| Titel: | Das Weltbild vom Standpunkt der Wärmetheorie. | 
| Autor: | Schmolke | 
| Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 129 | 
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                        Das Weltbild vom Standpunkt der
                           								Wärmetheorie.
                        Von Studienrat Ing. Schmolke, Berlin.
                        SCHMOLKE, Das Weltbild vom Standpunkt der Wärmetheorie.
                        
                     
                        
                           
                           
                              
                              Textabbildung Bd. 341, S. 129
                              
                           Jedem Ingenieur, der sich mit thermodynamischen Fragen zu beschäftigen hat, ist die
                              									in der Abb. wiedergegebene zeichnerische Darstellung des Carnotschen Kreisprozesses
                              									bekannt. Aber auch den der Wärmetheorie ferner stehenden Praktiker werden die in der
                              									Figur enthaltenen Bezeichnungen über die Bedeutung des Diagrammes aufklären. Wie man
                              									leicht erkennt, ist Fläche ABCD=\frac{Q_1\,T_1}{T_1}, das heißt
                              									die während der bei der Temperatur T1 verlaufenden
                              									isothermischen Expansion BC zugeführte Wärmemenge Q1. Fläche ADEF stellt die im Verlauf der isothermischen Kompression abgeführte
                              									Wärme \frac{Q_2\,T_2}{T_2}=Q_2 dar. Schließlich wäre das
                              									schraffierte Flächenstück BCEF gleich der geleisteten Arbeit, und hieraus ergibt
                              									sich, daß der Wirkungsgrad des Prozesses durch das Verhältnis
                              										\frac{\mbox{Fläche }BCEF}{\mbox{Fläche
                                 										}ABCD}=\frac{T_1-T_2}{T_1} veranschaulicht wird. Einige wichtige
                              									Folgerungen lassen sich aus der gefundenen Gleichung ableiten. Es würde nämlich der
                              									Nutzeffekt dieses günstigsten aller denkbaren Kreisprozesse nur dann 100 v. H.
                              									werden, wenn T2 den Wert 0 annimmt bzw. wenn der
                              									absolute Nullpunkt erreicht wird. Dies ist bekanntlich unmöglich, und eine
                              									vollständige Umwandlung von Wärme in Arbeit wäre somit ausgeschlossen. Eine
                              									solche Erkenntnis führt mit zwingender Beweiskraft zu dem Schluß, daß Wärme eine
                              									minderwertige Energieform ist, denn jede Verwandlung von lebendiger Kraft bewegter
                              									Massen in Wärme läßt sich nur zum Teil wieder rückgängig' machen. Sie bedeutet
                              									demnach eine Beeinträchtigung der gesamten Arbeitsfähigkeit Es vollziehen sich nun
                              									aber unausgesetzt Umwandlungen der erwähnten Art oder mit anderen Worten es findet
                              									eine ständige Entwertung des vorhandenen Energievorrates statt. Dies muß unbedingt
                              									zuletzt zu dem Ziele führjen, daß alles Vermögen, Arbeit zu leisten, verschwindet
                              									und jegliche Bewegung zum Stillstand kommt.
                           Die Abbildung zeigt ferner, daß es einen ganz bestimmten Mindestwert gibt, der auch
                              									im besten Falle als Verlust zu buchen ist. Wie ohne Mühe erkannt wird, erhält man
                              									den Betrag der Wärme, der nicht in Arbeit umgesetzt werden konnte, durch
                              									Multiplikation der Zunahme des Quotienten \frac{Q}{T} mit der
                              									niedrigsten Temperatur, die während des Prozesses auftrat. Man bezeichnet deshalb
                              									die durch die Abszisse dargestellte Größe \frac{Q}T{}
                              									Verwandlungswert- oder Entropieveränderung und schließt, daß der unvermeidliche
                              									Verlust bei jeder Vermehrung der Entropie wächst. Diese Folgerung eröffnet aber
                              									wiederum, wie man bei näherer Betrachtung bemerkt, einen wenig erfreulichen Ausblick
                              									auf die zukünftige Gestaltung unseres Weltbildes. Es läßt sich nämlich nachweisen,
                              									daß eine ununterbrochene Entropiezunahme stattfindet, was nach obigem wiederum
                              									gleichbedeutend mit einer Verminderung der Arbeitsfähigkeit ist. Zunächst sei der
                              									Fall des Temperaturausgleiches zwischen zwei Stoffen von verschiedenem Wärmegrad
                              									betrachtet. Er vollzieht sich fortwährend selbsttätig in der Natur und kann daher
                              									Anspruch auf besondere Bedeutung machen. Als Sonderfall mögen die Vorgänge geprüft
                              									werden, die sich abspielen, wenn 1 kg Wasser von der Temperatur T1 in Berührung kommt mit der gleichen
                              									Flüssigkeitsmenge vom Wärmegrad TII, so daß sich die
                              									mittlere Temperatur \frac{T_I+T_{II}}{2} einstellt. Es würde sich
                              									zunächst darum handeln, die Größe der Entropie vor der Mischung festzustellen. Zu
                              									diesem Zweck setzt man willkürlich für 1 kg Wasser von 0° C. den Entropiewert S
                              									gleich 0. Da ferner eine unendlich kleine zugeführte Wärmemenge dQ gleich cdT ist,
                              									wobei c die spezifische Wärme der Flüssigkeit bedeutet, so folgt für das Kilogramm
                              									Wasser von der Temperatur
                              										T_1\,S_1=\int_0^{T_1}\,\frac{c\,d\,T}{T}=c\,ln\,\frac{T_1}{T_0}.
                              									Es wurde hierbei c als unveränderlich betrachtet, was bei der in Frage kommenden
                              									Flüssigkeit zulässig erscheint. T0 bezeichnet eine
                              									Temperatur von 0° C. In analoger Weise ergibt sich für das Kilogramm Wasser, dessen
                              									Anfangstemperatur TII ist, die Entropie
                              										S_{II}=c\,ln\,\frac{T_{II}}{T_I} Es wäre demnach vor dem
                              									Ausgleich der Wärmegrade für die gesamte Flüssigkeitsmenge der Wert der
                              										S_a=S_I+S{II}=cln\,\frac{T_I\,.\,T_II}{{T_0}^2}. Nach
                              									Beendigung des Vorganges ist demgegenüber die Gesamt-Entropie
                              										S_b=c\,ln\,\frac{T\,m^2}{{T_0}^2}, und es handelt sich nun
                              									darum, ob Sa größer oder kleiner als Sb ist. Ueber die Antwort auf eine dahin zielende
                              									Frage kann kein Zweifel bestehen. Sb–Sa ist positiv. Es wäre nämlich diese Differenz
                              									gleich
                              										c\,ln\,\frac{T\,m^2\,.\,{T_0}^2}{{T_0}^2\,.\,T_I\,.\,T_{II}}=c\,ln\,\frac{T\,m^2}{T_I\,.\,T_{II}}.
                              									Der Zähler des hierbei auftretenden Logarithmus ist nun größer als der Nenner, da
                              									das Quadrat des arithmetischen Mittels zweier Zahlenwerte immer einen höheren Wert
                              									als deren Produkt besitzt. Der Logarithmus muß somit stets größer als 0 sein, was
                              									damit gleichbedeutend wäre, daß die oben angegebene Differenz positiv wird bzw. daß
                              									die Entropie eine Zunahme erfährt. Eine Verminderung der Arbeitsfähigkeit ist die
                              									unausbleibliche Folge. Daß ein Temperaturausgleich in diesem Sinne wirkt, dürfte
                              									auch dem Laien bei näherer Betrachtung der Formel für den Nutzeffekt des
                              									Carnotprozesses verständlich werden. Dieselbe besagt nämlich, daß eine
                              									Arbeitsleistung unmöglich ist, wenn ein Temperaturgefälle nicht existiert. Ein
                              									solches verschwindet beim Ausgleich der Wärmegrade und mit ihm die Möglichkeit,
                              									Arbeit zu verrichten. Aber nicht nur der geschilderte Uebergang der Wärme vom
                              									heißeren zum kühleren Körper verursacht eine Entwertung der Energie. In jeder
                              									Arbeitsmaschine vollzieht sich ein ähnlicher Vorgang. Komprimiert man beispielsweise
                              									Luft auf isothermem Wege, so muß die Wärmemenge Q von dem zusammengepreßten Gas an
                              									eine kühlende Flüssigkeit abgegeben werden. Es erfolgt nun aber ein Wärmeübergang
                              									erst dann, wenn die Temperatur der Luft T etwas höher gestiegen ist als die des
                              									Kühlwassers Tk. Es wäre demnach die Abnahme der
                              									Entropie des Gases \frac{Q}{T} und die Zunahme der Entropie der
                              									Flüssigkeit \frac{Q}{T_k}. Der Zähler des letzteren Bruches ist
                              									kleiner als der des ersteren. Infolgedessen ist die Entropiezunahme des ganzen
                              									Systemes größer als die Abnahme, das heißt man ist wieder zu demselben Ergebnis wie
                              									oben gelangt. Ueberhaupt ist der Unterschied zwischen den zwei beschriebenen
                              									Vorgängen letzten Endes nur äußerlich. Der in beiden Fällen stattfindende
                              									Temperaturausgleich ist das wesentliche. Auf jeden Fall ist die Aussicht auf die
                              									zukünftige Gestaltung der Welt wenig tröstlich. Unvermeidlich scheint das Schicksal,
                              									daß, wenn auch erst nach riesigen Zeiträumen, das Universum in Todesstarre
                              									ruht. Dieser Gedanke ist nicht nur wahrhaft grauenerregend, sondern auch
                              									widersinnig. Die Vernunft sträubt sich gegen die Anschauung, daß das All dermaleinst
                              									ein ungeheures Grab sein soll. Sie sucht nach einem Ausgleich zwischen den
                              									mathematisch-physikalischen Schlußfolgerungen, deren Beweiskraft sie sich nicht
                              									entziehen kann, und der natürlichen Logik, die selten zu täuschen pflegt. Ob ein
                              									solcher zu finden ist, soll im Folgenden einer kurzen Betrachtung unterzogen
                              									werden.
                           Für dieselbe dürfte es wichtig sein, festzustellen, ob denn unser Weltbild, abgesehen
                              									von den sich aus dem Entropiesatz ergebenden Schlüssen, noch weitere Unstimmigkeiten
                              									aufweist. Zu diesem Zweck sei zunächst die Kant-Laplacesche Theorie einer Prüfung
                              									unterworfen. Sie bildet bis heute die wesentlichste Grundlage für die Betrachtung
                              									kosmischer Probleme und dürfte in ihren hauptsächlichsten Bestandteilen die Zeiten
                              									überdauern. Ihr Inhalt läßt sich kurz folgendermaßen zusammenfassen: Entsprechend
                              									dem Gesetz der Massenanziehung erfolgt an einer Stelle des Weltenraumes die
                              									Kontraktion von Materie. Hierbei wird durch die wirksamen Kräfte eine ungeheure
                              									Arbeit geleistet. Die Masse gerät daher in Glut, und es entsteht ein im weißen Licht
                              									strahlender Fixstern. Dieser erkaltet allmählich, gerät erst in Gelb- und dann in
                              									Rotglut, um schließlich ein Dunkelstern zu werden. Die von ihm im Verlauf von
                              									Jahrmillionen ausgestrahlte Wärme muß also gedeckt werden durch die während seines
                              									Entstehens tätig gewesenen Kräfte. Würde man das Alter eines Fixsternes kennen, so
                              									ließe sich die Richtigkeit der Theorie dadurch prüfen, daß man die in den Weltraum
                              									durch Strahlung abgegebene Energie mit der Arbeit der Anziehungskräfte vergleicht.
                              									Letztere wurde schon mit hinreichender Annäherung von Helmholtz bestimmt. Aber auch
                              									das Alter von Gestirnen läßt sich mit einer gewissen Sicherheit feststellen. Zum
                              									mindesten trifft dies bei dem von uns bewohnten Planeten zu.
                           Hier läßt sich eine geologische Zeitrechnung auf Grund der Bildung von Blei und
                              									Helium in Uranmineralien aufbauen. Dieselbe stützt sich auf die Tatsache, daß man
                              									die Zerfallgeschwindigkeit eines Radioelementes durch kein Mittel beeinflussen kann.
                              									Man hat derartige Substanzen Temperaturen von – 240° bis + 2500° sowie Drücken von
                              									24400 at. ausgesetzt, ohne die geringste Beschleunigung oder Verzögerung des
                              									Zerfalles erzielen zu können. In stets gleichbleibender Geschwindigkeit führt er
                              									über zahlreiche Zwischenstufen zum Endprodukt, dem Uranblei, das sich durch sein
                              									Atomgewicht vom gewöhnlichen Blei unterscheidet. Die in einem Uranmineral gefundene
                              									Menge dieses letzten Gliedes der sogenannten Zerfallsreihe ist demnach ein Maß für
                              									dessen Alter. Boltwood, Strutt und Holmes haben auf dieser Grundlage eine Methode
                              									der Zeitmessung entwickelt. Sie führt zu dem Ergebnis, daß die erste Periode der
                              									Frühzeit (Eozoikum), das sogenannte untere Präkambrium, in welchem das Leben auf der
                              									Erde bereits begonnen hatte, schon 1500 Jahrmillionen zurückliegt. Noch etwas früher
                              									muß die Bildung einer festen Erdkruste erfolgt sein, und sicherlich besteht die
                              									Sonne als Fixstern noch viel längere Zeit. Hinsichtlich ihres Alters ist man nun
                              									allerdings in weitgehendem Maße auf Vermutungen angewiesen. Indessen wird von
                              									berufener Seite der Annahme, daß das Alter des Muttergestirnes der Erde etwa 10 000
                              									Millionen Jahre sei, viel Wahrscheinlichkeit zugesprochen. Diese Erkenntnis führt
                              									aber zu einem Widerspruch zwischen der Kant-Laplaceschen Theorie und dem
                              									Energiegesetz.
                           
                           Die durch die Arbeit der Massenanziehung entwickelte Wärme reicht nämlich nicht
                              									im entferntesten dazu aus, um die Strahlungsverluste während des oben angegebenen
                              									riesigen Zeitraumes zu decken. Auch die Annahme, daß radioaktive Vorgänge eine
                              									erhebliche Rolle bei der Bestreitung des Energiebedarfes spielen, liefert keine
                              									ausreichende Erklärung, wenngleich sie bis zu einem gewissen Grad dazu beiträgt, die
                              									Lösung des Rätsels zu fördern. Unverständliche Widersprüche bleiben bestehen, und
                              									unbestreitbar führt der erste Wärmesatz zu dem Ergebnis, daß eine reifliche Prüfung
                              									gerade der kosmischen Theorien am Platze ist, deren Richtigkeit lange nicht
                              									bezweifelt wurde. Das Verdienst ihrer Urheber wird hierdurch kaum verkleinert.
                              									Erscheinen doch die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, auf welche sich jene
                              									großen Männer stützen konnten, noch recht beschränkt im Vergleich zu dem heutigen
                              									Stand der Physik und Chemie. Keiner der Wärmesätze war bekannt, und sogar deren
                              									Entdecker sind ja selbst nicht zu den sich aus ihnen ergebenden Folgerungen für die
                              									Entwicklung des Kosmos gelangt. Beispielsweise machte erst Lord Kelvin auf den
                              										„Wärmetod“, das heißt die erwähnten düsteren Aussichten, aufmerksam, die
                              									der Carnot-Clausiussche Satz eröffnet.
                           Nun ist mit den aufgezählten Unstimmigkeiten deren Reihe durchaus nicht erschöpft.
                              									Setzt man einen Anfang aller sich auf der Welt vollziehenden Vorgänge nicht voraus,
                              									so müßte die Gravitation längst zu einem Zusammenballen der Materie geführt haben.
                              									Ueberdies leitet die Theorie der radioaktiven Prozesse ebenfalls zu Konsequenzen,
                              									die nicht viel erfreulicher sind als die geschilderten Schlußfolgerungen aus dem
                              									Entropiesatz.
                           Es herrscht nämlich bei den Physikern kaum ein Zweifel darüber, daß nicht nur die
                              									Elemente, bei denen sich dies bisher nachweisen ließ, sondern sämtliche Stoffe einem
                              									radioaktiven Abbau unterliegen, der vielfach allerdings mit ungeheurer Langsamkeit
                              									erfolgt. Trotzdem bleibt es unerklärlich, warum dieser Abbau nicht schon lange
                              									vollendet ist, was gleichbedeutend mit dem Verschwinden jeder Verschiedenheit der
                              									Materie, mit einer erschreckenden Oede, wäre. Wie man sieht, reiht sich Rätsel an
                              									Rätsel, deren Anzahl noch keineswegs abgeschlossen ist.
                           Unwillkürlich erhebt sich bei Berücksichtigung dieses Umstandes die Frage nach dem
                              									Gültigkeitsbereich der sogenannten Naturgesetze. Ist es zulässig, daß man sie ohne
                              									weiteres bei der Lösung kosmischer Probleme verwendet? Sind dieselben oder
                              									wenigstens ein Teil von ihnen als unumstößliche Wahrheiten zu betrachten? Die
                              									nächstliegende Antwort auf diese Fragen dürfte bejahend ausfallen, denn kein
                              									Beispiel ist bekannt, in dem die Grundsätze der Physik und Chemie bei ihrer
                              									Anwendung auf das Weltall versagten. Dennoch scheinen die Verhältnisse nicht so ganz
                              									einfach zu liegen, wie die nachstehende Betrachtung zeigen dürfte: Zunächst sollte
                              									man keinesfalls die Tatsache aus dem Auge verlieren, daß unsere Naturgesetze
                              									lediglich auf Grund von Erfahrungs-material aufgebaut wurden. Sie lassen sich nicht
                              									durch abstrakte Gedankengänge irgendwelcher Art ableiten. Zwar sind sie durch
                              									zahllose Versuche und Anwendungen der verschiedensten Art bestätigt worden, indessen
                              									darf man nicht vergessen, seit wie kurzer Zeit und unter was für beschränkten
                              									Verhältnissen Prüfungen ihrer Richtigkeit erfolgen konnten. Wie verschwindend
                              									erscheinen alle irdischen Abmessungen gegenüber den Tausenden von Lichtjahren, durch
                              									welche die Entfernung von Himmelskörpern bestimmt wird. Nun kann man sich des
                              									Eindruckes nicht erwehren, daß gerade im letzten Vierteljahrhundert eine neue Zeit
                              									der physikalischen Forschung angebrochen ist. Manche Gesetze, deren strenge
                              									Richtigkeit niemals, bezweifelt wurde, haben sich Beschränkungen gefallen lassen
                              									müssen. Die glänzende elektromagnetische Lichttheorie Maxwells ist mit der
                              									Quantenhypothese Plancks unvereinbar. Die Lorentztransformation und die
                              									Relativitätstheorie Einsteins haben die Annahme zerstört, daß mit Newtons
                              									Anziehungsgesetz das letzte Wort über die Kräfte gesprochen sei, welche die Bewegung
                              									der Himmelskörper regeln. Die genannten neuen Theorien machen aber selber keinen
                              									Anspruch darauf endgültig zu sein. Sie stellen einen Fortschritt dar, sind jedoch
                              									ebensowenig Naturgesetze wie die von ihnen ergänzten früheren Anschauungen. Ein
                              									wirkliches Gesetz darf niemals versagen. Geschieht dies auch nur einmal, so wird es
                              									zur Annäherungsregel, die vielleicht innerhalb gewisser Grenzen mit größter
                              									Genauigkeit zutrifft und deshalb hohen praktischen Wert haben kann. Der Ruhm der
                              									großen Physiker der Vergangenheit wird somit nicht verkleinert durch die
                              									Feststellung, daß sie Abschließendes nicht geschaffen haben. Wohl aber läßt sich aus
                              									dem Vorstehenden die Hoffnung ableiten, daß es möglich ist, die drohenden
                              									Zukunftsbilder zu verlöschen, die der Entropiesatz der Welt in Aussicht stellt. Bei
                              									der Beurteilung dahinzielender Hypothesen ist es eine selbstverständliche
                              									Voraussetzung, daß nicht die zwingende Beweiskraft mathematischer Schlußfolgerungen
                              									noch die Fülle exakter Versuchsunterlagen erwartet werden darf, die im Gebiet der
                              									normalen Physik unerläßliche Forderungen sind. Eine Annahme, die keine
                              									physikalischen Unmöglichkeiten in sich birgt, die erfahrungsgemäß festgestellte
                              									Erscheinungen hinreichend erklärt und widersinnige Schlußfolgerungen beseitigt, ist
                              									auf dein Gebiet der kosmischen Physik schon von höchstem Wert.
                           Gegenwärtig liegt wohl nur eine von Walther Nernst ausgesprochene Hypothese vor,
                              									welche den genannten Anforderungen entspricht. In ergreifender Weise erzählt der
                              									große Physiker, einen wie tiefen Eindruck im Jahre 1886 während seines Studiums in
                              									Graz der Ausspruch Boltzmanns auf ihn gemacht habe, daß alle Versuche, vom Weltall
                              									den Wärmetod abzuwenden, hoffnungslos seien. Unablässig blieb seit jener Zeit Nernst
                              									bemüht, dennoch einen Ausweg zu entdecken, und scheint, gestützt auf die letzten
                              									Errungenschaften der Physik, einen solchen auch gefunden zu haben. Von
                              									ausschlaggebender Bedeutung waren hierbei die Beziehungen zwischen Materie und
                              									Energie, deren Erkenntnis die neuesten Forschungen brachten. Ihnen zufolge verliert
                              									ein Körper Masse, sobald er Energie abgibt. Dieser Verlust ist überaus klein, aber
                              									beim radioaktiven Zerfall schon nicht mehr ganz unmerklich. Die ungeheuren
                              									Energieausstrahlungen, welche von den Fixsternen in das Aethermeer gesandt werden,
                              									bedeuten somit eine gleichzeitige Verflüchtigung von Materie. Nun besitzen nach der
                              									modernen Auffassung auch beim absoluten Nullpunkt die Atome noch einen
                              									beträchtlichen Energieinhalt, da inn ihrem Inneren selbst bei dieser Temperatur eine
                              									lebhafte Bewegung stattfindet. Es beruht daher ein Teil ihrer Masse auf
                              									Energieinhalt, und die Vermutung liegt nahe, daß die gesamte Materie aus
                              									Nullpunktsenergie besteht. Wie Nernst in einer kürzlich erschienenen sehr
                              									lesenswerten SchriftDas Weltgebäude im
                                    											Lichte der neueren Forschungen. Von W. Nernst. Berlin, Julius
                                    										Springer. ausführt, scheint nun bei Beachtung der vorstehenden
                              									physikalischen Forschungsresultate folgende Annahme keineswegs unwahrscheinlich: Der
                              									radioaktive Abbau erfährt dadurch eine Fortsetzung, daß seine Endprodukte, also
                              									Helium- und Wasserstoffatome, sich in die Nullpunktsenergie des Aethers verwandeln.
                              									Aus letzterer bilden sich gelegentlich wiederum neue Atome chemischer Elemente.
                              									Diese vereinigen sich zu Sternen entsprechend der Kant-Laplaceschen Theorie. Sie
                              									sind sehr stark radioaktiv und ermöglichen dadurch die lange Strahlungsdauer der neu
                              									gebildeten Himmelskörper. Allmählich werden die Elemente der genannten Art immer
                              									seltener, und es tritt langsames Erkalten und weiterer radioaktiver Abbau ein, bis
                              									der neugebildete Stern wieder verschwunden ist. Wie man sieht, beseitigt diese
                              									Hypothese die Möglichkeit, daß sich alle Materie schließlich in die Endprodukte des
                              									radioaktiven Zerfalles verwandelt. Sie läßt auch die Befürchtungen hinsichtlich des
                              									Wärmetodes verschwinden. Der Aether gibt die in ihn hinausgestrahlte Energie wieder.
                              									Sie ist nicht verloren, sondern wird zur Erschließung neuer Wärmequellen verwertet.
                              									Die im Weltraum verflüchtigte Materie kehrt zurück, indem sie zur Bildung neuer
                              									Sterne dient. Nun könnte man gegen die Nernstsche Theorie einwenden, daß ihr
                              									experimenteller Nachweis fehlt. Noch nie ist das Verschwinden eines Helium- oder
                              									Wasserstoffatomes oder die Neubildung der Bausteine eines chemischen Elementes
                              									beobachtet worden. Ein derartiger Einwurf wäre unbegründet. Wie Nernst am genannten
                              									Orte zeigt, könnte nämlich ein solches Ereignis innerhalb eines Raumes von 100
                              										dcm3 viel seltener als einmal in 1000
                              									Jahrmillionen eintreten, ohne daß seine Hypothese erschüttert würde. Dieser
                              									Nachweis, auf den hier nicht weiter eingegangen werden kann, stützt sich auf die
                              									ungeheure Dauer des radioaktiven Zerfalls. Sehr gut vereinbar mit der neuen Theorie
                              									ist die Tatsache, daß in den Meteoriten Elemente von großem Atomgewicht fehlen. Es
                              									besteht nämlich der radioaktive Abbau darin, daß sich Elemente von höherem in solche
                              									von kleinerem Atomgewicht spalten. Wenn nun die Meteorite tatsächlich Bruchstücke
                              									erloschener Sterne sind, so müssen sich zufolge der Hypothese von Nernst in ihnen
                              									radioaktive Vorgänge von endloser Dauer vollzogen haben, die das Verschwinden der
                              									Grundstoffe von hohem Atomgewicht zur Folge hatten. Nicht unerwähnt möge es zum
                              									Schlüsse bleiben, daß Nernst an der Existenz des Aethers festhält. Seine Anschauung
                              									wird von vielen hervorragenden Physikern geteilt, während sie bekanntlich von
                              									anderer Seite vor einigen Jahren Angriffe erlitt, die durch populäre Artikel in
                              									Tageszeitlungen eine weitere Verbreitung erfuhren, als bei wissenschaftlichen Fragen
                              									sonst üblich ist.