| Titel: | Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben und der Intensitätssatz. | 
| Autor: | K. Schreber | 
| Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 36 | 
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                        Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben
                           								und der Intensitätssatz.
                        Von Professor Dr. K. Schreber, Aachen.
                        (Schluß von Seite 26 d. Bds)
                        SCHREBER, Der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben und der
                           								Intensitätssatz.
                        
                     
                        
                           9) Endgültiger Ausdruck für den Intensitätssatz. Der
                              									hier entwickelte Begriff der Maschinengleichung führt uns nun auf einen
                              									allgemeineren Ausdruck für den Intensitätssatz:
                           Da wir erkannt haben, daß sich mit Hilfe gewisser Vorrichtungen, sogenannter
                              									Maschinen, Energie von schwächerer nach stärkerer Intensität bewegen kann, ohne mit
                              									dem Intensitätssatz in Widerspruch zu geratten, so müssen wir diese Möglichkeit von
                              									Anfang an in den Intensitätssatz aufnehmen und diesem den Ausdruck geben: Energie
                              									bewegt sich unter Berücksichtigung etwaiger bei der Energiebewegung in das Spiel
                              									tretender Maschinengleichungen von stärkerer nach schwächerer Intensität.
                           Die Wörter „freiwillig“ oder „von selbst“, welche Clausius nötig hatte
                              									und welche auch oben noch nötig waren, sind durch den Begriff der
                              									Maschinengleichung, den Clausius noch nicht erkannt hatte, überflüssig geworden.
                           Denkt man wesentlich an Vorgänge wie in den Beispielen in 8b und 8c, so kann man das
                              									Wort Maschinengleichung auch noch weglassen und man darf sagen. Nur unter dem
                              									Einfluß eines hinreichend starken Intensitätsunterschiedes einer zweiten
                              									Energiemenge, die gleicher oder anderer Art sein darf, bewegt sich eine Energiemenge
                              									einer bestimmten Art ihrem Intensitätsunterschiede entgegen, d.h. von schwächerer
                              									nach stärkerer Intensität.
                           Selbstverständlich ist zur Anwendung dieses Ausdruckes die Kenntnis des Begriffes der
                              									Maschinengleichung nötig, selbst wenn er nicht ausdrücklich darin vorkommt; er ist
                              									in dem Wort „hinreichend stark“ enthalten.
                           10) Energiearten, deren Intensität mit Hilfe des Satzes vom
                                 										selbsttätig wachsenden Widerstreben nur schwierig erkannt werden. Die in
                              									den Beispielen zur Auffindung des Satzes vom selbsttätig wachsenden Widerstreben
                              									auftretenden Intensitäten habe ich jedesmal in der Ueberschrift genannt. Es waren
                              									wesentlich die Intensitäten: Gasdruck p, Geschwindigkeit v, Elektrial P, Temperatur
                              									T.
                           Das soeben als Intensität bezeichnete Gewicht kommt nicht unter diesen vor; auch
                              									nicht eine Größe, welche so mit ihm verwandt wäre, daß man~ es aus ihr ableiten
                              									könnte. Es zeigt sich, daß man mit Hilfe des Satzes vom selbsttätig wachsenden
                              									Widerstreben nicht die Intensitäten aller Energiearten leicht und ohne Innehaltung
                              									gewisser Bedingungen, wie sie schon oben in 3d beim osmotischen Druck und 3e beim
                              									Chemial angedeutet wurden, erkennt. Es ist vielfach bequemer, nachdem man mit Hilfe
                              									dieses Satzes den Begriff der Intensität erkannt hat, unter Benutzung des
                              									Intensitätssatzes die anderen Energiearten zu untersuchen.
                           10a) Energie der Lage. Die wichtigste der Energiearten,
                              									deren Intensität nur schwierig durch den Satz vom selbsttätig wachsenden
                              									Widerstreben zu erkennen ist, ist die Energie der Lage, welche man vielfach auch als
                              									Entfernungsenergie in bezug auf den Mittelpunkt der Erde bezeichnet. Wir wollen
                              									jetzt deren Intensität aufsuchen, indem wir den eben aufgestellten Intensitätssatz
                              									anwenden.
                           Zu diesem Zweck stellen wir einen Versuch zusammen, bei welchem sich Energie der Lage
                              									in andere Energie umwandelt, und zwar, weil diese Umwandlung erfahrungsgemäß am
                              									bequemsten vor sich geht, in Bewegungsenergie, und untersuchen, unter welchen
                              									Bedingungen diese Umwandlung stattfindet.
                           Wir teilen die Leuchtgasleitung durch ein T-Stück in zwei Teile, an deren Enden wir
                              									je einen Brenner mit enger Oeffnung anbringen. Beide Brenner stellen wir so
                              									nebeneinander, daß die Ränder ihrer Oeffnungen genau gleiche Höhe haben. Oeffnen wir
                              									die Gasleitung, und entzünden das Gas auf beiden Brennern, so werden wir,
                              									vorausgesetzt, daß in beiden Leitungen genau gleiche Drosselung stattfindet, gleich
                              									lange Flammen erhalten. Ungleich lange Flammen lassen darauf schließen, daß in der
                              									Leitung zur kürzeren' Flamme eine stärkere Drosselung stattfindet als in der
                              									anderen. Durch geeignete Maßnahmen gleichen wir die Drosselung in beiden Leitungen
                              									aus, bis beide Flammen genau gleich lang sind.
                           Jetzt heben wir den einen Brenner hoch nach oben und senken den anderen tief nach
                              									unten. Wir beobachten, daß die Flamme auf dem hohen Brenner länger ist als vorher,
                              									während die auf dem tiefen kürzer ist. Daß diese Verschiedenheit der Flammenlänge
                              									nicht durch Drosselung in der Leitung bedingt ist, erkennt man, indem man beide
                              									Brenner vertauscht; den eben tief unten befindlichen nach oben hebt und den oben
                              									gewesenen nach unten bringt. Das Ergebnis wird dadurch nicht geändert; die Flamme
                              									auf dem tiefen Brenner ist kurz und die auf dem hohen lang. Es strömt also vom
                              									T-Stück aus mehr Gas nach oben als nach unten; d.h. die Intensität der im Inneren
                              									des Schlauches entstehenden Bewegungsenergie ist nach oben stärker als nach
                              									unten.
                           Nun ändern wir den Versuch um, indem wir das brennbare Gas durch ein anderes
                              									ersetzen.
                           Man stelle eine mit doppelt durchbohrtem Kork versehene Flasche, welche zum Teil mit
                              									Aether gefüllt ist, hoch auf. In die eine Durchbohrung setze man ein Rohr, welches
                              									bis nahe an die Oberfläche des Aethers reicht. Das zweite Rohr, welches nach innen
                              									nur durch den Kork hindurch reicht, ist außen zu einem Halbkreis gebogen, so daß ein
                              									auf ihn gesteckter Schlauch ohne Knick nach unten hängt. An diesen setzen wir das
                              									T-Stück mit den beiden Brennern. Saugen wir etwas an den beiden Brennern, so wird
                              									die durch das freie Rohr in die Flasche tretende Luft sich mit Aetherdampf
                              									anreichern und in den nach unten führenden Schlauch gelangen. Aetherdampf ist
                              									schwerer als Luft; also haben wir jetzt einen Heber in Tätigkeit versetzt, welcher
                              									fortdauernd fließen wird, so lange noch flüssiger Aether in der Flasche ist, und wir
                              									können das aus den Brennern austretende Gemisch anzünden.
                           Solange beide Brenner in gleicher Höhe stehen, werden auch jetzt die Flammen gleich
                              									lang Sein. Heben wir aber den einen Brenner nach oben und senken den anderen nach
                              									unten, so wird jetzt die hohe Flamme kurz und die tiefe Flamme lang sein,
                              									entgegengesetzt wie vorhin. Das Gas strömt schneller nach unten und es ist die
                              									Intensität der im Inneren des Schlauches entstehenden Bewegungsenergie nach unten
                              									stärker als nach oben.
                           Vergleichen wir beide Versuche miteinander: Die Vorrichtung bis zum T-Stück dürfen
                              									wir als Gasbereitungsanstalt bezeichnen, welche für den maßgebenden Teil des
                              									Versuches gleichgültig ist. Dieser beginnt erst mit dem T-Stück und reicht bis zu
                              									den Brennern. Auf diesem Teil haben wir Verschiedenheit in den beiden Versuchen nur
                              									dadurch, daß das Gas innen in der Leitung beim ersten Versuch leichter, beim zweiten
                              									dagegen schwerer ist als die Luft außen.
                           Wir erkennen daraus, daß für die Umwandlung der Lagenenergie in Bewegungsenergie das
                              									Eigengewicht des Stoffes maßgebend ist, denn nur der Unterschied des Eigengewichtes
                              									des Gases innen gegen die Luft außen ändert beim Uebergang von einem Versuch zum
                              									anderen sein Vorzeichen; er allein kann also die Aenderung der Strömungsrichtung
                              									bedingen. D. h das Eigengewicht veranlaßt die Umwandlung der Lagenenergie in
                              									Bewegungsenergie, oder allgemeiner gesprochen die Bewegung der Lagenenergie und muß
                              									deshalb als die Intensität der Lagenenergie anerkannt werden.
                           Ferner ergibt der Versuch, daß das schwerere Gas nach unten sinkt, wenn sich
                              									Lagenenergie in Bewegungsenergie umwandelt. Beim ersten Versuch ist das schwerere
                              									Gas, die Luft, außen, so daß man deren Bewegungsrichtung nicht erkennen kann. Beim
                              									zweiten ist das schwerere Gas, der Aetherdampf, innen; seine Bewegungsrichtung nach
                              									unten sehen wir an der längeren Flamme unten.
                           Der Versuch hat aber den Nachteil, daß er nicht deutlich zeigt, daß sich die
                              									nichtverwandelbare Lagenenergie von stärkerer nach schwächerer Intensität bewegt.
                              									Um das zu sehen, müssen wir einen zweiten Versuch anstellen.
                           Wir denken uns ein oben geschlossenes Gefäß ganz voll Wasser und in halber Höhe eine
                              									Anzahl von Kugeln aus Stoffen verschiedenen Eigengewichtes festgehalten. Einige der
                              									Kugeln sollen schwerer, andere leichter sein als Wasser. Wir geben sie in einem
                              									beliebigen Augenblick frei und beobachten, daß sich die leichteren nach oben, die
                              									schwereren nach unten bewegen. Genau wie wir im vorigen Versuch das Gas, welches
                              									schwerer war als die Luft, nach unten und das, welches leichter war, nach oben
                              									strömen sahen. Insofern haben wir also noch nicht Neues gefunden.
                           Sind alle Kugeln zur Ruhe gekommen, d.h. am Deckel oder auf dem Boden angelangt, so
                              									ist für diejenigen, deren Eigengewicht schwerer als das des Wassers ist und die nach
                              									unten gefallen sind, Wasser an die Stelle getreten, welche sie bei Beginn des
                              									Versuches einnahmen: ein Teil ihrer Lagenenergie ist also an das leichtere Wasser
                              									übergegangen. Für die, welche leichter sind als Wasser und welche nach oben
                              									gestiegen sind, hat das Wasser, welches ursprünglich oben am Deckel, an ihrer Stelle
                              									war, einen Teil seiner Lagenenergie an sie abgetreten und ist arbeitleistend nach
                              									unten gesunken.
                           Es ist also das Eigengewicht als die Intensität der Energie der Lage einwandfrei
                              									erkannt.
                           Für die meisten nicht gasigen Stoffe ist das Eigengewicht der Luft so klein neben dem
                              									ihren, daß man, ohne einen merklichen Fehler zu begehen, es neben dem ihren
                              									vernachlässigen darf. Will man aber, wie im vorliegenden Fall, die Begriffe erst
                              									festlegen, so muß das Eigengewicht der Luft auch mit aufgeschrieben werden. Wir
                              									hätten also oben \Delta_p=\frac{V\,(s_1-s_2)}{f} setzen
                              									müssen.
                           Bedenkt man, daß für die meisten festen Naturgegenstände, z.B. die Gewichtsteine, der
                              									Raumumfang unveränderlich ist, so wird verständlich, daß man nicht nur das
                              									Eigengewicht der Luft vernachlässigt, sondern auch Raumumfang und Eigengewicht zum
                              									Gewicht zusammenfaßt, welches dann unrichtiger Weise als die Intensität der Lage
                              									angesehen wird.
                           Bei Luftbällen erkennt man den dadurch gemachten Fehler: trotz ihres vielfach sehr
                              									großen Gewichtes fallen sie nicht nach unten, sondern steigen nach oben, weil sie
                              									leichter sind als die nach unten sinkende Luft.
                           10b) Oberflächenenergie. Sehr ähnlich ist der Weg, auf
                              									welchem man zur Kenntnis der Intensität der Oberflächenenergie gelangt.
                           Aus dem bekannten Steighöhenversuch erkennt man, daß die Lagenenergie, in welche sich
                              									Oberflächenenergie beim Hochsteigen von Flüssigkeiten in Haarröhren verwandelt,
                              									durch die Oberflächenspannung bedingt ist. Also schließen wir daraus vorläufig, daß
                              									die Oberflächenspannung die Intensität der Oberflächenenergie ist.
                           Wiederholen wir den ebenfalls bekannten Versuch, auf eine Oberfläche einen in sich
                              									zurücklaufenden Faden zu legen und dann die Oberflächenspannung innerhalb des Fadens
                              									zu mindern, z.B. indem man bei einer ursprünglichen Wasseroberfläche Aetherdampf
                              									darauf fallen läßt, so spannt sich der Faden zu einem Kreis, und die Teile der
                              									Oberfläche, welche vorher die Spannung des reinen Wassers hatten, und jetzt durch
                              									die Streckung des Fadens in die von diesem umschlossene Fläche gelangt sind, haben
                              									nun die schwächere Oberflächenspannung des Wasser-Aether-Gemisches. Es ist die bei
                              									der Umwandlung der Oberflächenenergie in Bewegungs- und Federungsenergie nicht
                              									verwandelbare Oberflächenenergie von stärkerer nach schwächerer Oberflächenspannung
                              									übergegangen. Damit ist endgültig bewiesen, daß die Oberflächenspannung die
                              									Intensität der Oberflächenenergie ist.
                           10c) Chemische Energie. Schwieriger ist das Aufsuchen der
                              									Intensität der chemischen Energie, welche ich Chemial nenne.Das Wort Chemial ist entstanden aus chemisches Potential und ist zuerst, soweit ich
                                    											feststellen kann, von Jaumann, Wien, Ber. math-nat Klasse 101 2a 1892 487
                                    											benutzt worden. Die Bezeichnung Chemisches Potential hat wohl Gibbs
                                    											gebildet, dessen Arbeiten aber erst durch Ostwalds Übersetzung 1892 bekannt
                                    											geworden sind. Ob sie Jaumann schon gekannt hat, weiß ich nicht; er sagt
                                    											nicht, wie er zu dem Wort kommt.Ich habe in derselben Weise das Wort
                                    											Elektrial gebildet.
                           Unsere Sinne sind in bezug auf die chemische Energie recht schlecht ausgebildet. Wir
                              									besitzen eine Reihe von Eigenschaftswörtern, welche uns ermöglichen, mit Hilfe des
                              									Geschmackes eine Zahl von Stoffarten festzustellen: z.B. süß, sauer, herbe, bitter
                              									usw. Die hiermit feststellbaren Stoffe haben eine große Bedeutung für den Menschen,
                              									weil sie seiner Ernährung dienen. Es läßt sich leicht die Erfahrung machen, daß die
                              									Befriedigung des Magens von der Menge dieser erkannten Stoffe abhängt, daß aber die
                              									genannten Eigenschaften von der Menge nicht beeinflußt werden.
                           Mit der Entwicklung der Wissenschaft hat man gelernt, daß man zur Kennzeichnung von
                              									Stoffen auch Eigenschaften benutzen kann, welche auf andere Sinne einwirken, z.B.
                              									die Farbänderung, welche der Chemiker jetzt meist anwendet. Dadurch ist die
                              									Feststellbarkeit der Stoffe auf alle Stoffarten ausgedehnt, welche es gibt und
                              									welche man noch herstellen kann.
                           Aber eine Möglichkeit, eine Größe zu erkennen, welche die Eigenschaft der Intensität
                              									hat, haben wir auf diese Weise nicht. Diese können wir nur durch Anwendung des
                              									Intensitätssatzes selbst erst finden. Bei den eben besprochenen Intensitäten,
                              									Eigengewicht und Oberflächenspannung, waren diese Begriffe schon vorhanden und es
                              									war nur nötig, nachzuweisen, daß sie die Eigenschaft der Intensität hatten. Hier
                              									müssen wir aber sogar den Begriff selbst noch schaffen.
                           Im Anschluß an die bisher festgestellten Eigenschaften der Intensität gehen wir von
                              									der Annahme aus, daß 2 Stoffe, welche sich mit einander verbinden, stärkere Chemiale
                              									haben, als die entstehende Verbindung. Sind die Chemiale der Bestandteile schwächer
                              									als die der Verbindung, so würden sie sich nicht vereinigen, sondern die Verbindung
                              									würde zerfallen. Ebenso wie nun bei jeder Energieart, z.B. der Druckenergie die bei
                              									Umwandlung in eine andere Energie z.B. mechanische Arbeit, zu gewinnende Arbeit uns
                              									ein Maß für den die Verwandlung bedingenden Intensitätsunterschied gibt, so können
                              									wir auch hier die bei einer chemischen Umsetzung zu gewinnende Arbeit als ein Maß
                              									für den Chemialunterschied betrachten.
                           Diesen Weg zu einer Festlegung des Maßes einer Intensität zu gelangen, hat zuerst W.
                              									Thomson eingeschlagen, als er 1847 ein thermodynamisches Temperaturmaß festzulegen
                              									versuchte.
                           Um einen Chemialunterschied zahlenmäßig zu berechnen, nehme ich als Beispiel die
                              									chemische Umsetzung N2O4 ⇄ 2NO2, welche so verläuft, daß bei
                              									Uebergang zu heißerer Temperatur oder schwächerem Druck Stoff von der linken Seite
                              									nach der rechten übergeht.
                           Die Abhängigkeit des Gleichgewichtes, d.h. des Zustandes, in welchem keine Umsetzung
                              									stattfindet, von Temperatur und Druck ist durch die Gleichung gegeben:
                           
                              K=a\,.\,e^{-h/T}\,.\,\frac{T}{p}
                              
                           K ist die sogenannte Gleichgewichtszahl, welche von der
                              									Verteilung des Stoffes auf die beiden Seiten der Gleichung abhängt; T und p sind
                              									Temperatur und Druck; a lund b sind von den besonderen Eigenschaften des
                              									vorliegenden Stoffes, hier also von N2O4, abhängige Festwerte.
                           Bezeichnen wir die Zerfallzahl, d.h. den Bruchteil der N2O4-Molen, welche in NO2-Molen zerfallen sind, mit γ, so ist
                           
                              K=\frac{4\,\gamma^2}{1-\gamma^2}
                              
                           Ueber den Zerfall von N2O4 liegen sehr ausführliche Beobachtungen von Gebr. Natanson vor, welche
                              									ich unter Ausscheidung der durch Beobachtungsfehler zu sehr entstellten
                              									Zerfallzahlen einer Auswertung unterzogen habeSchreber: Zur Dissoziation des Stickstoffhyperoxydes. Z. physik. Chemie
                                    											24 1897, 651.. Die hierbei gefundenen Werte für a und b geben die
                              									Beobachtungen von Berthelot und Ogier über die Molekelwärme des zerfallenden N2O4 und die der
                              									Gebr. Natanson über das Verhältnis der beiden Molekelwärmen sehr gut wieder. Bei der
                              									Durchführung dieser Rechnung habe ich gefunden, daß man wenn man vom Zerfall selbst
                              									absieht, sowohl für N2O4 wie auch für NO2 die Zustandesgleichung
                              									der einfachen Gase anwenden darf.
                           Wir denken uns nebeneinander 2 hinreichend große Räume mit N2O4 gefüllt, welche
                              									wohl gleiche Temperatur aber verschiedenen Druck haben. In dem Raum mit dem
                              									schwächeren Druck wird der Zerfall weiter vorgeschritten sein, als in dem mit dem
                              									stärkeren. Man erkennt das sofort, wenn man die beiden Gleichungen für K
                              									zusammenfaßt: dem stärkeren p entspricht das kleinere γ.
                           Ich bezeichne das Chemial von N2O4 mit ϰd
                              									(Doppelmolekel) und das von NO2 mit ϰe (Einfache Molekel); dann haben wir also:
                           ϰd > 2 ϰe
                           Arbeitsleistend steht uns aber nur der Unterschied beider Δϰ =
                              										ϰd – 2 ϰe zur
                              									Verfügung.
                           Zwischen beiden Räumen befinde sich ein Zylinder mit Kolben. Dieser sauge aus dem
                              									Räume mit stärkerem Druck die einer Mole N2O4 entsprechende Menge an, dehne sie bis auf den
                              									schwächeren Druck des anderen Raumes und schiebe sie in diesen hinein. Die Räume
                              									seien so groß, daß durch diese Mengenänderung der Druck in ihnen nicht merklich
                              									geändert werde. Dann ist:
                           
                              \Delta_{\chi}=-\int_d^e\,V\,d\,p
                              
                           wo V der Raumumfang einer Mole im gerade vorliegenden Zustand
                              									ist. Bezeichnen wir den Raumunifang einer Mole eines einfachen Gases mit v und
                              									führen die Abkürzung D = ae-b/T . T ein, so
                              									ist
                           
                              V=v\,(1+\gamma)=\frac{R\,T}{p}\,\left(1+\sqrt{\frac{D/4}{D/4+p}}\right)
                              
                           Setzen wir das in das Integral ein, so zerfällt es sofort in zwei, von denen das
                              									erste sehr einfach zu lösen ist und den Logarithmus ergibt. Im zweiten setzen wir:
                              									D/4 + p = x2 oder
                           p = (x + √D/4) . (x = √D/4),
                           
                           wodurch wir auf Zerlegung in Teilbrüche geführt werden,
                              									und wir erhalten schließlich
                           
                              \Delta_{\chi}=-R\,T\,\left[lg\,\frac{p_e}{p_d}+lg\,\frac{\sqrt{D/4+p_e}-\sqrt{D/4}}{\sqrt{D/4+p_e}+\sqrt{D/4}}\right\,.\,\frac{\sqrt{D/4+p_d}+\sqrt{D/4}}{\sqrt{D/4+p_d}-\sqrt{D/4}}]
                              
                           Setzt man hier die von mir aaO gefundenen Zahlen ein, so erhält man Zahlenwerte für
                              									Δϰ.
                           Ich habe die Zahlenrechnung für die drei Temperaturen 27°; 57° und 97° durchgeführt.
                              									Unter Atmosphärendruck sind bei der ersten rund 0,2 Molen zerfallen, bei der zweiten
                              									rund 0,5 und bei der dritten 0,89. Das Druckverhältnis pe/pd habe ich zu ½ angesetzt und die
                              									stärkeren Drucke zu 1 at, 2at und 4 at genommen. Dann bekomme ich für Δϰ die
                              									folgenden Werte in cal/Mole:
                           
                              
                                      p    =    1
                                 2
                                 4
                                 
                              
                                 t = 27°      57°      97°
                                 509705972
                                 –649934
                                 –599874
                                 
                              
                           Der Chemialunterschied wird also bei gleichem Druckverhältnis zwischen beiden Räumen
                              									mit stärkerem Druck schwächer und mit heißerer Temperatur stärker, ganz entsprechend
                              									der oben gegebenen Bedingung für das Fortschreiten des Zerfalles. Da nun die
                              									Zerfallzahl in derselben Weise sich ändert, so kann man beide Abhängigkeiten
                              									zusammenfassen und sagen, daß der Chemialunterschied um so stärker wird, je weiter
                              									der Zerfall vorgeschritten ist.
                           Wie man das Atomgewicht nur verhältnismäßig anzugeben in der Lage ist, wenn man nicht
                              									willkürliche Voraussetzungen machen will, so kann man auch nur den Unterschied Δϰ =
                              										ϰd - 2ϰe
                              									berechnen; über die Werte von ϰd und ϰe selbst erfährt man nichts. Ob es gelingen wird,
                              									ein bestimmtes Chemial als Ausgangspunkt zu wählen, wie man das Atomgewicht des
                              									Sauerstoffes als Ausgangspunkt gewählt hat, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen;
                              									dazu ist die zahlenmäßige Berechnung der Chemiale noch zu wenig ausgebildet. Soweit
                              									mir das Schrifttum bekannt ist, ist die vorstehende Zusammenstellung überhaupt die
                              									erste, in welcher Zahlenwerte von Chemialunterschieden veröffentlicht sind. Sie gibt
                              									zum ersten Mal Zahlen für einen bestimmten, wissenschaftlich festgelegten Begriff,
                              									das Chemial, welcher die unbestimmten, und undeutlich, mehr gefühlsmäßig
                              									beschriebenen Begriffe wie Affinität, Verwandtschaft und ähnliche zu ersetzen
                              									bestimmt ist.
                           Es ist in dieser Arbeit nicht der Ort, Chemialunterschiede auch für andere
                              									Umsetzungen zu berechnen und dann einen Vergleich über das Ergebnis dieser
                              									Rechnungen anzustellen, um etwas allgemeines über das Chemial zu erfahren. Hier war
                              									nur zu zeigen, daß man den Begriff des Chemials in Uebereinstimmung mit dem
                              									Intensitätssatz festlegen kann. Daß das durchführbar ist, zeigt die Rechnung. Ein
                              									Teil der chemischen Energie verwandelt sich in Arbeit und der nichtverwandelbare
                              									geht vom stärkeren Chemial ϰd auf das schwächere
                              										ϰe über.
                           11) Arten der Intensität. Die Intensitäten, von denen wir
                              									gesprochen haben, scheiden sich ganz von selbst in zwei Gruppen, denen sich auch die
                              									nicht besprochenen einfügen. Die einen kann man ohne weiteres mit dem Satz vom
                              									selbsttätig wachsenden Widerstreben erkennen, die anderen nur sehr schwierig und
                              									unter Einhaltung gewisser Bedingungen. Dadurch entsteht die Frage, ob man diese
                              									Verschiedenheit auch noch an anderen Eigenschaften der Intensitäten wiederfindet.
                              									Diese Frage ist leicht mit ja zu beantworten. Man findet in jeder Gruppe
                              									gemeinschaftliche Eigenschaften, welche von denen der anderen Gruppe abweichen.
                           Die zuletzt gefundenen Intensitäten sind durchgängig Eigenschaften der Stoffe; sie
                              									dienen sogar dazu, die Stoffe selbst kenntlich zu machen. Das Eigengewicht 19,3 ist
                              									ein Kennzeichen, daß der Stoff, an welchem es gefunden worden ist, Gold ist.
                              									Oberflächenspannung und Chemial sind ebenso eindeutige Kennzeichen von Stoffen.
                           Die mit dem Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben leicht gefundenen
                              									Intensitäten dagegen sind vollständig unabhängig vom Stoff, an welchem sie
                              									beobachtet wurden: es kann jeder Stoff die Temperatur 19,3° haben. Man nennt sie
                              									zusammenfassend Zustandseigenschaften der Stoffe, denn sie beschreiben, in welchem
                              									Zustand sich ein Stoff befindet.
                           Die Zustandseigenschaften können ihre Beträge in sehr weiten Grenzen ändern, während
                              									die Stoffeigenschaften zum Teil fast unveränderlich sind. Ihre Veränderlichkeit
                              									reicht nur so weit, wie der Stoff durch die Zustandseigenschaften beeinflußt wird.
                              									Eigengewicht und Oberflächenspannung sind namentlich von der Temperatur abhängig,
                              									letzteres auch noch vom Elektrial. Aber diese Abhängigkeit bedingt doch nur eine
                              									geringe Veränderlichkeit. Vom Chemial kennen wir bisher überhaupt nur diese
                              									Abhängigkeit von Zustandseigenschaften. Im Beispiel 3e war die Abhängigkeit des
                              									Chemials vom Elektrial benutzt, um den Begriff des Chemials zu finden. Die
                              									Veränderlichkeit des osmotischeri Druckes ist durch die Löslichkeitsgrenzen
                              									begrenzt.
                           Intensitäten, welche Zustandseigenschaften sind, können sich innerhalb weiter Grenzen
                              									ändern; solche, welche Stoffeigenschaften sind, sind wenig veränderlich.
                           Da der Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben leicht solche Intensitäten
                              									erkennen läßt, deren Veränderlichkeit keine Grenzen hat, so ist es einleuchtend, daß
                              									wir zuerst diejenigen gefunden haben, welche Zustandseigenschaften sind. Daß aber
                              									auch die anderen mit ihm zu finden sind, haben wir im Chemial und am osmotischen
                              									Druck gesehen.
                           12) Die Bedeutung der Intensität. Nachdem wir durch den
                              									Satz vom selbsttätig wachsenden Widerstreben zum Begriff der Intensität geführt
                              									worden sind und nachdem wir nach Aufstellung des Intensitätssatzes die beiden
                              									Gruppen von Intensitäten erkannt haben, ist zum Schluß noch zu untersuchen, welche
                              									Bedeutung die Intensitäten für das Naturerkennen haben.
                           Zu diesem Zweck wollen wir den Begriff der Maschinengleichung, wie er im
                              									Intensitätssatz enthalten ist, etwas anders fassen. Durch die Maschinengleichung
                              									werden zwei Intensitäten mit einander verbunden. Nennen wir die so verbundenen
                              									Intensitäten ausgeglichen, so können wir den Intensitätssatz in die Worte kleiden:
                              									Beim Vorhandensein unausgeglichener Intensitäten bewegt sich Energie von stärkerer
                              									nach schwächerer Intensität. Bewegung oder Umwandlung von Energie ist nach dem
                              									Energiesatz das Kennzeichen eines Vorganges. Das können wir für die letzte Hälfte
                              									des Intensitätssatzes in der eben gefundenen Fassung einsetzen und wenn wir dann
                              									noch den Satz umdrehen, erhalten wir schließlich: Es geht etwas vor, es geschieht
                              									etwas, wenn unausgeglichene Intensitätsunterschiede vorhanden sind.
                           Hiermit ist eine der wichtigsten Aufgaben der Physik gelöst. Wir haben die Antwort
                              									auf die Frage gefunden, wann geschieht etwas? Sie lautet: Es geschieht etwas, wenn
                              									unausgeglichene Intensitätsunterschiede vorhanden sind.
                           Die zweite Frage, welche die Physik beantworten muß; Wie geschieht etwas?, harrt noch
                              									der Antwort. Nachdem aber jetzt die erste Frage eine voll befriedigende Antwort
                              									gefunden hat, wird auch die zweite nicht mehr lange unbeantwortet bleiben.
                           Die dritte Frage dagegen: Was ist geschehen?, ist durch den Energiesatz schon seit
                              									langer Zeit beantwortet: Es hat sich wohl die Verteilung der Energie geändert, aber
                              									die Gesamtmenge ist ungeändert geblieben.
                           Im Anschluß an die Bezeichnungen in der ersten Arbeit von Clausius zur allgemeinen
                              									Wärmelehre ist man gewöhnt, den Energiesatz als den ersten und den
                              									Intensitätensatz, wenigstens in seiner Beschränkung auf die Wärmelehre, als den
                              									zweiten Hauptsatz zu bezeichnen. Richtet man sich aber nach den oben aufgeführten
                              									Fragen, welche die Physik beantworten muß, so muß man die Bezifferung anders
                              									einrichten. Die naturgemäße Reihenfolge der Fragen ist: Wann geschieht etwas? Wie
                              									geschieht etwas? und Was ist geschehen? Danach ist der Intensitätssatz als der erste
                              									und der Energiesatz als der dritte Hauptsatz zu bezeichnen. Für den zweiten
                              									Hauptsatz, welchen man, wenn man an die von ihm zu beantwortende Frage denkt, als
                              									den Satz des Geschehens bezeichnen könnte, hat man bis jetzt, wie schon gesagt, noch
                              									keinen Ausdruck gefunden.