufwand von viel Sorgfalt erforderlich, wie
                              									nachstehendes Beispiel zeigen dürfte: Es handele sich darum, den für die
                              									Heizungstechnik sehr wichtigen Wärmedurchgang bei einer ebenen Wand zu finden, an
                              									welcher ein Luftstrom von anderer Temperatur entlang fließt. Dahin zielende
                              									Prüfungen sind von Recknagel und Wierz veranstaltet worden, während Frandte und
                              									Latzko die Frage lediglich auf Grund theoretischer Betrachtungen zu klären suchten.
                              									Auch Nusselt unternahm die Lösung der Aufgabe mit Hülfe einer Versuchseinrichtung,
                              									deren Schaffung durch Bereitstellung von Mitteln seitens des Verbandes der
                              									Zentralheizungsindustrie e. V., Berlin, ermöglicht wurde. Deren Anordnung war
                              									nachstehende: Ein von einem 17 PS-Nebenschlußmotor angetriebener Ventilator drückte
                              									durch einen Diffussor in einen Windkessel Luft. Diese entströmte dem Behälter
                              									wiederum durch eine rechteckige Düse, an die sich ein Kanal anschloß, der einen Teil
                              									der Luft an der Versuchswand vorbeileitete und die Herstellung eines parallelen
                              									Gasstromes ermöglichte. Ein Abschnitt der Wandung wurde durch eine Kupferplatte
                              									gebildet, die einen Wasserkasten abschloß, dessen Inhalt ein Rührer in lebhafte
                              									Bewegung setzte. An der Rückwand des Kastens befand sich eine elektrische
                              									Heizvorrichtung, die von einer Akkumulatorenbatterie Strom erhielt. Die
                              									Durchwirbelung des Wassers hatte eine recht gleichmäßige Plattentemperatur zur
                              									Folge, zu deren Messung neun an der Oberfläche eingelassene Thermoelemente dienten.
                              									Die an den Luftstrom abgegebene Wärme ist Q = Q1 –
                              										Q2 – Q3. In dieser Formel bezeichnet Q1 die durch Spannungs- und Strommesser zu
                              									bestimmende, zum Zweck der Heizung zugeführte elektrische Energie. Q2 ist der Wärmeverlust abzüglich der durch die
                              									Reibung des Rührwerkes zugeführten Kalorienzahl. Q3
                              									bezeichnet schließlich die von der Platte durch Strahlung abgegebene Wärme, die sich
                              									nach dem Stefan-Bolzmannschen Gesetz bestimmen läßt. Während die Prüfungen
                              
                              									vorgenommen wurden, war die Temperatur der Wand tw =
                              									50°, die der Luft te = 20°. Es ergab sich somit eine
                              									Differenz tw – te =
                              									30°, und nach der Gleichung Q = α (tw – te) F, in der F die Oberfläche der Kupferplatte ist,
                              									ließe sich die Wärmeübergangszahl berechnen. Nusselt fand die Beziehung α = 6,14w0,780 + 4,60e–0,6w. Für die
                              									Luftgeschwindigkeit w = 15 m sek –1 betrug der
                              									Strahlungsverlust nur 4 v. H. der an die Luft abgegebenen Wärme. Der obige Ausdruck
                              									läßt sich bei praktischen Rechnungen noch wesentlich vereinfachen. Sofern w geringer
                              									als 5 m sek –1 ist, genügt die Gleichung α = 5,0 +
                              									3,4 w, während bei höheren Luftgeschwindigkeiten das zweite Glied der ursprünglichen
                              									Formel vernachlässigt werden kann. Nicht unerwähnt möge es bleiben, daß eine Rauhung
                              									der Kupferplatte mit Hülfe eines Sandstrahlgebläses eine Zunahme der
                              									Wärmeübergangszahl um 5 v. H. zur Folge hatte, während eine Glättung der bei den
                              									Versuchen mit der angelaufenen unbearbeiteten Walzhaut versehenen Oberfläche ohne
                              									bemerkenswerte Wirkung blieb. Nähere Angaben bezüglich der an letzter Stelle
                              									genannten Tatsachen dürfte die nächste Zukunft bringen.
                           Ueberdies stehen wichtige Veröffentlichungen in Betreff des Wärmeüberganges in der
                              									Verbrennungskraftmaschine durch Nusselt bevor. Dieser berichtete bereits am 29. Juni
                              									d. J. auf der Dieselmaschinen-Tagung des V. d. I. über Versuche, welche die Klärung
                              									des erwähnten Problems zum Ziele hatten. Sie liegen zum Teil schon geraume Zeit
                              									zurück. So wurde bereits oben erwähnt, daß schon 1914 Ergebnisse von Prüfungen
                              									bekannt geworden sind, die Nusselt an kugelförmigen Bomben ausführte, deren innere
                              									Oberfläche einmal geschwärzt und einmal vergoldet war, um den Einfluß von
                              									Wärmeleitung und -strahlung von einander zu trennen. Er gelangte damals zu dem
                              									Ergebnis, daß die Wärmeübergangszahl dem Temperaturunterschied zwischen Gas und Wand
                              									keineswegs verhältnisgleich ist. Ferner wurde festgestellt, daß α von der seit
                              									Beginn der Abkühlung des Gases verflossenen Zeit abhängt. Die Gasstrahlung spielt
                              									eine kleinere Rolle, als ihr meist zugeschrieben wurde. Der Bekanntgabe der letzten
                              									Forschungsergebnisse in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure wird man
                              									mit besonderer Spannung entgegensehen, da gerade in allerneuster Zeit sehr wertvolle
                              									Arbeiten erschienen sind oder vorbereitet wurden, die sich mit demselben Thema
                              									beschäftigen. Es sei vor allem auf die recht beachtenswerten Veröffentlichungen
                              									Eichelbergs hingewiesen, die voraussichtlich noch der Herbst des laufenden Jahres
                              									bringen dürfte.