| Titel: | Versorgung der Welt mit Quecksilber. | 
| Autor: | Landgraeber | 
| Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 85 | 
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                        Versorgung der Welt mit Quecksilber.
                        Versorgung der Welt mit Quecksilber.
                        
                     
                        
                           Theophrastus erwähnt dieses Metall erstmalig um 300 v. Chr. Von Plinius wissen
                              									wir, daß seine Landsleute es aus Ulmaden in Spanien bezogen. Zur Zeit der
                              									Alchimisten spielte es eine große Rolle, um Gold und Silber aufzulösen. Sie nannten
                              									es Mercur. Agricola bezeichnete es im 16. Jahrhundert als Metall. Der Name
                              										„bewegliches Silber“ stammt von Quicken oder Verquicken her, womit die
                              									Bergleute das Amalgamieren bezeichnen. Quecksilber wird neuerdings mehr denn je
                              									verwandt für physikalische Apparate, in der Medizin, in der Maschinen- und
                              									Elektroindustrie, zur Aufbereitung von Golderzen, als Zinnalmagan zum Belegen der
                              									Spiegel und neuerdings wohl auch im Dampfkessel an Stelle von Wasser. Ob die
                              									Goldherstellung aus Quecksilber jemals Bedeutung erlangt, ist noch unentschieden. Es
                              									dürfte daher von Intenesse sein, zu erfahren, wie sich die Versorgung mit diesem
                              									Stoffe gestaltet. Im Jahre 1910 betrug die Weltproduktion rd. 3400000 kg und 1913
                              									etwa 4000000 kg. Sie fiel während der Kriegsjahre um einige 100000 kg, um alsdann
                              									wieder bis auf obige Menge zu steigen.
                           Die wichtigsten Quecksilber liefernden Länder sind Spanien mit einer Erzeugung von
                              									rd. 1200000, Italien mit rd. 1600000 und Mexiko mit rd. 1 500000 kg jähilich. Die
                              									Vereinigten Staaten fördern seit 75 Jahren Quecksilber. Bis vor 10 Jahren sind
                              									insgesamt rd. 80 Millionen Kilogramm gewonnen. Die Höchstleistung war im Jahre 1877
                              									mit rd. 2 850000 kg. Zu Beginn dieses Jahrhunderts wurden nur mehr noch 700000 kg
                              									hergestellt. 1922 jedoch nur 215 000 und 1923 nur rund 270000 kg.
                           Japan und China zusammen haben bisher als Höchstproduktion kaum 100000 kg jährlich
                              									geliefert.
                           In Deutschland finden sich Quecksilbergänge in der Rheinpfalz (Stahlberg) und
                              									Landsberg bei Moschel. Der Bergbau datiert bereits aus dem Jahre 1410. Es ist dort
                              									sehr lebhaft zugegangen. Allgemein sind aber die betreffenden Spalten und Gänge in
                              									den mittleren Ottweiler Kohlenschichten wenig zuverlässig. Die Engländer brachten
                              									1836 die meisten Gruben an sich. Der Ertrag sank jedoch schnell. Im Botzberg bei
                              									Kusel, dessen Gruben sich am längsten hielten, bestanden zeitweise an die 25
                              									Gruben. Andere deutsche Vorkommen befinden sich auf Grube Merkur bei Silberg und
                              									besonders auf „Neue Rhonard“ bei Stachelnau, ferner treten sie auf bei
                              									Bensberg – Mühlheim und Hohensolms-Wetzlar. Bei Stachelnau wurden 1865 rd. 270000 kg
                              									gewonnen. Im rheinischen Schiefergebirge bestehen außer den genannten noch eine
                              									erhebliche Anzahl von Fundstätten dieses wertvollen Minerals, das meist als Zinnober
                              									auftritt. Im Harz und Erzgebirge ist Quecksilber westlich von Wieda in der
                              										„Großen Silberbach“ und bei Hartenstein gefunden worden, sowie im
                              									Tieftale in der Gegend von Lößnitz. Beide Vorkommen sind schon seit dem 16.
                              									Jahrhundert bekannt und zeitweise abgebaut. Ein mineralogisch recht interessantes
                              									Vorkommen befindet sich in dem diluvialen Lehm bei Sülbeck-Lüneburg.
                           In Siebenbürgen hat amerikanisches Kapital die alten in Fristen liegenden Bergwerke
                              									von Valea Dosul aufgekauft, um mittels der Bukarester Aurifera A.-G. den Betrieb
                              									wieder aufzunehmen.
                           Der Schwerpunkt der Quecksilbergewinnung liegt in Europa. Es ist die Fundstätte von
                              									Almaden in Spanien.
                           Die Anfänge der Ausbeutung der spanischen Gruben von Almaden in der Sierra Morena
                              									verschwinden im Nebel der Zeiten. Griechen, Römer und Mauren haben dieses Mineral
                              									dort gegraben. 700 v. Chr. holten die Griechen ihr Minium dort. Die berühmten Fugger
                              									aus Augsburg haben im 16. und 17. Jahrhundert mehr als 100 Jahre die Gruben, die sie
                              									von Karl V. als Entschädigung für ein größeres Schuldkapital geliehen bekamen,
                              									ausgebeutet. Seit einigen Jahren hat der spanische Staat die Betriebe, die Rotschild
                              									bis dahin führte, in eigener Regie übernommen. Sie waren Rotschild bis zum Jahre
                              									1921 verpfändet. Der spanische Staat ist dabei, da es sich hier um Erzreserven von
                              									mindestens 200000 t mit rd. 30000 t Quecksilber handelt, die Betriebseinrichtungen
                              									zu modernisieren. Die Gruben wären, wenn sie richtig betrieben würden, leicht
                              									imstande, den heutigen Weltbedarf infolge ihrer Reichhaltigkeit an sich zu
                              									reißen.
                           
                           Wegen der Schädlichkeit und Vergiftungen durch Quecksilberdämpfe' verfahren die
                              									Arbeiter abwechselnd eine Schicht in der Grube, eine Schicht übertags und eine
                              									Feierschicht. Der Verdienst ist dementsprechend hoch. Die sanitären Einrichtungen
                              									lassen viel zu wünschen übrig.
                           Die Gruben sind 350 m tief. Auf 12 Sohlen wurden nach und nach drei Cynnabaryt
                              									führende, seltener gediegen quecksilberhaltige Quarzgänge von 250 m Länge und 1–12 m
                              									Breite vorgerichtet und abgebaut.
                           Nach der Tiefe werden die Erzimprägnationen reichhaltiger und höffiger. Das Fördergut
                              									wies bisher 6% und wohl auch etwas mehr Quecksilber auf. Geologisch sind diese
                              									Naturschätze an Tonschiefer und Quarzit gebunden, die hin und wieder von Eruptiven
                              									durchstoßen werden. Sie liegen ganz nahe bei Almaden (al-ma-den – heißt auf arabisch
                              									Bergwerk). Der spanische Staat hat das Abbaurecht im Bereich eines Kreises von 25
                              									000 m Durchmesser für sich in Anspruch genommen. Die Almadener Erze sind die
                              									reichsten der Welt, 50 bis 100 Prozent reicher als alle übrigen Vorkommen. Das
                              									zweitwichtigste ist das Vorkommen bei Idria, das durch den Friedensvertrag
                              									Oesterreichs den Italienern zugesprochen wurde. Dieses ehemalige „deutsche“
                              									Quecksilbervorkommen steht seit 1920 an führender Stelle und hat das erste
                              									Produktionsland Spanien, das die bedeutendsten Vorkommen der Welt besitzt, bei
                              									weitem überflügelt. Spanien führte 1913 rund 1500000 kg aus und Italien rund 1000000
                              									kg. In der Letztzeit hat Italien rund 1500000 kg ausgeführt und Spanien kaum 270000
                              									kg. Die ungarischen Quecksilbergruben im Ampeltale sind an die Tschechoslovakei
                              									abgetreten. Sie fördern rund 50000 kg jährlich. Neuerdings hat man in Oesterreich
                              									die alten noch lohnenden Quecksilberbaue im Oberdrautal bei Dellach wieder
                              									aufgemacht. Das betreffende Erz von Glatschach hat 0,5 vH Quecksilber. Andere
                              									Quecksilberlager befinden sich bei Kuskowin in Alaska, bei Pereta in Toskana, in
                              									Algier, Portugal, Australien, Neu-Seeland, Kleinasien und auf Borneo. Sie sind von
                              									untergeordneter Bedeutung und liefern nur kleine Mengen und außerdem unregelmäßig.
                              									Die Gesamtproduktion an Quecksilber kann auf höchstens 3000000 kg geschätzt werden.
                              									Der größte Konsument ist England, ihm folgen an zweiter Stelle die Vereinigten
                              									Staaten. Neben England hat Deutschland die größte Einfuhr, rd. 450000 kg gegen rd.
                              									900000 am Jahre 1913, in Europa. Früher bekam Deutschland Quecksilber aus
                              									Oesterreich-Ungarn, nunmehr wird es vorwiegend mit spanischem Quecksilber versorgt.
                              									England bekommt die benötigten rd. 1200000 kg neben der beinahe gesamten
                              									italienischen Produktion noch zum erheblichen Teil aus Spanien. Die Vereinigten
                              									Staaten führten 1913 rd. 70000 kg ein, 1923 dagegen fast das Zehnfache. Die Ursache
                              									ist auf eine Erschöpfung der amerikanischen Lager zurückzuführen. Wenn sich auch die
                              									Welterzeugung zweifellos noch erhöhen läßt, so ist doch fraglich, ob die Menge
                              									erreicht werden kann, die benötigt werden würde, um die neuerdings erfundene
                              									Quecksilberturbine allgemein einzuführen. In diese von Emmet konstruierten und
                              									kürzlich mit Erfolg ausprobierten Wärmekraftmaschine soll anstatt des bisher
                              									üblichen Wasserdampfes Quecksilberdampf als arbeitendes Medium verwendet werden. Mit
                              									dieser Art von Maschine soll wegen der gänzlich andersartigen thernischen
                              									Eigenschaften dieses Stoffes sich eine Steigerung der Leistung – jeder Kessel
                              									erzeugt etwa 1500–2000 Pferdestärken – um mehr als 60 vH erzielen lassen. Das
                              									Quecksilber, etwa 1 cbm, wird hierbei in einem Kessel, wie beim Dampfkessel zum
                              									Sieden gebracht. Die Quecksilberdämpfe von rd. 3,5 at und 450 Grad, deren Dichte und
                              									Siedetemperatur bedeutend höher als beim Wasser sind, werden in einer Turbine
                              									verwertet. Jenen hohen Effekt will Emmet durch gleichzeitige Anwendung von
                              									Quecksilber und Wasserdampf erzielen und zwar so, daß die Kondensation der
                              									Quecksilberdämpfe unter einem Druck von 0,04 at in einem Oberflächenkondensator vor
                              									sich geht, der zugleich als Dampfkessel wirkt und das Kühlwasser in Dampf umwandelt.
                              									Der so erzeugte Dampf wird wiederum in einer besonderen Turbine ausgenützt. Ein
                              									Kessel dieser neuartigen Zweistoffanlage benötigt 13000–15000 kg Quecksilber.
                              									Bereits vorhandene Dampfkraftwerke können ihre Leistung um 100% erhöhen bei einem
                              									Brennstoffmehraufwand um 25%. Würde dieses Quecksilbersystem nun in Italien, dem
                              									Lande, das zur Zeit die höchste Erzeugung aufweist, eingeführt, so könnten damit
                              									höchstens 100 derartige Kessel betrieben werden.
                           Außer dem Nachteil der Belieferung mit der erforderlichen Menge ist das System, so
                              									bedeutsam es für die Wärmetechnik auch ist, noch mit einer nicht zu unterschätzenden
                              									Gefahr verbunden, die darin besteht, daß ein Entweichen der sehr stark giftigen
                              									Dämpfe nicht immer verhindert werden kann.
                           Für deutsche Verhältnisse kommt die Quecksilberturbine kaum in Betracht, denn die
                              									geringen Mengen Quecksilber, die beim Abrösten rheinischer Zinkblenden in Frage
                              									kommen und schließlich aus schlämmender Glover oder der Schwefelsäure-Bleikammern
                              									gewonnen werden könnten, fallen kaum ins Gewicht.
                           Landgraeber.