| Titel: | Industrielles Neuland am Niederrhein und seine geologischen Grundlagen. | 
| Fundstelle: | Band 341, Jahrgang 1926, S. 273 | 
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                        Industrielles Neuland am Niederrhein und seine
                           								geologischen Grundlagen.
                        Von Bergwerksdirektor W. Landgraeber.
                        LANDGRAEBER, Industrielles Neuland am Niederrhein.
                        
                     
                        
                           Auf der ganzen Welt dürfte es wohl kaum ein Gebiet geben, das einen so reichen
                              									Bergsegen in seinem tiefern Untergrunde birgt, wie die Gegend von Wesel am
                              									Niederrhein. Nach jahrelangen unsagbaren Schwierigkeiten ist es nunmehr gelungen,
                              									die ersten Schächte bis in diese wertvollen Lagerstätten niederzubringen, so daß mit
                              									der Ausbeutung begonnen werden kann. Ein industrielles Neuland ist somit im Stadium
                              									des Entstehens.
                           Am geologischen Aufbau des in Rede stehenden zukünftigen Bergbaubezirks, in dem
                              									gleichzeitig ein Abbau auf Kali- und Steinsalze sowie auf Steinkohlen betrieben
                              									wird, beteiligen sich Karbon, Zechstein, Abschnitte der Trias, der Kreide und des
                              									Tertiärs.
                           Ueberall verdeckt eine mächtige Lage von Schottern aus „Südlichem Diluvium“
                              									und „Nördlichem Diluvium“ sowie von Alluvium die vordiluvialen Schichten.
                           Mit wenigen Abweichungen ähnelt das Steinkohlengebirge des Bezirks dem im
                              									eigentlichen Ruhrkohlenrevier in Ausbeutung stehenden „Produktiven“.
                              									Unproduktives Karbon, das sogen. Flözleere, ist bisher noch an keiner Stelle erbohrt
                              									worden. Hier finden sich ebenfalls Kohlenflöze mit Sandstein- und Schieferschichten
                              									sowie mit Konglomeraten in Wechsellagerung. Den charakteristischen Merkmalen sowie
                              									das vorwiegende Auftreten von Sandsteinpartien in der Magerkohlengruppe, den
                              									Konglomeraten, typischen marinen Sedimenten, flözleeren Gebirgsmitteln oberhalb wie
                              									unterhalb der Fettkohlenpartie, sowie den eigentümlichen Gruppierungen von Flözen an
                              									gewissen Stellen begegnet man auch hier. Sie alle sind gern gesehene Hilfsmittel bei
                              									der Flözidentifizierung.
                           Schätzungsweise steht die Magerkohlenpartie in einer Mächtigkeit von 1100 bis 1200 m
                              									an und die Fettkohlenpartie in etwa 520 m. Das Auftreten der jüngsten Gruppe des
                              									Produktiven, der Gas- und Gasflammkohle ist an Grabenversenkungen tektonischer Natur
                              									mit größerem Ausmaß gebunden, auf die im tektonischen Teil dieser Abhandlung noch
                              									besonders eingegangen werden soll. Die Mächtigkeit der anstehenden Gaskohle
                              									schwankt. Im Süden des Gebietes steht sie in bis zu 300 m mächtigen Schichten an. In
                              									den nördlichen bzw. nordwestlichen Gebieten des Kalireviers nimmt sie ab, dagegen
                              									nach Nordosten hin zu.
                           Die Anzahl der Flöze in der oberen Magerkohle und der unteren Fettkohle ist auffällig
                              									geringer, als in den gleichaltrigen Schichten des Ruhrreviers und demnach auch
                              									die Gesamtmächtigkeit des anstehenden Kohlenreichtums. Die höher gelegenen Zonen
                              									haben dagegen wieder einen größeren Gehalt an Kohlen, der stellenweise sogar das
                              									normale Verhalten übertrifft. Im allgemeinen kann von dem Kohlenreichtum gesagt
                              									werden, daß auf 1 qm dieses Gebietes etwa 100 t Kohlen zu gewinnen sind.
                           In diesem neuen Kalibergbaubezirk sind die salzführenden Schichten ganz überraschend
                              									beim Aufsuchen neuer Kohlenfelder in den unverritzten nordwestlichen Randgebieten
                              									des eigentlichen Ruhrkohlenreviers entdeckt. Der Wert der Grubenfelder hat dadurch
                              									naturgemäß eine ganz bedeutende Steigerung erfahren zumal sowohl Steinsalz wie
                              									Kalisalz in vorzüglicher Beschaffenheit und reichen Mengen erbohrt worden sind.
                           Die Ausbildung des Zechsteins in seiner Gesamtheit entspricht am meisten demjenigen
                              									deutschen Vorkommen, welches schon länger im Werratal bekannt und reichlich gut
                              									aufgeschlossen ist und mit dem Namen „Werravorkommen“ bezeichnet worden ist.
                              									Der Zechstein überlagert diskordant den alten zerstückelten und teilweise
                              									abgetragenen Rumpf des Steinkohlengebirges. Zwischen den Ablagerungen beider
                              									Formationen fehlen die Rotliegendschichten, wenigstens konnten sie bisher noch nicht
                              									sicher nachgewiesen werden. Die älteste Zechsteinschicht ist das
                              									Zechsteinkonglomerat, das nicht zum Rotliegenden gerechnet werden kann. Stellenweise
                              									sind unter demselben allerdings auffallend rotgefärbte, örtlich auftretende Ton- und
                              									Sandsteinschichten bemerkt worden, die infolge dieser merkwürdigen Beschaffenheit
                              									Veranlassung zu der Annahme geben konnten, man habe hier Rotliegendes anstehen. Es
                              									hat sich jedoch bald herausgestellt, daß diese Rotfärbung die gleiche Erscheinung
                              									ist, wie sie in mehreren anderen Kohlengebieten, wie z.B. bei Gladbeck, wahrgenommen
                              									worden ist. Diese geröteten Schichten gehören den Produktiven an. Ihre sekundäre
                              									Verfärbung kann von eingedrungenen Eisenoxydlösungen aus den hangenden,
                              									eisenhaltigen Schichten des Zechsteinkonglomerats herrühren. Sie kann aber auch
                              									ebenso gut von der Einwirkung der Salzlösungen stammen, die auf Spalten und
                              									Schnittflächen aus dem Salzlager in die Tiefe geführt wurden. Es ist auch nicht
                              									ausgeschlossen, daß neben der sekundären Rotfärbung nachträglich nochmals eine
                              									Umfärbung stattgefunden hat. Bei derartigen Vorgängen spielen besonders organische Substanzen durch
                              									ihre reduzierende Wirkung eine Rolle. Eisenoxyd kann auf diese Weise in Eisenoxydul
                              									umgewandelt werden, was mit einer nochmaligen Verfärbung verbunden ist.
                           Ueber dem Zechsteinkonglomerat lagern kupferschieferähnliche Gebilde. Man bezeichnet
                              									sie tunlichst mit sandigem Mergelschiefer, da in ihnen im Gegensatz zu dem
                              									vorwiegend tonigen mitteldeutschen Kupferschiefer sandige Beimengungen vorherrschen.
                              									Ein gewisser Kalkgehalt ist meist gut merkbar. Ueber diesem Mergelschiefer folgen
                              									die bekannten marinen Kalke, die sich durch einen erheblichen Fossilreichtum
                              									auszeichnen und darüber die salzführenden Schichten. Im engeren niederrheinischen
                              									Kalisalzprofil lassen sich drei Zonen unterscheiden, die allem Anschein nach der
                              									älteren Salzfolge angehören. Ueber einer unteren Steinsalzzone folgt eine mächtige
                              									Kalisalzzone, die hundert und mehr Meter mächtig ist und darüber wiederum eine
                              									Steinsalzzone. Bezüglich der Genesis kann auch jetzt ein abschließendes Urteil noch
                              									nicht abgegeben werden. Jedoch dürfte es sich kaum um deszendenten Zusammenfluß
                              									konzentrierter Laugen eines anderen abgetragenen Salzlagers handeln, wie von
                              									verschiedener Seite angenommen wird.
                           Die Salzgrenze unseres Zechsteinlagers läßt sich im Süden, Westen und Osten ziemlich
                              									genau angeben. Im Norden ist ihr Verlauf jedoch noch unsicher. Vermutlich geht die
                              									Salzverbreitung nicht über Linie Emmerich- Winterwysk hinaus. Ausgenommen an solchen
                              									Stellen, wo das gesamte Zechsteinvorkommen an Verwerfungen mit erheblicher
                              									Verwurfshöhe einen starken und plötzlichen Abbruch erlitten hat. Auch deckt sich die
                              									Grenze der Kalisalzverbreitung niemals mit der Steinsalzgrenze. Außerhalb der
                              									Grenzlinie finden sich infolge sehr erheblicher Zerstückelung des Salzlagers durch
                              									tektonische Einwirkung (Schollenbewegungen) noch einige kleine Salzpartien von dem
                              									Hauptlager abgetrennt. Ob bisher alle derartig gebildeten Salzinseln bekannt
                              									geworden sind, mag dahingestellt bleiben. Ausgeschlossen ist es nicht infolge der
                              									bisher planlos angesetzten Bohrungen.
                           Aus der Steilstellung der in manchen Bohrungen angetroffenen Salzschichten ist zu
                              									schließen, daß es am Niederrhein ebenfalls zu salzhorstartigen Aufpressungen
                              									gekommen sein muß. Infolgedessen wird man auch hier mit dynamometamorphen
                              									Umbildungen im Salzlager und regellosen Ablagerungen in den Salzstöcken zu rechnen
                              									haben. Ob und inwieweit dabei ausgesprochene Salzhutbildungen mit ihren gebrächigen
                              									und laugehaltigen Gebilden oberhalb und unterhalb des Salzspiegels am Salzkopf
                              									vorkommen, läßt sich heute noch nicht erkennen. Es wäre allerdings dem
                              									niederrheinischen Bergbau, der an und für sich schon genug mit unsäglichen
                              									Schwierigkeiten beim Schachtabteufen im Tertiär und Buntsandstein zu kämpfen hat, zu
                              									gönnen, daß ihm die Erschwernisse des Abteufens im Salzhut erspart blieben.
                           Im Profil des niederrheinischen Vorkommens folgen von oben nach unten:
                           
                              
                                 Obere Zechsteinletten
                                   35–  45 m
                                 
                              
                                 Plattendolomit
                                     5–    7 m
                                 
                              
                                 Untere Zechsteinletten
                                   25–  33 m
                                 
                              
                                 Steinsalz mit Kalisalz
                                 300–600 m
                                 
                              
                                 Anhydrit mit Dolomit
                                     8–  10 m
                                 
                              
                           Das Werraprofil setzt sich von oben nach unten folgendermaßen:
                           
                              
                                 Plattendolomit
                                   14–  22 m
                                 
                              
                                 Untere Zechsteinletten
                                   40–  60 m
                                 
                              
                                 Steinsalz mit Kalisalz
                                 200–300 m
                                 
                              
                                 Anhydrit mit Dolomit
                                     2–    5 m
                                 
                              
                                 Obere Zechsteinletten
                                   15–  20 m
                                 
                              
                           Das Salz des niederrheinischen Vorkommens ist durchweg sehr rein; das
                              									Hartsalzlager befindet sich an der Basis der Kalizone. Anhydritische Einlagerungen
                              									sind bisher weniger beobachtet worden.
                           Im niederrheinischen Salzprofil lassen sich wie gesagt drei Zonen unterscheiden: eine
                              									untere und eine obere Steinsalzzone, dazwischen eine mittlere Kalizone, die etwa ein
                              									Drittel des gesamten Salzgebirges einnimmt.
                           Das untere Steinsalz zeigt kleinspätige Textur, es ist zuckerkörnig bis
                              									kleinkristallinisch. Die Farbe ist grauweiß, stellenweise sogar fast reinweiß. In
                              									den unteren Partien ist dieses Salz ganz rein, nach oben hin treten indessen mehr
                              									oder weniger mächtige Kisseritschnüre auf. Die Färbung wird hier eine rötliche.
                           In der Kalizone nehmen diese Kieseritschnüre bedeutend zu. Sie machen hier bis zu ein
                              									Sechstel des Salzprofils aus.
                           In der Hauptsache besteht diese Zone aus Carnallit und Hartsalz. Das Hartsalzlager,
                              									das sich an der Basis befindet, wird aus zwei bisweilen auch drei Flözen von
                              									durchschnittlich einem Meter Mächtigkeit gebildet. Sie sind durch verschieden
                              									mächtige Steinsalzmittel voneinander getrennt. Das Hartsalz ist frei von Anhydrit.
                              									Es zeigt undeutliche Streifung und ist von kleinkristallinischer Textur. Der
                              									Chlorkaliumgehalt schwankt zwischen 10–30%.
                           Nach dem Hangenden zu schließt die Carnallitzone an, die das eigentliche Hauptsalz
                              									bildet, und an seiner intensiv roten Farbe leicht erkennbar ist. Es ist
                              									außerordentlich reiner Carnallit, der einen Chorkaliumgehalt von 24–27% besitzt.
                           In der über der Kalizone lagernden Steinsalzzone treten zuweilen noch Einlagerungen
                              									von Kalisalzen auf, die jedoch von untergeordneter Bedeutung sind. Die
                              									Kieseritschnüre sind hier vollständig verschwunden. Das Steinsalz hat im allgemeinen
                              									ein grobspätiges Gefüge. Nur an den Stellen der erwähnten Kalisalzstreifen weist es
                              									ein zuckerkörniges bis feinkörniges Aussehen auf. Die Farbe ist schwach rötlich.
                              									Ueber dem Steinsalz lagern roter Salzton und darüber Anhydrit.
                           Es darf wohl gesagt werden, daß hier ganz enorme Vorräte hochprozentiger Kalisalze
                              									anstehen, die den reichsten Vorkommen unseres Vaterlandes zuzurechnen sind. Auf der
                              									linken Rheinseite dürften in diesem Gebiete mit 13 Normalfeldern allein etwa 56
                              									Millionen Tonnen Kalisalz als anstehend anzunehmen sein, die selbst bei einem
                              									Abbauverlust von 50% noch 28 Millionen Tonnen Reinkali ergeben. Auf der rechten
                              									Rheinseite liegen die Verhältnisse ebenso günstig.
                           Es kommt ferner noch die Ablagerung von Steinsalz in Betracht, welches sowohl zu
                              									Sodaherstellung (Solvay-Werke, die mehr als 90% des Sodabedarfs der Welt herstellen)
                              									wie zu Siedesalz ausgezeichnet verwendbar ist.
                           Von den triassischen Bildungen nimmt der Buntsandstein den größten Teil ein, insofern
                              									als Muschelkalk und Keuper bisher nur in ganz geringer Verbreitung angetroffen
                              									worden sind. In dem überall auf dem Zechstein konkordant auflagernden Buntsandstein
                              									läßt sich eine Dreiteilung in unteren, mittleren und oberen Buntsandstein mit
                              									einiger Sicherheit vornehmen. Scharf ausgeprägte Begrenzungslinien sind allerdings
                              									kaum zu finden. Vom unteren Buntsandstein sind nur recht wenig Reste vorhanden. Er
                              									nimmt weiter östlich des in Rede stehenden Gebietes größere Mächtigkeiten an. Die
                              									Ursache dieser Erscheinung ist auf tektonische Einwirkung zurückzuführen.
                           Größere Verbreitung kommt dem mittleren Buntsandstein zu, der in Mächtigkeiten bis
                              									500 m und mehr auftritt. Leider hat sich im Laufe der letzten Jahre herausgestellt, daß
                              									seine petrographische Ausbildung so schlecht und für das Schachtabteufen so
                              									ungeeignet ist, daß nur mit Aufbietung aller technischen Hilfsmittel diesen
                              									Schwierigkeiten beizukommen ist. Die Sandsteine dieser Gebirgszone bestehen aus
                              									vorwiegend blaßroten, vereinzelt auch grünlichen, gelben bis weißen Bänken und
                              									Letteneinlagerungen. Das Bindemittel ist durchweg tonig-kalkig, jedoch stellenweise
                              									so gering, daß den einzelnen Schichten schwimmsandartiger Charakter zuzusprechen
                              									ist. Kieselige Bindemittel sind weniger wahrzunehmen. Von Bedeutung sind die
                              									Letteneinlagerungen in diesen Partien, da sie häufig wasserabschließend sind. Viele
                              									von ihnen sind allerdings nicht auf weiter Erstreckung durchgehend, wohl infolge
                              									ihrer fluviatilen Entstehung. Auf eine derartige Entstehung deuten wenigstens die
                              									konglomeratartigen Geröllelagen, sowie die vereinzelt auftretenden Gerölle hin.
                              									Typische Konglomeratschichten, wie sie in den weiter südlich gelegenen
                              									Buntsandsteingebieten anstehen, sind hier nicht vorhanden. Je weiter man nach Norden
                              									kommt, desto feiner wird die Körnigkeit und desto mehr findet eine Abnahme der
                              									gröberen Gerölle statt. Im Süden finden sich vorwiegend scharf ausgeprägte
                              									Konglomerate und grobkörnige Sandsteine. Im Norden befindet sich ein Buntsandstein,
                              									der fast geröllefrei und mittel- bis feinkörnig ausgebildet ist. Die bekannte
                              									Chirotherienzone ist am Niederrhein bisher noch nicht beobachtet worden. Als
                              									besonders fossilreiche hat sich der mittlere Buntsandstein nicht erwiesen. Um so
                              									reicher ist allerdings das Auftreten von Spalten und Haarrissen, die das Gestein
                              									geradezu durchschwärmen und mit schwachsalzigem Wasser sozusagen schwammartig
                              									vollgesogen sind. In dem Schacht II der Schachtanlage Wallach betrugen bei einem
                              									Wasserdurchbruch in 463 m die Wasserzuflüsse etwa 60 cbm in der Minute. Es werden
                              									dabei mehr als 700 cbm eingeschlemmt. Katastrophenartig brachen die in Spannung
                              									stehenden Wasser ein und füllten den Schacht in einer Stunde bis auf 80 m unter der
                              									Hängebank an.
                           Die Grenze zwischen mittlerem und oberem Buntsandstein ist wenig scharf ausgeprägt,
                              									da das charakteristische Hauptkonglomerat nicht zur Ausbildung gelangt ist. Die
                              									Letteneinlagerungen treten in dieser Zone, je weiter man nach oben kommt, allmählich
                              									immer mehr zurück. Dafür stellen sich salinische Bestandteile ein. Vor allen Dingen
                              									ist hier viel Gips als Bindemittel wie als Spaltenausfüllung vorhanden. Derartige
                              									gipsreiche Zonen sind sehr fest und wassertragend und daher für das Schachtabteufen
                              									von größter Bedeutung. Die in diesen Abschnitten auftretenden Spalten sind fast
                              									immer durch Gipsausscheidung zugeheilt. Beim Schachtabteufen benutzt man diese
                              									festen Schichten gern, um bei absatzweisem Gefrierverfahren die notwendigen
                              									Erweiterungen des Schachtes darin vorzunehmen. Wo die gipshaltigen Bindemittel
                              									fehlen, ist der obere Buntsandstein ebenso mürbe, gebrächig und wasserführend wie
                              									der mittlere Buntsandstein. Man weiß daher auch nie recht, ob man sich im mittleren
                              									oder oberen Buntsandstein befindet. Stellenweise bietet die auffallend rote Farbe
                              									der Rotschichten einen Anhaltspunkt.
                           Ueber die Verbreitung der Kreide im niederrheinischen Kalirevier herrschte noch bis
                              									vor kurzem Unklarheit. Allgemein wurde angenommen, daß die im Nünsterschen Becken zu
                              									großer Mächtigkeit gelangte Kreideformation ihre Begrenzung an einer Linie fände,
                              									die man sich etwa von Duisburg über Bucholt, Welmen bis Oeding gezogen dachte, so
                              									daß linksrheinisch Schichten dieser Formation nicht mehr vorhanden seien. Es ist
                              									jedoch gelungen, aus den Aufschlüssen der Schächte den Nachweis der
                              									Kreideverbreitung auf der linken Rheinseite zu erbringen. Zum Glück sind die
                              									Kreideschichten, von denen gewisse Zonen, wie Turon und Emscher ebenfalls wegen
                              									ihrer Wasserführung als Gefahrenzone beim Schachtabteufen zu betrachten sind, im
                              									Deckgebirge des niederrheinischen Kalireviers nur schwach mächtig vertreten. Von
                              									Osten nach Westen, also zum Rhein hin, nimmt die Mächtigkeit der einzelnen
                              									Kreideabschnitte verhältnismäßig schnell ab, unter Hervortreten eines mehr oder
                              									weniger deutlich merkbaren Wechsels in der faciellen Ausbildung. Von den
                              									spaltenreichen Turon-Kalkmergeln ist in unserem Kalirevier nicht viel vorhanden. Es
                              									lassen sich jedoch in der Gegend von Bucholt-Welmen noch die bekannten Kreidestufen
                              									Emscher, Turon und Cenoman feststellen. Diese Schichten sollten nach früheren
                              									Ansichten an einer sog. Kontinentalgrenze des Kreidemeeres, die man sich als eine
                              									bogenförmige Linie von Oeding, Südlohn, Stadtlohn dachte, ihre Begrenzung finden.
                              									Durch den Kreidefund bei Borth dürfte sich diese Annahme als irrig ergeben haben.
                              									Das dort gefundene Gesteinsmaterial lagert mit gewaltiger Schichtenlücke direkt auf
                              									oberen Buntsandstein. Es ist wegen der reichen Glaukonitführung und seiner
                              									grünlichen Farbe als Grünsand zu bezeichnen und scheint dem Cenoman anzugehören. An
                              									der Grenze zum Buntsandstein findet sich ein fest verkittetes Konglomerat aus
                              									Grünsand und anderen schwärzlichen kalkigen Gesteinen, die aus älteren Schichten
                              									stammen. In dieser auffälligen Erscheinung ist zweifellos eine Unregelmäßigkeit in
                              									der Ausbildung zu erblicken. Diese Tatsache ist insofern sehr wichtig, als ähnliche
                              									Schichten, in denen bisher keine Fossilien gefunden wurden, und die man deshalb
                              									einfach zum Tertiär stellte, jetzt stratigraphisch richtig eingereiht werden können
                              									und als zur Kreide gehörig anzusehen sind. Man muß sich jedoch davor hüten, um jede
                              									in den Bohrregistern als „festes toniges Gestein“ oder „Mergelgestein“
                              									bezeichnete Schichten als zur Kreide gehörig anzusehen. Derartig bezeichnete
                              									Schichten haben bei oberflächlicher Betrachtung außerordentlich große Aehnlichkeit
                              									mit den Kreide-Grünsanden. Die Bezeichnung „Grünsand“ ist darum wenig
                              									zutreffend und führt leicht zu Irrtümern. Die meisten unter den obengenannten Namen
                              									angetroffenen Gesteine gehören dem Unteroligozän an.
                           Die Verbreitung der Kreide ist ebenso wie die des Muschelkalks, des Keupers und der
                              									jurassischen Gebilde eine sehr beschränkte. Meist liegt das Tertiär direkt auf dem
                              									Buntsandstein.
                           In allen Gebirgsschichten, die bislang mit Schächten durchteuft worden sind, haben
                              									die losen wasserreichen Bildungen des niederrheinischen Tertiärs dem
                              									Schachtbautechniker die größten Sorgen bereitet. Sie reichen bis in Teufen von 300
                              									Meter und mehr hinab. Die ältesten bisher bekannt gewordenen Glieder dieser
                              									Formation gehören dem Unteroligozän an. Es sind helltonige Schwimmsande, die mit
                              									einer vorzüglich erkennbaren Geröllschicht meist direkt auf dem Buntsandstein
                              									lagern. In den höheren Schwimmsanden finden sich neben Tier- und Pflanzenresten noch
                              									Brennkohleneinlagerungen in Linsen und Lagern vor. Die Braunkohle ist erdig
                              									beschaffen und von schwarzer Farbe. Ihrem Alter nach wird es sich um gelagerte Reste
                              									der subhercynischen Braunkohlenformation handeln. Dem Unteroligozän fiel die Aufgabe
                              									zu, die durch die tektonischen Einwirkungen entstandenen Unebenheiten des älteren
                              									Untergrundes wieder auszufüllen. Daher sind diese Schichten in den verschiedenen
                              									Gräben- und Horstgebieten in ihrer Mächtigkeit vielfach schwankend ausgebildet.
                              									Ueber dem Unteroligozän verbreitet sich allem Anschein nach transgredierend das
                              									Mitteloligozän. Es bildet gewissermaßen einen Leithorizont in dem stratigraphisch
                              									schwer einzuordnenden Schichtenverband. In ihrer gewaltigen Mächtigkeit – im
                              									Bereiche der Schächte der Anlage Borth und Wallach stehen sie etwa 130 m stark an –
                              									gelten sie als wasserabschließend. Sie verhindern ein Durchsickern des Tagewassers
                              									ins tiefere Erdreich und mithin in die Lagerstätten.
                           Bedeckt werden diese Tone und tonigen Sande von Oberoligozän. Waren erstere
                              									verhältnismäßig versteinerungsarm, so finden sich hier außerordentlich große
                              									Reichtümer an Resten ehemaliger Meeresbewohner vor. Ganze Bänke von Muschel- und
                              									Schneckenschalen wurden in den verschiedensten Teufenabschnitten angetroffen. Der
                              									Bergmann bezeichnet diese fossilreichen Lager schlechthin mit
                              									„Muschelbänken“. Gestrandete Holztrümmer, die von Bohrwürmern (Teredo)
                              									vollständig durchfressen sind, werden allenthalben darin gefunden, ebenso Reste von
                              									Fischknochen, Zähne und Fischwirbel.
                           Noch reicher an Fossilien der Tertiärzeit sind die stellenweise über dem Oligozän
                              									erhalten gebliebenen schwarzbraunen Glimmersande des Mittelmiozäns. Aus den
                              									Schächten der Anlage Borth und Wallach sind etwa 1000 verschiedene Arten
                              									Tertiärfossilien gesammelt. Pliozäne Gebirgsschichten sind verhältnismäßig selten
                              									anzutreffen. Wo sie bisher gefunden wurden, standen sie ebenfalls als lockere Masse
                              									an.
                           Größere Verbreitung weisen die diluvialen Absätze auf. Die diluvialen Ablagerungen
                              									der Rheinniederung bestehen vorwiegend aus dem Material der Niederterrasse. Die
                              									randlichen Hügel der Rheinebene bestehen aus Sanden und Kiesen von Rheinterrassen
                              									und Glazialdiluvium. Die Hügel der linken Rheinseite werden als Sander ehemaliger
                              									nordischer Gletscher angesehen. Bergwirtschaftlich soll das Material dieser Berge
                              									beim späteren Abbau dieses industriellen Neulandes als Versatz, d.h. Füllmittel der
                              									ausgebeuteten Grubenräume verwandt werden. Die meisten Werkbesitzer, die hier
                              									Grubenfelder erworben haben, sicherten sich bereits einen erheblichen Teil dieser
                              									Kies- und Sandhügel.
                           Wie im vorstehenden bereits mehrfach erwähnt wurde, ist das geologische Gerüst
                              									unseres Kalireviers keineswegs ein einfaches Gebäude. Vielmehr ist der Boden in fast
                              									allen erdgeschichtlichen Perioden von mehr oder weniger starken Erdbewegungen
                              									heimgesucht worden. Wir haben es hier mit einem ausgeprägten Schollenbau zu tun,
                              									dessen einzelne Schollen in kaum zu entwirrender Weise bewegt wurden. Soweit sich
                              									die Lage bisher beurteilen läßt, traten sicherlich schon in der Spätkarbonzeit
                              									Verwerfungslinien auf. Von einer Faltung der Karbonschichten, wie sie im Ruhrrevier
                              									anzutreffen ist, und dort eine Gliederung in weitausholende Sättel und Mulden
                              									hervorgerufen hat, ist bisher nur wenig wahrgenommen. Es ist hier höchstens zur
                              									Bildung von sanft mulden- und sattelförmigen Senkungen und Hebungen gekommen, die
                              									entweder im Spätkarbon oder zur Zeit des Rotliegenden entstanden sind. Um so
                              									tiefgreifender ist das alte Grundgebirge von Verwerfungen betroffen. Sie haben den
                              									Karbonkörper in mehrere tektonische Elemente, in Horste und Gräben, gegliedert
                              									Selbstverständlich kann heutigentags eine Einteilung und auch eine Begrenzung nur
                              									erst mit knappen Strichen angedeutet werden und auch nur so weit als sich die
                              									hervorragendsten Horste und Gräben durch Oberflächenkartierung des Karbons
                              									feststellen lassen. Meist ist jedoch das genaue Ausmaß der Verwerfungen noch nicht
                              									festzustellen. Die Solvay-Rheinpreußen-Störung, wohl die bedeutendste in unserem
                              									Kalirevier, hat bei den Alpen eine Verwurfshöhe von etwa 300 m.
                           Es ist ganz natürlich, daß bei der späteren Aufschließung der Gebiete durch
                              									Grubenbaue neben den Hauptverwerfungen noch eine große Anzahl ebenfalls hercynisch
                              									gerichteter Bruchlinien im Karbon in Erscheinung treten werden. Mit ihnen sind
                              									Zerbrechungen, Spezialhorste, Spezialgräben, Treppenbrüche und Staffelbruchzonen
                              									verknüpft. Das Einfallen dieser Bruchlinien ist gewöhnlich recht steil. Jedoch
                              									dürften die Fallwinkel Aenderungen unterworfen sein. Die Verwerfungen sind niemals
                              									völlig ebene, glattwandig in die Tiefe hinabreichende Flächen, sondern wellig
                              									gebogene Bruchflächen. Nicht allein vor Ablagerung des Zechsteins sind derartige
                              									Bewegungen eingetreten, wir können tektonische Schollenbewegungen und Verschiebungen
                              									an den Querbrächen in fast allen geologischen Perioden erkennen. Diese
                              									Krustenbewegungen machen sich bis in die Diluvialzeit hinein bemerkbar. Die
                              									tektonische Anlage der heutigen Horste und Gräben ist hauptsächlich präoligozän. In
                              									nacholigozäner Zeit ist meist eine Abnahme in der Wirksamkeit der Bruchbildung aus
                              									Querverwerfungen zu erkennen. Den Haupteffekt erreichen die tektonischen
                              									Gebirgszerreißungen in der Jurazeit und zwar wahrscheinlich in deren jüngeren
                              									Abschnitt. Als Nachklänge der als jungjurassisch bestimmbaren Bodenbewegungen
                              									könnten vielleicht noch senome und auch lozäne Dialokationen in Erwägung zu ziehen
                              									sein. Die Abtragung der emporgehobenen Massen und die damit jeweils verbundene
                              									Entlastung werden auch dazu beigetragen haben, die Wirksamkeit der Verschiebungen zu
                              									beeinflussen. In wieweit die dynamometamorphen Vorgänge in den Salzlagern bei
                              									Aufpressung von Salzhorsten auf die tektonische Beschaffenheit unseres Kalireviers
                              									eingewirkt haben, läßt sich heute noch nicht beurteilen.
                           Die Erdbewegungen in der Oligozänzeit, welche unser Gebiet zwischen den Ablagerungen
                              									der Mittel- und Oberoligozänzeit zum Festland emporgehoben haben und in der
                              									Oligozänzeit die mehrfachen Strandverschiebungen verursachten, scheinen
                              									schaukelförmig gewesen zu sein. Jedoch dürften die postoligozänen Dislokationsphasen
                              									wiederum an Bedeutung den präoligozänen nicht viel nachstehen. Sie erzeugten die
                              									Sprünge mit ostwestlichen Streichen, die ebenso wie die hercynisch gerichteten
                              									stellenweise ganz gewaltigen Verwurfshöhen ausweisen.
                           In allen genannten Bewegungsepochen fand meist ein Wiederaufreißen entlang der alten
                              									karbonischen Verwerfungslinien statt, zu denen sich zweifellos jedesmal noch neue
                              									hinzugesellten. Besonders die triassischen Ablagerungen, wie der Buntsandstein, der
                              									auf den geringsten Druck hin gern zu Spaltenbildung neigt, ist dadurch arg in
                              									Mitleidenschaft gezogen. Seine zahllosen Wasserklüfte und Haarrisse, die dem
                              									Schachtabteufen so unendliche Schwierigkeiten bereiten, sind lediglich ein Erzeugnis
                              									dieser Krustenbewegungen. Dadurch, daß in den ruhigeren Zwischenräumen ein großer
                              									Teil der aufgerichteten Horste eingeebnet wurde, sind manche für die Erkennung der
                              									tektonischen Verhältnisse wichtige Erscheinungen verwischt.